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IklllEHIK DER HISSEYSIlllUm
MATHEMATISCH-NATUHWISSENSCHAFTLICIIE CLASSE.
VIERZIGSTER BAND.
WIEN.
AUS |)K|{ K. K. HOF- UNI) STAA TSDHUCKKRKI.
IN CO.MMISSIOM BEI KAIII. GEROLD'S SOHN. BUCHHÄNDLER DKR KAIS. AKADEMIE
DER WISSENSCHAFTEN.
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SITZINGSBERICHTE
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MATHEMATISCH-NATURWISSENSCHAFTLICHEN
CLASSE
DER KAISERLICHEN
'".'
AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.
vierzigster band.
Jahrgang 1860. — Heft 7 bis 12.
(Hit 44 CnMtt nnb 1 lottf.)
WIEN.
AUS DER K. K. HOF- UND STAATSDRUCKEREI.
IN COMMISSION BEI KARL GEROLD'S SOHN. BUCHHÄNDLER DER KAIS. AKADEMIE
DER WISSENSCHAFTEN.
1860.
III
INHALT.
Seite
Sitzung' vom 8. März 1860: Übersicht 3
Haidinger, Ăśber das Cocain, eine organische Base in der Coca. 7
— Sammlung recenter Conchylien. Geschenk von Sir Wil-
liam Th. Denison in Sydney 12
— Der Hürnesit, eine neue von Herrn Professor Dr. G. A.
Kenngott bestimmte Mineralspecies 18
v. Littrow , Ăśber das Mikrometer mit lichten Linien bei den
Wiener Meridian-Instrumenten. (Mit 1 Tafel.) 27
Hochleder, Ăśber das Vorkommen des Fraxin in der Rinde von
Aesculus Hippocastanum 37
Kner , Zur Charakteristik und Systematik der Labroiden. (Mit
2 Tafeln.) 41
v. Sonklar, Über die Änderungen der Temperatur mit der Höhe.
(Auszug aus einer fĂĽr die Denkschriften bestimmten
Abhandlung.) 58
Pohl, Ăśber mikroskopische Probeobjectc, insbesonders Nobert's
Testobject-Platte 63
Fritsch, Nachricht von den in Ă–sterreich im Laufe des Jahres
1858 angestellten philologischen Beobachtungen. (Mit
einer Ăśbersichtstafel.) 98
Sitzung vom 15. März 1860: Übersicht 105
Tschermak, Ăśber Calcitkrystalle mit Kernen. (Mit 1 Tafel.) . . 109
— Über secundäre Mineralbildungen in dem Grünsteingebirge
bei Neutitschein. (Mit 2 Tafeln.) 113
Reuss, Die Foraminiferen der westphälischen Kreideformation.
(Mit 13 Tafeln.) 147
Schneider, Ăśber das chemische und elektrolytische Verhalten
des Quecksilbers bezĂĽglich dessen Nachweisbarkeit im
Allgemeinen und in thierischen Substanzen insbesondere 239
Schreiben des Herrn A.Aguilar, Directors der königl. Sternwarte
zu Madrid an das w. M. Herrn K. v. Littr ow 270
IV
Seite
Sitzung; vom 22. März 1860: Übersicht 271
Hyrtl, Ăśber Wirbelsynostosen und Wirbelsuturen bei Fischen.
(Auszug aus einer fĂĽr die Denkschriften bestimmten
Abhandlung.) 273
Weiss und Wiesner, Vorläufige Notiz über die directe Nachwei-
sung des Eisens in den Zellen der Pflanze 276
Schöbt, Typhloniscus. Eine neue blinde Gattung der Crustacea
Isopoda. (Mit 10 Tafeln.) 279
Molin, Trenta specie di Nematoidi 331
Sitzung; vom 12. April 1860: Ăśbersicht 359
Einbrodt, Ăśber den Einfluss der Athembewegungen auf Herz-
schlag und Blutdruck. (Mit i Tafel und 1 Holzschnitt.) 361
Kner , Ăśber Belonesox belizarms , nov. gen. et spec. aus der
Familie der Cyprinodonten. (Mit 1 Tafel.) 419
— Übersicht der ichthyologischen Ausbeute wahrend der
Reise Sr. kais. Majestät Fregatte Novara 423
Suess , Ăśber die Spuren eigentĂĽmlicher Eruptions-Erschei-
nungen am Dachstein- Gebirge 428
Sitzung; vom 19. April 1860: Ăśbersicht 443
Frauenfeld, R. v., Diagnosen einiger neuer Insecten und Unter-
suchung mehrerer Sandproben verschiedener KĂĽsten-
punkte, gesammelt während der Reise Sr. Majestät Fre-
gatte Novara 447
Stur, Beiträge zu einer Monographie des Genus Astrantia. (Mit
1 Karte.) 469
Haidinger, Eine Leitform der Meteoriten. (Mit 2 Tafeln.) . . . 525
Sitzung; vom 26. April 1860: Ăśbersicht 537
Hauer, Karl Bitter v. , Krystallogenetische Beobachtungen.
II. Reihe. (Mit 2 Tafeln.) 539
Steindaehner , Beiträge zur Kenntniss der fossilen Fischfauna
Ă–sterreichs. Dritte Folge. (Mit 3 Tafeln.) 555
Kolenati, Beiträge zur Kenntniss der Arachniden. (Mit 3 Tafeln.) 573
Molin, Primitiac Musei Archigymnasii patavini 582
Hauer, Karl Ritter v. , Krystallogenetische Beobachtungen.
III. Reihe. (Mit 1 Tafel.) 589
Helmholtz und v. Piotrowski, Ăśber Reibung tropfbarer FlĂĽs-
sigkeiten. (Mit 2 Tafeln.) 607
SITZUNGSBERICHTE
KAISERLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.
MATHEMATISCH - NATURWISSENSCHAFTLICHE CLASSE.
XL. BAND.
SITZUNG VOM 8. MÄEZ 1860.
N° 7.
VII. SITZUNG VOM 8. MÄRZ 1860.
Das hohe Ministerium des Innern ĂĽbermittelt mit Zuschrift
vom 16. Februar den ersten Theil eines durch die königl. nieder-
ländische Gesandtschaft für die kaiserl. Akademie eingelangten
Werkes von J. Bosquet: „Monographie des Brachiopodes fossiles
du terrain cretace superieur du duche de Limbourg".
Das w. M. Herr Prof. Dr. Roc bieder in Prag sendet eine
Note: „Über das Vorkommen des Fraxin in der Rinde von Aesculus
Ilippocastamim" .
Herr W. Z eng er, Lehrer der Physik am k. k. Gymnasium
zu Neusohl, ersucht um Aufnahme einer Abhandlung: „Über die
Bewegung der Lichtwellen in anisotropen Medien" in die Schriften
der Akademie.
Das w. M. Herr Director v. Littrow liest: „Über das Mikro-
meter mit lichten Linien bei den Wiener Meridian -Instrumenten".
Das c. M. Herr Bergrath Franz R. v. Hauer legt im Namen
des Herrn Hofrathes Haidinger folgende Mittheilungen vor:
1. Ăśber das Cocain, eine organische Base in der Coca, von dem
c. M. Geheimen Medicinalrath Wühler in Göttingen;
2. Sammlung recenter Conchylien, Geschenk von Sir William
Th. Denison, Gouverneur von Sydney;
3. Der Hörnesit, eine neue von Herrn Prof. Kenngott bestimmte
Mineralspecies.
Herr Ritter v. Hauer überreicht ferner einen „Nachtrag zur
Kenntniss der Cephalopoden- Fauna der Halstätter Schichten".
Das c. M. Herr Prof. Dr. Kner liest eine Abhandlung: „Zur
Charakteristik und Systematik der Labroiden".
4
Herr Dr. G. Tschermak ĂĽbergibt zwei Abhandlungen:
i. Über secundäre Mineralbildungen im Griinsteingebirge bei
Neutitschein ;
2. Ăśber Calcitkrystalle mit Kernen.
An Druckschriften wurden vorgelegt:
Akademie, königl. Preussische. Monatsbericht, Dec. 1859; 8°-
Astronomical Journal, The, edited bv B. A. Gould. Nr. 130.
Vol. VI, Nr. 10. Cambridge, 1859; 4°-
Astronomische Nachrichten, Peters. Nr. 1235 — 37. Altona,
1860; 4o-
Bosquet, J., Monographie des Brachiopodes fossiles du terrain
cretace superieur du duche de Limbourg. Premiere partie:
Craniadae et Terebratulidae (subfamilia Thecidiidae). (Extrait
du troisieme volume des Memoires pour servir ä la description
geologique de la Neerlande.) Haarlem, 1859; 4°-
Cosmos.IX. annee, XVI. vol. , livr. 7— 9. 1860; 8°-
Geologische Reichsanstalt, k. k. Jahrbuch, X. Jahrgang, Nr. 3.
1859; 8°- —Sitzung am 31. Jänner 1860; So-
Gesellschaft, königl. baier. botanische, zu Regensburg. Flora,
oder allgemeine botanische Zeitung; red. von Dr. A. E. Fiirn-
rohr. Regensburg, 1859; 8°- — Denkschriften, Band IV,
Abth. 1 ; 4o-
— k. k. mährisch -schlesische zur Beförderung des Ackerbaues,
der Natur- und Landeskunde in Brunn. Mittheilungen. Interim.
Hauptredacteur H. Weber. Jahrgang 1859; 4°-
Halle- Wi ttenberg, Universität. Akademische Gelegenheits-
schriften.
Istituto Veneto, I. R., di scienze, lettere od arti. Atti. Tomo V,
serie terza, disp. 3. Venezia 1859- 60;.8<>-
Jahrbuch, Neues, für Pharmacie und verwandte Fächer. Heraus-
gegeben von G. F. Walz und F. L. Winkler. Band XXIII,
Heft 1. Januar. Heidelberg, 1860; So-
Land -und forstwirtschaftliche Zeitung, Allgemeine; red. von Dr.
J. Arenstein. Jahrgang X, Nr. 6, 7. Wien, 1860; So-
Mittheilungen aus Jtisttis Perthes' geographischer Anstalt, von
Dr. A. Petermann. Jahrgang 1860, II. 4n-
Societe Imp. des seiences naturelles de Cherbourg. Memoires.
Vol. II, 1854, und Vol. V, 1857. Cherbourg; So-
So ci et e Imp. des Naturalistes de Moscou. Nouveaux memoires.
Tome XII. Moscou, 1860; 4<>-
Verein fĂĽr Naturwissenschaften zu Hermannstadt. Verhandlungen
und Mittheilungen, Jahrgang X, Nr. 7—12. 1859; 8°.
— Österreichischer Ingenieur-, Zeitschrift; red. von J. Herr.
Jahrgang XI, December 1859.
Wiener medizinische Wochenschrift; red. von Dr. Witt eis höf er.
Jahrgang X, Nr. 7—9; 1860; 4°-
ABHANDLUNGEN UM) MITTHEILUNGEN.
Ăśber das Cocain, eine organische Base in der Coca.
Schreiben des correspondirendcn Mitgliedes
Fr. Wöhler an W. Haidinger,
wirkliches Mitglied der kaiserliche!! Akademie der Wissenschaften.
VORWORT.
Von dem w. M. Vf. Haidinger.
Indem ich der hochverehrten mathematisch -naturwissenschaft-
lichen Classe das werthvolle Schreiben meines hochverehrten Freun-
des Wöhler überreiche, erlaube ich mir einige Worte über den
Antheil zu sagen, welchen ich selbst dabei genommen, und der Ver-
anlassung war, dass es mir gegönnt ist die erste Kunde über die
Eigenschaften dieses merkwürdigen Körpers, des Cocain 's, vorzu-
legen. Schon während der Vorbereitung für die Erdumsegelung hatte
Wöhler in einem Schreiben den Wunsch ausgesprochen, von die-
ser so vielfältig besprochenen Pflanze durch die „Novara" Material zur
chemischen Untersuchung zu erhalten. Herr Dr. Scherz er hatte in
einer Sitzung (am 7. April, Mittheilungen 1857, Bd. I, St. 130) der
k. k. geographischen Gesellschaft die Erwerbung von Coca zu Ver-
suchen aller Art als eine der Aufgaben hingestellt. Während der
Zeit der Reise glaubte ich der unmittelbare Bezug könnte rascher
noch zum Ziele fĂĽhren, und wurde dabei auf das Freundlichste
von unserem hochverehrten correspondirenden Mitgliede Herrn
Dr. J. J. von Tschudi unterstĂĽtzt, der selbst zu diesem Zwecke an
seinen Freund Herrn Mariano de Rivero , damals Generalconsul der
(S{ II a i il i u g e r.
Republik Peru in BrĂĽssel , schrieb. Der leider zu frĂĽh eingetretene
Tod dieses hochverdienten Mannes unterbrach die eingeleiteten
Schritte. Als aber Herr Dr. Scherz er im Mai 1859 die „Novara"
in Valparaiso verliess, und ĂĽber Lima und Panama nach Europa
ging, anstatt die Fregatte um das Cap Hörn herum zu begleiten,
so erwarb er nicht nur eine gute Partie Coca, sondern er sah auch
die Ungelegenheit, einen Theil als Passagiergut mit sich zu fĂĽhren,
nicht fĂĽr zu gross an, um sie nur ja gewiss frisch und im guten
Zustande nach Europa zu bringen. Anfangs September kam Dr.
Scherzer in Wien an. Am 13. holte ich ihn in seiner Wohnung
ab, wir nahmen die Kiste Coca mit in die k. k. geologische Reichs-
anstalt. Dort wurde sie eröffnet, die äussere Holzkiste und sodann
das innere verlöthete Weissblech-Behältniss. Es wurde ein Theil
des Inhaltes herausgenommen zur Ăśbergabe an die Herren k. k.
Regierungsrath Professor K. D. Schroff, k. k. Professor Redten-
b ach er u. s. w., und ohne den Inhalt an Blättern auszuleeren, sandte
ich den Rest, der Schätzung nach etwas mehr als die Hälfte des
Ganzen (einer „Arroba" = 20*573 Wiener Pfund) an meinen hoch-
verehrten Freund Wöhler nach Göttingen ab. Durch die Erd-
umsegelung der k. k. Fregatte „Novara", unter unseres trefflichen,
unternehmenden Dr. Scherzer's aufmerksamer Sorgfalt, ging auf
diese Weise der Wunsch unseres Wöhler in Erfüllung. Nur wenige
Wochen später, am 9. October, sandte mir auch Herr von Tschudi
ein Packetchen Coca, etwa ein Pfund, das er selbst von seiner letzten
sĂĽdamerikanischen Reise mitgebracht , und das ich gleichfalls an
Freund Wöhler spedirte. Auch die von einem bolivianischen Che-
miker dargestellte „Cocaina" hatte Herr von Tschudi an Wöhler
gesandt, die sich aber, wie Letzterer fand, als Gyps erwies, wie
dieses Herr v. Tschudi selbst in einer frĂĽheren unserer Sitzungen
mittheilte. So war es mir vergönnt, gewissermassen als verbinden-
des Glied zwischen den mit Wien und dem Kaiserreiche zusammen-
hängenden Unternehmungen einerseits und dem Orte der chemischen
Untersuchung Göttingen andererseits zu wirken , ohne doch selbst
einen Antheil von Arbeit als eben diese Vermittlung mein nennen zu
dĂĽrfen. Aber gerade diese ist es, welche meinen hochverehrten
Freund Wöhler bestimmte, an mich sein Schreiben zu richten,
wofĂĽr ich ihm hier meinen innigsten Dank darbringe.
Ăśber das Cocain , eine organische Substanz in der Coca. {)
Gottlngen, am 28. Februar 1860.
ĂĽie wunderbaren physiologischen Wirkungen, welche von der
Coca, den Blättern von Erythroxylon Coca, berichtet werden, und
welche diese Pflanze in SĂĽdamerika zu einem Gegenstande der Cul-
tur und des Handels gemacht haben, Hessen schon im Voraus darin
einen besonderen organischen Korper als das eigentlich wirksame
Princip vermuthen, von dem mit grosser Wahrscheinlichkeit anzu-
nehmen war, dass er zur Classe der organischen Basen gehören
werde. Auch sind zur Auffindung dieses wirksamen Bestandteiles
bereits verschiedene Versuche gemacht worden, von denen aber
keiner zu einem positiven Resultate gefĂĽhrt hat, vielleicht weil zu
kleine Mengen der Blätter oder zu alt gewordenes Material zur
Untersuchung genommen wurden. Diese letzteren Schwierigkeiten
sind nun durch die grosse Quantität Coca beseitiget worden, welche
Sr. k. k. Apostolischen Majestät Fregatte „Novara" von ihrer Reise
um die Erde mitgebracht, und wovon mir eine Partie durch die
Direction der k. k. geologischen Reichsanstalt freundlichst zugesendet
worden ist. Überhäuft mit zu vielen anderen Obliegenheiten, war
ich nicht im Stande diese interessante Arbeit selbst vorzunehmen.
Ich ĂĽbertrug sie einem der Assistenten am hiesigen Laboratorium,
Herrn Niemann, der, vollkommen geĂĽbt indergleichen Untersu-
chungen, dieselbe mit grossem Geschick und rĂĽhmlichster Ausdauer
ausgefĂĽhrt hat, und dem es gelungen ist in der Coca in der That
eine eigenthĂĽmliche, krystallisirbare organische Base zu entdecken,
der nach dem ĂĽblichen Sprachgebrauch der Name Coca 'in beigelegt
werden kann. Die Arbeit ist indessen noch weit entfernt beendigt zu
sein, denn wenn auch das Dasein und die EigenthĂĽmlichkeit des
Cocain's feststeht, so ist doch seine Zusammensetzung noch nicht
sicher ausgemittelt, und es sind ĂĽber die zweite Hauptfrage, die Art
seiner physiologischen Wirkungen, die vielleicht zu wichtigen medi-
cinischen Anwendungen fĂĽhren, die beabsichtigten Beobachtungen an
Thieren und Menschen noch nicht gemacht, und es sind die ĂĽbrigen
Bestandteile der Pflanze, worunter sich eine eigenthĂĽmliche Gerb-
säure zu befinden scheint, noch nicht näher untersucht. Die gegen-
wärtige Mittheilung ist also nu/ eine vorläufige, mit dem Vorbehalte,
der kaiserlichen Akademie später die vollständigen Resultate in einer
ausfĂĽhrlichen Abhandlung vorlegen zu dĂĽrfen.
j (J II a i d i n g e r.
Zur Darstellung des Cocain's wandte Herr Niemann, nach
mancherlei fruchtlosen Versuchen, das folgende Verfahren als das
zweckmässigste an: Die fein zerschnittenen Coca- Blätter wurden
mehrere Tage lang mit Alkohol von 85 Proc. , dem etwas Schwefel-
säure beigemischt war, digerirt, die entstandene dunkelbraun-grüne
Lösung ausgepresst, filtrirt, und darauf mit Kalkhydrat versetzt.
Hierdurch wurden unter anderem ein Theil des Chlorophylls und ein
Wachs ausgeschieden, welches aus dem Niederschlage farblos dar-
gestellt werden konnte. Die davon abfiltrirte FlĂĽssigkeit, die schwach
alkalisch reagirte, wurde mit Schwefelsäure neutralisirt, der grösste
Theil des Alkohols davon abdestillirt und der Rest desselben im
Wasserbade abgedunstet. Der RĂĽckstand wurde mit Wasser ver-
mischt, wodurch eine schwarzgrĂĽne, halbflĂĽssige Masse abgeschieden
wurde, welche viel Chlorophyll enthielt, während sich eine gelbbraune
Lösung bildete, die von ersterer abfiltrirt werden konnte. Diese
Lösung enthält nun das Cocain als schwefelsaures Salz. Sie wurde
mit kohlensaurem Natron versetzt , wodurch die Base in noch unrei-
nem Zustande als brauner Niederschlag gefällt wurde. Der Nieder-
schlag wurde mit Äther behandelt, welcher das Cocain mit Zurück-
lassung der Unreinigkeiten auflöste. Nach demAbdestilliren des Äthers
blieb es in Gestalt einer eigenthiimlich riechenden, noch grĂĽnlich-gelb
gefärbten firnissähnlicheu Masse zurück, in der sich aber bald con-
centrisch-strahligeKrystallisationen zu zeigen anfingen. Durch wieder-
holte Behandlung mit Alkohol wurde es geruch- und farblos erhalten.
Am besten krystallisirte es aus der Alkohollösung. wenn diese mit so
viel Wasser versetzt wurde, dass ein Niederschlag zu entstehen anfing.
Das Cocain krystallisirt in färb- und geruchlosen kleinen Pris-
men. In Wasser ist es schwer, in Alkohol leichter und sehr leicht in
Äther löslich. Seine Auflösung in Alkohol reagirt stark alkalisch und
besitzt einen eigenen bitterlichen Geschmack. Dabei ĂĽbt es auf die
Zungennerven die merkwĂĽrdige Wirkung aus. dass die BerĂĽhrungs-
stelle nach wenigen Augenblicken wie betäubt, fast gefühllos wird.
Es schmilzt schon bei 98° C, und erstarrt dann wieder strahlig-
krystallinisch. Stärker erhitzt, färbt es sich erst röthlich und zersetzt
sich dann unter Entwicklung eines ammoniakalischen Geruchs. Nur
ein sehr kleiner Theil scheint sich dabei unzersetzt zu verflĂĽchtigen.
Auf Platinblech erhitzt, verbrennt es mit leuchtender Flamme ohne
RĂĽckstand.
Ăśber das Cocain , eine organische Base in der Coca.
Das Cocain neutralisirt die Säuren vollständig, indessen schei-
nen die meisten Salze nicht leicht zu krystallisiren, sondern lange
im amorphen Zustande zu verharren. Am leichtesten, feinstrahlig
krystallisirt das salzsaure Salz. Salzsaures Gas wird von trockenem
Cocain unter so starker Wärmeentwickelung gebunden, dass letzteres
dabei schmilzt.
Die Lösung des salzsauren Cocain's ist durch folgende Reactionen
charakterisirt.
Kaustische und kohlensaure Alkalien fällen daraus
weisses Cocain, löslich im Überschuss von Ammoniak, nicht in dem
von fixem Alkali.
Goldchlorid bildet einen hellgelben, dickflockigen Nieder-
schlag , löslich in heissem Wasser, noch leichter in heissem Alkohol,
woraus das Doppelsalz in glänzenden gelben Blättchen auskrystalli-
sirt. Sehr merkwĂĽrdig ist sein Verhalten beim Erhitzen, indem es
dabei ein Sublimat von Benzoesäure gibt.
Platin c hl ori d bildet einen gelbbraunen, flockigen Nieder-
schlag, der rasch krystallinisch wird.
Quecksilberchlorid fällt eine weisse, amorphe Verbindung.
Phosphormolybdänsäure fällt weissgelb, flockig.
Pikrinsäure schwefelgelb, flockig, bald harzähnlich werdend.
Gerbsäure bewirkt für sich keine Färbung, aber auf Zusatz
von Salzsäure entsteht sogleich ein dichter graulicher Niederschlag,
der ebenfalls sich bald harzähnlich zusammenballt.
Jod wasser bewirkt einen kermesbrauuen Niederschlag.
[ 2 ĂĽ a i d i u g e r.
Sammlung recenter Conchylien.
Geschenk von Sir William Th. Denison in Sydney.
Bericht von dem w. M. W. Ilaidinger.
Es ist mir eine unabweisliche, aber zugleich höchst erfreuliche
PflichterfĂĽllung , der hochverehrten Classe Nachricht ĂĽlier eine
werthvolle Sendung von Conchylien zu geben , und zugleich dem
hochverehrten ausgezeichneten Geher meinen innigsten Dank dar-
zubringen für das freundliche Wohlwollen , das er uns fortwährend
widmet. Seine Excellenz, Sir William Thomas Denison, könig-
lich grossbritannischer General-Gouverneur von Australien, ist selbst
ein höchst eifriger und kenntnissreicher Sammler recenter Con-
chylien. Er hatte bereits eine Sammlung von 161 Species an die
wissenschaftliche Commission der k. k. Fregatte „Novara" über-
geben, als dieselbe in der Nahe von Sydney vor Anker lag. Mir
hatte Sir William freundlichst einen Katalog der Sammlung ĂĽber-
sandt, und ich hatte die Ehre vor einem Jahre in unserer Sitzung
am 10. Februar 18Ă–9 (Sitzungsberichte, Band XXXIV, Seite 362)
dieses schönen Geschenkes dankend zu erwähnen. Eine Abschrift
des Kataloges ĂĽberreichte ich an unsern hochverehrten Collegeu
Herrn Director und Bitter V. Kollar vom k. k. zoologischen Hof-
Cabinet.
Die neue Sendung , gevvissermassen eine Fortsetzung des
früheren Geschenkes, hatte Sir William während der Zeit des Auf-
enthaltes unseres hochverehrten Freundes Dr. Hochstetter in
Neuseeland vorbereitet, und als dieser nun Anfangs October auf der
Heimreise sich ihm wieder vorstellte, so ĂĽbergab er demselben die
Sammlung, nebst einem Verzeichnisse des Inhaltes zur Ăśbergabe an
mich, und in Folge dessen brachte Dr. Hochstetter die Gegen-
stände selbst mit und überreichte sie mir nach seiner Ankunft. Ich
beabsichtige nun dieselbe wieder an das k.k. zoologische Hof-Cabinet
Sammlung reeenter Conchylien. I l,\
zu leiten, und namentlich in erster Linie fĂĽr das aus den Ergebnissen
der Erdumsegelung in der Bildung begriffene „Novara-Museum".
Dort wird erst die eigentliche wissenschaftliche Bearbeitung der-
selben vorgenommen werden. Allein ich mĂĽsste als gewiss voraus-
setzen, dass die Bearbeitung nur nach einem grösseren Massstabe,
und vereinigt mit den reichen Ergebnissen der Aufsammlung der
Herren selbst , welche die wissenschaftliche Commission bildeten,
geschehen könnte, und so nebst der weniger in die Augen fallenden
Stellung auch eine längere, in der That nicht zu beurtheilende Zeit
hinausgeschoben werden mĂĽsste. Mir aber muss Alles daran liegen,
die dankbarste Anerkennung dem hochverehrten Geber sobald wie
möglich, und noch dazu im Schosse der kaiserlichen Akademie der
Wissenschaften selbst darzubringen, wo wir alle so lebhaften Antheil
an den Fortschritten unserer Novara- Expedition nahmen. So bitte
ich denn um freundliche Nachsicht, wenn ich nur eine ganz rasche
Ăśbersicht, mehr mit dem geographischen als dem eigentlich zoolo-
gisch-wissenschaftlichen Interesse des Ergebnisses, der Sendung
vorlege und um freundliche Entgegennahme meines Dankes an Sir
William Denison.
Der Inhalt der schönen Sammlung trefflich erhaltener Exem-
plare von 191 Species ist in dem nachfolgenden Verzeichnisse
enthalten.
Die Anordnung der Species ist die in dem „Handbuch der Con-
chyliologie und Malakozoologie von Dr. R. A. Phil ippi", gegen-
wärtig in Santiago de Chile, vom Jahre 1853. Sie stimmt sehr
nahe mit dem Verzeichnisse Sir W. Denison's, wenn sie auch
von den Anordnungen von Gray, Reeves und dem neuen Werke
von Henry und Arthur Adams „The Genera of Recent Mollusca",
welche die sämmtlichen Mollusken -Familien umfassen, mehr oder
weniger abweicht, aber ich glaubte, dass es wĂĽnschenswerth sein
würde, Nachweisungen inBezug auf ein uns allgemein leicht zugäng-
liches Werk zu vermitteln. Ich hielt mich streng an das letztere,
wenn ich auch die Namen beibehielt, welche Sir W. Denison in
seinem Verzeichnisse vorzog. Ich reihe nun die 89 Geschlechter in
systematischer Folge an einander, bezeichne die Anzahl der Species in
jedem der beiden Verzeichnisse durch eine Ziffer und fĂĽge die Loca-
litäten bei, von welchen in dem einen und in dem anderen die freund-
lichst gesandten Exemplare herrĂĽhren, wobei die in der zweiten
14 H a i d i n g e r.
Sendung, welche mit denen in der ersten ĂĽbereinstimmen, nicht wieder-
holt werden. So glaube ich in den wenigen Zeilen ein anschauliches
Bild grosser Mannigfaltigkeit darlegen zu können.
Cl. Gastropoda. Ptectinibranchia. Pterocera, 3, 1, SĂĽdsee; Batavia.
— Strombtis , 13, 6, Neu-Caledonia, Sharks-Bay (West-Australien) , Ceylon;
Batavia, China, Neu-Caled. — Seraphys, 0, 1, Neu-Caled. — Conus, 0, 9,
Südsee, Neu-Caled., Seychellen, Diego Garcia. — Plenrotoma, 1, 4, Port
Jackson, Batavia, China. — Fasciolaria, 0, 4, Neu-Caled. — Turbindia, 0, 1,
Ceylon. — Cynodonta, 0, 3, Neu-Caled. — Latirus, 0, 1, Ceylon. — Pyrula,
4, 2, Ceylon, China. — Rapana, 0, 2, Neu-Caled., China. — Murex, 7, 1, Neu-
Caled., Ceylon; Batavia. — Triton, 7, 2, Neu-Caled., Tasmania, Port Jackson;
Amboina. — Ranella, 2,2, Ceylon, Neu-Caled.; China, Diego Garcia. —
Persona, 0, 2, Amboina. — Purpura, 11, 0, Neu-Caled.. Moreton-Bay, Ceylon.
Ost-Australien. — Ricinula, 4, 1, Neu-Caled., Indien, Moreton-Bay- — Colum-
bella, 7, 4, Ceylon , Sharks-Bay, Neu-Caled. , Ost-Australien , Tasmania, Port
Jackson; Moreton-Bay. — Pisania, 0, 2, Neu-Caled. — Nassa , 0, 13, Indien.
Tasmania, Neu-Caled., Feejee-Inseln , Adelaide S. A. , Sharks-Bay W. A.
Moreton-Bay, Port Jackson, Vorgebirg der guten Hoffnung. — Phos, 0, 1, Neu-
seeland. — Buccinum, 1, 1 , Ceylon, Neuseeland. — Cominella , 4, 0, Cap,
Port Jackson, Bass Straits, Kempfinger Sund. — Terebra, 6, 5, Neu-Caled.,
Indien, Südsee; rothes Meer. — Cassis , 1, 3, Ceylon; Indien, Batavia. —
Cassidea, 1, 0, Ceylon. — Dolium, 4, 2, Australien, Neu-Caled., Indien; China.
— Malea, 1, 0, Australien. — Eburna, 0, 2, China. — Voluta, 0, 1, China. —
Mitra, 0, 3, Neu-Caled., Moreton-Bay. — Oliva , 13, 5, Südsee, Indien, Neu-
Caled., Ceylon, Schiffer-Inseln, Madagascar, Sharks Bay, Feejee-Inseln, Batavia.
— Ancillaria, 1, 0, Neuseeland. — Harpa, 3,1, Südsee, Neuseeland; China.
— Cypraea, 0, 11, Südsee, Neu-Caled., indischer Ocean. — Ovula, 0, 1, Südsee.
— Turritella, 2, 2, Ceylon, Tasmania; China. — Ceritkium, 0, 10, Neu-Caled.,
Madagascar , Port Jackson , Ost - Australien , St. Georges Sund . China. —
Paludina , 0, 3, Calcutta, Neuseeland. — Melania, 1,4, Neu-Caled.; Feejees,
Sandwich-Inseln, Madagascar. — Planaxis, 4,0, Sharks-Bay, Neu-Caled., Indien.
Morelon Bay. — Litorina, 0, 5, Woodlark-Insel, Cap, Port Jackson, Mauritius.
— Solarium, 0, 2, Mauritius. — Jantitina, 0, 1, Australien. — Natica, 0, 5.
Australien, Neu-Caled.; Mauritius, Moreton-Bay. — Phorus, 0, 3, Mauritius. —
Scu tibranchi a. Nerita, 0, 6, Australien. — Neritina , 0, 2. Feejees, Mau-
ritius. — Elea, 0, 1, Neuseeland. — Turbo, 0, 3, Neu-Caled., China. — Mono-
donta , 0, 1, China. — Bankivia, 1 , 0, Port Jackson. — Cycl obranchia.
Chiton, 0, 1, Port Jackson. — Tectibranchi a. Dolabella, 0,1, Neuseeland.
— Bulla, 0, S, Indien , Neuseeland, Moreton-Bay , China. — Pulmonaria.
Helix, 3, 13, Australien, Neu-Seeland, Ceylon; China, Nord-Australien, Neu-
Georgien, Percy-Inscl, Norfolk-Insel. — Partula. 0, 2, Neu-Caled. — Bulimus,
0. 2, Neu-Caled. , Salonions-Inseln, Neuseeland. — Achatina, 0, 2. Madagascar.
Mauritius. — Scarabus, 1, 0, neue Hebriden. — Anricula, 0 , 1 , N. S. Wales.
— Conovolus, 0,2, Neu-Caled., England. — Physa, 1. <*, Neu-Caled. — Aniphi-
Sammlung recenter Conchylien. \ \\
bola, 0, 1, N. S. Wales. — Cycloslonta, 0, 1, Mauritius. — Pteropoda. Theco-
somata. Hyaloca, 0, 1 , südlicher stiller Ocean. — Conchiferae. Dimyaria,
Venus und Cytherea, 7, 7, Neu-Caled., Sharks-Bay; Tasmania, China. — Circe.
0, 3, China. — Tapes, i, 5, Neu-Caled. , Ceylon, Indien, China. — Donax,
i, 0, Ost-Australien. — Teilina, 2, 0, Neu-Caled., Ost- Australien. — Psam-
mobia, 0, 1, Port Jackson. — Maetra, 1, 0, Port Jackson. — Cyelas, 1, 0, Neu-
Caled. — Cardium, 2, 2, Sharks-Bay; Moreton-ßay. — Ilemicardium, 0, 2.
Neu-Caled. — Lucina, 1, 0, Neu-Caled. — Cardita, 1, 0, Neu-Caled. — Area,
0, 3, China. — Pcetunculus, 0, 1, N. S. Wales. — Unio, 0, 2, China. Deteroiujaiia,
Mytilus, 0, i, China. — Lithodomus, 0,2, Neu-Caled. — IHuiioiiiyaria.
Avicula, 0, 1, N. S. Wales. — Peeten. 2, S, Neu-Caled.: China, Amhoina. —
Spondylus, 0, 2, China.
Nur in einzelnen Fallen sind die speeitischen Namen beigesetzt.
Sir William bemerkt, dass er selbst fĂĽr die Namen der Genera
nicht fĂĽr jeden Fall ganz sieber ist. Dies muss wohl um so mehr
der Fall sein, als auch in dieser Abtheilung naturhistorischer For-
schungen die immerwährenden Entdeckungen und das fortschrei-
tende Systematisiren grosse Mengen von neuen Namen geschaffen
haben und viele der vorliegenden Gegenstände erst durch den Unter-
nehmungsgeist des hochverehrten Gebers aufgesammelt wurden,
durch Anwendung von Schleppnetzen, durch stets sich mehrende
Verbindungen von Sydney aus mit Sammlern, ohne dass die StĂĽcke
erst durch die bestimmenden Kräfte der Forscher im Mutterlande
die Namen der allerneuesten Periode erhalten hätten. Sir W. Deni-
son hebt in einem freundlichen Begleitschreiben an mich hervor,
wie viele der Species von ganz neuen Aufsammlungen, von Neu-
Caledonien und den zunächst um den Mittelpunkt Sydney umher-
liegenden Inseln des stillen Oceans herrĂĽhren, und Australien selbst
ein reiches Feld dem Naturforscher darbietet, das in Bezug auf Con-
chyliologie fortwährend neue Entdeckungen, neue Species und neue
Genera bringt. Er wird gerne auf den Wunsch unserer Forscher
fĂĽr ausfĂĽhrlichere Mittheilungen in speciellen Richtungen sorgen.
Er gab auch Herrn Dr. Hochstetter einige Exemplare der oben
erwähnten Helix von Neu-Georgien, welches kürzlich von einem
unternehmenden Sammler besucht wurde, der auch den naturhistori-
schen Gegenständen seine Aufmerksamkeit schenkte, während er
vorzĂĽglich auf Sandelholz und Eiche de mar ausging.
Sir W. D e n i s o n bereitet manche wichtige Werke zur
genaueren Kenntniss der Naturproducte der Colonien vor. Er selbst
1 ({ H a i d i n g e r.
ist mit mikroskopischen Untersuchungen, namentlich der Zahnsysteme
der Mollusken beschäftigt, welche so oft bei neben einander lebenden,
sonst sehr ähnlichen Species ganz verschieden sich darstellen. Es
werden von denselben auch photographische Bilder angefertigt, die
sehr hoffnungsvoll ausfallen, und gute Erfolge in Aussicht stellen.
Vergrösserte Photographien der Holzarten der Colonien werden
ebenfalls gefertigt, und namentlich ist Capitän Ward in dieser Rich-
tung beschäftigt. Sie sind vor der Hand bestimmt, in Herrn Professor
M ĂĽ 1 1 e r's in Melbourne grossem botanischen Werke ĂĽber die Victoria-
Pflanzen herausgegeben zu werden. Einsendung der Ergebnisse ist
uns freundlichst zugesagt.
Sir William Denison ist es auch, der den Antrag zur Heraus-
gabe auf Kosten der Regierung einer „Naturgeschichte der briti-
schen Colonien" in Gang gebracht hat, welche von den Gesellschaften
in England auf das NachdrĂĽcklichste unterstĂĽtzt worden ist. Ich kann
es mir nicht versagen hervorzuheben, wie Sir William in seinem
freundlichen Schreiben vom 2. December 1859 erwähnt, dass er
meines hochverehrten Freundes Herrn Directors und Commandeurs
Dr. M. Hörn es prachtvolles Werk über die fossilen Mollusken des
Tertiär-Beckens von Wien (tlic magnificent work on the fossils of
the tertiary strata) bei dieser Veranlassung als ein nacbahmens-
werthes Muster der Vorgänge dargestellt hat. Ich werde hier nicht
den Gegensatz hervorheben in derBeurtheilung eines Werkes, welches
dort als ein Ehrenzeichen fĂĽr unsere Staats -Verwaltung betrachtet
wird, während es hier in seiner Ausführung so manches schwer zu
ĂĽberwindende Hinderniss gefunden hat. Aber ich freue mich, dass
wenigstens von Aussen her die Anerkennung des Werthes seiner
Arbeit meinem hochverehrten Freunde nicht gefehlt hat. So schön
dies für ihn genannt werden muss, so lässt sich doch nicht leugnen,
dass es anregender fĂĽr den Fortschritt der Wissenschaften in unserer
Mitte wäre, wenn inländische Anerkennung, die Anerkennung durch
selbstständiges Urtheil in nächster Nähe als Massstab für das Urtheil
in fremden Ländern hingestellt werden könnte.
In Bezug auf unsern hochverehrten Freund Herrn Dr. Hoch-
stetter und seine so höchst anregenden Forschungen in Neusee-
land bemerkt Sir William, er hoffe, Dr. Hochstetter wĂĽrde hin-
längliche Unterstützung zur Herausgabe seiner Werke an Berichten
und Karten linden, wo nicht in Deutschland, doch gewiss in England
Sammlung' recenter Conchylien. \ 7
(if not in Germany at all cvents in England). — Auch Sir Rode-
rick Murchison schreibt unter dem 7. Februar, er hoffe, der Zustand
der kaiserlichen Finanzen werde nicht die Herausgabe so wichtiger
Forschungen verhindern (the State of the Imperial Finances will
not prevent the pablieation of such important researches). Wohl
dĂĽrfen wir uns um des Kernes der Sache wegen dieser TheĂĽnahme
in den beiden Hemisphären freuen , wenn sie auch bei dem Seiten-
blicke auf die Möglichkeit eines Mangels an der erforderlichen Kraft
wieder etwas Beengendes hat. Wie immer aber die Verhältnisse sich
gestalten mögen, so dürfen wir denn doch wohl hoffen , dass das
Erkenntniss der Pflicht, zu arbeiten, auch fortan seine Stelle behaup-
ten wird. Nur wer arbeitet, hat Anspruch auf Anerkennung, aber
diese wird ihm auch gewiss, wenigstens von entfernten theilneh-
menden Freunden nicht versagt, wie uns die eben erwähnte Thatsache
in Bezug auf unsern hochverehrten Freund Hörnes beweist.
Die höchste Theünahme für die grossen Ergebnisse zu erwecken
geeignet sind die vorläufigen Nachrichten über „Dr. Ferdinand
Hochstetter's Reise durch die nördliche Insel Neuseelands,
5. März bis 24. Mai 1859, von J. F. Haast in Auckland" in der
so eben von Herrn Dr. A. Petermann mir freundlichst ĂĽbersandten
Nr. III seiner rühmlichst bekannten „Mittheilungen u. s.w." Ich darf
ihrer wohl dankbar hier gedenken, wenn auch nicht näher auf den
Inhalt eingehen, da sie in einem vielverbreiteten Werke sogar in
deutscher Sprache vorliegen.
Sitzb. d. inathem.-natiirw. Cl. XL. Bd. Nr. 7.
j $ II a i d i n g e r.
Der Hörnesit, eine neue von Herrn Professor Dr. G. A.
Ke n ng ott bestimmte Miner alspecies.
Von dem vv. M. W. Haidinger.
Der Zweck der gegenwärtigen Mittheilung ist die Berichter-
stattung ĂĽber die Ergebnisse meiner eigenen mineralogischen Ver-
gleichungen, angeknĂĽpft an die Mittheilung des BegrĂĽnders der
Sjrecies, welche ich auf Veranlassung des Herrn Prof. Kenngott
in der Sitzung der k. k. geologischen Reichsanstalt am 28. Februar
vorgelegt hatte. Es wird mir daher heute gelingen, Einiges, nament-
lich was die regelmässigen Formen betrifft, näher zu umschreiben,
eine Angabe des specifischen Gewichtes beizufĂĽgen, so wie endlich
die numerischen Ergebnisse der chemischen Analyse, welche wir
Herrn Karl Bitter von Hauer verdanken.
Als Einleitung gebe ich in wenigen Worten die Geschichte der
Aufstellung der Species. Unser hochverehrter Freund, Herr Professor
Kenngott, damals noch am k. k. Hof-Mineraliencabinet , hatte
längst das gewisse specifisch-charakteristische Ansehen aufgefasst,
das einem Exemplare aus dem Banale zukam, welches in der grossen
Sammlung daselbst als krystallisirter Talk aufgestellt war. Es stammte
aus der van der NĂĽlFschen Sammlung und war dort frĂĽher auch
als solcher von unserem verewigtem Mohs besehrieben worden.
Kenngott hatte die Bestimmung nicht vollendet, als er Wien ver-
liess und dem Rufe nach ZĂĽrich folgte, docli hatte er ganz kleine
abgetrennte Fragmente, die ihm frĂĽher zur Untersuchung gedient
hatten, mit sich genommen. Er selbst hatte schon frĂĽher die Gegen-
wart von Wasser und Magnesia erkannt, und diese wurde auch von
Herrn Karl Bitter v. Hauer bestätigt. Eine vollständige qua-
litative Untersuchung war nicht gemacht worden. Versuche in
ZĂĽrich, mitganz kleinen Splittern vorgenommen, waren ebenfalls nicht
vollkommen zufriedenstellend. Herr Dr. Ken ng o tt sandte nun, mit
dem WTunsche, dass doch eine vollständige quantitative Analyse ver-
Der Hörnesit.
19
anstaltet werden möge, seinen vorläufigen Berieht über die Bestimmung,
so weit sie vorlag, an Herrn Director Hörnes ein und überliess ihm
und mir die Bildung eines specifischen Namens. Ich wählte den Namen
Hörnesit, um von meiner Seite an dieser Species die Erinnerung der
freundlichsten Beziehungen festzuhalten, welche zwischen dem aus
dem Verbände des k. k. Hof-Mineraiiencabinets geschiedenen gedie-
genen Mineralogen und dem ausgezeichneten Director dieses reichen
Museums, meinem hochverehrten Freunde, Herrn Dr. M. Hörnes noch
gegenwärtig unverändert stattfinden. Gerne suche ich gesellschaft-
liche und historische Beziehungen dieser Art in den Namen zu bewahren.
Der Name des Gebers bleibt ohnedem für spätere Zeiten mit dem
Namen der Species verbunden. Es hat mir immer eine Art von Hero-
stratismus geschienen, wenn Personennamen bios um des Umsfandes
Willen, dass sie eben Personennamen sind, von mineralogischen
Nomenciatoren unterdrĂĽckt, und dafĂĽr andere oft wenig charakteri-
stische Namen vorgeschlagen worden sind. Es schien, als wolle man
dahin streben, dass nur der Name des Nomenciators in der Geschichte
der Entwickelung der Wissenschaft ĂĽbrig bliebe.
Aber ich wĂĽnschte nun auch selbst nach Linne's Princip
„Verus Botanicus oculis propriis , qua singularia sunt, observat,
nee stia solum ex auetoribus compilat (Grit. Bot. )•' auf den mine-
ralogischen Fall angewandt, jenes von Kenngott deutlich bezeich-
nete StĂĽck in der Wirklichkeit zu vergleichen. Herr Director
Hörnes vertraute mir es freundlichst an, und ich freue
mich heute schon das Ergebniss meiner Untersuchung vor-
legen zu können.
1. Form. Augitisches Krystallsystem. Krystall -Indi-
viduum bis zur Länge von einem halben Zoll, bei einer
Breite von einer halben Linie sind in sternförmig im Bruche
erscheinenden Gruppirungen auf einer Unterlage von Kalk-
spath in Hohlräumen aufgewachsen , doch berühren sie sich
gegenseitig fast in der ganzen Länge, so dass nur etwa
ll/z Linie lange, sehr spitzwinkelige Blättchen in die noch
unerfüllten Drusenräume hineinreichen. Die allgemeine Form
ist der gewöhnlicher Gypskrystalle ungemein genähert, nur
dass der scharfe Winkel der rhomboidischen Blättchen viel
spitziger ist, er beträgt am Gyps 52° 16', während ich durch gra-
phische Messung für den Hörnesit freilich nur als Annäherung 36°
Y\i
:P:
20
II a i (1 i n g e r.
fand. Ăśberhaupt war es sehr schwierig, nur einigermassen eine
Schätzung zu gewinnen, doch glaube ich, ist es vortheilhafter, annä-
hernde Winkelmaasse und möglichst naturgetreue Zeichnungen zu
geben, als sich nur mit Beschreibung zu begnĂĽgen.
Ich habe in der Fig. i die Flächen mit den am Gyps gewohn-
ten Buchstaben bezeichnet.
Folgende sind die Winkelmaasse:
Am Hö'rnesit
Am Gyps
(nach Miller)
/"gegen f, anliegend . .
I gegen l, anliegend . .
f - l
Kante -^ gegen Kante —
107°
152
144
111'
143
42'
42
127 44
Fior. 2.
Bei dem Umstände, dass die Winkelmaasse nur die Ergebnisse
erster Annäherung sind, schien es mir noch nicht an der Zeit,
Linear- Ab messungselemente der Krystallformen zu berechnen. In
der That sind die Krystallblättchen so fein und zugleich auch in
nahe paralleler Stellung fächerförmig anein-
ander gewachsen, dass ich, was ich fand, nur
als ein vorläufiges Bild darzustellen wünsche.
Es gelang mir ĂĽbrigens auch in den dĂĽnn-
sten Krystallblättchen die Lage der optischen
Elasticitätsebenen zu erkennen und graphisch
zu schätzen. Sie stimmen nicht mit irgend
einer der Seiten der rhomboidischen Blättchen
AB oder BC überein, sondern haben, ähn-
lich wie im Gyps abweichende Lagen. So
fand ich den Winkel A BE ungefähr = 15°,
wo BE der Durchschnitt einer der Elasticitäts-
ebenen ist. BD senkrecht auf BE ist der
Durchschnitt der zweiten Elasticitätsebene. In
einer und der andern Richtung ist das Licht
vollständig absorbirt, wenn die Polarisations-
ebenen der zur Untersuchung angewendeten
Apparate gekreuzt sind.
Zu den mineralogisch-optischen Untersuchungen, wie die gegen-
wärtige, bediene ich mich eines kleinen, wenig kostspieligen Appa-
rates (Fig. 3), den mein hochverehrter Freund Herr Professor
J. Schabus nach meiner Angabe durch Herrn Opticus Prokesch
Der Hörnesil.
21
ausfĂĽhren liess. Das StĂĽck AB ist eine Spiegelglasplatte, BC ein
StĂĽck Spiegel. Bei B und bei C sind Charniere, so dass man das
hellste Licht in senkrechter Richtung vor sich hat. Zusammen-
geklappt ist der Apparat nur zwei Zoll lang, einen Zoll breit und
einen halben Zoll hoch. Bei D wird eine Turmalinplatte mit Wachs
aufgeklebt. Bei E legt man auf den durchsichtigen Tisch AB die
zwischen zwei Glastafeln mit Balsamkitt eingeklebten Krystall-
blättchen. Man betrachtet nun dieselben von oben in der Richtung
ED durch eine dichroskopische Loupe. Wenn im schwarzen Felde
der Krystall ebenfalls schwarz erscheint, verschwindet, ist die Lage
der Elasticitätsaxe gefunden. Im hell erleuchteten Felde ist aber das
Blättchen in seinem Umrisse pio. 3
sichtbar. Man kann also, indem e
der ganze Vorgang so geleitet j_n
wurde, dass der hier erwähnte
kleine Spiegeltisch auf ein Blatt
weisses Papier gelegt wird, auf
dem letztern ein Lineal ein-
mal parallel den Seiten der
viereckigen Lichtöffnung der
Loupe und dann parallel den Kanten der Krystallblättchen auflegen
und die Lage durch einen Bleistiftstrich bezeichnen, und so den
Winkel finden, welchen die Elasticitätsebene mit einer Ebene durch
die Seite des Blättchens einschliesst. Dass so etwas nur eine unge-
fähre Schätzung gibt, ist wohl augenscheinlich, aber es ist doch
diese besser, als auf die Kenntniss zu verzichten, welche man solcher-
gestalt erhalten kann.
Auf diese Art schätzte ich den Winkel ABE= 15°. Da nun
ABC= 144» ist, in runder Zahl, so bleibt MBC= 144° — 105°
= 39o und FMB = 51°. Nun ist aber beim Gyps der Winkel FBÄ
— 127» 44', die Lage des Durchschnittes der einen der Elasticitäts-
ebeneu mit der Fläche AB CD aber, FMB' = 37» 8'. Der W7inkel
BMB', der Unterschied der Lage der Elasticitätsebenen in den
beiden Species Gyps und Hörnesit ist also = 51° — 37° 8' =
13° 52', was doch auch, so wenig es als letzte Grenze der Genauig-
keit angesehen werden kann, ebenfalls eine grosse Ăśbereinstimmung
in dem allgemeinen augitischen Charakter der regelmässigen Formen
des Hörnesits beweist.
22 Hai ding er.
Die Oberfläche der Krystalle ist schwach gestreift , parallel der
Längenrichtung oder den Durchschnitten von F und P, (oo A und
oqĂś), fast nur auf den letzteren zu sehen, da die Individuen doch gar
zu klein und dünn sind. Parallel der P-Fläche vollkommenste Theil-
barkeit. Das Gesammtansehen auf dem Bruche der kugelförmig
zusammengehäuften Krystalle erinnert lebhaft an den Pyrophyllit in
den dünnsten Blättchen.
Masse. Weiss. Die Krystalle durchsichtig und der Form ent-
sprechend optisch zweiaxig. In dickeren Stellen durchscheinend. Auf
den Theilungsflächen vollkommener Perlmutterglanz. Höchst milde und
die dünnen Blättchen biegsam. Härte = OS bis 1*0. Es ist nicht
möglich, mit einem Stückchen Hörnesit den Talk der Härtestufe 1-0
zu ritzen. Gewicht gefunden = 2 474 bei 13° R.
Materie. Über die chemische Natur des Hörnesits verdanke
ich Herrn k. k. Hauptmann Karl Ritter v. Hauer, Vorstand des
chemischen Laboratoriums der k. k. geologischen Reichsanstalt, die
nachstehende Darstellung:
„Das Mineral ist in Wasser nicht, aber in Säuren leicht und
ohne Rückstand auflöslich. Durch Glühen wird die Löslichkeit
nicht geändert. Es zeigt nach dem Erhitzen eine blassbläuliche
Färbung.
Die Lösung gab nach Erhitzen mit schwefliger Säuren und Ein-
leiten von Hydrothion einen reichlichen Niederschlag von Arsen-
sülfür. Die Säure dieser Verbindung ist sonach Arsensäure. Die nach
Abscheidung der Arsensäure neutralisirte Flüssigkeit gab mit oxal-
saurem Ammoniak keinen Niederschlag, wohl aber mit phosphor-
saurem Natron und Ammoniak, wodurch die Gegenwart von Magnesia
constatirt wurde.
Proben auf andere Bestandteile ergaben ein entschieden nega-
tives Resultat.
Beim Erhitzen der Substanz in einer Probirröhre entwickelt
sich viel Wasser, welches nicht reagirt.
Die constituirenden Bestandtheile sind sonach:
Magnesia, Arsensäure und \\ asser,
und es zeichnet sich das Mineral durch einen besonderen Grad von
Reinheit aus.
Die quantitative Abscheidung der Beskuidtheile geschah in
gleicher Art wie jene, welche zur Erkenntniss ihrer Gegenwart
Der Hörnesit. 23
führte. Das nach der Reduction durch Hydrothion gefällte Arsen-
sülfür wurde in Königswasser gelöst und die hiedurch reproducirte
Arsensäure mittelst einer Auflösung von schwefelsaurem Magnesia
und Ammoniak gefällt. Die Magnesia wurde als phosphorsaure
gewogen.
Im Wasserbad verliert das Mineral nur eine sehr geringe Menge
Wasser (0*66 Procent), die ganze Menge aber noch unter der
GlĂĽhhitze.
Resultate der Analyse.
0-906 Gramm gaben 0'600 Gramm zweibasisch phosphorsaure
Magnesia = 2386 Procent Magnesia.
1-828 Gramm gaben 1-280 Gramm zweibasisch phosphorsaure
Magnesia = 25-23 Procent Magnesia.
Im Mittel 24-54 Procent Magnesia.
1-035 Gramm verloren durch Erhitzen 0-303 Gramm = 29-27
Procent.
1098 Gramm verloren durch Erhitzen 0-317 Gramm = 28-87
Procent.
Im Mittel 2907 Proceut Wasser.
1-828 Gramm gaben 1400 Gramm (H4N0.2MgO) As05 + HO
= 46*33 Procent Arsensäure.
In 100 Theilen sind sonach enthalten:
Magnesia . . . 2454 ( 1 227 305 = 3
Arsensäure . . 4633 Äquivalente l 0402 1 =1
Wasser . . . 2907 ' 3230 803 = 8
99-94
Die Substanz ist sonach dreibasiscb arsensaure Magnesia mit
8 Äquivalenten Wasser nach der Form-
SMgO.AsO; + 8HO.
Berechnet Gefunden
3 Äquivalente MgO 00 24-29 24-54
i As05 115 46-55 46-33
8 HO 72 2915 29-07
247 99-99 99-94
Von natĂĽrlichen Vorkommen arsensaurer Verbindungen, die
einige Analogie in chemischer Beziehung mit dem Hörnesit zeigen,
sind folgende bekannt:
24 Haidinger.
1. Pharmakolith 2CaO.As05 -f 6HO.
r. ii.
Arsensäure . . . 50'54 45-08
Kalkerde .... 2500 27-28
Wasser 24-46 2386
10000 9682
I. Von Wittichen im FĂĽrstenbergischen analysirt von Klap-
roth (Beiträge III. Bd., S. 277); II. von Andreasberg analysirt von
John (Gehlens' Journal fĂĽr Chemie und Physik III. Bd., S. 537).
Eine krystallisirte Varietät des Pharmakoliths von unbekanntem
Fundorte untersuchte Turner und fand :
7901 arsensaure Kalkerde,
20-99 Wasser,
10Ăś-ĂśO (Poggendor f f's Ann. Bd. V, p. 188.)
2. Haidingerit 2CaO.As05 + 4HO.
Turner fand :
81)681 arsensaure Kalkerde,
14-319 Wasser,
100000
Pikropharmakolith von Biechelsdorf in Hessen
££ } **•<>• + 12H0
nach Stromeyer's Analyse (Gilberts Annalen 61. Bd., S. 18o)
46-971 Arsensaure,
24-646 Kalkerde,
3-223 Talkerde,
0-998 Kobaltoxyd,
23-977 Wasser,
99-815
Berzeliit, enthält nach Kühn (Ann. der Pharm. Bd. 34, S.211)
58-51 Arsensäure,
23-22 Kalkerde,
15-68 Talkerde,
2-13 Manganoxydul,
0'30 Kohlensäure und eine Spur Eisenoxyd,
99-84
Dies entspricht der Formel:
(3CaO.As05) + (3MgO.AsOs).
Beine arsensaure Magnesia wurde also bis jetzt noch nicht
aufgefunden , aber auch auf kĂĽnstlichem Wege wurde dreibasisch
arsensaure Magnesia noch nicht dargestellt."
Der Hörnesit. J25
Splitter von Hörnesit schmelzen schon in der Kerzenflamme.
Als Erscheinungen vor dem Lötlirohre könnten noch erwähnt werden,
dass mit Kohaltsolution die rosenrothe Färbung den Magnesia-
gehalt anzeigt, sowie dass mit kohlensaurem Natron und Kohle
gemengt, nicht nur im Beductionsfeuer der Arsenikgeruch wahr-
genommen wird, sondern in der Glasröhre auch ein reiches Sublimat
von Arsenik sich metallisch absetzt.
In einem späteren Schreiben an Herrn Üirector Hörnes sagt
Kenngott ĂĽber die Stellung im Systeme, dass das Mineral wohl in
die von ihm „Monoklashaloide'^ genannte Abtheilung passen würde,
was wohl auch ganz in der Natur der Species gegrĂĽndet ist.
In demselben Schreiben äussert Herr Professor Kenngott,
dass er der in dem Kalkspath eingewachsen erscheinenden Granat-
krystalle wegen Oravitza für den im „Banat" näher zu bezeichnen-
den Fundort halte. In dem grössern Stücke in dem k. k. Hof-Mine-
raliencabinet zeigen sich sehr schön ausgebildete durchsichtige
Granatoide von blass spargelgrĂĽnem Granat. Der Fundort der in dem
blauen Kalkspath eingewachsenen braunen Granatkrystalle ist wohl
eigentlich Cziklowa bei Oravitza, mit dein bekannten Wollastonit
verwachsen und von Apophyllit seeundärer Erzeugung in den Drusen-
räumen begleitet. Auch der Hörnesit erscheint in Drusenräumen
zwischen Kalkspath, aber die Farbe des letztern zieht doch noch
viel mehr in das Graue. Es verdient ĂĽbrigens gewiss alle Beachtung,
dass der Kalkspath selbst in grossen bis zwei Zoll Seite der Bhom-
boeder der Theilbarkeit haltenden Individuentheilen in einem Drusen-
raume gebildet zu sein scheint, indem noch EindrĂĽcke von Kry-
stallen, welche frĂĽher bestanden, von der dem aufgewachsenen
Hörnesit entgegengesetzten Seite in dem Kalkspath übrig geblieben
sind. Sie sind gegenwärtig noch zum Theil mit einer erdigen gelb-
lich-grauen milden Masse erfĂĽllt, welche nach Herrn Karl v. llauer's
Untersuchung ein Thonerde-Silicat ist.
Die Form der ursprĂĽnglichen Krystalle ist die von wohlgebil-
deteu, regelmässigen Oktaedern. Ob sie von Magneteisenstein her-
rühren, der in jenen Gegenden so vielfällig einheimisch ist? Waren
es vielleicht Magnoferrite, inagnesiahallige Magneteisensteine, wie
sie uns mein hochverehrter Freund Bammelsberg kennen gelehrt
(Pogg. Ann. 1859, Bd. 107, S. 454), die von einem Gemenge von
Schwefelsäure und Arseniksäure aus verwitterndem Arsenikkies
26 H a i d i n g e r. Der Hörnesit.
zerlegt wurden, wobei ein Theil der neu gebildeten Körper zurück-
blieb, ein anderer löslicherer Theil hinweggeführt wurde? Übrigens
findet sich auf demselben StĂĽcke auch noch deutlich frischer, unver-
änderter Magneteisenstein, aber derb, nicht in Krystallen , in kleine-
ren Partien zwischen den Kalkspaththeilen. Man sieht, das Exemplar
der von unserem hochverehrten Freunde, Herrn Professor Kenngott
neu bestimmten Species, welcher den Namen „Hörnesit" beizulegen
mir durch eine besondere Gunst der Verhältnisse beschieden war,
ist in gar vieler Beziehung anregend und wichtig, und es ist recht
sehr wünschenswerth, dass man mehrere Stöeke in älteren Samm-
lungen auffinden oder durch neuere Anbrüche erhalten könnte, um
noch fernere Studien anzuknĂĽpfen.
v. Littrow. Ăśber das Mikrometer mit lichten Linien etc. Cl
Ăśber das Mikrometer mit lichten Linien bei den Wiener
Meridian-Instrumenten.
Von dem w. M. Karl v. Littrow.
(Mit i Tafel.)
Eine längere Erfahrung mit dem Mikrometer, das ich in seinen
Einzelheiten und mit der Geschichte seiner Entstehung vor einiger
Zeit zur Kenntniss der Akademie *â– ) gebracht, hat auf eine eigenthĂĽm-
liche Schwierigkeit geführt, die sammt deren Lösung hier mitzutheilen
ich fĂĽr meine Pflicht halte.
Um jenen Lesern, welche meinen frĂĽheren Aufsatz nicht zur
Hand haben, sofort versländlich zu sein, erwähne ich vor Allem, dass
es sich um Hervorbringung lichter Linien im dunklen Gesichtsfelde
eines Fernrohres handelt. Im vorliegenden Falle wurde dies dadurch
erreicht, dass man die Fassung des Rohres beiläufig in der Mitte
seiner Länge durchbrach und vor die Öffnung eine mit einem Gemenge
von Kopalfirniss und feinem Lampenrusse ĂĽberzogene Glasplatte
brachte, auf welcher gewisse Linien geritzt, also vom ĂśberzĂĽge befreit
und wieder durchsichtig gemacht wurden. Ein im Inneren des Roh-
res und hinter jener Platte angebrachter Spiegel leitete das durch
eine Lampe erhellte Rild der Ritzen auf ein kleines seitlich vom
Hauptlichtkegel desTeleskopes ebenfalls im Inneren desselben belind-
liehes Objectiv , das in der Ebene des Brennpunktes jene Ritzen in
Form von lichten Linien sichtbar machte.
Dem verfolgten astronomischen Zwecke gemäss waren bei der
zunächst für Meridian-Instrumente bestimmten Vorrichtung die Ritzen
in zwei auf einander senkrechteu Lagen gezogen , so dass sich im
Jj Sitzungsberichte der k. Akad. d. Wiss. mathem.-naturw. Cl. Bd. XX, S. 253.
ÄÖ V. L i 1 1 r o \v.
Gesichtsfelde horizontale und verticale lichte Linien zeigten. Die
belegte Glasplatte und der Spiegel wurden in der auf das Fernrohr
senkrechten Hauptdrehungsaxe des Instrumentes und so angebracht,
dass die horizontalen Linien parallel zu derjenigen Ebene lagen,
welche durch die optische Axe des Fernrohres und die Rotationsaxe
geht.
Da die gewöhnlichen, von lichtem Hintergründe sich schwarz
abhebenden Fäden nicht zu entbehren sind und immer als die eigent-
lichen Ausgangspunkte der Messung gelten mĂĽssen, so kam es darauf
an , die Distanz der lichten Linien von diesen Faden zu bestimmen.
Da fand es sich nun bald, dass der Abstand der verticalen lichten
Linien von den verticalen Fäden bedeutender Veränderlichkeit unter-
liege, während die gegenseitige Lage der horizontalen Linien und
Fäden immer nahezu dieselbe bleibt. Da vermöge der Construction
des Instrumentes fĂĽr die Bestimmung der letzteren Lage der Kreis
an der Axe benützt werden konnte, während man jenen Abstand, der
verticalen Linien und Fäden durch Sternvorübergänge mass, so schrieb
ich anfangs jene wahrgenommene Veränderlichkeit der Unvollkom-
menheit dieser Methode zu, und sorgte desshalb fĂĽr Anbringung eines
Schraubenmikrometers, das durch zwei auf einander senkrechte
bewegliche Fäden sowohl die eine als die andere jener Distanzen auf
das schärfste zu bestimmen erlaubte. Da diese Vorrichtung von der
Werkstätte des hiesigen polytechnischen Institutes mit seltener
Meisterschaft ausgefĂĽhrt wurde , und auch in anderen Beziehungen
von grossem Nutzen ist, so glaube ich hier eine kurze Beschreibung
derselben einschalten zu mĂĽssen.
Fig. 1 gibt die vordere Ansicht des Apparates in natĂĽrlicher
Grösse nach Abhebung der in Fig. 2 ersichtlichen Deckplatte AB,
in welche bei V, W das Ocular geschraubt wird. Fig. 2 stellt den
Durchschnitt durch die Rectaseensionsschraube GL dar. CD ist die
fixe Platte der gewöhnlichen Fäden; die vier Schräubchen an den
Ecken dieser Platte (Fig. 1) haben kleine Spielräume, um durch die
dni Schrauben E die Fällen collimiren zu können. Hierzu dient
eigentlich die mittlere Schraube bei gelösten Seitenschrauben,
welche erst nach gehöriger Stellung der Platte zur Fixirung dersel-
ben angezogen werden. FGJ1 ist die Gabel, welche den beweglichen
Doppelfaden trägt, und in die bei G die Mikrometerschraube L ein-
greift. Spiralfedern bei T,F,J1 vermitteln den richtigen Gang der
Über das Mikrometer mit lichten Linien etc. ä9
betreffenden Schieber. J, K sind die beiden an der inneren Seite
abgeschrägten Leisten, zwischen denen die Gabel FGH läuft. In
ganz analoger Weise ist der Theil der Vorrichtung, welcher fĂĽr die
Declinationsschraube 31 dient, unter der Platte CD der gewöhnlichen
Fäden angebracht. Zwei Backen N, 0 nähern den betreffenden beweg-
lichen Faden den anderen beiden Systemen. P, Q (Fig. 2) sind die
den Leisten J,K (Fig. 1) analogen StĂĽcke, so wie R, S die untere
Gabel fĂĽr den wieder doppelten Deelinationsfaden, und mit dieser
die Backen N, 0 unveränderlich verbunden. U endlich ist die Platte,
auf welcher die sämmtlichen Apparate befestigt sind.
Der Werth einer Revolution der Rectascensionsschraube des
Mikrometers beträgt 46v2548, der der Declinationsschraube 46r3043 ;
die Trommeln beider Schrauben sind in 100 Theile getheilt, das
Zehntel eines Intervalles lässt sieh noch ganz wohl schätzen, so dass
man an sich bei unserem Fernrohre (von 50'" Ă–ffnung, 63" Brenn-
weite und ISOmaliger Vergrösserung) etwa 0r05 messen könnte.
Zur Beurtheilung der Sicherheit dieser Messungen, bei welchen
immer die fixen Fäden so wie die lichten Linien zwischen den
beweglichen Doppelfaden gestellt wurden , also, jedem einzelnen
Resultate bei den vertiealen Linien zwei, bei den horizontalen vier
Einstellungen zu Grunde lagen, theile ich hier und zwar absichtlich
für die vertiealen Fäden ein paar Reihen von Bestimmungen mit:
Distanz zwischen dunklem Hau|i(fa<lcn und lichter Mittellinie.
1859, Sept. 13: 2S603 1859, Sept. 27: 2?791
2o75 2-769
2-57Ăś 2-809
2-553 2-782
2-603 2-782
2-519 Mittel . . 2-787
Mittel . . 2-571
So vorzĂĽglich dieses Mikrometer auch arbeitete, konnte man
sich doch bald überzeugen, dass jene Variabilität damit nicht wegzu-
bringen sei. Nachstehende Zusammenstellung gibt die innerhalb eines
Jahres bei Gelegenheit der Beobachtungen am Meridianskreise von
dem mit diesem Instrumente betrauten Assistenten, Herrn M. Alle,
gemachten Messungen. V bedeutet die Distanz der vertiealen lichten
Mittellinien von dem vertiealen Hauptfaden in Zeitsecunden, // eben
30
v. L i t t r o w.
so die gegenseitige Entfernung fĂĽr die horizontalen lichten Linien
und Fäden in Bogensecunden. In der letzten Columne erscheinen die
notirten Temperaturen, da die Vermuthung eines Einflusses von dieser
Seite nahe lag1.
1858
V
n
Mai
IS.
3M24
86r95
18.
3-139
87-65
Juni
4.
3-201
86-86
5.
3 145
87-45
8.
3 145
86-76
9.
3163
86-53
li.
3 123
86-26
14.
3- 176
86-21
15.
3161
8612
30.
3-173
86-90
Juli
6.
3-161
86-81
9.
3- 126
87-09
19.
3-154
86-40
Aug.
13.
3-049
86-40
14.
3-072
86-99
ii;.
3-028
86-40
Sepf
13.
3 • 028
86-40
14.
3-068
86-86
11).
3-034
88-II6
Oct.
7.
2-570
86-17
8.
2-599
86 â– 49
j-1292
13-0
16-4
15-9
17-0
18-4
18-8
20-0
19-6
16-2
17-8
1S-2
18-6
ISO
18-0
17 0
160
15-0
15 0
13-0
13-0
Mau sieht hier auf den ersten Blick, welchen grossen Schwan-
kungen die Grössen V ausgesetzt sind, während H kaum grössere
Verschiedenheiten zeigt, als man eben wegen unrichtiger Einstellung,
kleiner Unvollkommenheiten der MikrometerschiMube etc. fĂĽr unver-
meidlich wird gelten lassen mĂĽssen; jene Varianten betragen in
maximo 0-631 = 9r465, während diese nur 2 '54 erreichen; dabei
bewegen sich die Zahlen fĂĽr H zwischen ihren Grenzwerthen bald
in diesem, bald in jenem Sinne, während sie bei V durch geraume
Zeit nahezu denselben Werth behalten, oder Monate lang einen
gewissen Gang zeigen und dann sich plötzlich ändern. Die betref-
fenden Temperaturen beweisen, dass die hier betrachteten Verände-
rungen aus dieser Quelle durchaus nicht herzuleiten sind. Es ist
ĂĽbrigens wohl zu beachten, dass in den einzelnen mikrometrischen
Messungen, aus welchen obige Zahlen abgeleitet wurden, die erwähnte
1858
V
// i
Oct.
14.
2S926
86v07 + 10?0
16.
3-052
85-75 HO
18.
3-037
85-80 f 8-0
Nov.
9.
2-852
87-56— 2-0
10.
3-019
86-58 2-0
13.
2-938
86-81— 1-0
20.
2-954
86-81 0-0
23.
2-898
86-58— 1-0
Dec.
30.
2-940
87-32 (- 1-2
1859
Febr
7.
2-787
88-29 f 1'6
21.
2-883
87-69 0-0
März
10.
2-803
87-37f 4-4
21.
2-806
87-37 6-9
23.
2-784
87-69 4-0
28.
2-809
87-34 7-8
29.
2-804
87-09 9-6
April
1.
2 • 790
87-11 2-6
7.
2-804
87-30 8-6
26.
2-794
87-95 10-7
27.
2-803
87-93 LI -4
Ăśber das Mikrometer mit lichten Linien etc. O 1
Variabilität ganz den lichten Linien zufällt, während die Einstellung
auf die dunklen Fäden beinahe constant ist, wofür als Beleg nach-
stehende Zahlen gelten mögen, welche die unmittelbaren Ablesungen
am Schraubenmikrometer für die verticalen Fäden und Linien, so wie
den Unterschied beider Lesungen in Einheiten der Revolution geben:
dunkler lichte „.-.
,, . ... Differenz
Faden Linie
1858, Mai 15. 19-852 18-839 1-013
Juni 4. 19-854 18-816 1-038
14. 19-853 18-823 1-030
Oct. 7. 19-878 19-044 0-834
8. 19-876 19-033 0-843
14. 19-878 18-929 0-949
Nov. 10. 19-866 18-887 0-979
1859, Febr. 7. 19-845 18-938 0-907
März 29. 19-834 18-922 0-912
April 27. 19-843 18-932 0-911
Um uns über die Natur dieser Variabilität noch weiter aufzu-
klären, wurden von sämmtlichen eben disponiblen Beobachtern in
kurzen Zeitintervallen Bestimmungen der Distanzen V vorgenommen,
von denen ich die folgenden mittheile. Jede dieser Bestimmungen
beruht auf mehreren, unter einander vortrefflich stimmenden Mes-
sungen; das überhaupt durch ein Klemmschräubchen festgestellte
Ocular blieb wie während der ganzen hier betrachteten Periode so
auch während dieser Versuche unverrückt stehen, und die einzelnen
Beobachter glichen, wo es nöthig, die Verschiedenheit der Sehweiten
durch Brillen aus. Der zweite und vierte Beobachter sind sehr kurz-
sichtig, die anderen nahezu normal.
Littrow
Hornstein
Alle
Weiss
Löwy
1858,
Dec.
30.
11 Uhr
Mittags
.
2? 940
30.
2
»
Abends
2-932
.
30.
9
w
»
2-936
.
31.
10
»
Mittags
2-928
.
31.
12
„
?5
2? 023
2-910
1859.
•Irin.
3.
10
»
Abends
1-949
2-783
3.
2
n
»
2!
'775
1-912
2-745
ls873
3.
9
„
n
2
369
1-954
2-401
1-884
2S244
4.
12
n
Mittags
2'
656
1-897
2-390
1-752
2 • 668
5.
12
„
»
2
â– 856
2-553
2-525
1 • 680
2-611
5.
8
»
Abends
2-754
8.
9
w
„
2-738
13.
8
n
«
,
2-788
di v. L i t t r o w.
Es stellt sich damit unzweifelhaft heraus, dass nicht nur unter
den verschiedenen Beobachtern , sondern auch bei einem und dem-
selben Beobachter innerhalb weniger Stunden sehr bedeutende Ab-
weichungen stattfinden, ja dass diese Abweichungen hier, wo jeder
Beobachter sich besondere Mühe gab möglichst genau zu messen,
weit grösser ausfielen als oben, wo der Beobachter noch völlig unbe-
fangen zu Werke gegangen war. Es ist ferner sehr bemerkenswerth,
dass Herr Dr. Hornstein durch eine Muskelwirkung auf das Auge
die Distanz V willkürlich ändern konnte, so wie dass Herr Alle,
wenn er an irgend einem Abende besonders abweichende Werthe
dieser Abstände erhielt, sich oft erinnerte, die lichten Linien nicht
deutlich gesehen zu haben, während, wenn er sich dessen rechtzeitig
bewusst wurde und sein Auge mit Gewalt accommodirte, jene Werthe
nahe dieselben blieben. Diese Umstände kennzeichnen die Erschei-
nung als subjectiv, und ich kann den Grund derselben nur in nach-
stehender Betrachtung finden.
Da der LichtbĂĽnde] des kleinen Objectives, welches das Bild der
lichten Linien nahe bei dem Brennpunkte des Fernrohres hervorbringt,
mit der optischen Axe des letzteren einen Winkel bildet, so wird das
Andern der Sehweite eines unvollkommen accommodirenden Auges,
wenn es gleich zu gering ist, um an dem Aussehen der Linien und
Fäden sofort aufzufallen, eine bedeutende Änderung des Ortes der
lichten Linien gegen die Fäden in derjenigen Ebene, in welcher
die beiden optischen Axen (des grossen und kleinen Objectives)
liegen, also bei der Construction unseres Apparates in der gegen-
seitigen Distanz der verticalen Linien und Fäden bewirken, wäh-
rend offenbar in der auf die eben genannte senkrechten Ebene der
Abstand der horizontalen Linien von den horizontalen Fäden da-
von nicht berührt wird — vorausgesetzt, dass das Accommodiren
in einem Nähern und Entfernen der Netzhaut gegen die Krystall-
linse bestehe.
Mit dieser Erklärung war auch das Mittel zur Abhilfe an die
Hand gegeben. Der Apparat musste gleichsam in zwei Theile zerlegt
werden, von denen der eine ganz in der Stellung der bisherigen
Vorrichtung nur die horizontalen lichten Linien hervorzubringen
hat, während dem anderen Theile durch eine zweite mit Ritzen ver-
sehene Tafel und durch ein zweites Objectivchen, die von den ana-
logen StĂĽcken des ersten Theiles an der Fassung des Bohres um
Ăśber das Mikrometer mit lichten Linien etc. 33
90° abstanden, die Erzeugung der verticalen lichten Linien über-
tragen wurde.
Da die Fehler, welche bei der bisherigen Einrichtung dieser
Quelle entspringen, auch fĂĽr Differenzbestimmungen schon fĂĽhlbar
werden konnten, so musste die eben angedeutete Modifieation nicht
nur beim Meridiankreise, sondern auch bei dem mit Zonenbeobach-
tungen beschäftigten Mittagsrohre vorgenommen werden. Ich zog es
vor, die Änderung zuerst am Mittagsrohre eintreten zu lassen, um
vorläufig Erfahrungen über die Construction zu machen, und diese
dann bei dem ungleich wichtigeren Meridiankreise benützen zu kön-
nen. Im October 1858 wurde das Mittagsrohr zum Behufe jener
Abänderung in die Werkstätte abgeliefert, welche die Arbeit wegen
Überhäufung mit anderen Aufträgen leider erst in diesen Tagen
beendigen konnte.
Zur näheren Erläuterung der Art, wie die Sache beim Mittags-
rohre ausgefĂĽhrt wurde , zeigt die beigegebene Tafel im Massstabe
von */4 der wirklichen Grösse in Fig. 3 den Durchschnitt durch
die Drehungs- und optische Axe des Instrumentes. A ist der Spiegel,
welcher das von G kommende Licht der gewöhnlichen, für die
Erleuchtung des Gesichtsfeldes bestimmten Lampe auf die belegte
Glastafel B wirft *), in deren Ăśberzug die horizontalen Linien geritzt
sind; E das an der Ocularröhre befestigte Objectivchen , welches
das Bild dieser Linien in der durch H gehenden Focalebene des
Fernrohres erzeugt. Etwas höher als A steht der zweite Spiegel C,
der sein Licht auf die zweite ebenfalls höher als B stehende belegte
Glasplatte D wirft, welche die verticalen Ritzen hat. Ein wieder am
Ende der Ocularröhre angebrachtes zweites Objectivchen, das an
der Fassung des Rohres um 90° von E absteht, gibt bei H das Bild
der verticalen Linien.
Fig. 4 zeigt den Durchschnitt des Instrumentes in einer senk-
recht auf die Drehungsaxe durch die optische Axe gelegten Ebene.
Die Buchstaben A,B,C,D haben die frĂĽhere Bedeutung. F ist das
kleine zur Hervorbringung der verticalen Linien bestimmte Objectiv.
*) In unserem Falle war es nothwendig, das Licht der Lampe mittelst zweier Prismen in
die rechte Richtung- zu bringen, da die Gestalt des Inneren der Drehungsaxe eine
directe Bescheinung der Glastafeln nicht zuliess. Bei Gelegenheit dieser Abänderungen
wurde zweckmässiger die Glastafel zwischen Spiegel und Ocular gestellt, statt wie
frĂĽher der Spiegel zwischen Glastafel und Ocular.
Sitzb. d. mathem.-naturw. Cl. XL. Bd. Nr. 7. 3
34 v. L i t t r o w.
In Fig. 5 , Durchschnitt des Instrumentes durch die Drehungs-
axe senkrecht auf die optische Axe, stellen sich die heiden belegten
Glasplatten mit ihren Lichtspalten dar.
Fig. 6 endlich zeigt die beiden Objectivchen in einem auf die
optische Axe senkrechten Durchschnitte der Ocularröhre. Von bei-
den Linsen sind die inneren Segmente weggenommen, um dem Haupt-
lichtkegel des Fernrohres freien Durchgang zu gestatten.
Mit dieser Abänderung ist nun auch der weitere nicht gering
anzuschlagende Vortheil erreicht, dass alle, in meinem oben ange-
fĂĽhrten ersten Aufsatze ĂĽber diesen Gegenstand, besprochenen Vor-
sichten wegen unveränderlicher Stellung des Oculares wegfallen,
und dieselbe wieder völlig dem Ermessen des jedesmaligen Beobach-
ters anheimgestellt bleibt; denn offenbar sind die bei der frĂĽheren
Einrichtung durch eine Verschiebung des Oculares hervorgerufenen
Änderungen in der Lage der verticalen Linien gegen die verticalen
Fäden ganz analoger Natur mit den hier besprochenen Wirkungen
von Verschiedenheiten der Sehweite, und werden daher zugleich mit
diesen Wirkungen behoben.
Sobald auch der Meridiankreis in gleicher Weise eingerichtet
ist wie das Mittagsrohr, werde ich mittelst des an jenem Instrumente
befindlichen Schraubenmikrometers eine Reihe von Versuchen sowohl
mit der bisherigen als mit der neuen Vorrichtung anstellen, die ĂĽber
das Wesen beider Apparate vielleicht noch manchen Aufschluss geben
und von mir seiner Zeit mitgetheilt werden sollen.
Ich kann ĂĽbrigens nicht umhin bei dieser Gelegenheit ausdrĂĽck-
lich zu erwähnen, dass die Vorrichtungen im Allgemeinen den von
mir gehegten Erwartungen vollkommen entsprochen haben, sowohl
was die Bequemlichkeit als den Nutzen betrifft. Die erstere RĂĽcksicht
ist hauptsächlich durch die von mir eingeführte Drehbarkeit der
gewöhnlichen Beleuchtungs-Ellipse gewahrt, wodurch augenblicklich
und ohne alle sonstige Störung des Instrumentes die lichten Linien
oder die dunklen Fäden, oder auch beide Systeme sichtbar gemacht
werden können. In letzterer Beziehung erwähne ich hier beispiels-
weise, dass am Mittagsrohre bei einer Breite der Zonen von nur 15'
in Declination durchschnittlich drei Sterne in der Minute bestimmt
werden konnten , während das Fernrohr dieses Instrumentes so wie
das des Meridiankreises bei beleuchtetem Gesichtsfelde kaum Sterne
9 — 10. Grösse mit Sicherheit beobachten lässt, deren Zahl bekannt-
Ăśber das Mikrometer mit lichten Linien etc. 3 t)
lieh zu jener Reichhaltigkeit hei weitem nicht hinreichen wĂĽrde.
Am Meridiankreise wurden im Jahre 1857 die Planeten: Parthenope
(mit vorausberechneter Helligkeit 9*9), Psyche (10*1), Fides
(10 7), Astraea (10- 1), Circe (11 -7, vielleicht zu klein ange-
geben) wiederholt beobachtet. Im Jahre 1858 bestimmte man am
Meridiankreise : Themis (1 1 • 4), Fortuna (10-0), Melpomene (10 • 5),
Thalia (9*8), Nysa (11*0) und den Kometen Bruhns; ebenso im
Jahre 1859: Calliope (9-8), Massalia (9-8), Mnemosyne (10-0),
Proserpina (HO), Parthenope (9-6), denen noch Amphitrite,
Lutetia, Pallas und Psyche, obschon die betreffenden Helligkeiten
(der Reihe nach: 9'3, 9*5, 9-4, 9-3) an sich nicht unter der hier
zu betrachtenden Grenze lagen, desshalb beizufügen wären, weil
diese Himmelskörper so wie auch einige der früher genannten sehr
tiefe Stellungen hatten, während bei obigen Zahlen auf atmosphäri-
sche Absorption keine RĂĽcksicht genommen ist. Meine am angefĂĽhr-
ten Orte aus anderen GrĂĽnden aufgestellte Ansicht, dass man den
Bereich des Instrumentes durch Anwendung der lichten Linien um
etwa zwei Grössenclassen erweitere, hat sich also auch auf diesem
Wege vollkommen bestätigt. Dazu ist aber die von mir angegebene
Form der lichten Linien, wonach dieselben nur aus kurzen, einander
nirgends durchkreuzenden Stumpfen bestehen, zwischen denen der
Stern sich stets auf dunklen Hintergrund projicirt, unerlässige
Bedingung, wenn man die Beobachtungsart, was gewiss wĂĽnschens-
wert^ der an Fadennetzen üblichen möglichst nähern will. Um auch
schon vor der hier besprochenen Verbesserung des Apparates die
Genauigkeit der Resultate thunlichst sicher zu stellen, wurden die
Distanzen beider Systeme in der Regel an jedem Abende zweimal,
vor und nach den Beobachtungen, bestimmt. Als Beispiel fĂĽr die
verticalen Linien und Fäden mag das Folgende dienen :
Tor nach vor nach vor nach
1859 der Beubacht. 1859 der Beobaeht. 1859 .1er Beohacht.
Aug.9. -2!7H -2s66i Nov.3. +2*723 +2*7:55 Nov. 12. + 2S708 +2?631
2-689 2-723 2-772 2-729 2-692 2677
2-674 2-698 2-757 2-748 2-683 2-664
—2-691—2-694 +2-751 +2-737 +2-694+2-657
Mittel— 2-692 Mittel +2-744 Mittel +2-676
Die mechanische Herstellung der eben besprochenen Apparate
gehört allerdings nicht zu den leichten Aufgaben, und war uns hier
3°
3G v. Littrow. Ăśber das Mikrometer mit lichten Linien etc.
nur durch die Hilfe des Herrn G. Starke möglich. Indessen würde
sich auch in dieser Beziehung manche Schwierigkeit beliehen, die in
unserem Falle zu ĂĽberwinden war, wenn bei dem ursprĂĽnglichen
Baue eines Meridian-Instrumentes darauf Bedacht genommen wĂĽrde.
Schliesslich möchte ich mir eine kleine Abschweifung vom
astronomischen auf physiologisches Gebiet erlauben. Die bis-
herigen sogenannten Optometer oder Instrumente zur Bestimmung
der Sehweite lassen noch so Vieles zu wĂĽnschen ĂĽbrig, dass es mir
der MĂĽhe werth schiene zu untersuchen, ob die frĂĽhere Gestalt
unseres Apparates in Bezug auf die verticalen Linien, bei welcher
sich ja eben ein so merklicher Einfluss der Sehweite geltend machte,
verbunden mit dem Schraubenmikrometer sich nicht zur Bestimmimg
der Sehweite und ihrer Änderungen eignete. Was für den Astronomen
eine Fehlerquelle war, und daher in seinem EinflĂĽsse auf die Beob-
achtungen möglichst herabgedrückt werden musste, würde nun zu
dem eigentlichen Objecte der Untersuchung, und wäre daher gerade
so kenntlich als möglich zu machen. Während mau also dort den Winkel
zwischen den Axen der beiden Objective thunlichst verringerte, mĂĽsste
derselbe im Gegentheile hier möglichst vergrössert werden. Zu sol-
chem Zwecke wĂĽrde der ganze Apparat vielleicht am besten aus zwei
in derselben Horizontalen aber auf verschiedenen Seiten des Oculares
belindlichen Vorrichtungen fĂĽr verticale lichte Linien bestehen, deren
gegenseitige Distanz sich also doppelt so stark ändern müsste als
der Abstand solcher Linien von dunkeln Fäden, die eben nur bei
einem Fernrohre in Betracht kommen. Das Schraubenmikrometer
hätte blos in einer Richtung zu messen, wäre also viel einfacher als
das oben beschriebene.
Ich muss es den Ophthalmologen ĂĽberlassen , diesen Vorschlag
zu prĂĽfen , und wenn sie denselben statthaft finden , weiter zu ver-
folgen.
Llllrnu-. Mikrometer mmi Kehlen Linien
Pia.
'1
SF
fii/ u
laiui&u il k Akail .1 W math natura Cl. XL l),l X- ; illliil
Rochleder. Ăśber d. Vorkommen d. Fraxin in d. Rinde v. Aesculus HippocasL 3 i
Ăśber das Vorkommen des Fraxin in der Rinde von Aesculus
Hippocastauum.
Von Dr. Fr. Röchle der.
Obwohl ich entschlossen war von den Resultaten meiner
Untersuchung der Rosskastanie erst dann etwas zu publiciren, nenn
diese Arbeit vollendet sein wird, so zwingt mich doch der Inhalt
eines Schreibens vom FĂĽrsten zu Sa 1 m-Hor st mar zur Publication
der vorliegenden Notiz.
Aus diesem Schreiben ersehe ich, dass Professor Stokes zu
Cambridge sich ĂĽberzeugt hat, dass das Paviin , welches er
in der jungen Rinde von Aesculus Pavia gefunden hatte, iden-
tisch ist mit dem Fraxin, welches FĂĽrst zu S al m-Ho rstmar
in der Rinde von Fraxinus excelsior entdeckt hat. Prof. Stokes
hat nun mitgetheilt, dass er Fraxin oder Paviin auch in der Rinde
von Aesculus Hippocastauum in geringer Menge aufgefunden habe,
was mich zu der Veröffentlichung dieser Notiz bestimmt.
Ich habe vor einiger Zeit Analysen des Fraxetin's, welches
neben Zucker aus dem Fraxin durch die Einwirkung von Säuren
in der Wärme entsteht, so wie eine Analyse des Fraxin oder Paviin
mit Material angestellt, welches mir der Entdecker dieses Körpers
zugesendet hatte, und die Resultate meiner Analysen sind von dem-
selben in Poggendorffs Annalen veröffentlicht worden.
Ich will hier die Methode kurz beschreiben, welche zur
Isolirung dieses Bestandteiles führte, die diesen Körper in ziemlich
reinem Zustande liefert.
Vor zwei Jahren wurden etwa 50 Pfund von Kastanienrinde mit
Weingeist von 35° R. ausgekocht, das (iltrirte, weingeistige Decoct
mit weingeistiger Bleizuckerlösung gefällt und der Niederschlag
auf Filtern gesammelt, mit Weingeist vollkommen ausgewaschen.
Es war meine Absicht die Gerbsäure der Rinde rein darzustellen
und Äsculin dabei als Nebenproduct zu erhalten. Als der Nieder-
J}$ Kochleder. Ăśber das Vorkommen des Fraxin
sehlag- in Wasser vertheilt, mit Schwefelwasserstoffgas zersetzt
wurde, zeigte die Gerbsäurelösung, die vom Schwefelblei abfiltrirt
worden war, eine deutliche Fluorescenz, von der die Ursache nicht
ein Gehalt an Äsculin sein konnte, da dieses durch den Bleizucker
nicht gefällt wird und beim Zersetzen des Niederschlages durch
Schwefelwasserstoff von dem Schwefelblei zurĂĽckgehalten wĂĽrde.
Es war nicht wahrscheinlich, dass die Gerbsäure die Ursache der
Fluorescenz sein würde. Die grosse Menge der wässerigen, fluo-
rescirenden Flüssigkeit wurde über Schwefelsäure im Vacuo ver-
dunstet, wobei sich Krystalle ausschieden, deren Menge zuletzt
bedeutend zunahm. Es zeigte sich, dass sie fast der ganzen Menge
nach erhalten werden konnten, wenn die FlĂĽssigkeit im Vacuo voll-
ständig zur Trockne gebracht, der Rückstand gepulvert und mit
wenig Wasser von 0° zerrieben und schnell die Lösung der Gerb-
säure von den Krystallen abfiltrirt wurde. Die Lösung der Gerb-
säure fluorescirte nun nicht mehr, wohl aber die Lösung der Krystalle.
Diese mit wenig Wasser von 0° gewaschen, waren weiss und wurden
in Vacuo bei einer nicht ganz bis 100° C. reichenden Temperatur
getrocknet und von Herrn Kawalier analysirt.
0-2902 Substanz gaben 0-544 Kohlensäure und 0-1389 Wasser,
oder c 31.12
H 5-32
0 43-56
100-00
Die wässerige Lösung der Substanz mit Salzsäure versetzt und
erwärmt, spaltete sich in Zucker und einen Körper, der einige Ähn-
lichkeit mit Äsculetin zeigte. Ich bestimmte mit Herrn Kawalier
die Menge des sich erzeugenden Zuckers.
0-9199 Substanz gaben 536 CC. FlĂĽssigkeit, wovon 27 CC,
nach der Methode von Fehling, einen Gehalt von 0025 Zucker aus-
wiesen, d. h. 100 Theile liefern 54 % Zucker (= CiaH13Oia).
Als ich die Substanz in kochendem Wasser löste, zeigte sich,
dass sie nicht vollkommen rein war, denn die Lösung der Krystalle
war hell bräunlichgell) gefärbt. 15eim Erkalten der gesättigten Lö-
sung schied sich der Körper in langen Nadeln aus, die theils vom
Hantle der FlĂĽssigkeit ausgingen und sich in das Innere derselben
erstreckten, theils büschelförmig vereinigt in der Flüssigkeit lagen.
Sie haben grosse Ähnlichkeit mit Caffei'n.
in der Rinde von Aesculus Uippocastanum. 30
Herr Ka wal ier analysirte diese Krystalle nach dem Pressen
zwischen Löschpapier und Trocknen im luftleeren Räume bei nahe
100° C. mit folgendem Resultat:
0-3909 Substanz gaben 0 7358 Kohlensäure und 01768 Was-
ser, oder in 100 Theilen :
C 51 33
H 503
O 43-64
100-00
Eine Verbrennung, die Herr Ka wal ier mit umkrystallisirter
Substanz anstellte, gab folgende Zahlen :
0367 Substanz gaben 06853 Kohlensäure und 0-1692 Was-
ser, oder in 100 Theilen :
C 50-92
H 512
O 43 96
10000
Ich halte diese Analysen bereits zwei Jahre liegen, als ich das
Fraxin vom FĂĽrsten zu S alm-Horstmar erhielt, um es zu analy-
siren. Die in Poggendorffs Annalen mitgetheilte Analyse ergab
in 100 Theilen:
C 51-356
H 4-762
0 43-882
lölTooo-
Ich habe mit sorgfältig gereinigtem, aus wasserfreiem Alkohol
wiederholt umkrystallisirtem Fraxin aus Fraxinus in Sauerstoffgas-
strom eine Verbrennung gemacht.
0-4351 Substanz gaben 0-8272 Kohlensäure und 0-1875 Was-
ser, d. i. in 100 Theilen
V 51-851
H 4-788
O 43-361
100-000
Die Substanz war bei einer Temperatur von 110° — 113°C.
im trockenen Luftstrom getrocknet. Wäre die Formel des Fraxin, die
in Poggend orffs Annalen mitgetheilt wurde, die richtige gewe-
sen , so hätte durch Spaltung des Fraxin eine Menge von 36-66°/o
Zucker entstehen mĂĽssen. Das unreine Fraxin aber gab schon 54%
Zucker. Die Formel des Fraxin oder Paviin ist demnach die folgende :
40 Rochleder. Ăśberd. Vorkommen d. Fraxin in d. Rinde v. Aesculus Hippocast.
I. Fraxin oder Paviin bei einer Temperatur unter 110° C. im
Vacuo getrocknet:
berechnet gefunden
C 54 = 324 ^5Toi"- ^92~^5T33
H31 = 31— 4-89— 512 — 502
0 33 = 280- 4409— 4396— 4365
635 — 100-00 — 100-00 — 100-00
II. Fraxin oder Paviin bei einer Temperatur von 110° — 113°C.
getrocknet: berechnet gefunden
C 54 = 324— 51-76— 51-85
H30= 30— 4-79— 4 79
0 34 = 272— 43-45— 4336
626 — 10000 — 10000
III. Fraxetin:
berechnet gefunden
C 30 = 180 -^sl^T-T^lTir
H12= 12— 3-75 - 3-625
0 16 = 128— 40-00— 40.200
320 — 10000 — 100-000
C54H30O34 + 6HO = CsotWWf 2 (CI3H13012)
Fraxin Fraxetin
Das Fraxin ist also ganz analog dem Äsculin zusammengesetzt,
das in C36Hi30i6 + 2 (C13H130i3) zerfallt.
Äsculetin
Professor H las i wetz hat das Quercitrin untersucht, welches
ich neben einer andern an Zucker reicheren Verbindung (dem Quer-
aescitrin) in den Blättern der Rosskastanie, so wie auch in den
FrĂĽchten (Kotyledonen) gefunden habe. Das Quercetin spaltete er
in Phloroglucin und Quercetinsäure, welche der Formel C34H13016
entsprechend zusammengesetzt ist. Das Quercitrin selbst zerfallt
in C34H13016 + C13H606 + C13H13013. In den Kapseln der FrĂĽchte
zur Zeit der Reife habe ich, wiewohl nicht jedes Jahr, eine krystal-
lisirte Säure aufgefunden, die ich Capsulaescinsäure nenne. Ihre
Zusammensetzung ist C36H13016, sie ist isomer mit der dreifach-
acetylirten Gallussäure, die Professor Hlasiwetz darstellte, weil
es möglich schien, die Capsulaescinsäure auf diese Weise künstlich
zu bilden. In der That reagiren beide Säuren gleich gegen Eisen-
oxydsalzlösungen, färben sich beide gleich roth durch Atzkalilösung
u. s. w. Aber während die Capsulaescinsäure unzersetzt sublimirt,
gibt die acctylirte Gallussäure eine Menge Essigsäure, die aus der
Capsulaescinsäure nicht erhalten werden kann.
Kner. Zur Charakteristik und Systematik der Labroiden. 41
Alle diese Materien, auf die ich hier nicht näher eingehe,
unterscheiden sich durch ihren Kohlenstoffgehalt, bei gleichem Was-
serstoff- und Sauerstoffgehalt.
CsgHtaOje = Äsculetin,
C34H13016 = Quercetinsäure,
C3oHia016 ~ Fraxetin,
C26rI130I6 = Capsulaescinsiiure.
Die weiteren Details der Untersuchung dieser Körper verschiebe
ich bis zur Zeit, wo die Untersuchung der Rosskastanie beendet
sein wird.
Zur Charakteristik und Systematik der Labroiden.
Vom c. M. Prof. Dr. Rad. Rner.
(Mit 2 Tafeln.)
Kein Zoologe wird die Verdienste verkennen, welche sich Job-
MĂĽller um die Verbesserung des ichthyologischen Systems erwor-
ben hat, und die Verehrung, die der grosse Forscher aller Orten
fand, brachte es mit sich, dass namentlich in deutschen Landen das
von ihm in seinem berĂĽhmten Werke ĂĽber die Ganoiden vorgeschla-
gene System der Fische fast allgemein adoptirt und jenes von C u v i e r
mehr und mehr verdrängt wurde. Dennoch ist es nicht zu bestrei-
ten, dass nicht alle Veränderungen , welche Joh. Müller an dem
Systeme Cuvier's vornahm, auch als wirkliche Verbesserungen
anzusehen sind.
Als eine dieser Veränderungen, welchen kein dauernder Werth
zuerkannt werden kann, ist die BegrĂĽndung der Ordnung: Pha-
ryngognathi zu bezeichnen. Fasst man zunächst den für selbe aufge-
stellten Charakter in's Auge, so bemerkt man, dass selber nur zwei
positive Merkmale enthält, nämlich: „vereinigte untere Schlundkno-
chen und eine Schwimmblase ohne Luftgang". Die ĂĽbrigen noch an-
gefĂĽhrten Merkmale sind hingegen durchaus nicht exclusiv; sie sagen
nichts mehr aus, wodurch der Begriff der Ordnung als einer hohem
Einheit im sogenannten natürlichen Systeme sich präciser gestalten
würde. Sie reduciren sich nur auf „entweder, oder", indem theils
Stachel-, theils Weichflosser, theils Knochenfische mit Rund-, theils
42 K ii e r.
mit Kammschuppen und solche mit entweder brüst -oder bauchständi-
gen Ventralflossen in den Umfang der Ordnung einbezogen werden. —
Doch selbst abgesehen davon , dass ein derartiges Zusammendrängen
von Merkmalen und Nichtmerkmaien in einen Begriff sicher nicht
dazu beiträgt, ihn scharf begrenzt erscheinen zu lassen, so sind
auch die angefĂĽhrten positiven Merkmale nicht derart, dass sie die
Ordnung streng abschliessen würden; im Gegentheile fände eine
consequente Logik Anlass, in BerĂĽcksichtigung dieser positiven
Merkmale allein die Grenzen der Ordnung viel weiter hinauszu-
rĂĽcken und noch eine Menge von Gattungen in ihren Bereich zu
ziehen, welche von J. MĂĽller ausgeschlossen blieben. Ich will
hier nicht von der Schwimmblase ohne Luftgang sprechen, da diese
streng genommen gleichfalls weder ein positives noch exclusives
Merkmal fĂĽr die Pharyngognathen genannt werden kann, sondern
nur die vereinigten unteren Schlundknochen sollen hier näher in
Betrachtung gezogen werden.
J. Müller hat mit Recht und Vorbedacht den Ausdruck: „ver-
einigte" untere Schlundknochen gewählt, da es nur dadurch mög-
licb wurde, Gattungen mit wirklich in ein StĂĽck verwachsenen
Schlundknochen und solche mit blos in der Mittellinie an einander
stossenden in eine Ordnung zu bringen. Ăśberblickt man aber die
verschiedenen Familien der Pharyngognathen, so findet man, dass
nur die Labroidei cycloidei MĂĽll, wirklich verwachsene untere
Schlundknochen besitzen, welche blos ein StĂĽck ohne Spur einer
Nath oder Trennungslinie in der Mitte darstellen, und ĂĽberdies
daselbst am dicksten und stärksten sind. Bei den Pomacentrinen
(Labroidei ctenoidei MĂĽll.^ bilden zwar die unteren Schlundkno-
chen auch noch ein völlig verwachsenes Stück, dessen Mitte jedoch
allmählich an Dicke und Länge abnimmt, indem bei vielen, nament-
lich Pomacentrus selbst, die beiden SeitenstĂĽcke nur noch vorne
in der Mittellinie verwachsen sind, alsbald aber weit divergiren.
Bei Chromiden (z. B. Acara, Heros) sind die unteren Schlundkno-
chen zwar auch in der Mittellinie wie bei allen cycloiden und man-
chen ctenoiden Labroiden (im Sinne J. MĂĽller's) am breitesten und
dicksten, aber nicht mehr verwachsen, sondern daselbst getrennt.
Lezteres ündet aber auch häufig ganz deutlich bei den Scombereso-
ces Statt, die sich in einer und derselben Ordnung mit den Labroi-
den und Chromiden ohnehin nicht natĂĽrlich gestellt ausnehmen.
Zur Charakteristik und Systematik der Labroiden. 4 3
In der Mittellinie an einander stossende, jedoch von einander
getrennte untere Schlnndknochen linden sich ĂĽbrigens noch in ande-
ren Familien vor, so namentlich bei Scomberoiden, z. B. der Gattung
Caranx, Trachinotiis , bei Labyrinthfischen, wie Anabas, Osphro-
menas und auch bei Gobioiden, z. B. Callionymus u.m. a., welche
Fische demzufolge ehen so consequenter Weise zu den Pharyngo-
gnathen gerechnet werden mĂĽssten, als dies auch mit Pogonias unter
den Sciaenoiden u. m. a. der Fall ist. — Wohin würde aber eine solche
Consequenz fĂĽhren? Unleugbar auf jenen Weg, den man zu vermei-
den sucht und als Irrweg längst erkannte, nämlich zur ConstructioR
kĂĽnstlicher Eint h eilungen, denen der Werth einer natĂĽr-
lichen Einheit nicht zuerkannt werden kann. Und als eine solche
kĂĽnstliche Einheit scheue ich mich nicht, die Ordnung Pharyngo-
gnathi J. MĂĽller's zu bezeichnen, die sich auch schwerlich mehr
einer langen Lebensdauer erfreuen dĂĽrfte.
Nach diesen vorläufigen Andeutungen wende ich mich aber,
um die Grenzen meiner heutigen Mittheilung nicht zu ĂĽberschreiten,
der Familie der Labroiden im Sinne Cuvier-Valenciennes' zu.
Was nun diese im Allgemeinen anbelangt, so erscheint sie als eine
wahrhaft natĂĽrliche. Wenn sie auch als solche nicht jedem Laien
derart in die Augen springt, wie etwa z. B. die Familie der Pleuro-
nectiden oder Rajaceen, so stellt sie sich bei näherer Betrachtung
doch nicht minder als natĂĽrliche Einheit heraus, wie z. B. die Fami-
lie der Cyprinoiden. — Der Charakter der Familie wurde auch
bereits von Cuvier so glĂĽcklich aufgefasst, dass sich zu den von
ihm hervorgehobenen Merkmalen kein wesentliches mehr hinzufĂĽgen
lässt. Nur über die Stellung derselben unter den Stachelflossern
könnten Bedenken erhoben werden, doch soll dieser Punkt erst in
einer nächsten Mittheilung, die sich mit dem Flossenbaue insbeson-
dere befasst, zur Sprache kommen. Ich glaube nur vorläufig bemer-
ken zu dĂĽrfen, dass Cuvier selbst von der Stachelflossernatur
aller Labroiden nicht zweifellos ĂĽberzeugt gewesen scheint, da er
sie an die Grenze seiner Acanthopteren, gleichsam als vermittelndes
Ăśbergangsglied zu den Weichflossern stellte. Und es konnte auch
einem Beobachter von so durchdringendem Geiste wie Cuvier nicht
entgehen, dass sich Gattungen, wie Lachnolaimus , Scarns u. dgl.
etwas sonderbar ausnehmen neben Stachelflossern , wie Chaetodon-
ten, viele Percoiden u. s. w. sind.
44 K n e r.
Unter allen Merkmalen, welche den Charakter der Labroiden
ausmachen, sind aber nur die völlige Verwachsung der unteren
Schlundknochen und die Ruudschuppen die eigentlich bezeichnenden.
Erstere ist fĂĽr diese Familie so charakteristisch, wie es die Bezahnung
der unteren, aber getrennten Schlundknochen fĂĽr die Cyprinoiden
ist; es findet sich in gleicher Weise, wie schon erwähnt, nur noch
bei den Pomacentrinen vor, welche sich aber ausser den ctenoideu
Schuppen noch in anderen Beziehungen (auf die einzugehen hier
nicht beabsichtigt wird) so wesentlich unterscheiden, dass schon
J.MĂĽller sie mit Recht als eigene Familie von den Labroiden trennte.
Jedenfalls erscheint dieses von den Schlundknochen entnommene
Merkmal fĂĽr die Charakteristik von derartiger Bedeutung, dass jede
Gattung, bei welcher selbes fehlt, auch nicht als Labroid gelten
kann , wenn anders die Begrenzung der Familie nicht willkĂĽrlich ver-
rĂĽckt werden und sie Anspruch auf den Werth einer natĂĽrlichen
haben soll. — Von dieser Ansicht geleitet, trennte daher J. Müller
ebenfalls ganz richtig die Familie der Chromiden, da bei ihnen keine
solche Verschmelzung der Schlundknochen in ein StĂĽck sich mehr
vorfindet. Und aus gleichem Grunde ist aus der Familie der Labroi-
den auch die Gattung Malacanthus auszuscheiden, bei welcher die
schmalen, mit Hechelzahnen besetzten unteren Schlundknochen nicht
einmal in der Weise vereinigt sind, wie bei Chromis und Pseudo-
chronĂĽs 1).
Nach Ausscheidung aller fremdartigen Bestandteile und bei
strengem Festhalten an den beiden Merkmalen: ein untheil-
barer unterer Schlundknochen und c y c 1 o i d e Schuppen,
stellt sich dann die Familie der Labroiden als eine wahrhaft natĂĽr-
liche dar. Im Folgenden werde ich nun nachzuweisen versuchen,
dass die Brauchbarkeit der Schlundknochen bezĂĽglich ihrer Forin
und Bezahnung weiter reicht und sich mit gleichzeitiger BerĂĽcksich-
tigung anderer Merkmale eben so tauglich zur Unterscheidung von
Gattungen erweist, wie dies mit den Schlundzähnen der Cyprinoi-
den der Fall ist. Nur muss ich vorerst noch bemerken , dass man
unrichtiger Weise gewöhnlich angegeben findet, die Schlundzähne
) Van der Hoeven und v. Bleeker scheiden auch bereits diese Gattung aus
und weisen selber ihren Platz neben den sogenannten labroidenähnlichen Percoiden
(Pinguipes, Pereis) au.
Zur Charakteristik und Systematik der Labroiden. 45
aller Labroiden seien kugelig abgerundet. Dies ist nun allerdings oft
richtig, allein bei Einigen, wie z. B. Coricus, enden sie alle spitzig,
bei Andern zeigen sie flache oder schneidende Kronen (Scarus
u. dgl.) Es lassen sich darnach die verschiedenen Gattungen in vier,
freilich nicht sämmtlich scharf von einander getrennte Gruppen brin-
gen, in welche sich dann die einzelnen Gattungen folgendermassen
vertheilen:
a) Alle Zähne, sowohl in dem unteren wie den oberen Schlund-
knochen sind kugelig oder elliptisch ab gerund et, oder
es trägt blos das vorspringende Mittelstück, der Stiel, des
unteren Schlundknochens einige zugespitzte Zähne. Hierher
die Gattungen: Crenilabrus , Cossyphus, Lachnolaimus,
Cheilio und Chcilinus.
b) Theils kugelige, theils spitze Zähne, sowohl im
unteren wie den oberen Schlundknochen finden sich vor bei :
Labrus, Tautoga, Julis (und Halichoeres) , Epibulus, Gom-
phosus, Xirichthys , Novacula und Anampses.
c) Bios spitze Zähne bei: Ctenolabrus, Acantholabrus, Coricus
und Labroides Bleek.
d) In Schneiden auslaufende oder Kauflächen bildende Zähne
besitzen: Scarus, Callyodon, Odax ; wahrscheinlich auch Sca-
richthys Bleek. und vielleicht noch Scarodon Schleg.
Von den älteren, schon in der Histoire des poissons aufge-
fĂĽhrten Gattungen konnte ich nur Clepticus nicht untersuchen.
B. Owen gibt hierĂĽber in seiner berĂĽhmten Odontography (pag. 108)
an: „the pharyngeal teeth form small plates with a serrated mar-
gin" und nennt sie dann später „saw-like plates". Obwohl man
hieraus über die Form der Schlundknochen und Zähne nicht völlig
klar wird , so scheint sie doch eine dieser, dem Epibulus nahe ste-
henden Gattung eigentümliche zu sein. — Über die von Schlegel
in der Fauna japonica als Cirrhilabrus benannte und auf pl. 86,
Fig. 3 abgebildete Gattung lässt sich, da über die Schlundknochen
jede Angabe fehlt, nur bemerken, dass sie allerdings in die Familie
der Labroiden hineinsieht, obwohl sie auch namentlich durch die
mit einem fadig verlängerten Strahle versehenen Bauchflossen an
Labyrinthfische mahnt. — Von den neueren durch von Bleek er auf-
gestellten Gattungen scheint Xiphocheilus der zweiten Gruppe anzu-
gehören , wie sich aus den Worten : „dent es pharyngeales conico-
46 K n e r-
graniformes" in der Diagnose derselben entnehmen lässt. Über
desselben Gattung Labriclithys finde ich bezĂĽglich der Schlundkno-
chen keine Angabe vor; dessgleichen ĂĽber die Gattung Duymaeria,
die dem Crenilabrus nahe zu stehen scheint.
Indem ich nun zu den einzelnen Gattungen mich wende, glaube
ich die Abbildungen ihrer Schlundknochen um so mehr beifĂĽgen zu
dĂĽrfen, als es unter gleichzeitiger BerĂĽcksichtigung anderweitiger
Merkmale dadurch möglich wird , sie noch schärfer als bisher zu
charakterisiren und als ĂĽberhaupt die Formenunterschiede derselben
bisher nicht genĂĽgend gewĂĽrdigt wurden. Denn selbst in R. Owen's
Odontography sind nur die Schlundknochen von 3 Labroiden abge-
bildet, nämlich auf pl. 48 und auf pl. 45 in Fig. 3 und o (in Text
und Figur fälschlich 4 angegeben, welche Nummer sich jedoch auf
Chrysophrys bezieht).
a) Ich beginne mit jenen Gattungen, die blos oder doch
grĂĽsstentheils kugelig abgerundete Schlund zahne be-
sitzen.
Crenilabrus. Der untere Schlundknochen in der Mitte stark ver-
dickt, mit convexem Hinterrande und m eh reren Zahn reihen, von
denen die mittleren und hinteren Kugelzähne grösser sind; das vor-
springende MittelstĂĽck oder der Stiel mit einer einfachen oder dop-
pelten Reihe kleiner rundlicher Zähne besetzt. — Fig. 1 von Crem.
pavo ; Fig. 2 von Cren. Roissalü; beide etwas vergrössert.
Zwischen -und Unterkiefer tragen bei dieser Gattung blos eine
einfache Reihe von Zähnen, deren wenig vorragende Spitzen sich
leicht abstumpfen, wodurch sie dann fast Schneidezähnen ähnlich
sehen; — Vordeckel bezahnt, Wangen und Deckelstücke beschuppt,
Mund nicht vorstreckbar.
Cheilinus. Das Mittelstück des unteren Sehlundknochens trägt
nur zwei complete Querreihen von Kugelzähnen, unter denen der
mittlere in hinterer Reihe der grösste ist; die oberen Schlundknochen
gleichfalls mit kugeligen Zähnen besetzt. — Fig. 3 von Cheilin. fascia-
tus, in natürlicher Grösse *).
') Van der Hoeven gibt in seinem Ilandh. d. Zoolog-. Bd. II, S. 143 heim Cha-
rakter dieser Galtung an : „dentes pharyngeales in aliis conici, in aliis cylindrici
aut glohosi". Inwieweit diese Angabe richtig ist, lässt sieh kaum entscheiden, da
viele Genera daselhst nicht angefĂĽhrt sind und daher nicht klar wird, ob und
«reiche andere Galtungen vielleicht zu dieser hinzugezählt werden.
Zur Charakteristik und Systematik der Labroiden. 4- 7
In der Mitte jeden Kiefers zwei längere (Hunds-) Zähne, hinter
welchen einige kleine stumpfe und zwischen den beiden oberen noch
zwei kürzere Spitzzähne stehen; an den Seiten der Kiefer blos eine
einfache Reihe spitzer Zähne. Lippen sehr dick, mit tiefen papillösen
Längsfalten, an der Wange zwei Reihen grosser Schuppen, Seiten-
linie unterbrochen, die letzte Schuppe, an der sie auf der Basis der
Caudale endet, grösser und langgestreckt.
Cossyphus. Die Schlundknochen mit mehreren Reihen meist
sehr kleiner Zähne dicht besetzt, die an den Rändern der Knochen
in mehreren Reihen ĂĽber einander stehen; die zwei mittleren
und elliptischen Zähne letzter Reihe im untern Schlundknochen sind die
grössten von allen; blos die Randzähne am Stiele enden spitz. — Fig. 4
von Coss. Bodianus in nat. Gr. (Völlig gleich verhält sich auch
Cos. mesothorav.) Im Zwischen- und Unterkiefer vier längere nach
vorwärts gerichtete Zähne, hinter welchen sich eine aus verschmol-
zenen Höckerzähnen bestehende Platte anlegt, die in beiden Kiefern
eine aufstehende gezähnelte Kante bildet *). Diese Zahnplatte endet
am Zwischenkiefer im Mundwinkel in einen längeren Hundszahn mit
breiter Basis. Vordeckel der ganzen Länge nach fein und gleich-
massig gezähnelt, Rücken- und Afterflosse überschuppt.
Cheilio. Der Körper des untern Schlundknochens mit drei com-
pleten Reihen von Zähnen besetzt, der Stiel in der Mitte verdickt
und daselbst ebenfalls eine dreifache Reihe stumpf spitzer Zähne
tragend. Beiderlei Schlundknochen sind nicht wie bei der vorigen
Gattung mit einer Platte besetzt, die aus mehreren ĂĽber einander lie-
genden Reihen verschmolzener Zähne bestände. — Fig. 5 von Cheilio
hemichrysos in natürlicher Grösse.
Totalgestalt gestreckt, Sphyränen- ähnlich, Schnauze verlän-
gert, zugespitzt, aber die Innenseite der fleischigen Lippen wie bei
allen echten Labroiden längs gefaltet und mit Papillen besetzt; Zwi-
schenkiefer protractil, die Bezahnung zunächst an Cossyphus mah-
nend. Die einfache Reihe von konischen ungleich langen Zähnen
in beiden Kiefern erhebt sich unmittelbar ĂĽber Platten, welche gleich-
falls aus verschmolzenen Pflasterzähnen bestehen und oben den gröss-
') Es hat den Anschein als trĂĽgen die Kiefer daselbst eine einfache Reibe ungleich
langer Spitzzähne, sie machen aber mit den tiefer und nach einwärts liegenden
verschmolzenen Reihen von Pflasterzähnen eine ähnliche continuirliche Platte aus,
wie dies an den Schlundknochen der Fall ist.
48 K n e r.
ten Theil des Vordergaumens (mit Ausnahme des Vomer) besetzt
halten, im Unterkiefer aber nur einen schmalen Streif bilden. — Kopf
und DeckelstĂĽcke unbeschuppt, Seitenlinie bis zur Caudale gerade
verlaufend mit weiten, gegen den Rand strahlig auslaufenden Neben-
röhrchen; alle Flossenstrahlen biegsam.
Lachnolaitnus. Der Körper des untern Schlundknochens trägt
zahlreiche (ß — 6) Zahnreihen, von denen die hintern mittleren,
besonders in letzter Reihe die grössten sind; sie bestehen, wie bei
Cossyphus aus mehreren verschmolzenen Reihen ĂĽber einander.
— Fig. 6 von Lachnol. caninus, vergrössert.
Das am meisten in die Augen springende Merkmal dieser Gat-
tung bilden die drei ersten, verlängerten und biegsam weichen Strah-
len der Dorsale, hinter denen erst kürzere steife und stachelähnliche
folgen.
b) Mit der folgenden Gattung beginnt die Reihe von Labroiden,
bei welchen die Zahl der spitzen Schlundzähne zunimmt und
allmählich vorherrschend wird.
Labrus. Der untere Schlundknochen mit concavem Hinterrande,
Körper und Stiel mit drei compl et en Zahnreihen, von denen nur die
zugleich grössten der letzten Reihe kugelig abgerundet, alle andern
aber, so wie auch die der obern Schlundknochen mehr weniger spitz
enden. — Fig. 7 von Lahr, mixtus, vergrössert.
Schnauze zugespitzt, Lippen gross und dick, Zähne blos im
Zwischen- und Unterkiefer und zwar etwas längere spitze in äusserer
Reihe, von denen die mittleren Hundszähne sind; Wange, Deckel
und Unterdeckel beschuppt, Vorderdeckel nicht (Nebenkieme wie
bei allen Labroiden gross, fransig), Seitenlinie nicht unterbrochen,
mit einfach aufgesetzten Röhrchen, meist nur an jeder zweiten
Schuppe mĂĽndend.
Ob die Gattung Tautoga sich bezüglich der Schlundzähne
zunächst an die vorige anreiht, kann ich vorerst nicht behaupten, da
der untere Schlundknochen meinem Exemplare fehlt; die theils spitzen,
theils abgerundeten Zähne der oberen Schlundknochen lassen aber
auf ähnliche Formen auch im untern schliessen. — Diese Gattung ist
ĂĽbrigens ohnehin charakterisirt, durch die enorme Lippenausbildung
und starke Faltung, wie auch durch die zwei langen, geraden, schief
nach vorne gerichteten mittleren Zähne im Zwischen- und Unter-
kiefer, hinter welchen allein in zweiter Reihe kleine konische Zähne
Zur Charakteristik und Systematik der Labroiden. 49
stehen, während die Seiten beider Kiefer nur eine einfache Reihe
kleiner ziemlich stumpfer Zähne tragen.
Julis. In Betreff dieser so artenreichen Gattung muss ich vor
allem bemerken, dass ich nach sorgfältiger Untersuchung vieler Arten
die Ăśberzeugung gewann, es sei eine Trennung derselben in minde-
stens zwei Genera nicht blos durchführbar, sondern nöthig. Da schon
RĂĽppel dies versuchte, so glaube ich auch den von ihm eingefĂĽhr-
ten Gattungsnamen Halichoeres wieder benĂĽtzen zu sollen , um nicht
die Systematik mit einem neuen Worte zu beschweren. — Den Cha-
rakter der Gattung Halichoeres begrĂĽnde ich jedoch auf andere Merk-
male, als dies von RĂĽppel geschah, der hiebet blos das Vorhan-
densein eines längeren Hundszahnes am Mundwinkel im Auge gehabt
zu haben scheint. Cuvier und Valenciennes legten aber mit
Recht auf dieses Merkmal allein kein grosses Gewicht und anerkann-
ten RĂĽppeTs Gattung nicht. Im Regne animal deutete Cuvier
auf die Form der Schwanzflosse hin, um darnach die grosse Zahl
der schon ihm bekannten Arten in Gruppen zu bringen. Ich habe
bei den von mir untersuchten Arten hierauf vorerst keinen Be-
dacht genommen , sondern nur auf die Bezahnung. Dieser zufolge
scheiden sich aber alle mir näher bekannten Arten in folgende
zwei Gruppen:
1. Bei der einen ist der nach hinten convexe untere Schlund-
knochen in der Mitte mit kugelig abgerundeten Zähnen besetzt, von
denen der mediane in letzter Reihe der grösste ist; er trägt
überdies meist drei complete Reihen von Zähnen; in der Mitte
der Kiefer stehen verlängerte Spitzzähne. Ich vereinige
diese Arten in die Gattung Julis.
2. Bei der zweiten Gruppe ist der am Hinterrande coneave
untere Schlundknochen nur mit zwei Quer reihen von Zähnen
besetzt, von denen die hintere grössere und compresse Zähne
besitzt, welche vorne schief abgedacht, nach rückwärts in eine Spitze
sich erheben. Der mediane Zahn daselbst zeichnet sich meist eben-
falls durch Grösse aus; die mittleren Zähne der Kiefer sind nicht
verlängert und enden mit schneidendem Rande. — Für diese Arten
wähle ich den Gattungsnamen Halichoeres.
Ăśbrigens finden sich bei beiden also charakterisirte i Gattungen
Arten vor, die einen vorstehenden Zahn am Mundwinkel (Hundszahn)
besitzen und andere, denen ein solcher fehlt. Unter den sicher
Sitzb. d. mathem.-naturw. Gl. XL. Bd. Nr. 7. 4
50 K n e r.
bestimmten Arten meiner Sammlung erwiesen sich bei der Unter-
suchung als echte Julis und zwar:
a) Mit Hundszahn am Mundwinkel: Jul. vulgaris, Geofredi,
modestus, annularis, elegans (un<\ Leschenaulti?) , nebidosus,
poecilopterus.
b) Ohne Hundszahn am Mundwinkel: Jul. purpureus (Fig. 8
Schlundknochen desselben), lunaris , variegutus und einige
noch unbestimmte Arten aus Java.
Als Halle Ihm res ergaben sich und zwar:
a) Mit Hundszahn im Mundwinkel: Jul. Sebae (Fig. 9 Schlund-
knochen desselben), balteatus und eine unbestimmte Art aus Am-
boina, die sich durch besonders compresse und spitze Zähne in
zweiterReihe am untern Schlundknochen auszeichnet (Fig. 10).
b) Ohne Hundszahn:/«/, strigiventeru.e. noch unbestimmte Arten.
Wie sich die beiden hier unterschiedenen Gattungen bezĂĽglich
der Schlundzähne verhalten, so ist dies auch mit den zwei Gattun-
gen Xirichthys und Anampses der Fall; erstere schliesst sich in dieser
Hinsicht zunächst an Julis, leztere an Halichoeres an.
Bei Xirichthys trägt der Körper des untern Schlundknochens
m ehr als zwei Reihen von Zähnen, die der letzten Reihe sind zwar
verlängert aber abgerundet und die vier mittleren am grössten ; der
besonders lange Stiel ist mit zwei Reihen spitzer Zähne besetzt1). — Die
von der vorigen durch Valenciennes getrennte Gattung Novaeula
stimmt bezüglich der Schlundzähne völlig mit ihr überein und die
Untersuchung von drei Arten, Nov.puuctulcda (deren Schlundknochen
Fig. 11 zeigt), pentadaetyla und tesselata Hess mich ĂĽberhaupt
keinen andern Unterschied von Xirichthys gewahren als die klein
beschuppten Wangen. Allen kommt gemeinsam zu: Die compresse
Gestalt, die hohe steil abfallende Stirn, die zu Hundszähnen verlän-
gerten mittleren Zähne im Zwischen-und Unterkiefer und die unter -
') Die untersuchte Art steht dem.V. iorquatus C. V. zunächst durch gestreckte Gestalt,
kleine Schuppen und die Zahl der Flossenstrahlen : I). 9/12, A. 2/12 ; doch ist die
Totalgestalt noch niederer und .schlanker, als sie die Abbildung von torqnalus in
Fig. 392 zeigt, die Schuppen sind noch kleiner und auch die Fiirhung weicht etwas
ah. Mein Exemplar ist nämlich von halber Länge angefangen regelmässig mit
schmalen schwarzbraunen Querbinden, lĂĽ" an der Zahl, geziert, von denen ein Paar
sieh gegen die Basis der Analflosse gabelig theilt; Vorderrumpf und Kopf sind ohne
Binden und nur der Hand des Deckels vor dessen rundlichem Ilaullappen ist dunkel?
braun gefleckt. — Es stammt aus Amhoina.
Zur Charakteristik und Systematik der Labroiden. 51
brochene Seitonlinie. Ob die Beschuppung der Wangen fĂĽr sich
allein als Gattungsmerkmal genĂĽgend erscheint, lasse ich dahin
gestellt sein, nur muss ich erwähnen, dass ich bei den von mir unter-
suchten Arten beider Gattungen hinter der äussern Reihe von koni-
schen Zähnen in den Kiefern noch eine Binde verschmolzener kurzer
und stumpfer Zähne wahrnehme, während sowohl Cuvier und
Va lenciennes, wie auch van d er Ho e ve n nur von einer ein-
fachen Reihe von Zähnen in den Kiefern sprechen.
Anampses. Der untere Schlundknochen nur mit zwei Quer-
reihen von Zähnen, wie bei Halichoeres besetzt; die der hintern
Reihe, namentlich die mittleren, bedeutend grösser und weit die vor-
dem ĂĽberragend, stark compress und nach hinten in eine Spitze sich
erhebend. — Fig. 12 von An. meleagrides , a in der Seitenansicht.
Diese Gattung zeichnet sich ĂĽbrigens auf den ersten Blick durch
zwei schief nach auswärts gebogene Zähne im Zwischenkiefer und
zwei nach abwärts gerichtete, Stosszähnen ähnliche, starke Spitzzähne
im Unterkiefer aus. Die beiden grossen Zähne des Zwischenkiefers
sind übrigens bald schaufeiförmig wie bei An. meleagrides , bald
enden sie in eine Spitze wie bei An. Tivistii Bleek. Zwischen ihnen
ragt von der Lippe ein mit Papillen bedeckter fleischiger Zapfen
herab. Der Kopf ist nackthäutig, die Schuppen des Rumpfes sind
gross, die des VorderrĂĽckens klein und stark zugespitzt, die kleinsten
liegen an der Brust; Seitenlinie nicht unterbrochen.
Gromphosns. Der untere Schlundkn ochen mit mehreren Quer-
reihen stumpf spitzer Zähne besetzt, die der letzten Reihe grösser,
sehwach compress, nach hinten in eine Spitze sich erhebend; am Stiele
drei Reihen spitzer Zähne. — Fig. 13, von Gomph. Cepedianus.
Die röhrenförmig verlängerte Schnauze, an deren Ende die
kleine MundötTnung sich befindet, ist das hervorstechende Merkmal
dieser Gattung. Die Kieferzähne, von denen zwei mittlere oben und
unten etwas länger sind, stehen in einfacher Reihe; Kopf völlig unbe-
schuppt, Auge klein, Seitenlinie nicht unterbrochen.
Epibulus. Unterer Schlundknochen mit mehreren Reihen von
Zähnen, die vordem klein, theils kugelig, theils stumpfspitzig, die der
letzten Reihe bedeutend grösser, sämmtlich spitz endend. — Fig. 14,
von Epib. insidiator, vergrössert.
Während bei Gomphosus die Schnauze in eine unbewegliche
Röhre verlängert ist, kann hier der Mund willkürlich in ein langes
4 6
5 C K n e r.
Rohr vorgestreckt werden. Kieferzähne in einfacher Reihe, zwei mitt-
lere oben und unten grösser und nach vorwärts gerichtet; Kopf und
Rumpf gross beschuppt (in Schuppen- und Flossenbildung zunächst
der Gattung Cheilinus stehend): Seitenlinie unterbrochen.
c) Die folgenden vier Gattungen gehören der Gruppe von La-
broiden an , welche blos mehr oder minder spitze Schlund-
zähne, sowohl oben als unten besitzen; bieher als Übergangsglied
zunächst:
Acantholabrus. Alle Schlundzähne verlängert und mehr minder
zugespitzt, blos die mittleren der hinteren oder zweiten completen
Reihe des unteren Schlundknochens abgerundet, am verdickten Stiele
drei Reiben von Zähnen. — Fig. 15, von Actuith. Pallonii, c. os
pharyng. inf., von der Seite, in natürlicher Grösse.
Die Kiefer tragen dicke konische Zähne in äusserer Reihe, hin-
ter welchen kleinere eine schmale Binde bilden, Vordeckel gezähnelt,
4 — 6 Stacheln in der Afterflosse.
Ctenolabrus. Im unteren und den oberen Schlundknochen blos
spitze Zähne, der Körper des ersteren mit drei completen Querrei-
hen, von denen die hintere die grössten, seitlich schwach compresse
Zähne enthält; am Stiele 2 — 3 Reihen spitzer Zähne.
In beiden Kiefern steht hinter den längeren konischen Zähnen
äusserer Reihe, von denen die vier mittleren des Zwischenkiefers zu
Hundszähnen verlängert sind, eine schmale Binde kurzer, ziemlich
dicker Spitzzähne. Nur der senkrechte Rand des Vordeckels bis
gegen den Winkel bezahnt; blos drei Stacheln in der Afterflosse.
Coricus. Schlundknochen fast wie bei der vorigen Gattung mit
konischen, rasch in eine Spitze endenden Zähnen besetzt; die oberen
mit 4 — 5 Reihen; der Körper des unteren mit drei, der Stiel mit einer
einfachen.
Kopf verlängert, zugespitzt, die vorsl reckbaren Kiefer mit einer
einfachen Reihe von Spitzzähnen, der verticale Rand des Vordeckels
gezähnelt, Seitenlinie nicht unterbrochen.
Gattung Labroides B 1 e e k. (Flssllabrus M i h \). R ĂĽ p p e 1 hatte
in seinen „neuen Wirbelthieren des rothen Meeres" eine Art als
LabruS latovittatus beschrieben und Taf. 2 abgebildet, welcher in der
H'istoire des poissons als Cossyphus dimidiatus C. V. angefĂĽhrt
wird. Ich erhielt (im Jahre 1857) diesen niedlichen Fisch mit einer
Sendung von Bleeker aus Java und fand bei näherer Untersuchung,
Zur Charakteristik und Systematik der Labroideii. 53
diiss er weder der Gattung Labrus, noch Cossyphus , noch irgend
einer andern bisher aufgestellten zugezählt werden kann, sondern
als Vertreter einer eigenen, streng sich abgrenzenden Gattung anzu-
sehen ist. RĂĽpp eis Beschreibung und Abbildung sind so naturgetreu,
dass ich es fĂĽr ĂĽberflĂĽssig erachte, nochmals eine Copie dieses so
ausgezeichnet gefärbten Fischchens zu geben; ich beschränke mich
daher nur darauf, durch Hervorheben der charakteristischen Merk-
male die Aufstellung als eigene Gattung zu rechtfertigen. — Unter
diesen erwähne ich zunächst die eigentümliche Bildung der L ippen,
da sich hierauf die von mir gewählte Benennung der Gattung basirt.
Beide Lippen sind wie gewöhnlich dick, ragen aber weit über die
Kiefer vor und jede ist in der Mittellinie durch eine Einbuchtung in
zwei spitz auslaufende Lappen getheilt, von denen die des
Unterkiefers bedeutend länger als jene des Zwischenkiefers sind.
Fig. 16 c zeigt den geöffneten Mund von vorne schwach vergrössert;
diese Lippenbildung mahnt etwas an die Gattung Mastacemblus.
— Nicht minder eigens ist auch die Bezahnung der Kiefer.
Zwischen- und Unterkiefer tragen (jeder) nur zwei lange Hunds-
zähne, hinter denen aber Binden von Sammtzähnen stehen, die im
Zwischenkiefer vorne ansehnlich lang sind, nach hinten aber kĂĽrzer
werden. Im Unterkiefer reicht diese Zahnbinde weiter zurĂĽck und
nimmt die ganze Breite desselben ein, die Zähne sind aber durchaus
viel kürzer: die Seitenränder der Kiefer sind nicht bezahnt. —
Ganz ausgezeichnet ist ferner die Form und Bezahnung der
Schi und kn och en. Der untere (Fig. 16 a von vorne und von der
Seite in natürlicher Grösse) trägt blos am hintern Rande eine ein-
fache Reihe von 10 ziemlich gleich starken, weiss email-
lirten Spitz zahnen und an seinem langen dĂĽnnen Stiele gleichfalls
nur eine Reiheungleich feinerer, spitzer, nicht emaillirter Zähne. Die
oberen Schlundknochen (Fig. 16 b) stellen kleine Plättchen vor, an
deren Rande fünf weiss emaillirte Zähne stehen und auf deren Fläche
noch ein kleiner Zahn sitzt.
Der Mund ist nicht vorstreckbar, der Vordeckel nicht gezäh-
nelt, aber überschuppt; die mit einfachen, weiten Röhrchen mündende
Seitenlinie verläuft nahe dem Rücken und biegt am Schwänze rasch
zur halben Höhe herab, ohne aber unterbrochen zu sein. Die
Schwanzflosse ist gerade abgestutzt, der Schuppenbau im Wesent-
lichen wie bei allen Labruiden.
54 K. n e r.
Erst vor wenigen Tagen, bereits nach Beendigung dieser
Arbeit erhielt ich durch v. Bleeker's gĂĽtige Zusendung seine Enu-
meratio specierum piscium hucusque in Archipelago indico obser-
vat. (Batav. 1859 in 4.) und fand daselbst p. 93 den Labrus lato-
vittatus Riipp. als Labroides Ia(ointtati(sB\eek. angefĂĽhrt mit dem
Citate: Acta Societ. scient. Ind.Neerl. II, 8. Bidr. Amb. p. 73. Da
die beiden ersten Bände dieser Acta bisher iuWien nicht aufzutreiben
sind, so kann ich nur vermuthen, dass sich v. Bleeker durch die-
selben Merkmale zur BegrĂĽndung dieser Gattung bewogen fand,
welche mich dazu bestimmten *).
Dass die Artbenennung Rüppel's „latovittatus" jener von
Valenciennes „dimidiatus" als der neueren und minder gut be-
zeichnenden vorzuziehen ist, darin theile ich v. Blee ker's Ansicht,
doch dürfte auch der von mir gewählte Gattungsname Fissilabrus
passender als der Bleeker'sche erscheinen.
d) Die letzte Gruppe der Labroiden, die man geradezu als Sca-
r o i d e n bezeichnen könnte, bilden jene Gattungen, deren Schlundzähne
theils in quere Schneiden, theils in Kau flächen auslaufen, und
bei denen auch die oberen lang gezogenen und mächtig ausge-
bildeten Schlundknochen völlig an einander stossen und in der Mittel-
linie scheinbar durch Nath vereinigt sind. Die mit einem derart aus-
gezeichneten Kau- und Malmapparat versehenen Gattungen unter-
scheiden sich jedoch gerade durch die Form und Bezahnung der
Schlundknochen ebenfalls in charakteristischer Weise von einander.
Bei der Gattung Scarus ist die Mitte des untern Schlund-
knochens und dessen Stiel in eine elliptische oder eiförmig
concave, allein zahntragende Platte ausgebildet, von welcher beider-
seits die kurzen und dicken Gelenkstücke wie nach aufwärts
gekrümmte Arme oder Henkel abstehen. Die Zähne sind daselbst in
Querreihen von je 4 — 5 gestellt und laufen theils in gewölbte
Schneiden, theils in mit einer Querfurche versehene schmale Kau-
flächen aus. Dieselbe Form zeigen die Zähne an den langen, aber
schmalen obern Schlundknochen , deren jeder nur eine ein-
fache Längsreihe von Zähnen trägt, die aber mit ihren vorste-
') Es werden zu ihr noch Labroiä. paradiseus und xanthurus gezählt; ersterer soll
der Figur in Heuard I, Tat'. Ăś, F. 131 entsprechen, letztere ist in den Acta
80i ict. â– sticni. I. Man. p. !J2 beschrieben.
Zur Charakteristik und Systematik der Labroiden. 5t)
henden Rändern derart alternirend in einander greifen, dass es den
Anschein hat, als wären die beiden Schlundknochen in der Median-
linie durch Zickzacknath vereinigt1)- Die Abbildung der Schlundkno-
chen eines Scarus in R. Owen's ĂĽdontography ist so vorzĂĽglich,
dass es unnöthig erscheint, hier abermals eine zu geben.
Die Verschmelzung der Kieferzähne zu Platten zeichnet zwar
diese Gattung auf den ersten Blick aus, doch findet sie gerade durch
die Gattung Julis hierin einen vermittelten Ăśbergang2). Die grossen
leicht abfallenden Schuppen, deren Structur sich wie bei allen
Labroiden verhält, die unterbrochene, mehr weniger verästelte
Seitenlinie gehören ebenfalls noch zu den äusseren Merkmalen
dieser Gattung.
fallyodon. Der dĂĽnne Stiel des unteren Schlundknochens ragt
frei vor und wird nicht von der Zahnplatte ĂĽberdeckt, welche doppelt
so breit als lang und der Quere nach mit 5 — 6, der Länge nach mit
7 — 8 Reihen von Zähnen besetzt ist, die übrigens auch theils in eine
Schneide, theils schmale Kaufläche enden; die seitlichen Gelenk-
stücke sind kurz , dick, schwach nach aufwärts gekrümmt. Jeder der
oberen Schlundknochen trägt drei Längsreihen ähnlicher
Zähne; sie sind im abgebildeten Exemplare von Call, hypselosoma
Figur 17 eben im Wechsel begriffen und theilweise ausgefallen.
Von Scarus unterscheidet sich diese Gattung noch durch die
Bezahnung der Kiefer, indem die einzelnen Zähne viel mehr geson-
dert sind und mit ihren Spitzen meist frei vorragen und zum Theile
wie am Zwischenkiefer auch nach auswärts gebogen sind; hinter
ihnen steht oben eine zweite Reihe kleinerer Zähne.
') Dass die Schlundzähne der Labroiden überhaupt ebenso einem Wechsel wie die
der Cyprinoiden unterliegen, davon geben die Schlundknochen von allen häulig
Zeugniss. Am auffallendsten ist dies aber bei den Scaroiden , man bildet regel-
mässig' unter den fungirenden Zähnen in der Höhlung- des Knochens vorräthige
Zahnkeime, die hier um so nöthiger erscheinen, als offenbar die Schlundknochen
bei Scaroiden nicht hlos gegen einander drĂĽcken, sondern sich auch ĂĽber einander
verschieben. Sie gelten demzufolge als Wiederkäuer und gehören zu jenen
Fischen, die Töne von sich geben.
2) Beide Gattungen verhalten sich ĂĽberhaupt in mehrfacher Beziehung parallel zu
einander; beide zeichnen sich durch Reichthura an Arten aus, bei beiden
linden sieh deren ohne und mit vorstehenden Hundszähnen im Mundwinkel und
ebenso auch Arten mit abgestufzier neben solchen mit abgerundeter und gabelig
getheilter Caudale; bei beiden Gattungen endlich fĂĽhlt die Systematik das Ăźe-
dĂĽrfniss der Revision, d. h. einer genaueren Vergleichung und Untersuchung der
zahlreichen Arten.
56 K ii e r.
Odax. Vor allen andern durch die mächtigste Entwicklung der
Schlundknochen ausgezeichnet: der untere ist gestreckt oval, nach
vorne, ĂĽber dem Ende des Stieles zugespitzt, stark concav und mit
viel zahlreicheren Reihen kleiner Kauzähne besetzt, als dies bei
Scarus der Fall ist. Die seitlichen GelenkstĂĽcke biegen fast unter
einem rechten Winkel nach aufwärts und erheben sich bedeutend
über die Ränder der Kaufläche. Die Bezahnung der obern Schlund-
knochen ist ganz eigenthĂĽmlich. Sie mahnt an die der Kiefer
selbst und ist am besten durch naturgetreue Abbildung anschaulich
zu machen. Figur 18 zeigt die Schlundknochen von Odax molucca-
nus massig vergrössert *) ; am rechten obern os pharyng. ist das
gesonderte seitliche KnochenstĂĽck weggehoben, um die concave
Gelenkfläche zu zeigen, mittelst deren es sich an den Schlundknochen
anlegt. Sämmtliche Knochenstücke sind grün gefärbt, am lebhaftesten
die Zahnplatten selbst.
Von den vorigen Scaroiden unterscheidet sich Odax noch durch
gestreckte Totalgestalt, wenig gewölbte und schmale Kieferzahn-
platten, seitlich mit freien Spitzzähnen, nicht unterbrochener Seiten-
linie und bedeutend kleinere Schuppen.
Die Gattungen Scarichthys Bleek. und Hoplegnathus Rieh.
(Scarodon T. Schleg.^ kenne ich aus eigener Anschauung nicht.
Erstere scheint nach von Bleeker's Angaben allerdings zu den
Scaroiden zu gehören. Was aber die von Richard so n in seiner
Descript. of Austral Fishes (Transact. of the zool. soc. of London
1849, vol. III, p. 144) aufgestellte Gatt. Hoplegnathus mit der Art
H. Conwayi (Taf. 7, Fig. 1) anbelangt, so Hesse sich vermuthen, dass
sie eine vermittelnde Gattung zwischen Scarus und Odax sei, mit
welch letzterem sie die nicht unterbrochene Seitenlinie theilt, wäh-
rend sie yoii beiden durch noch kleinere Schuppen abweicht. In der
Fauna jap onica wurden unter dem Namen Scarodon zwei andere
Arten: Sc. punetatus und fasciatus beschrieben und letztere auch
abgebildet: die Stellung der Galtung wurde aber als zweifelhaft
erklärt und ihre Verwandtschaft mit Dipterodon und Pimelepterus
hervorgehoben. Und in der That mahnt auch die daselbst abgebildete
') Welche Art V alencien ne s untersucht haben mag, indem er die Form des
unteren Schlundknochens als dreieckig bezeichnet, kann ich vorerst nicht er-
mitteln.
Kurr. Zur Characterrstik der Labroideit
Taf.I.
Fio. 3.
urf Fig. /
Fig. '/.
Fig.
Sil/.iniij-.sb.d.k.Akad d.W m.ith iialiinv.Cl.A'L Bd.X°L 1860.
Kiit-r. Zar Characteristik <1<m- Latroiden.
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Au:- d
SitaunÂŁsb.d.k.Akad.d.Wmata.naturw.Cl.XL Bil.X" I. 1860.
Zur Charakteristik und Systematik der Labroideo. 57
Art fasciatus an selbe ungleich mehr als Richardson's Figur.
Bleeker betrachtet in seinem neuesten Werke: Enumeratio spec.
pisc. etc., in welchem auch ein Systematis piscium naturalis tenta-
men mitgetheilt wird, die Gattung Hoplegnathus Rieh. = Scarodon
Seh leg. nicht blos als Vertreter einer eigenen Familie , sondern
trennt sie auch weit von den Scaroiden, indem er sie zwischen die
Chaetodonten und Teuthyes einschiebt. Da aber sowohl bei Ri-
chardson wie bei Schlegel und v. Bleeker jede Angabe ĂĽber
die Schlundzähne fehlt, so ist über die Stellung dieser Gattung noch
immer nicht mit Sicherheit zu entscheiden.
58 v. S o n k I a r.
Über die Änderungen der Temperatur mit der Höhe.
Von R. v. Son kl ar,
k. k. Major.
(Auszug aus einer fĂĽr die Denkschriften bestimmten Abhandlung.)
(Vorgelegt in der Sitzung vom 16. Februar 1860.)
Im Eingange dieser Abhandlung erwähnt der Herr Verfasser
der vergeblichen BemĂĽhungen, welche bisher gemacht wurden, das
Quantum der Wärmeabnahme mit wachsender Höhe, auf dem Wege
der Theorie so zu bestimmen, dass dasselbe mit der Erfahrung
zusammenfällt. Er übergeht sodann zu den Ergebnissen der Erfah-
rung selbst, und zeigt durch beigebrachte Daten, dass auch diese
Resultate unter einander sehr beträchtlich verschieden sind , welche
Bemerkung nicht blos fĂĽr das Jahr im Allgemeinen, sondern weit
mehr noch für einzelne Abschnitte der jährlichen Periode Geltung hat.
Der Verfasser hat nicht minder fast alle bisher ausgefĂĽhrten wissen-
schaftlichen Luftreisen in Betracht gezogen und gefunden, dass die
Ăśbereinstimmung in den Resultaten derselben nicht im geringsten
grösser sei als dort, wo das Quantitative der Wärmeänderung mit
wechselnder Höhe durch gewöhnliche Thermometer-Beobachtungen
in der Nähe des Bodens aufgesucht wurde.
Der Grund dieses Auseinandergehens dieser selbst auf dem Wege
der unmittelbaren Beobachtung gewonnenen Resultate schien dem
Verfasser in dem Umstände zu liegen, dass dieselben aus meist ver-
einzelten, im Räume und in der Zeit zerstreuten Wahrnehmungen
abgeleitet wurden. Er stellt mit Recht die Behauptung auf, dass nur
durch eine grosse Zahl, nach mehrjährigen Temperaturmitteln aus-
geführten Untersuchungen ein verlässliches und von dem Einflüsse
klimatischer und localer Störungen freies Resultat zu gewinnen
sein wird.
Zu einem solchen Unternehmen liefern die reichhaltigen Publi-
cationen der k. k. Centralanstalt fĂĽr Meteorologie und Erdmagne-
tismus das nöthige Muteriale. Mit Hilfe derselben hat es der Herr
Über die Änderungen der Temperatur mit der Höhe. 59
Verfasser versucht, den Gesetzen der Wärmeabnahme mit zuneh-
mender Höhe einlässlich nachzuforschen, wobei es ihm gelungen ist,
eine Zahl nicht unwichtiger Ergebnisse zu Tage zu fördern.
Als Grundlage fĂĽr seine diesfĂĽlligen Untersuchungen diente ihm
eine mĂĽhevolle Zusammenstellung aller Monats- und Jahresmittel
der Temperatur fĂĽr 61 theils in den Alpen, theils am SĂĽd- und am
Nordfusse derselben liegenden meteorologischen Beobachtungsstatio-
nen, die nach ihrer Lage in klimatische Regionen getheilt wurden.
Er übergeht nun zuvörderst zu einer schärferen Behandlung
der Frage, ob die Wärme bei arithmetisch zunehmenden Höhen-
abständen nach einer arithmetischen oder geometrischen Progression
abnehme — eine Frage, die bekanntlich selbst nach den Unter-
suchungen von Kämtz, noch nicht völlig entschieden war. Der Ver-
fasser hat sich dabei der Formeln
1 . th = t — ah
2. log. th — log. t — ah
bedient, wo th die Temperatur der oberen Station, h die Höhe der-
selben, t die Temperatur der unteren Station und a eine constante
Grösse bedeutet, und wo t und a durch die Beobachtung zu bestim-
men sind. Mit Hilfe der Theorie der kleinsten Quadrate hat der Ver-
fasser sofort die numerischen Werthe beider Gleichungen fĂĽr sechs
verschiedene Alpenregionen, wie auch fĂĽr die Ergebnisse von zwei
im Jahre 1852 in England unternommenen aerostatischen Reisen
ausgeinittelt, und hieraus mit Klarheit dargethan, dass für alle Höhen,
welche noch von Menschen bewohnt oder erreicht werden, die
Abnahme der Wärme mit wachsender Höhe nach dem Gesetze einer
arithmetischen Progression vor sich gehe.
Nun geht Major von Sonklar zur Bestimmung jener Höhe über,
um welche man sich erheben müsse, damit die Temperatur um 1° R.
abnehme.
Diese höchst mühevolle, nach allen Monats -und Jahresmitteln
der Temperatur ausgefĂĽhrte Rechnung wurde von dem Verfasser nach
einzelnen Alpensectionen, und innerhalb der letzteren auch nach so
vielen Höhenzonen geführt, als bei der Zahl der vorhandenen Beobach-
tungsstationen zulässig schien, damit noch verlässliche Mittel erhalten
werden konnten. Er hat hiebei in jeder Alpensection beinahe jede
Station mit jeder anderen verglichen, und aus mehr als 2400 solcher
60 v. S o n k :i
Vergleichungen hat er Mittel werthe fĂĽr jede Alpensection und fĂĽr
einzelne Hölienzonen in denselben, für grössere Alpentheile und end-
lich auch die Hauptmittel fĂĽr das ganze Gebiet der Ostalpen erhalten,
welche ihm zu nachfolgenden SchlĂĽssen berechtigen.
1. Die grosse Verschiedenheit der fĂĽr so nahe bei einander
liegende Gegenden aufgefundenen, der Temperaturabnahine um 1°
entsprechenden mittleren Höhenwerthe beweisen, dass es eine ver-
gebliche Mühe wäre, einen für alle Breiten und Localitäten giltigen
Mittehverth dieser Art auflinden zu wollen.
2. Für das ganze System der Ostalpen beträgt die Höhe um
die man sich erheben muss, damit die Temperatur um 1° R. sinke,
im Allgemeinen 843 P. F. FĂĽr die einzelnen Monate aber stellen
sich diese Höhen wie folgt heraus:
Jänner — 481 P. F. Juli + 796 P. F.
Februar +168 „ August + 745 ,
März + 642 „ September + 820 „
April + 670 „ October + 949 „
Mai + 632 „ November +1008 „
Juni + 714 „ December — 141 „
Eben so fĂĽr die einzelnen Jahreszeiten :
FrĂĽhjabr + 647 P. F. Herbst + 932 P. F.
Sommer + 749 „ Winter + 148 „
3. Die Wärmeabnahme mit zunehmender Höhe ist im Innern
des GebirgsgĂĽrtels, und dort wo die Tafelzone der Alpen an Breite
zunimmt, langsamer als an den Rändern derselben.
4. Es kann nicht behauptet werden, dass die Wärmeabnahme
in irgend einer Höhenschichte der Atmosphäre rascher vor sich gehe
als in einer anderen.
5. BezĂĽglich der Jahreszeiten hat sich consequent die lang-
samste Wärmeabnahme im Herbste und die rascheste im Frühjahre
gezeigt, was mit allen bisherigen Annahmen im Widerspruche steht.
6. In mehreren Alpentheilen, besonders aber in den sĂĽd-
norischen und karnischen Alpen, treten in den Wintermonaten sehr
merkwürdige und abnorme Temperaturverhältnisse ein; es ist
nämlich daselbst zur Winterszeit ein successives jedoch ziemlich
rasches Steigen der Temperatur mit zunehmender Höhe wahrzu-
Über die Änderungen der Temperatur mit der Höhe. 61
nehmen, so dass die Höhe, welche der Wärmeverminderung um 1°
entspricht, einen negativen Werth erhält. Ja es ist diese Erhöhung
der Temperatur von unten nach oben in der erwähnten Jahreszeit
so bedeutend und umfassend , dass in den Monaten December und
Jänner ßeobachtungs-Stationen, welche um 3000 — 4000 F. höher lie-
gen als andere, uml — 2 Grade wärmer haben als diese, und dass selbst
die allgemeinen Monatmiltel, wie aus dem Obigen zu ersehen, von
diesen anomalen Verhältnissen beherrscht erscheinen.
7. Major v. Sonklar sucht nun diese höchst beachtenswerthe
Erscheinung aus den herrschenden Luftströmungen zu erklären. Er
beginnt mit dem Grundsatze, dass alle grösseren Bewegungen der
Atmosphäre ihre Hauptursache in dem zwischen den Tropen auf-
steigenden warmen Luftstrome finden. Die unveränderliche Stetig-
keit desselben bedingt das eben so stetige Auftreten sowohl des
Nordost- und SĂĽdostpassates, als auch des sogenannten rĂĽcklaufenden,
d. h. des SĂĽdwest -und Nordwestpassates. Es mĂĽssen sonach in den
höheren Breiten stets beide Passate gleichzeitig vorhanden
sein, doch hängt es von Umständen ab, welcher von beiden an
einem beliebigen Orte die höheren und welcher die tieferen Regionen
der Atmosphäre einnimmt. Waltet nun in unseren Gegenden irgend-
wo zu einer gewissen Jahreszeit, z. B. im Winter, der kalte oder
Nordostpassat in der Tiefe vor, so muss in der Höhe der warme oder
SĂĽdwestpassat in demselben Grade vorwalten, und es werden sonach
die höheren Gegenden um so mehr erwärmt und die tieferen um so
mehr abgekühlt werden, je länger die angedeutete Lage beider Luft-
ströme andauert.
Dieser Fall tritt nun in den sĂĽdnorischen und karnischen Alpen
zur Winterzeit thatsächlich und in sehr consequenter Weise auf, und
dass dem also, das beweisen die von dem Herrn Verfasser aus viel-
jährigen Mitteln der Windvertheilung für jeden Monat berechneten
mittleren resultirenden Windlichtungen an den Stationen Mailand,
Udine, Triest, Wien, KremsmĂĽnster und Salzburg. Die hindurch
gewonnenen Zahlen zeigen unwiderleglich, dass nirgends so nachhaltig
wie in Udine und Triest (welche Stationen für die erwähnten Alpen-
theile massgebend sind) der kalte Passat im Winter die unteren, und
daher der warme die oberen Regionen des Luftkreises beherrscht,
was eben die grössere Wärme der höheren Gebirgslagen in dieser
Jahreszeit genügend erklärt.
62 v- S on klar. Über die Änderungen der Temperatur mit der Höhe.
Eben so deutlich spricht sich der Zusammenhang der Luftströ-
mungen mit dem Gange der Wärmeänderung bei wachsender Meeres-
höhe in den Jahreszeiten aus, zu welchem Ende der Verfasser die
den Jahreszeiten entsprechenden mittleren Windrichtungen fĂĽr
mehrere der vorgenannten Stationen berechnet hat.
Auch hat er es versucht, die beiläufige Höhe jener Fläche aus-
zumitteln, längs welcher beide Passate in den verschiedenen Mona-
ten des Jahres an einander grenzen. Als Mittelwerth hat sich ihm
die Höhe von 4700 P. F. ergeben.
8. Zum Schlüsse erklärt Major v. So n klar einige andere (in
den oben mitgetheilten Hauptmitteln jedoch nur theilweise ersicht-
lichen) Eigenthümlichkeiten in dem Gange der Wärmeänderung mit
wachsender Höhe, wie z. B. die Beschleunigung dieser Abnahme im
April oder Mai, die Verlangsamung derselben in den Sommermona-
ten und ihre hie und da auftretende abermalige Beschleunigung im
October oder November, aus den herrschenden meteorologischen
Zuständen in der Höhe und in der Tiefe während dieser Monate, aus
der beförderten oder gehemmten Verbreitung der Wärme durch Mit-
theilung, aus den EinflĂĽssen der Strahlung, der Hydrometeore u. s. f.
Pohl. Ăśber mikroskopische Probeobjeete etc. (>3
Ăśber mikroskopische Probeobjecle, insbesonders Nobert's
Testobject-Platte.
Von Dr. J. J. Pohl.
(Vorgetragen in der Sitzung vom 9. Februar 1860.)
Die PrĂĽfung eines Mikroskopes mittelst sogenannter Probe-
oder Testobjecte entscheidet nur über den optischen Werth, während
dabei andere fĂĽr den praktischen Gebrauch dieses Instrumentes
wichtige Eigenschaften unberĂĽcksichtigt bleiben. Nichtsdestoweniger
stellt man diese PrĂĽfung der Mikroskope fast immer in den Vorder-
grund und bringt selbe häufig ausschliesslich in Anwendung. Seit
Jahren wurde daher eine Reihe solcher Probeobjecte zur BenĂĽtzung
vorgeschlagen, von denen sich aber neuester Zeit nur verhältniss-
mässig wenige im Ansehen erhalten haben. Der Grund hievon liegt
wohl zum Theil im Fortschreiten der praktischen Dioptrik, indem
kleinere Instrumente, von ausgezeichneten KĂĽnstlern verfertiget,
jetzt die schwierigsten Proben bestehen, welche sonst nur fĂĽr In-
strumente ersten Ranges galten, zum Theil aber leider im Ăśberhand-
nehmen einer einseitigen PrĂĽfung der Mikroskope, die sich blos auf
das Sichtbarwerden feiner Linien und Streifen beschränkt. Klarheit
und Schärfe derContouren nebst Helligkeit, Grösse des Gesichtsfeldes,
sowie Gleichförmigkeit des Bildes im selben etc. bleiben im letzteren
Falle unberĂĽcksichtiget. Soll aber ein Mikroskop im optischen Theile
allen Anforderungen entsprechen, so muss es nicht nur die letztge-
nannten Eigenschaften besitzen, sondern auch, wie bereits Goring
unterschied, eine hohe penetrirende und definirende Kraft besitzen,
in so ferne unter ersterer die Eigenschaft eines Mikroskopes verslan-
den wird, feine Streifen, Linien und andere Details an den Objecten
sichtbar zu machen, unter letzterer hingegen blos die Fähigkeit, die
Umrisse der Gegenstände scharf, klar und tief schattirt zu zeigen. Nur
die ausgezeichnetsten Mikroskope entsprechen in beiderlei Richtun-
Ăź4 Pohl.
gen, meist ist die hohe penetrirende Kraft auf Kosten der definirenden
oder umgekehrt erzwungen, in welchen Fällen das Instrument bei
gewissen Untersuchungen nur mittelmässige Dienste leistet. Zwar
besitzt man in der Distanzänderung der Objectivlinsen und jener des
Oculars vom Objectivsysteme ein einfaches Mittel , bis zu einem
gewissen Grade penetrirende Kraft in definirende und vice versa
umzusetzen, allein nicht an allen Mikroskopen ist auf solche Ver-
schiebungen von Seite des Verfertigers RĂĽcksicht genommen, auch
gehört einige Übung zur Richtigstellung der Linsen , so dass es am
besten bleibt, wenn der Optiker selbst an seinem Instrumente den
gĂĽnstigsten Effect zu erreichen strebt. Jene Optiker, welche als
PrĂĽfungsmittel ihrer Mikroskope das Erscheinen von Querstreifen
auf gewissen Schmetterlingsschuppen, der Liniensysteme auf Infu-
sorienpanzern etc. empfehlen, nehmen hauptsächlich auf die pene-
trirende Kraft RĂĽcksicht. Die Linien und Streifen erscheinen dann
vollständig, aber die Contouren des Objectes sind häufig verwaschen
und das Object selbst zeigt sich wie in einen dĂĽnnen Nebel ein-
gehüllt, — das Rild ist milchig. Unter den mir genau bekannten
Mikroskopen gehören hieher die neueren von Amici, Rene che und
Wasserlein, Nach et und Oberhäuser (Hartnak) bei Anwen-
dung der stärksten Objectivsysteme. Jene Optiker hingegen , welche
Haare, Insectentheile, Knochenschliffe etc. zur Probe wählen und
verlangen, dass die Contouren dieser Gegenstände nicht nur scharf
erscheinen, sondern auch eine möglichst tiefe Färbung zeigen
(schwarz sind), berĂĽcksichtigen vorzugsweise die definirende Kraft.
Vortrefflich definiren so z. R. die schwächeren Linsensysteme an
den Mikroskopen Oberhäuser's, Prokesch's in Wien, und ebenso
die freilich älteren Mikroskope von Fraunhofer, während eine
gewisse Ausgleichung beider Eigenschaften zur vortrefflichsten Wir-
kung bei den neuesten Mikroskopen von PIössl und jenen neuesten
Objectivsystemen Amici's und Oberhäuser's erzielt ist, welche
beim Gebrauche in Wasser oder Mohnöl eingetaucht werden müssen.
Es mĂĽssen hiernach die mikroskopischen Probeobjecte minde-
stens in zwei Classen getheilt werden, deren eine Objecte zur PrĂĽ-
fung der penetrirenden Kraft, die andere Objecte zur Ermittlung der
definirenden Kraft umfasst.
Obschon die penetrirende und definirende Kraft, besonders aber
letztere, Functionen der sphärischen und chromatischen Aberration
Ăśher mikroskopische Probeobjecfp. Ăź K
sind, so kann doch von beiden Aberrationen, namentlich von der
chromatischen, ein guter Theil ĂĽbrig bleiben, ohne in obgenannten
Beziehungen störend zu wirken, ja die definirende Kraft wird oft
scheinbar durch die chromatische Aberration unterstĂĽtzt. Das Maxi-
mum des Erfolges haben, was Farblosigkeit betrifft, in neuester Zeit
wohl Amici und Oberhäuser (Hartnak) bei den stärksten
Objectivsystemen erzielt, welche beim Gebrauche in Mohnöl oder
Wasser getaucht werden mĂĽssen. Leider ist aber diese Beobach-
tungsart so unbequem, dass sie nur ausnahmsweise Anwendung
finden kann : auch zeigen sich beim genauen Vergleiche verschie-
dener neuerer Mikroskope Amici's beträchtliche Unterschiede hin-
sichtlich der Farblosigkeit der Bilder. Betreffs des Freiseins von
sphärischer Aberration muss ich unter den am Continent erzeugten
Instrumenten für die stärksten Vergrösserungen Amici's Mikro-
skopen bei richtiger Stellung seiner Correctionsoculare, für schwä-
chere unbedingt jenen von Plössl mit Benützung des aplanatischen
Oculars oder Kellner's orthoskopischen Oculars den ersten Rang
einräumen. Ich glaube bezüglich der gegebenen Beurtheilungen der
Leistungsfähigkeit in so ferne auf einige Verlässlichkeit Anspruch
machen zu dürfen , als selbe auf vieljährigen häufigen Gebrauch der
Mikroskope und der genauesten Durchmusterung von ĂĽber einem
halben hundert Mikroskopen beruht.
Nebst diesen zwei Arten von Probeobjecten dĂĽnkt mir aber
noch eine dritte Classe wesentlich. Es ist jene, mittelst welcher
die Grösse der übrig gebliebenen , die Beschauung mehr minder
störenden , sphärischen und chromatischen Aberration erkannt
wird. Endlich abgesehen von diesen Eintheilungen der Probeobjecte
müssen selbe noch in zwei andere höhere Gruppen geschieden wer-
den, nämlich natürliche und in künstlich erzeugte Probeobjecte,
welch' Letztere aber bei weitem die Minderzahl bilden.
Vor Anwendung der doppelten und dreifachen Objective waren
es vorzĂĽglich Definitionsobjecte, welche man zur Beurtheilung der
optischen Kraft eines Mikroskopes benutzte. Diese Objecte sind aber
gegenwärtig grossentheils durch Objecte für Penetration verdrängt,
obschon mit Unrecht, während auf die Aberrationen am wenigsten
RĂĽcksicht genommen wird. Im Allgemeinen scheinen sich jetzt die
Mikroskopiker vorzugsweise Ein bestimmtes Object auszuwählen
und dieses als Hauptmassstab fĂĽr die GĂĽte der Instrumente gelten zu
Sitzb. d. mathem.-naturw. Cl. XL- Bd. Nr. 7. 5
66 p ° '• 'â–
lassen, wie z. B. Schacht») und ihm nachfolgend Reinike")
die Navicula angulata (Pleurosigma , Gyrosigma angulatum),
obschon eine solche PrĂĽfung sehr einseitig genannt weiden muss,
da ein sonst schlechtes Ohjectiv diese Linien zeigen kann, wenn es
nur einen grossen Ă–ffnungswinkel besitzt3).
Da man sich leider bis jetzt nicht einigte, eine bestimmte Reihe
entsprechender Probeobjecte nach obgenannten drei Richtungen zur
PrĂĽfung der Mikroskope festzustellen, so dĂĽrfte es nicht ohne Inter-
esse sein, wenigstens einige der PrĂĽfungsobjecte fĂĽr Mikroskope
namhaft zu machen, welche in neuerer Zeit von ausgezeichneten
Beobachtern anempfohlen wurden.
Erste Classe von Probe ob jecten : NatĂĽrliche Objecte.
Jacqnin's Probeobjecte *) 1829.
Objecte fĂĽr Beleuchtung von UntPn.
1. FlĂĽgel der gemeinen Hausfliege, Musca domestica, welches
Object sowohl für schwache, 15 — 20 als stärkere, etwa
240malige lineare Vergrösserung gelten soll,
2. Gelsen-FlĂĽgel von Culex pipiens von 40- bis zu 300maliger
Vergrösserung angerathen.
3. Menschen -Haare für schwache und stärkere Vergrösse-
rungen.
4. Haare vom RĂĽcken der Hausmaus, Mus mitsculus , erst von
200maliger Vergrösserung an zu gebrauchen.
6. Bauchhaare der gemeinen Fledermaus, Vespert ilio murinus,
wie das vorige Object.
6. FlĂĽgelschuppen von Papilio Crataegi oder Brassicae L.,
deren Längsstreifen bei G0 — 80maliger Vergrösserung er-
scheinen sollen.
7. FlĂĽgelschuppen von Papilio Menelaus, welche bei 200 bis
300maliger Vergrösserung Querstreifen zeigen.
') Beiträge zur Anatomie und Physiologie der Gewächse, 1834. S. 267 — 275.
3) Beiträge zur neueren Mikroskopie. Dresden 1838.
:i) Diese Behauptung war so wie der grösste Theil vorliegender Arheit bereits im
Jänner 1836 niedergeschrieben; übrigens hat neuester Zeit auch Hugo von Mo hl
denselben Ausspruch, jedoch hesser begrĂĽndet, gethan. (Botanische Zeitung. 16. Bd.,
1838, S. 271.)
'» Zeitschrifl für Physik und Mathematik. V Bd., S. 189.
Ăśber mikroskopische Proheobjeefe. (j7
5. FlĂĽgelschuppe der Pelz- oder Kleidermotte. Tinea pellionella
oder sarcitella, woran die Streifen erst bei 3 — 400maliger
Vergrösserung Sichtbarwerden und welche Jacquin als fein-
sten PrĂĽfstein fĂĽr Mikroskope der ersten Kategorie hinstellt.
9. Einzelne Schuppen vom Brillantkäfer. Curculio imperialis,
deren Streifungen fast noch schwieriger als die des vorher-
gehenden Objectes zu erkennen sind.
Objecte fĂĽr Beleuchtung- von Ohen.
10. Ein StĂĽck des FlĂĽgels von Papilio Crataegi oder Brassicae,
woran die Längsstreifen der Schuppen kenntlich werden
sollen.
1 1. Derlei von Papilio Menelaus.
12. Querschnitt des Stengels vom Mais, Zea Mais oder Hollun-
dermark, Sambucus nigra.
1,3. Querschnitt vom gemeinen Regenschirmrohr.
14. FlĂĽgeldeckenstĂĽck von Curculio imperialis.
Goring's1) Probeobjecte 1829.
I. Objecte fĂĽr Penetration.
Leichte Objecte.
1. Schuppen von Petrobius marinus.
2. Schuppen von Lepisma saccharina, auf beiden Objecten
sollen Längenstreifen und schiefe Streifen erscheinen.
Schwierigere Ohjecte.
3. Schuppen von Morpho Menelaus , Längs- und Quer-
streifen.
4. Körperschuppen von Alucita pentadactyla , zeigen Längs-
streifen.
o. Körperschuppen von Alucita lie.vodactyla , lassen ebenfalls
Längsstreifen erkennen.
6. Die gelben Flügelschuppen von Lycaena Argus, Längs-
streifen.
7. Tinea vestianella, Schuppen, Längs- und Querstreifen
sichtbar.
*) The Microseopic Cahinet by R. Pritchard, pag. 135.
68 po'' '•
Schwierige Probeobjecte.
8. Die schmalen, an einem Ende herzförmigen Schuppen von
Pieris brassicae. Erkennbar sind Längs- und Querstreifen
nebst zwei Systemen diagonaler Streifen.
9. Schuppen der Podura plumbea, Längs- und Querstreifen zu
ersehen.
II. Objecte fĂĽr Definition.
1. Haare der Hausmaus.
2. „ vom Flügel der Fledermaus, vespertilio murinus.
3. Das Blatt einer Hypnum-Y nrietiit, welche jedoch nicht näher
bezeichnet ist.
4. Die getĂĽpfelten Schuppen von Lycaena Argus.
Chevaliers Probeobjecte *) 1839.
Leichte Probeobjecte.
Lepisma saccharina, Schuppen, die Längstreifen und schiefen
Streifen.
Pieris brassicae, Schuppen, die Längsstreifen.
Schwieriges Probeobject.
Pieris rapae, Schuppen, die Granulationen der Streifen.
Schwierigeres Probeobject.
Pieris brassicae, Schuppen, die Querstreifen.
Sehr schwierige Probeobjecte.
Podura plumbea, die Querstreifen der kleinen und mittleren
Schuppen.
Pieris brassicae, die Granulationen der Längsstreifen an den
Schuppen.
NohTs Probeobjecte2) 1846.
Mohl fĂĽhrt besonders Goring's Probeobjecte, jedoch bezĂĽg-
lich ihrer Schwierigkeit in einer andern Reihenfolge an, stellt aber
unter die schwierigsten Objecte noch:
*) Chevalier: Des Microscopes et de leur usage. pag. 17.'i.
2) Mohl, Mikrographie pag. 184.
Ăśber mikroskopische Probeobjecte. Ăź Q
Die Schuppen von Lycaena Argus und zwar die lichten, an wel-
chen Querstreifen erscheinen mĂĽssen.
Die FlĂĽgelschuppen des Weibchens von Hipparchia Janira,
welche Längs- und Querstreifen zeigen.
Die langen, oben gefransten Schuppen an der oberen Seite der
Flügel des Männchens von Hipparchia Janira mit Längs-
streifen. Die Hipparchia-Sc\ni\)[)en wurden ĂĽbrigens zuerst
von Amici als Probeobject empfohlen.
QuecksilberkĂĽgelchen als PrĂĽfungsmittel bezĂĽglich der Aber-
rationen.
Schachfs Probeobjecte 9 1854 and 1855.
1. Lepisma saccharina , Schuppen, Längsstreifen und schiefe
Streifen.
2. Hipparchia Janira, Flügelschuppen des Weibchens, Längs-
und Querstreifen.
3. Navicula hippocampos angulata! sämmtliche drei Linien-
systeme, aber gilt nur fĂĽr durchgelassenes Licht, da es im
auffallenden Lichte zu den leichteren Probeobjecten gehört.
4. Holzquerschnitt der Wurzel von Pinus sylvestris, dient zur
Erkennung des Freiseins von chromatischer Aberration.
Griffitirs Probeobjecte 2) 1856.
1. Das Pygidium einer Fliege, sowohl transparent als opak
betrachtet, an dem die Haare sich zeigen.
2. Maushaare. Beide Objecte dienen für sogenannte 1*5 — 2zöl-
lige (englisch) Objective mit 20maliger Vergrößerung und
12 — 20o Öffnungswinkel.
3. Haare von Dermestes lardarius.
4. „ der Hausmaus.
5. Das Pygidium der Fliege, an dem die Areolaeen unterscheid-
bar sein mĂĽssen.
Nr. 3—5 für 1— 0-67zöIüge Objective bei 60maliger
Vergrösserung und 22 — 27° Öffnungswinkel.
*) Sehncht, Beiträge zur Anatomie und Physiologie der Gewächse, S. 267 — 273. Das
Mikroskop und seine Anwendung insbesondere in der Pflanzen-Anatomie, 2. Auflage,
1855, S. 17.
a) Griffith and Henfrey, The Micrographic Dictionary. pag. fi35.
70 Pohl.
6. Haare von Dermestes lardarius, von Vespertilio pipistrellus
und Mus domesticus in Balsam eingelegt.
7. Längsschnitt von Abies excelsa, trocken eingelegt.
8. Die gröberen Schuppen von Lepisma saccharina.
9. Das Pygidium der Fliege, woran die feine Structur sichtbar
werden muss.
10. Eine dunkle Schuppe von Podura plumbea.
Nr. 6—10 gelten für 0-5— 0'4tel Objective mit 100 bis
120maliger Vergrösserung und 55° Üffnungswinkel.
1 l. Haare von Dermestes lardarius.
12. Längsschnitt von Abies excelsa.
13. SchleimkĂĽgelchen.
14. Die feineren Schuppen von Lepisma saccharina.
15. Die blassen und dunklen Schuppen von Podura plumbea.
16. Die Faserchen von Didymohelix ferruginea.
17. Das Pygidium der Fliege.
18. Die Schuppen von Pontia brassicae.
Nr. 11 — 18 sind für 0-25zöllige Objective mit 220 bis
450maliger Vergrößerung und 75 — 150° üffnungs-
winkel.
19. Die lichteren Schuppen von Podura plumbea
20. Das Pygidium der Fliege.
21. Die Schuppen von Pontia brassicae.
22. Die Faserchen von Didymohelix ferruginea. die Primitiv-
Fäserchen zeigend.
23. Die SchleimkĂĽgelchen.
Nr. 19—23 sind Objecte für 0125 (>/8) zöllige Objec-
tive mit 420 — 450maliger Vergrösserung und 110- — 150°
Ă–ffnungswinke].
24. Die lichten Schuppen von Podura plumbea.
25. Die Faserchen von Didymohelix ferruginea, in Balsam ein-
gelegt.
26. Die Primitiv-Fibrillen der Muskelfaser.
Nr. 24— 26 gehören für 0-083 (</„) bis 0*067 (V16)zöll.
Objective mit 600 — 650 maliger Vergrösserung und
80—120° Öffnungswinkel.
Die gegebenen Vergrösserungen sollen sich blos auf das Objec-
tivsystem beziehen. Griffith legt ĂĽbrigens wenig Werth auf die
Ober mikroskopische Probeobjecte.
Streifungen der Infusorien Panzer; schlägt jedoch für solche, welche
selbe als Probeobject benutzen wollen, Panzer von Gyrosigma
(Pleurosigma, Navicula) , Grammatophora , Fragillaria, Rhipi-
dopkora, Amphipleura, Nitschia taenia, gewisse Species von
Berkeleyia vor.
Robin's Probeobjecte l) 1856.
1. Die Spinnenklaue.
2. Schuppen von Lepisma saccharina.
3. „ „ Pieris Rapae, F a b r i c i u s,
4. „ „ Zygaena Alexis, L i n n e.
5. „ „ Satyrus Janira.
6- „ „ Po dura plumbea.
7. Pleurosigma attenuatum, YY. Smith.
8. „ angulatum „
9. Navicula Spenceri, KĂĽtzing.
10. „ veneta „ Oiatomaeen.
I i . Verschiedene Species von Gramma-
tophora.
1 2 . Stria tella unipunctata, A g a r t h .
f arpenter's Probeobjecte 2) 1856.
Carpenter unterscheidet nebst der penetrirenden und defi-
nirenden Kraft der Mikroskope noch eine lösende und theilt hier-
nach auch die Probeobjecte ein; er gibt wörtlich folgende Defini-
tionen:
„Defining power, or power of giving a clear and distinct image
of all well marked fratures of an object, especially of its
boundaries"
„Penetrating power , or power of enabling the observer to look
into the structure of objects."
„Resoloing power, by which it enables closely-approximated
markings to be distinguished."
Für schwache Objective mit grösserer Foeal - Distanz als
0-5 engl. Zoll, wählt Carpenter aber:
') Memoire sur les objects qui peuvent etre conserves en preparations mieroscopiques.
Paris. 1856.
i) Carpenter, The Microscope and its Revelatious. Loudon 1856, pag. 192.
72 Pohl.
Objecte fĂĽr Penetration.
1. Injection der Froschlunge.
2. Darmzotten des Affen.
Objeete fĂĽr Definition.
3. Pollenkönier der Rosenpappel oder einer anderen Mal-
vacaee.
Objecte für lösende Kraft.
4. Injection der Kieme des Aals.
5. „ irgend einer Vogellunge.
6. Schuppen von Morpho Menelaus.
7. RĂĽssel der gemeinen Fliege ; wird besonders anempfohlen.
8. Tracheen von Insecten.
Für stärkere Objective von 0*5 bis zu 0-2 Zoll Focaldistanz.
Objecte für lösende und penetrirende Kraft.
9. Die Längsstreifen an den schaufeiförmigen Schuppen von
Polyommatus Argus.
10. Grössere und kleinere Schuppen von Po dura plumbea.
11. Pleurosigma hippocampos , die Längs- und Querstreifen.
Objecte fĂĽr Definition.
12. Die Haare der indischen Fledermaus (indian bat).
13. „ „ von Dermestes lardarius.
14. Die Muskelfasern.
Für die stärksten Objective von 0-2 Zoll an abwärts.
Prob e objecte für Penetration, Definition und Lösung.
15. Nob ert' s Linienscale.
Iti. Verschiedene Diatomaeen aus dem Genus Pleurosigma.
Carpenter nimmt an, die Schwierigkeit des Objectes
wachse mit der Zahl der Linien, weichein einem bestimmten
Raum der Länge nach zusammengedrängt sind. Er gibt daher
zur Ăźeurtheilung des Werthes verschiedener Diatomaeen
als Probeobjecte Seite 205 folgende kleine Ăśbersicht nach
W. Smith, welche ich jedoch von engl. Zoll auf Millimetei
reducirte und der ich gleichfalls die Messungen von So! litt
and H a r r i s o n ') sowie Hall2) beifĂĽgte.
') The Quarteiiy Journal of the Microscopical Society. 1S.S3. V, nag. 62.
i) Idein. 1836. XV. Die Beschreibung der 13. Tafel.
Ăśber mikroskopische Probeobjecte.
73
Anzahl der Linien auf 001 Millimeter.
Name
Nach der
Länge
Beobachter
Nach der Quere
Beobachter
Pleurosigma littorale . . .
9-4
Sm.
„ hippocampos
11-8
12-2
Sm.
H.
16-5
15-8
S.u. H.
H.
„ strigile ....
» n ....
130
141
S. u. H.
Sm.
—
—
„ formosum . .
14-2?
H.
—
—
„ strigosum . . .
» » ...
„ angulatum . .
» » •
15-7
20-4
20-4
Sm.
Sm.
H.
gross 27 '6
klein 31*5
gross 23*6
klein 27-6
S. u. H.
S. u. H.
„ Spenceri . . .
21-6
Sm.
19-7
Sm.
» » • • •
—
—
19-7
S. u. H.
—
—
23-6
»
Ceratoneis fasciola ....
Pleurosigma obscurum . . .
2b-2
29-2
Sm.
35-4
»
„ macrum ....
33-4
„
—
—
Navieula rhomboides , . .
33-4
„
—
—
„ sigmoidea ....
33-4
»
41-3
S. u. H.
—
—
51-2
n
Ich glaube hier besonders auf den Unterschied zwischen Pleu-
rosigma hippocampos und angulatum aufmerksam machen zu mĂĽs-
sen, welche manche deutsche Mikroskopiker noch immer verwech-
seln , während gerade als Probeobject nach obiger Tabelle ein
namhafter Unterschied resultirt.
Bailey's Probeobjecte *).
Diese sind vorzugsweise:
Hyalodiscus subtilis, eine zuerst zu Halifax in Neu-Schottland
gefundene Diatomaee.
Grammatopliora subtilissima, ebenfalls von Halifax, welche
übrigens Bailey als eine Varietät von Ehrenbergs Gram-
matopliora strieta bezeichnet.
l) Smithsonian, Coutributions to Knowledge. Vol. VII, article III. pag. 14.
74 p «• •' i
liniri\ Probeobjecte 1856.
Die folgende Zusammenstellung sammt den hierauf bezĂĽglichen
Angaben ist eine Zugabe Amici' s zu einem grossen Mikroskope,
welches in meinem Besitze und nach Amici's eigenem Ausspruche
von keinem zweiten seiner Instrumente ĂĽbertreffen wird. In der That
zeigte die Vergleichung mehrerer Mikroskope aus der neuesten Zeit
mit dem in Rede stehenden selbes als das Beste, und nur auf dieses
Instrument beziehen sich daher die folgenden Original-Angaben
Amici' s vom 18. Februar 1856.
Trocken eingelegte Objecte.
1. Sporulae di Lycoperdon — Papille e Nucleo.
2. Squame di Hipparchia Janira — linee longitudinali e
trasversali pik difficili.
3. Squame delV argo — linee trasversali.
4. Pleurosigma angulatum. Si osservino le meno sudice.
5. Striatellaunipunctata. Cherbourg. Si osservino i framenti
che aderiscono piani softo il retro. Buon fest.
In Balsam eingelegte Objecte.
6. Tripoli d'Eger.
7. Tripoli d'Eger e Grammätophora marina.
8. Tripoli di S" Flora.
9. Tivoli di Lollhagysion, Lapponia, contiene la navicula
Amici et altri test difficillimi.
Ferner fĂĽhrt Amici an: Colla Serie IV" (Objectivsystem-
Bezeichnung) e questa maniera d illuminare col prisma i Test-
objeets :
10. Pleurosigma angulatum W. Schmith, nel balsamo.
1 1. Ceru toneis fasciola Kg. a Secco.
12. Grammätophora subtilissima, New- York.
13. Navicula Amici Spr. nel balsamo et si risolvono completa-
mente e si distinguorno le parti loro pih minute.
La quasi totalitä della massa di quel tripoli d'Eger si compone
del Campilodiscus Clypeus e di una navicula in cui pre-
parata nel balsamo si vedono distintamente t utte le pun-
Ăśber mikroskopische Probeobjecte. 7b
teggiature o granulazioni delle due linee mediane longitu-
dinali e delle strie trasversali (per la serie Ha). 1 micros-
copi fabbricati a Parigi e da Vienna che sono in Italia non
hanna tarda forze penetrante per f'are distinguere quelle
granulazioni specialmente si V oggetto sia coperto da uu
vetro grosso un millimetro.
Questa Navicula sarebbe un Test grossolano per la Serie ///",
la quäle e capace di mostrare tanto per luce centrale e
meglio per luce obblique le granulazioni della Gramma-
tophora marina Kg. e de Pleurosigma angulatum W. Sm.
Die obenerwähnte Navicula im Tripel von Eger ist übrigens
bei weitem nicht so schwierig als Probeobject, wie Amici zu
glauben scheint, da ich mit meinem im Jahre 1845 von PIössl ver-
fertigten Mikroskope selbst bei Anwendung eines dicken Deckgläs-
chens mit dem Linsensystem-Aplanat) 5, 6, 7 und 215maliger Ver-
größerung, bezogen auf 250 Millim. Sehweite, so wie bei centraler
Beleuchtung die Granulationen vollkommen deutlich, ja sogar schärfer
als mittelst Amici' s Mikroskop zu sehen im Stande bin. Wie ferner
aus der von Amici beigegebenen Zeichnung zu ersehen, ist dieses
Probeobject Ehren berg' s Navicula sculpta , welche letzterer
Forscher bereits im Jahre 1854 vollkommen richtig bei 300maliger
Vergrösserung und centraler Beleuchtung seines Mikroskopes von
Schickh abbildete »).
In der That zeigt ferner Amici's Mikroskop mit dem Oculare
X und dem Objectivsysteme III", bei etwa 1 Millimeter Distanz der
untersten Objectivlinse vom Objecte und 235maliger Vergrösserung
auf 250 Millimeter Sehweite bezogen, die Liniensysteme von Pleuro-
sigma angulatum. Dies fiel mir um so mehr auf, als ich bisher (1856)
bei centraler Beleuchtung mit keinem anderen Mikroskope die gleiche
Wirkung erzielen konnte. Zwar zeigten PIössTs neuere grosse
Mikroskope die Linien im grellen Sonnenlichte auch bei centraler
Beleuchtung, allein äusserst milchig, so dass das Gesehene keines-
wegs befriedigte. Ich habe diese Thatsache PIössl mitgetheilt, der
alsbald den Grund davon fand. Amici hat nämlich in der Trommel
unter dem Objecttische eine Sammellinse centrisch eingesetzt, welche,
') Ehrenberg, Mikrogeologie , Atlas, Tal. X, Fig. ö a und b.
76 Pohl.
wie man sich leicht ĂĽberzeugen kann, allein die genannte gĂĽnstige
Wirkung bedingt. Eine ähnliche Linse von Plössl an seinen Mikro-
skopen neuester Zeit angebracht, liefert gleiche Resultate und es ist
ein Leichtes, durch diese kleine Zuthat Plössl's neuere Mikroskope
zu vervollständigen.
Diesen verschiedenen Testobjecten glaube ich endlich noch
folgende beifügen zu können, deren ich mich seit längerer Zeit mit
dem besten Erfolge bediene.
Objeete fĂĽr Definition.
Die VorderrĂĽsselhaut der gemeinen Fleischfliege, Musca erythro -
cephala *)•
Die Tracheen des Seidenwurmes 2).
Die getĂĽpfelten Schuppen von Lycaena Alexis. Ich verdanke dies
ausgezeichnete Probeobject Herrn Plössl. Meines Wissens
haben zwar Lycaena Argus und Argiolus auch ähnliche
Schuppen, welche aber dem gewählten als Probeobject weit
nachstehen.
Ich ziehe besonders das erste und dritte Object allen ĂĽbrigen
zu gleichem Zwecke anempfohlenen, besonders für starke Vergrös-
serungen, bei weitem vor.
Objeete fĂĽr Penetration.
Die lichten FlĂĽgelschuppen von Lycaena Alexis, an welchen die
Querstreifen deutlich erscheinen mĂĽssen. Ich verdanke dieses Object
ebenfalls Herrn Plössl, welcher selbes seit Jahren im Gebrauche
hat. Es hält nach meiner Meinung die Mitte zwischen den Hipparchia-
Schuppen und den Kieselpanzern von Pleurosigma angulatum und
bildet besonders für Objective mit grösserer Focaldistanz ein ausge-
zeichnetes Probeobject.
Probeobject zur Erkennung' des Freiseins von ehromatiseber
Aberration.
Kartoffelstärke mit Wasser benetzt. Nur die wenigsten Mikro-
skope geben das Bild der mit Wasser benetzten Kartoffelstärke voll-
1) Sehr schön präparirt zu erhalten durch Herrn Einest Heeger zu Laxenhurg
hei Wien.
2) Ausgezeichnet präparirt von Bourgogne zu Paris, Rue Massilon Nr. 4.
Ăśber mikroskopische Proheobjecte. 77
kommen farblos und man kann sich leicht ĂĽberzeugen, dass dieses
Object, wenn man so sagen darf, bezĂĽglich des Erscheinens von
Farben viel empfindlicher ist als der von Schacht zu gleichem
Zwecke vorgeschlagene Pmtts-Querschnitt.
Zweite Classe von Probeobjecten : KĂĽnstliche Objecte.
FĂĽr Penetration und Definition.
Auf Glas befindliche Liniensysteme, deren Linien nach einer
gewissen Reihenfolge immer feiner werden und sich in kleineren
Entfernungen befinden, vorgeschlagen von Nobert1).
Probeobjecte fĂĽr die gehobenen Aberrationen.
QuecksilberkĂĽgelchen, in welchen das Bild des Fensterkreuzes
reflectirt wird, von List er vorgeschlagen2). Die KĂĽgelchen mĂĽssen
nicht nur ohne farbigen Säumen (Freisein von chromatischer Aber-
ration), sondern auch scharf begrenzt erscheinen. Verwaschenes
und gleichsam nebliges Aussehen beweist das Vorherrschen der
sphärischen Aberration.
Ein Quecksilberfaden in einem Haarröhrchen eingeschmolzen,
ersetzt nach Moser3) besonders für stärkere Objective mit Vortheil
die QuecksilberkĂĽgelchen.
Die verschiedenen Formen der in Gummischleim gebildeten
Luftbläschen empfiehlt Hasting als eines der besten Probeobjecte
in dieser Richtung4).
Weisse Figuren auf schwarzem Grunde sind zur Erkennung der
sphärischen Aberration von Goring benützt5).
Durchsichtige kleine Ringelchen etc. erhalten durch dickes
Überstreichen eines Glastäfelchens mit Tusche und Radiren der
geeigneten Figuren aus dem Deckgrund mit einer Nadel, schlug hin-
gegen für durchfallendes Licht zur Erkennung der sphärischen Aber-
ration Mo hl 6) vor.
1) Poggendorffs Annalen, LXVII. Bd., S. 175 und LXXXV. Bd., S. 83.
8) Philosophical Transactions for the year 1S30, vol. I, pag. 190.
3J Repertorium der Physik. V. Bd., S. 397.
4) Quarterly Journal of Microscopical Science, vol. I, pag. 292.
5) Pritchard, Microscopic Cabinet pag. 197.
•) Mikrographie, S. 171.
78
Pohl.
Zählt man die Objecte Carpenter's für lösende Kraft jenen
für Penetration bei , fasst man ferner sämmtliche genannte Piobe-
Objecte zusammen und theilt selbe je nachdem sie zur PrĂĽfung der
definirenden oder penetrirenden Kraft oder endlich zur Beurtheilung
der gehobenen Aberrationen am Mikroskope dienen in Gruppen, so
resultirt folgendes Schema.
Probeobjecte.
FĂĽr Definition:
Querschnitt der Wurzel von Zea Mais
„ von Sambucus nigra
„ vom Regenschirmrohr
Längsschnitt \on Abies excelsa.
Blatt einer Varietät des Laubmooses
Hypnum,
Pollenkörner von der Rosenpappel.
Sporen von Lycoperdon.
Fäserchen von Didymohelix ferru-
ginea.
Spinnenklaue.
Lunge des Frosches oder eines Vogels.
injicirt.
Kieme vom Aal.
RĂĽssel der Musca domestica.
Pygidium der Musca domestica.
VorderrĂĽsselhaut der Musca erythro-
cephala.
Tracheen der Seidenraupe.
FlĂĽgel der Musca domestica.
„ von Culex pipiens.
FlĂĽgelstĂĽck von Papiiio Crataegi.
„ „ Pieris Brassicae.
„ „ Morpho Menelaus.
Flügeldecke „ Curculio imperialis.
Haare vom Menschen.
Bauchhaare von Vespertilio muri-
nus.
Haare von Dermestes lardarius.
„ „ Vespertilio pipistrelli/s.
„ „ der indischen Fledermaus.
GetĂĽpfelte Schuppen von Lycaena
Argus.
GetĂĽpfelte Schuppen von Lycaena
Alexis.
FĂĽr Penetration:
FlĂĽgelschuppen von Papiiio Crataegi.
,, „ Morpho Menelaus.
„ „ Tinea pelionella.
„ ,, „ surcitella.
„ „ Alucita pentadac-
tyla.
„ „ Alucita hexadac-
tyla.
„ „ Lycaenae Argus.
„ „ Podnra plumbea.
„ „ Hipparchia Jani-
ra, Männchen.
„ Hipparchia Jani-
ra, Weibchen,
„ Pieris rapae.
„ ., Lycaena Alexis.
„ „ Paliomatus Argus.
FlĂĽgeldeckensclmppen von Curculio
imperialis.
Schuppen von Lepisma saccharina.
„ „ Petrobius marinus.
Tripel von Eger.
„ „ St. Fiora.
„ „ Lollhagysion.
Grammatophora rnarina.
„ subtilissima.
tiyalodiscus subtilis.
Striatella unipunctata.
Nitschia taenia.
„ sigmoidea.
Navicu/a rhoiuboides.
„ veneta.
„ viridis.
„ Atniei.
„ seulpta.
Ăśber mikroskopische Probeobjecte.
79
SchleimkĂĽgelchen.
Primitiv-Fibrillen der Muskelfasern.
Nobert's Priifunp-sseala.
Pleurosigma angulatum.
„ attenuatum.
elongatum.
fasciola fCeratoneis fas-
ciola) ,
,. hyppoeampos.
„ littorale.
„ macrum.
obscurum.
„ Spenceri.
„ strigile.
„ strigosum.
Nobert's PrĂĽfungsseale.
Objecte zur PrĂĽfung der Mikroskope bezĂĽglich der Aberrationeu.
Weisse Figuren auf schwarzem Grunde als opakes Object.
Durchsichtige weisse Figuren auf schwarzem Grunde als trans-
parentes Object.
Feine QuecksilberkĂĽgelchen.
Ein feiner Quecksilberfaden.
Kartoffelstärke.
Der Querschnitt von Pinus sylvestris.
In dieser Zusammenstellung blieb, abgesehen von dem Ordnen
der Objecte in Gruppen, ihr Werth als Probeobject unberĂĽcksichtigt.
Letzterer ist in der That äusserst schwierig genau zu bestimmen.
Der Werth, welchen man einem Probeobjecte beilegt, hängt näm-
lich nicht nur vom optischen und mechanischen Theil des benutzten
Mikroskopes ab, er steht auch mit der erlangten Ăśbung des Beob-
achters im Einstellen, Beleuchten, Sehen etc. im innigsten Zusam-
menhange, ja wird selbst oft vom Individuum des Probeobjectes,
der Art der Präparirung etc. bedingt. Dies die Gründe, warum den
meisten Probeobjecten verschiedener Werth beigelegt wird, wie man
sich leicht durch Nachlesen der obcitirten Literatur der Testobjecte
ĂĽberzeugen kann.
Meiner Ăśberzeugung nach gibt es nur einen Weg diesem
Schwanken in der Werthbestimmung der Probeobjecte fĂĽr Defini-
tion und Penetration einigermassen abzuhelfen. Dies ist die Ver-
gleichung derselben mit einem bestimmten Objecte, welches aber
80 Pohl.
genau bekannte unveränderlich gegebene Unterabtheilungen haben,
selbst zu den schwierigsten und zugleich leichtesten Probeobjecten
gehören und endlich sowohl für Definition als Penetration gelten
muss. Es lassen sich dann alle andern Testobjecte bezĂĽglich des an
die Spitze gestellten in eine Reihe bringen und sind die Verhältnisse
einmal richtig bestimmt, so kommt es kaum mehr darauf an, ob das
Normalobject constanten Werth in allen vorkommenden Exemplaren
besitze oder kleinen Schwankungen unterworfen sei.
Bis jetzt kennen wir erwiesenermassen kein Object natĂĽrlichen
oder kĂĽnstlichen Ursprunges, das in allen vorkommenden Exemplaren
gänzlich gleich wäre, es bleibt aber immerhin wünschenswerth als
Massstab derVergleichung ein sich möglichst gleich bleibendes Object
zu wählen, um innerhalb gewisser Grenzen auch Anderen die Mög-
lichkeit der Vergleichung zu bieten.
Diesen Bedingungen kann ein kĂĽnstliches Probeobject ent-
sprechen und zwar eignet sich hinzu Nobert's PrĂĽfungsseale vor-
trefflich. Durch die Liniengruppen , welche selbe enthält und die
bezĂĽglich der Feinheit und Entfernung von einander eine bestimmte
Reihe bilden, sind genĂĽgende Anhaltspunkte zur Vergleichung gege-
ben , ja sogar der Werth eines Objectes in Zahlen mittelbar aus-
drĂĽckbar. Die Nobert'sche Scale dient ferner sowohl fĂĽr defini-
rende als penetrirende Kraft der Mikroskope als Massstab . da fĂĽr
erstere die Schärfe und Klarheit der Linien , für letztere haupt-
sächlich die Zahl der gelösten Liniengruppen berücksichtiget wird.
Endlich sind die verschiedenen Exemplare der neuesten Probeplatten
Nobert's ziemlich gleich ausgeführt , was jedoch für die älteren
Probeplatten nicht gilt. Ich habe daher bei der bedingten Wichtig-
keit, welche Definitions- und Penetrations-Objecte fĂĽr die Beurthei-
lung des Werthes von Mikroskopen besitzen, eine Reihe der zweck-
mässigsten ausgesucht, um selbe unmittelbar mit Nobert's Prüfungs-
scale bei gleichbleibenden Umständen derart zu vergleichen , dass
ich bestimme, welche Liniengruppe Nobert's und wie selbe sichtbar
sein muss, um das eigentlich wesentliche Detail des Probeobjectes
zu sehen. Die Probeobjecte sind übrigens so gewählt, dass bei
stufenweisem Fortschreiten sowohl die schwachen als die stärksten
Linsensysteme berĂĽcksichtiget sind und daher auch selbe zur PrĂĽfung
der Definitions- und Penetrations - Fähigkeit aller Gattungen von
Mikroskopen ausreichen. Sie sind;
Ăśber mikroskopische Proheohjecte.
81
Proheohjecte.
FĂĽr Definition:
Längsschnitt von Abies excelsa.
Spinnenklaue.
Muskelfaser vom Ochsen.
VorderrĂĽsselhaut der Musca erythro-
cephala.
Tracheen der Seidenraupe.
Haare der Fledermaus, Vespertilio
murinus.
KĂĽckenhaare der Hausmaus, Mus du-
mestica.
FlĂĽgeldecke von Curculio imperialis.
GetĂĽpfelte Schuppen von Lycaena
Alexis.
FlĂĽgel von Culex pipiens.
FĂĽr Penetration:
Schuppen von Lepisma saccharina.
„ „ Curculio imperialis.
FlĂĽgelschuppcn von Morph) Neue/aus.
„ „ Podura plumbea.
„ ,, Hipparehia J ant-
ra, Weibchen.
„ „ Lycaena Alexis,
n » Pontia Brassicae.
„ „ Picris Crataegi.
Striatella unipunctata.
Grammatophora marina.
„ subtilissima.
Plewosigma angulatum.
„ attenuatum.
Navicula Spencerii.
„ Veneta.
„ viridis.
„ Amici.
„ sculpta.
„ arcus.
„ sigmoidea.
Vor Angabe der Resultate dieser Vergleichung, welche gegen
Mangel an Zeit nur sehr langsam fortschreitet, muss ich jedoch not-
wendig Nobert's Probeplatte selbst besprechen , welche neuerer
Zeit mit einem gewissen Misstrauen von Seite vieler Mikroskopiker
betrachtet wird. Den Anlass hiezu scheint Mo hl gegeben zu haben,
indem er bedingungsweise mit Recht auf die Ungleichheit von N o b e r t's
Scalen aufmerksam machte1). 'n Folge deren die mit verschiedenen
Probeplatten erhaltenen Resultate nicht vergleichbar seien. Beim Ver-
gleiche zweier Platten betrug nämlich nach Mo hl diese Ungleich-
heit die Lösungsfähigkeit einer ganzen Liniengruppe. Mohl schreibt
selbe der Form der Diamantspitze, womit die Linien geritzt, der
Beschwerung selber, und der Härte des Glases zu, auf dem die Scale
aufgetragen. Dass die Umstände unter denen mehrere Platten verfer-
tiget werden, nie vollkommen gleich seien, lässtgewiss keinen Zweifel
zu, allein ein genauer Anblick der N ober t'schen Probescalen zeigt
1) Mohl, Mikrographie, S. 191.
Sitzb. d. mathenj.-iiiUurw. Ct. XL, Bd. Nr. 7.
82 Fohl
durch die Gleichförmigkeit, sowie Glätte der Linien, ferner das nie-
malige Vorkommen aufgesprungener Striche fast zur Evidenz , dass
die Linien nicht mit dem Diamant gerissen, sondern mit Flusssäure
geätzt seien.
Ich selbst hatte vor einiger Zeit zwei Nob ert'sche Probescalen,
deren eine mit 10 Gruppen im Besitze des physikalischen Cabinetes
am k. k. polytechnischen Institute, die andere mit 15 Liniengruppen
Eigenthum des Herrn PI össl ist, mit einander verglichen 1). An erst-
genannter Probeplatte sind die Linien weit feiner als an Plössl's
Scale, so dass an letzterer im Durchschnitte immer eine Gruppe
mehr gelöst wurde. Mittlerweile fand ich Gelegenheit mit diesen
beiden Probeplatten noch mehrere andere vergleichen zu können,
welche theils als Testobjecte , theils als Platten zur Bestimmung
der Wellenlänge des Lichtes in der Luft und im Glase dienen
sollen 2) und welch' letztere zugleich Probescalen fĂĽr Mikroskope
bilden. Zur Vergleichung bei möglichst constanter Beleuchtung
mittelst Lampenlicht, benĂĽtzte ich mein grosses Mikroskop von
Plössl, das ich bezüglich seiner Leistungsfähigkeit schon früher
beschrieb3). Die verglichenen N obert'schen Scalen waren aber:
FĂĽnf Testobject-Platten von Nobert zu Ende des Jahres 1855
verfertiget, damals Eigenthum der Fabrik chemischer und physika-
lischer Apparate des Herrn Lenoir in Wien. Diese Platten tragen
die Aufschrift von Nobert mit dem Diamant eingeritzt:
1000 6000
also sind die Entfernungen der einzelnen Linien in der ersten
Gruppe 0001 Pariser Linien, in der letzten hingegen 0-0001 67 Linien.
Sämmtliche Platten nachstehend mit I bis V bezeichnet, enthalten
20 Liniengruppen *).
Eine Testobject-Platte wie die Obigen und zu gleicher Zeit ver-
fertiget , Eigenthum des k. k. physikalischen Institutes zu Wien,
*) Sitzungsberichte der kais. Akademie der Wissenschaften, mathem.-naturw. ("lasse,
Bd. XI, S. 504.
2) Poggendoiffs Annalen, l.XXXV. Bd., S. 80 und 8:5.
3) Sitzungsberichte XI. Bd., S. 517.
4j Von diesen Probescalen wurde später eine an das Joauneum in Gratz, eine an
Professor Kuczinsky in Krakau, eine an die k. k. Universität zu Prag-, eine an
Herrn S. E. von Madarasz in I'estli und eine nach London verkauft.
Ăśber mikroskopische Probeobjecte. $J$
welche mir Herr Regierungsrath R. v. Etti ngshausen gĂĽtigst zur
Vergleichung anvertraute, unten mit E bezeichnet.
Eine Platte zur Bestimmung der Wellenlänge des Lichtes in der
Luft und im Glase ebenfalls Ende 1855 von Nobert an Lenoir
abgeliefert, und im Folgenden mit W unterschieden.
Eine gleiche Platte zur selben Zeit verfertiget. Eigenthum des
k. k. physikalischen Institutes, später mit W angeführt.
Eine grosse Testobject-Platte mit 30 Liniengruppen; die feinste
Theilung Nobert's enthaltend , ebenfalls Ende 1855 vollendet und
mein Eigenthum. Diese Platte trägt mit dem Diamant geschrieben die
Aufschrift:
Testobject.
1
1
TobT
8000
1 Dw. == 0"'001000
15 Dw. = 0*000200
5 „ = 550
20 „ = 1G7
10 „ = 275
25 „ =. 143
30 Dw. =
0
'000125.
Diese Platte soll später durch P kenntlich gemacht werden.
Alle Platten wurden ĂĽbrigens durch Herrn Lenoir direct von
Nohert bezogen, betreffs welcher dieser unter dem 17. Deeember
1855 folgende schriftliche Mittheilung machte:
. . . . „Alle diese Theilungen sind ganz vorzüglich ausge-
fallen, wie man am besten an der Lebhaftigkeit der Farben der feineren
Gruppen, sowohl der dickeren Interferenz -Platten (Wellenplatten)
als auch der Testobject-PIatten erkennt, wobei ich nicht unterlassen
will zu bemerken , dass die drei feinsten Gruppen der Testobject-
PIatten keine Farben mehr erzeugen können , weil der Abstand der
Linien dieser Gruppen kleiner als die Länge der kleinsten Licht-
welle in der Luft ist. Könnte an diesen Platten das Licht in ähnlicher
Weise geleitet werden, wie bei den dicken Interferenz-Platten, so
wĂĽrden auch an ihnen diejenigen Farben entstehen, welche wir an
Gruppen von gleicher Feinheit der dicken Interferenz -Platten mit
so grosser Bestimmtheit sich entwickeln sehen. Die Deckgläschen der
Testobject-PIatten sind von der Dicke gemacht, welche die ersten engli-
schen KĂĽnstler fĂĽr ihre l/ia Zoll Objective vorschreiben und welche
die grösste noch zulässige für diese Objective ist. Meine stärksten
yJ4 Zoll Objective , lassen Deckplättchen , die um i/z stärker sind,
0*
84 H ĂĽ >> '
zu und es tritt dann die grösste Apertur und die günstigste optische
Wirkung ein. Ich habe sogar einige Deckgläschen noch dünner als
nach englischer Vorschrift gemacht, weil ich erfahren habe, dass
Plössl in den letzten Jahren Objective gemacht hat, welche nur
sehr dünne Deckplatten zulassen, so dünn, dass die Deckplättchen
frĂĽherer PrĂĽfungsplatten von mir sich zu dick erwiesen.
„Mit dem */2 Zoll Objective meiner Mikroskope (Abstand von
der Objecttafel 2'!'8) werden sechs Gruppen, mit dem i/k Zoll
Objective (zulässige Deckplatte 0"'8 dick) werden neun Gruppen,
mit dem 1/8 Zoll Objective (zulässige Deckplatte 0"'36 dick)
15 Gruppen und mit dem yi4 Zoll Objective (dickste Deckplatte
0"'17) alle 20 Gruppen unter den günstigsten Beleuchtungsumständen
zerlegt. Ich habe noch gestern am Vormittag bei herrlich heiterem
Himmel an den PrĂĽfungsscalen, welche sie jetzt erhalten , schon bei
340 Vergrösserung (!/14 Zoll Objective mit Ocular 1) die 19.
Gruppe ausserordentlich fein zerlegt gesehen und bei 520 Ver-
grösserung trat die 20. Gruppe völlig sicher hervor. Am Nachmittage
bei bedecktem Himmel konnte ich ohne irgend einer Schwierigkeit
mit 340 Vergrösserung die 17., selbst 18. Gruppe sehen."
Diese Zeilen bieten mehrfaches Interesse dar. Sie erklären die
von mir geprĂĽften Scalen als vorzĂĽglich gelungene ; sie geben Auf-
schluss ĂĽber die penetrirende Kraft von Nobert's Mikroskopen zu
genannter Zeit und sie berĂĽhren noch einen anderen wichtigen
Punkt, die Dicke der Deckgläschen an den Prüfungsscalen. Dass
Nobert neuerer Zeit dünnere Deckgläser braucht, muss unbedingt
als Fortschritt bezeichnet werden. Der Plössl berührende Aus-
spruch kann sich jedoch nur auf dessen früher gelieferte stärk-
sten Linsensysteme beziehen , welche in der That nur mit den
dünnsten Deckgläschen vollkommen scharfe Bilder zeigten. Seit dem
Jahre 1852 verfertiget aber bekanntlich Plössl sogenannte Cor-
rections-Einsätze, an welchen durch Verschiebung der Objectiv-
linsen gegen einander, der nachtheilige Eintluss selbst ziemlich
dicker Deckgläschen aufgehoben wird *). Ich habe übrigens diese
Linseneinsätze PlössPs bei Gelegenheit der Naturforscher- Ver-
sammlung zu Wien im Jahre 1856 im Beisein des Herrn k. Staats-
r) Pohl, Sitzungsberichte der kais. Akademie der Wissenschaften mathem.-naturw,
Classe, XI. Bd., S. 523.
Ăśber mikroskopische Probeobjecte, 8o
ratlies Fritsche aus St. Petersburg, Herrn Beneche gezeigt,
dem selbe damals noch völlig neu waren, und welcher gegenwärtig
ebenfalls dieses System adoptirt hat. Dies mag zugleich als Berich-
tigung beistehender Angabe Ăźeinike's dienen1).
„Unter den mancherlei Nebenapparaten, welche die englischen
Optiker ausser den zur Beleuchtung gehörigen noch fertigen und
unter welchen sich noch so manches Zweckmässige finden mag, will
ich nur eine einzige Vorrichtung erwähnen, welche bis jetzt in
Deutschland unbekannt war, und welche, so viel ich weiss, nur
Beneche und Wasser lein in Berlin seit kurzem ebenfalls liefern."
Nach Obigem waren es entschieden Plössfs Corrections-
Einsätze, welche sich Beneche und Was seriein als Muster
nahmen. Obscbon nun Plössl gewiss um die erwähnte Zeit diese
Einsätze ersann, und in Deutschland zuerst anwandte, so sind doch
selbe (wie zur Vermeidung jedes Missverständnisses bemerkt sein
muss) eine längst beschriebene Erfindung von Andrew Boss in
England. Nachdem nämlich zuerst Amici im Jahre 1829 auf den
Einfluss der Deckgläschen bei mikroskopischen Beobachtungen auf-
merksam gemacht hatte und besondere Linsensysteme fĂĽr den Ge-
brauch von Deckgläschen verschiedener Dicke zusammenstellte 3),
erfand Boss im Jahre 1836/1837 die Correctionslinsen, welche je
nach der Stellung der untersten Linse gegen die beiden oberen
Objectivlinsen zum Beobachten mit oder ohne Deckgläschen dienen.
Ross gab diesem Objectivsysteme den Namen „Adjusting Object
Glass" und es ist selbes von ihm genau beschrieben im Kl. Bande
der Transactions of the Society for the Encouragement of art, manu-
factures and Commerce. Vol. 2, pag. 99 — 108, welcher Band im
Jahre 1838 veröffentlicht wurde. Ross erhielt damals von genann-
ter Gesellschaft fĂĽr seine Erfindung die goldene Isis -Medaille. In
England fand ĂĽbrigens Boss bald Nachahmer und meines Wissens
construiren vorzugsweise Powell and Lealand, ferner Schmith
and Beck seit Jahren Correctionslinsen, welche sich von jenen des
A.Boss nur durch kleine Abänderungen in der Form der Linsenfassung
unterscheiden. So viel ich weiss, construirt aber auch Nobert seit
1852 und Nachet et Fils zu Paris seit dem Jahre 1856 zu Paris
1) Reinike, BeitrĂĽge zur neueren Mikroskopie, 18Ăś7, S. 28.
2) Mo hl, Mikrographie, S. 70.
86 '• o h i.
solche Correctionslinsen, wie aus dem gedruckten Kataloge letzterer
Firma zu ersehen1). Ross adjusting object glass so wie die selben
nachgebildeten Systeme wurden aber mehrfach von englischen und
amerikanischen Schriftstellern in ihren HandbĂĽchern ĂĽber Mikro-
skopie beschrieben, wie z. B. von Quekett2) Charpenter3) und
Wythes4). Unter solchen Umständen scheint es erstaunlich, dass
die in Rede stehenden Correctionslinsen den meisten Optikern am
Continent so lange unbekannt oder von ihnen unberĂĽcksichtigt blei-
ben konnten. Es gebührt daher jedenfalls Plössl und nach
selben Nobert das Verdienst, die Aufmerksamkeit der praktischen
Optiker und Mikroskopiker Deutschlands thatsächlich auf die Cor-
rectionslinsen gelenkt zu haben, welche Combination ersterer erfand,
ohne von den adjusting object glasses der Engländer Kenntniss zu
haben. Seit Kurzem hat übrigens auch Oberhäuser (Hartnak) bei
seinen stärksten Objectiven das Correetions-System angenommen.
Während also jetzt Noberts Probeplatteu-Deckgläschen selbst
für das neueste stärkste Objectivsystein Plössl's (1858) voll-
kommen ausreichen, ist wenigstens bei meiner Probeseale das unge-
fähr 0*25 Millim. dicke Deckglas für die stärksten Linsensysteme
anderer Optiker desswegen unbrauchbar, weil sieb das Objectiv-
system dem Objecte nicht mehr genügend nähern lässt. So z. B.
kann ich das stärkste Objectivsystein Nr. 1 1 meines grossen Mikro-
skopes von Beneche und Wasserlein Nr. 1159, abgeliefert im
Herbste 1 856 , eben wegen zu grosser Dicke des Deckglases selbst
mit dem Oculare I, nicht an meiner Probeplatte prüfen. Es wäre
daher sehr zu wĂĽnschen dass Nobert in Zukunft au seinen Test-
object-Platten noch dünnere Deckgläser verwende. Die folgende
Zusammenstellung gibt nun die Resultate i\er Vergleichung der ver-
schiedenen Probeplatten mit der LinsencoinbinaĂĽon II) 5, 6, 7
meines grossen Plössl's unter ganz gleichen Umständen ausgeführt,
bei einer linearen Vergrößerung von 541 , bezogen auf 250 Millim.
') Naeliet, Catalogue descriptif des Instruments de Micrographie. Imp. 8°. Paris 1856,
pag. 5 et I !».
-) Quekett, On the Microscope ith edition. London 1S4S. 2th.edU. lS.'i'i. Deutsch
von Hartmann, I. Auflage, Weimar 1849,2. Auflage 1854, J. 30, 735 und 736 und
Tal'. 2, Fig. ->'l.
'â– ) Charpent er, The Microscope and its Revelations J lh edition. London 1856,
pag. 166.
4J Wythes, The Microscopist. Uli edition. Philadelphia 1851, pag. 14
Ăśber mikroskopische Probeobjecte
«7
Sehweite. PI. bedeutet PIössl's Scale, ./ hingegen jene des k. k
polytechnischen Institutes.
J
1
II
III
IV
V
E
w
10
20
20
20
20
20
20
w
G
r u p
P e
n
30
Gruppen
Gelöste Gruppen bei centraler Beleuchtung
höchst
fein
XV
sehr
schön
8
9
9
9
9
IX
IX
sehr
sehr
fein
scharf.
scharf,
milchig',
scharf,
fein
fein
fein
fein
fein
fein
9
Beginn
IX
scharf,
fein
Gelöste Gruppen hei .schiefer Beleuchtung
X
XX
XX
XX
XX
XX
XX
letzte
Gruppe
letzte
Gruppe
XXX
ausge-
fein,
etwas
fein,
etwas
etwas
fein,
fein,
zeichnet
gut
feiner
gut
feiner
als bei
milchig
sehr gut
deut-
licher
deutlich
Mit der Linsen-Combination 1) J>, 6, 7 bei 463 maliger Ver-
grösserung wird an PIössl's Scale die VII. Gruppe bei centraler
Beleuchtung und die XV. bei schiefer Beleuchtung gelöst, während
bei letzterer Beleuchtung auch an allen ĂĽbrigen Probeplatten die
letzten Gruppen äusserst fein und matt gelöst werden.
Mit der Combination Aplanat) 5, 6, 7 und nur 215maliger Ver-
grösserung bekam ich an der Wellenplatte W die letzte Gruppe
deutlich gelöst; ich halte jedoch diese Lösung für das Feinste, was
ich je unter dem Mikroskope sah. Am feinsten gezogen erscheint
die zehngruppige älteste Scale J, dann folgt PlössTs Scale, während
die übrigen Platten die Striche alle etwas schärfer (tiefer) gezogen
enthalten, unter einander aber zur GenĂĽge stimmen.
Diese PrĂĽfungen zeigten aber ferner, das Nobert bei den
feinsten Liniengruppen die Gleichförmigkeit der Striche nicht mehr
ganz in seiner Macht habe.
So zeigt sich an der Wellenplatte W
bei 541 maliger Vergrösserung deutlich,
dass in der letzten Gruppe, wie Figur 1 o —
andeutet, der Strich aa gegen den End-
strich ee hin stärker als die übrigen
gezogen sei. In der vorletzten Gruppe f, _
ist dies der Fall bei einer Linie bb,
Fie. l.
Fig.
88 I* o h I.
Figur 2; in der drittletzten Gruppe end-
lieh ist es der Endstrich cc, Figur 3, lg" '
welcher stärker gezogen erscheint.
An der Wellenplatte W sind in der '' c
letzten Gruppe die Striche dd und ee, Fi 4
wie Figur 4 andeutet, stärker gezogen
und in der vorletzten Gruppe sind sogar, e e
wie Figur 5 versinnlichet, vier Theil-
striche gegen die ĂĽbrigen zu stark. Fig. 5.
Es finden somit, wie schon ander- ^^
seits bemerkt, thatsächlich kleine Unter-
schiede an den verschiedenen Probe-
platten Nobert'sStatt, und diese bei den neueren Platten unbedeutend,
treten gegen die älteren Scalen deutlich hervor. Diese merklichen
Unterschiede sind nach meiner Ăśberzeugung am wenigsten durch
die ungleiche Tiefe der Striche in Folge unvollkommener mechani-
scher AusfĂĽhrung bedingt, welche den Grund der weit geringeren
Ungleichheiten der neuesten Platten abgibt; sie liegen vielmehr im
Theilungsprincip No bert's.
Nobert gibt nämlich in seinem ursprünglichen Aufsatze über
dieTestobject-Platten vom Jahre 1846') fĂĽr die zehngruppige Scale
die Linien-Distanzen:
Gruppe I, Distanz 0-001000 P. Linien,
II,
0-000875
III,
0- 000735
IV,
0- 000630
V,
0- 000540
vi,
0- 000463
VII,
0- 000397
VIII.
0-000340
IX,
0-000292
X,
0-000250
wo im Originale fĂĽr die Gruppe X durch einen Druckfehler die
Zahl 0-000225 steht, die offenbar unrichtig, da die Entfernungen der
Parallellinien der einzelnen Gruppen die Glieder einer geometrischen
Heihe bilden sollen und Nobert selbst im Texte die Distanz der
r • 1'"
Linien in der 10. Gruppe zu -; ansetzt.
n 4000
') Poggendorff's Annalen, LXVII. Bd., S. 175.
Ăśber mikroskopische Probeohjecte. iS!)
Nach Nobert's Aufsätze über die Wellenplatten vom Jahre
1852 l) haben selbe 15 Gruppen mit A bis P bezeichnet, deren
Linien-Entfernungen folgende sind:
Gruppe A = 0-000400 P. Linien, Gruppe I = 0- 000200 P. Linien,
B =
350
C =
300
n D =
275
„ E =
250
F =
237
„ G =
225
H =
212
K =
188
L =
175
M =
163
N =
150
O =
138
P =
125
AusdrĂĽcklich bemerkt aber Nobert dass, um die Platte auch
als Prüfungsmittel für Mikroskope brauchen zu können, die Inter-
valle der Theilung der Wellenplatte A, B, C . . . J, genau jenen
der VII., VIII., IX . . . XV. Gruppe der PrĂĽfungsplatte fĂĽr Mikro-
skope entsprechen. Hienach wären aber die Werthe und Theilungs-
Unterschiede den lOgruppigen und 15gruppigen Platten Nobert's
bis zum Jahre 1852 in Pariser Linien ausgedrĂĽckt:
„ lOirruppiRe Scale, läfrruppijre Scale, ... ...
Gruppe b " ",. ' b ,\? *. ' Unterschiede
" Wertlie Werthe
I.
0~001000
O^OOJOOO
0-000000
IL
857
857
»
III.
735
735
n
IV.
630
630
n
V.
540
540
n
VI.
463
463
»
VII.
397
400
+
0-000003
VIII.
340
350
+
10
IX.
292
300
+
8
X.
250
275
+
25
also Beispielsweise die Linien der letzten Gruppen an Plössl's
Scale principiell in bedeutend grösseren Entfernungen als an der
lOgruppigen Scale des k. k. polytechnischen Institutes gezogen
(nämlich um 0-1 weiter) und somit die Unterschiede in der Lös-
barkeit der feineren Gruppen beider Scalen bei gleichen Umständen
zu Genüge erklärt.
t) P o g g e n d o r f f 's Annaleii, LXXXV. Bd., S. 84.
<H>
Pohl.
i)c l.t Uue J) hat nach dein Jahre 1850 eine Testobject-PIatte
mit 15 Gruppen von Nobert erhalten, in welcher die Distanzen
der Linien, die in nachstehender Tabelle gegeben sind, welche
zugleich die Unterschiede dieser Testobject-PIatte gegenĂĽber der
ursprĂĽnglichen Wellenplatte so wie der lOgruppigen Testobject-
PIatte vom Jahre 1846 veranschaulicht:
Gruppe
De la Rue's
Scale
Wellenplalte
1852
Differenz
Differenz zur
10 grupp. Scale
von IS46
1.
(»'"OOIOOO
o-
II.
850
—
+ 0- 000007
III.
730
—
—
+ 5
IV.
620
—
—
+ 10
V.
550
—
—
10
VI.
480
—
— 17
VII.
400
0-000400
0
3
VIII.
350
350
0
— 10
IX.
300
300
0
8
X.
275
275
II
25
XI.
280
250
0
—
XII.
238
237
— o-oooooi
—
XIII.
225
225
0
—
XIV.
213
212
— 0- 000001
—
XV.
200
200
0
■—
Hienach herrscht zwischen der Wellenplatte vom Jahre 1852
und De la Rue's Probeplatte fast vollkommene Ăśbereinstimmung,
während sich gegen die erst verfertigten Testobjekt - Platten
namhafte Unterschiede zeigen , welche in den ersten Gruppen
positiv, in den letzteren hingegen negativ sind. Somit folgt abermals
dass Nobert seine Testobject-PIatten etc. zu verschiedenen Zeiten
absichtlich ungleich tlieilte.
Gehen wir nun zu den neueren Probeplatten Nr. I bis incl. \ ,
V"
dann E ĂĽber, welche in 20 Gruppen getheilt die Aufschrift
1000
l.i
1'"
6000
tragen, so gibt dies in Decimalen ausgedrĂĽckt 0-001000 bis
0000 167 Pariser Linien, also die letzte Gruppe zwischen L und M
') Quekett, Praktisches Handbuch «1er Mikroskopie deutsch von Hartmann.
â– > Auflage, S. 732.
Ăśber mikroskopische Probeobjecte
91
der Wellenplatte vom Jahre 1852 fallend, deren Distanzen 0*000 175
und 0-000163 Pariser Linien sind. Da aber Gruppe «/der 15. Gruppe
von De la Rue's Scale entspricht, so sollte eigentlich nach dein
System der Wellenplatten vom Jahre 1852 fortschreitend, die 20.
Gruppe der neuen Testobject-Plalten vom Jahre 1855, die 18. Gruppe
heissen. Da dies nicht der Fall, so zeigt sich abermals eine Änderung
im Theilungssysteme.
Die neuen Wellenplatten vom Jahre 1855, oben mit W und W
bezeichnet, umfassen 12 Gruppen. Die nachstehende Tabelle gibt
die Werthe der Linien- Intervalle in den einzelnen Gruppen der-
selben und veranschaulicht zugleich die Unterschiede gegen die
nächststehenden Gruppen der Wellenplatte vom Jahre 1852 und die
15gruppige Scale De la Rue's.
Wellenplatten
Wellenplatte
Intervall-
De la Rue's
Intervall-
W und W
Intervall
v. J. 1832
Differenz
Testohject-Platte
Differenz
Gruppe I.
0"'000350
Gruppe B
0'"
Gruppe VIII.
0
„ II.
306
,, c
— 0"'000006
IX.
—
0- 000006
„ 111.
275
„ t>
0
x.
0
» iv.
244
„ K
+ 0-000006
XI.
+
0-000006
v.
225
,, G
0
„ XIII.
0
„ VI.
206
„ I
— 0- 000006
XV.
+
0-000006
„ YII.
188
» K
0
—
—
„ VIII.
175
» L
0
—
—
„ IX.
163
„ M
0
—
—
„ X.
150
„ N
0
—
—
„ XI.
138
, 0
0
—
—
„ XII.
125
„ P
0
—
—
Die neuen Wellenplatten zeigen somit gegen jene vom Jahre
1852 beträchtliche Unterschiede bezüglich der Zahl der Gruppen
sowie des Werthes der einzelnen Linien -Intervalle, was auch im
Vergleich zur Scale De la Rue's gilt. Aus dem Vorhergehenden folgt
aber auch, dass die 20. Gruppe der neuen Testobject -Platten I bis
V, dann E, zwischen die VIII. und IX. Gruppe der neuen Wellenplatten
falle und zwar letzterer Gruppe sich nähere.
Es erĂĽbriget nunmehr die in meinem Besitze befindliche Test-
Object- Platte mit 30 Gruppen. FĂĽr diese folgen nach Nobert's
Angaben der Linien-Intervalle in den einzelnen Gruppen und deren
92 p o h i.
Unterschiede gegen die vorher genannten Scalen in beistehender
Tabelle, fĂĽr welche zugleich angenommen, dass PlĂĽssTs lSgruppige
Scale als nahe zu gleicher Zeit mit jener De la Rue's bezogen, mit
selber identisch sei. Bei dieser Probeplatte enthalt ĂĽbrigens die
dritte Liniengruppe einen Strich weniger als sie enthalten soll, ob-
schon die Intervalle richtig sind. Die Gruppe erscheint nämlich
schmäler als die Vorhergehenden und enthält nur 8 Linien, während
sie 9 enthalten soll, denn
die erste Gruppe umfasst 7 Linien,
„ zweite „ „ 8 „
„ vierte „ „ 10
wo also das dritte Glied mit ebenfalls 8 Linien nicht passt.
Ăśber mikroskopische Probeohjeote
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Diese Tabelle zeigt am besten in wiefern die gleichnamigen
Gruppen der untersuchten Scalen verglichen werden dĂĽrfen.
Die vorstehende Untersuchung erweiset daher aufs deutlichste,
dass die von verschiedenen Beobachtern gerĂĽgten Ungleichheiten
der Testobject- Platten hauptsächlich im willkürlichen Wechsel des
Werthes der Linien - Intervalle fĂĽr bestimmte Gruppen von Seite
Nobert's ihren Grund haben. Obschon auch kleine Ungleich-
heiten durch das befolgte mechanische Verfahren der Herstellung
bedingt sind, wie Plössl's Scale im Vergleiche zu den neueren
Platten beweiset, welche die gleichnamigen Gruppen immer feiner
gezogen erhält, so ist doch dieser Unterschied kaum von Belang. Die
Ungleichheit erstreckt sich niemals auf die Sichtbarkeit oder Nicht-
sichtbarkeit einer ganzen Gruppe. Dieser Ăśbelstand ist aber auch hier
eher kleiner denn grösser als bei den gleichförmigsten sogenannten
natĂĽrlichen Probeobjecten, denn welchem aufmerksamen Beobachter
entging es wohl, dass die Querstreifen nicht auf allen Hipparchia-
Schuppen gleich deutlich erscheinen? und eben so wenig die Streifen
an den Kieselpanzern von Pleurosigma angulatumundi anderen Probe-
objecten? Schon List er hob ja diesen Ăśbelstand der natĂĽrlichen
Probeobjecte hervor 1) und so mancher Verfertiger von Mikroskopen
weiss von dieser ĂĽblen Eigenschaft der natĂĽrlichen Probeobjecte
bei Vorführung seiner Instrumente, Anfängern in der Mikroskopie
gegenĂĽber, den nĂĽtzlichsten Gebrauch zu machen.
Ich glaube daher keinen Fehltritt zu tlmn. wenn ich, um in der
Folge den relativen VVerth der von mir oben ausgewählten Test-
objeete numerisch auszudrĂĽcken, die in meinem Besitze befindliche
Nobcrt'sche Testobject-Platte mit 30 Gruppen vom Jahre 1855 zu
Grunde lege. Bei künftigen Vergleichungen der Leistungsfähigkeit
verschiedener Mikroskope bleibt es daher auch unerlässlich bei Be-
nutzung von Nobert's Testobject-Platte nicht nur die Zahl der
Liniengruppen namhaft zu machen, welche die gebrauchte Platte ent-
hält, sondern auch die Jahreszahl der Verfertigung derselben anzu-
führen. Von Seite Nobert's wäre es aber sehr wünschenswerth,
wenn er sich dazu entschlösse in der Folge seine Testobject-Platten
nur mehr nach einem bestimmten unveränderlich beibehaltenen Prin-
cipe zu theilen. FĂĽr den Zweck dieser mĂĽhsamen Vergleichung dĂĽrfte
') Philosophien! Transactions for the year 1830. vol. I , pag. 190.
Ăśber mikroskopische Probeobjecte.
95
endlich die nachstehende Tabelle nicht am unrechten Platze sein,
welche als Erweiterung der fĂĽr Nobert's Scale von mir bereits
frĂĽher gegebenen Tabelle ĂĽber die Grenzen der Trennbarkeit der
einzelnen Liniengruppen betrachtet werden muss. Ich gebe jetzt
diese Tabelle für 30 Gruppen, die Vergrößerungen auf 250 Milliin.
Sehweite bezogen. Columne v enthalt die Vergrößerungen bei denen
es unter der Voraussetzung möglich sein soll, die Gruppen zu lösen,
dass mit freiem Auge bei 250 Millim. Sehweile noch Linien von
nur 0-0278 Pariser Linien Distanz unter gleichem Sehen wie beim
Gebrauche des Mikroskopes getrennt erscheinen. Columne V hingegen
gibt die an meinem grossen Mikroskope von Plössl nöthigen Ver-
grösserungen, um diese Trennung wirklich zu bewirken. Diese Ver-
grösserungen beziehen sich aber nicht nur auf mein Mikroskop, son-
dern auch auf eine Reihe neuerer Mikroskope Plössfs, die ich zu
prĂĽfen Gelegenheit hatte. Hiemit liefert diese Tabelle einen aberma-
ligen Beweis der Vortrefflichkeit von Plössl's neueren Mikroskopen,
die bei gleicher Vergrösserung von keinem mir bekannten Mikroskope
in der optischen Gesammt-Leistungsfähigkeit erreicht werden.
Gruppe
Linien-Intervall
V
V
Art der Sichtbarkeit
i.
(TOOIOOO
28
39
sehr gut
ii.
8S0
33
39
sehr fein
in.
730
38
63
fein
IV.
620
45
73
gut
V.
550
50
73
fein
VI.
480
58
73
höchst fein
VII.
400
70
83
gut
VIII.
350
79
111
gut
IX.
300
93
153
sehr gut
X.
275
101
153
sehr gut
XI.
250
111
153
fein
XII.
238
117
153
äusserst fein
XIII.
225
123
158
gut
XIV.
213
131
181
scharf
XV.
200
139
215
sehr schön
XVI.
192
144
215
sehr schön
XVII.
185
150
215
gut
XVIII.
178
156
215
gut
XIX.
172
163
215
fein
XX.
107
167
215
sehr fein
DO
Pohl.
Gruppe
Linien-Intervall
V
V
Art iler Sichtbarkeit
XXI.
0"'000162
172
215
sehr fein
XXII.
1S7
178
215
äusserst fein
XXIII.
152
182
215
äusserst fein
XXIV.
147
189
463
sehr gut
XXV.
143
194
463
sehr gut
XXVI.
139
200
463
sehr gut
XXVII.
135
206
463
sehr gut
XXVIII.
131
212
463
sehr gut
XXIX.
128
217
463
gut
XXX.
125
222
463
gut. scharf
Leider musste in den Vergrösserungen plötzlich der Sprung
von 215 zu 463 gemacht werden. Es unterliegt keinem Zweifel,
dass bei viel schwächeren Vergrösserungen die letzten 7 Gruppen
lösbar sind. Die mir thatsächlich gelungene, obschon wunderbar
feine Lösung der 30. Gruppe mit der Linsencombinatiou Aplanat)
5, 6, 7 und 215maliger Vergrösserung, während die Tabelle 222
fordert, beweiset sogar, dass die Zahl 00278, welche der Columne v
als Argument zu Grunde liegt, noch zu gross angenommen sei. Ich
habe aber absichtlich diese Lösung der 30. Gruppe mit so schwacher
Vergrösserung nicht in die Tabelle aufgenommen, weil selbe nur
bei dem günstigsten Zusammentreffen von Umständen gelingt.
Ich kann ĂĽbrigens die Bemerkung nicht unterlassen, dass die
betreffenden Vergrösserungen sämmtlich mit grösster Sorgfalt nach
der von mir modificirten Jacquin 'sehen Methode bestimmt wur-
den !). Der Berichterstatter in Liebig und Kopp's Jahresbericht
hat zwar die Ausstellung gemacht2), dass man bei Anbringung
der von mir vorgeschlagenen Vereinfachung einer zweckmässigen
und mit geringer MĂĽhe beizuschaffenden Controle entbehre, welche
Bemerkung ohne weitere PrĂĽfung auch von Anderen abgeschrieben
wurde. Ich muss jedoch dieser Ansicht auf das Entschiedenste ent-
gegentreten. Wer wie ich, mehr als ein halbes Hundert von Mikro-
skopen bezüglich der Vergrösserungen auf's Sorgfältigste zu unter-
') Sitzungsberichte der kais. Akademie der Wissenschaften mathem.-uaturw. Classe,
XI. ISd.. S. 504.
~) Jahresbericht ĂĽber die Fortsuliritte der Chemie und Physik fĂĽr 1853, S. 214.
Ăśber mikroskopische Probeobjecte. 97
suclien Gelegenheit hatte, wird wohl wissen, welche Schwierig-
keiten Ja cqu in 's Methode selbst mit Benutzung von Ettings-
hausen's Abänderungen bei hohen Vergrösserungen darbietet. Die
scharfe Projection der Mikrometerlinien auf jene des Massstabes, ist
da mit grossen Schwierigkeiten verknüpft, die zu schätzenden Linien-
Intervalle werden ebenfalls beträchtlich und der in Folge dessen be-
gangene Schätzungsfehler von bedeutendem Einfluss auf die Vergrös-
serungszahl, ja meist ist blos durch den eintretenden Lichtmangel die
Abschätzung äusserst erschwert. Wer es versucht, mehrmals nach klei-
nen Zwischenräumen die Vergrösserungen derselben stärkeren Linsen-
Combination direct zu bestimmen-, wird gewiss ĂĽber die erhaltenen Unter-
schiede stauneu ! Sie fallen so gross aus, dass selbst eine Vereinigung
von 8 — 10 Messungen zu einem brauchbaren arithmetischen Mittel dem
gewissenhaften Experimentator unthunlich erscheint. Wo bleibt dann
die Controle und in was soll selbe bestehen? Bei gewissen Linsen-
Combinationen wird sogar eine directe Messung nach Jacquin's
Methode gänzlich unausführbar, weil der Sommering'sche Spiegel
zur AulTangung des Mikrometerbildes so nahe an die Ocularlinse
gerĂĽckt werden muss, dass keine Projection auf den zum Vergleich
benützten Massstab gelingt. Dies ist z. B. bei Verwendung der stär-
keren Ohjectivsysteme an Nach et 's, in seiner Art als Meister-
werk zu betrachtenden Microscope de poche der Fall. Meine Me-
thode gibt hingegen scharfe Resultate, ja auch eine sehr gute Con-
trole, wenn die Optiker sich herbeiliessen, jedem ihrer Mikroskope
eine Blende mit nicht zu grosser Öffnung, aus einem geschwärzten
Metallplättcben bestehend beizufügen, welche blos auf die Blenden
der verschiedenen Oculare gelegt, das Gesichtsfeld beschränkt, oder
auf was es hier ankömmt, die Undeutlichkeit der Bilder an den
Bändern eliminirt. In der kürzesten Frist und mit aller Bequem-
lichkeit kann dann Jedermann durch Messung den Gesichtsfelder-
Durchmesser eines bestimmten schwachen Oeulares mit allen vorhan-
denen Objectivsystemen die Vergrösserungen seines Mikroskopes
controliren , sobald nur nach Jacquin-Ettingshausen's Me-
thode die Vergrösserungen einer schwachen Linsencombination genau
gegeben sind, was keinen Schwierigkeiten unterliegt.
Sitzb. d malliein -.naturw. Cl. XL. Bd. Nr. 7.
98 F r i l s c h.
Nachricht von den in Ă–sterreich im Laufe des Jahres 18 08
angestellten phänologischen Beobachtungen.
Von dem c. M. Karl F ritsch,
Ailjuncten der k. k. Central-Anstalt fĂĽr Meteorologie und Erdmagnetismus.
(Vorgelegt in der Sitzung vom 15. Deeember 18d9.)
Im Vorworte zum VII. Hefte oder Jahrgange I806 der „Phäno-
logischen Beobachtungen aus dem Pflanzen- und Thierreiche ist die
Notwendigkeit dargestellt, an die Stelle der Monats- Ăśbersichten,
welche von den im Jahre 1856 und 1857 angestellten Beobachtungen
ausgegeben worden sind, ähnliche Jahres -Übersichten treten zu
lassen, wie solche von den Beobachtungen in den Jahren 1853 — 1855
den Stationen zugekommen sind.
Eine solche Übersicht enthält im Folgenden für das Jahr 1858:
1. Ein Verzeichniss der während desselben thätigen Stationen
mit ihrer geographischen Lage.
2. Einen BlĂĽthenkalender dieser Stationen, als den wich-
tigsten und interessantesten Theil der Beobachtungen.
Der Druck des VIII. Heftes der Beobachtungen, Jahrgang 1857,
nahet seiner Vollendung. Das Manuscript des IX. Heftes, Jahrgang
1858, der Beobachtungen, welchem die hier zusammengestellten
Daten entlehnt sind, ist in der Vorbereitung fĂĽr den Druck begriffen.
Da nach Vollendung dieses Jahrganges im Manuscripte, die
Bearbeitung des Jahrganges 1859 beginnen wird, so werden jene
Herren Theilnehmer, welche mit der Erstattung dieses Jahresberich-
tes noch aushaften, freundlichst ersucht, denselben mit thunlicher
Beschleunigung einzusenden.
Ülier die phänologisehen Beobachtungen im .Talire iSäS.
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Über die phänologischen Beobachtungen im Jahre 1SÖ8.
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102 F r i t s c Ii.
Die folgende Tafel wirft ein penetrantes Streiflicht auf die
eben so interessanten als lehrreichen Ergebnisse, welche von den
vereinten Bemühungen der Theilnehmer an den phänologischen
Beobachtungen in Ă–sterreich zu hoffen sind.
Sie enthält beispielsweise das Datum der ersten Bliithe für
mehrere der wichtigsten Pflanzen von allen Stationen in Ă–sterreich,
welche im Jahre I808 in Thätigkeit waren. Dieses Datum ist nur
bei Wien selbst durch den Monatstag ausgedrĂĽckt, an welchem hier
die erste Bliithe beobachtet worden ist; an den ĂĽbrigen Stationen
hingegen durch die Anzahl der Tage, um welche dieselbe Erschei-
nung bei derselben Pflanzenart früher oder später erfolgte. Im ersten
Falle ist der Zahl das Zeichen Minus ( — ), im letzteren Plus (-f-)
vorgesetzt.
Es ist jedenfalls von Interesse, den Gang dieser Unterschiede
im Laufe des Jahres an den einzelnen Stationen zu verfolgen. Die
sämmtlichen Aufzeichnungen über die Bliithe wurden demnach in so
viele Gruppen abgetheilt, als sich fĂĽr Wien ergaben, wenn man hier
alle in denselben Monat fallenden Aufzeichnungen zusammenfasst und
von den ĂĽbrigen sondert. So entstand eine Gruppe fĂĽr jene Pflanzen,
welche in Wien im März, eine zweite für jene, welche hier im
April u. s. w. in den verschiedenen Monaten des Jahres zur Bliithe
gelangten.
Auf diese Weise erhielt man fĂĽr jeden Ort in jedem Monate eine
Reihe von Unterschieden, welche fĂĽr jeden einzelnen Monat in ein
Mittel vereint worden sind, um die Störungen auszugleichen, welche
in Beobachtungsfehlern, individuellen BedĂĽrfnissen der einzelnen
Pflanzen u. s. w. den Grund haben und zum Theil eine beträchtliche
Verschiedenheit dieser Unterschiede bewirken.
Auf diese W'eise fand man z. B. dass in Admont die Pflanzen,
welche in Wien im März blühten, um G; jene, welche hier im April
blühten, dort um 9 Tage u. s. w. später zur Bliithe gelangten;
dagegen waren dieselben Pflanzen in Agram beziehungsweise um
1 und 7 Tage gegen Wien in Vorsprung.
Aus den Monatmitteln dieser Unterschiede wurden sodann fĂĽr
alle Stationen Jahresmittel abgeleitet, dabei aber nur die Munal e
April, Mai und Juni berĂĽcksichtiget, weil in diesen Monaten die Zahl
der Beobachtungen hinreichend gross ist, um annehmen zu können,
Über die phänologischen Beobachtungen im Jahre 18i>8. 10»»
dass das Mittel nur mit einem geringen wahrscheinlichen Fehler
behaftet ist.
Wollte man die Stationen, von welchen Beobachtungen vor-
liegen, nach dem mittleren jährlichen Unterschiede der Blüthezeit
reihen, so ginge Villa-Carl otta am Como-See allen ĂĽbrigen voran;
hier gelangen dieselben Pflanzenarten um 14 Tage frĂĽher als in Wien
zur BlĂĽthe. Den Schluss dieser Reihe wĂĽrde Gurgl im Ăśtzthale in
Tirol bilden, wo sich eine Verspätung gegen Wien um 31 Tage
herausstellt, also ein Unterschied gegen Villa-Carl otta von 45 Tagen.
Und das sind lange noch nicht die äussersten Extreme, die in Öster-
reich vorkommen können.
Schliesst man nach der gewöhnlichen Annahme, dass einem
Unterschiede in der BlĂĽthezeit von 8 Tagen ein Unterschied in der
mittleren Jahrestemperatur von einem Grad entspreche, so wĂĽrde
folgen, dass z. B. in Prag die mittlere Jahrestemperatur um einen
Grad gegen jene von Wien zurĂĽckstehe, da sich ein Unterschied in
der Blüthezeit von 9 Tagen herausstellt. Durch mehrjährige Tem-
peratur-Beobachtungen gelangte man in der That zu einem nahe
ĂĽbereinstimmenden Resultate.
Man sieht, dass phänologische Beobachtungen von solchen Orten,
wo keine meteorologischen angestellt werden, die letzteren zu ver-
treten geeignet erscheinen.
Auf approximative Werthe dieser Art von einiger Sicherheit ist
indess nur dann zu rechnen, wenn die Verhältnisse, unter welchen
sich an beiden Orten die Pflanzen entwickeln, dieselben sind. Man
kann aus diesem Grunde Beobachtungen von Gebirgs-Stationen nicht
gut mit jenen der Ebene vergleichen. Dort spielt die Neigung des
Bodens eine grosse Bolle und kann, wenn sie gegen SĂĽden gerichtet
ist, besonders im ersten FrĂĽhjahre eine sehr frĂĽhzeitige Entwicklung
der Vegetation bewirken. Ein auffallendes Beispiel finden wir an
Innsbruck. Niemand wird erwarten, dass eine Station, deren mitt-
lere Jahrestemperatur gegen Wien um einen bis zwei Grad geringer
ist, so zeitlich im FrĂĽhjahre BlĂĽthen aufzuweisen hat, und dennoch
finden Mir hier im März 1858 einen Vorsprung gegen Wien von
20 Tagen.
An mehreren Orten stellt sich eine Zu- oder Abnahme der
Unterschiede im Laufe des Jahres heraus, die keineswegs als eine
zufällige angesehen werden kann. So beträgt dieser Unterschied bei
März . .
. . —20
April . .
. . — 4
Mai . .
2
Juni . .
. .+ 5
1 04 Fritsch. Über die phänologischen Beobachtungen im Jahre 18Ö8.
Innsbruck WĂĽten
— 3
— 1
+ o
+ «
Man sieht, mit welcher Vorsicht und Beschränkung man
Angaben, wie z. B. „an diesem Orte kommt die Vegetation um so
und so viel Tage später oder früher zur Entwickelung" aufzunehmen
hat. Es scheint ĂĽberdies, als ob viele Pflanzen ihre eigenen Con-
stanten in dieser Hinsicht hätten.
Über diese und andere Verhältnisse können nur die aus mehr-
jährigen Beobachtungen abgeleiteten Normalmittel entscheiden. In
solchen ausgedrĂĽckt, werden sich wohl nicht wenige der in der bei-
geschlossenen Tabelle ersichtlichen Besultate anders gestalten, da
nicht anzunehmen ist, dass die klimatischen Agentien in einem Lande
von der Ausdehnung wie Ă–sterreich, schon im Laufe eines einzelnen
Jahres einer „normalen" Vertheilung unterliegen.
sitzungsbki{r;iitk
KAISERLICHEN AKADEMIE DER WISSENS! HAFTEN.
MATHEM VTISCH -NATURWISSENSCHAFTLICHE CLASSE.
XL. RA\I>.
SITZUNG VOM 15. MÄRZ 1860.
N° 8.
105
VIII. SITZUNG VOM 15. MÄRZ 1860.
Das k. k. Ministerium des Innern übersendet die nun vollstän-
dig eingelangten Berichte und Erhebungen über die Verhältnisse
des Cretinismus in Ă–sterreich, welche von der Classe gewĂĽnscht
wurden, um über diesen Gegenstand ein erschöpfendes Elaborat
vorlegen zu können.
Herr Prof. Helmholtz in Heidelberg dankt der Akademie fĂĽr
die Wahl zu ihrem correspondirenden Mitgliede.
Der Lehrkörper des k. k. Gymnasiums zu Unghvär dankt für die
demselben bewilligte Betheilung mit den Schriften der Akademie.
Der Central- Ausschuss der k. k. steiermärkischen Landwirth-
schafts- Gesellschaft ĂĽbersendet das von derselben durch ihren
Secretär, Herrn Prof. Hlubek, zur Feier des Gedächtnisses Sr.
k. Hoheit des Erzherzogs Johann herausgegebene Werk: „Ein treues
Bild des Herzogthums Steiermark".
Herr Director v. Littro w liest ein an ihn gerichtetes Schreiben
des Herrn Aguilar, Director der Sternwarte in Madrid, vom
25. Februar 1860, das die Anordnungen enthält, welche die Regierung
getroffen, um den Astronomen, die zur Beobachtung der totalen
Sonnenfinsterniss im kommenden Juli die Halbinsel besuchen wollen,
die Lösung ihrer schwierigen Aufgabe zu erleichtern.
Das correspondirende Mitglied Herr Prof. Wedl legt den
ersten Theil einer „vergleichenden Anatomie und Physiologie der
Ă–striden-Larven" von Herrn Dr. S. H. Scheiber vor.
Herr Prof. Schneider überreicht eine Abhandlung: „Über
das chemische und elektrolytische Verhalten des Quecksilbers bezĂĽg-
10(5
lieh dessen Nachweisbarkeit im Allgemeinen und in thierischen Sub-
stanzen insbesondere" .
An Druckschriften wurden vorgelegt:
Academie Imp. de Medecine. Tom. XXII. et XXIII. Paris, 1858
und 1859; 4»-
Akademie der Wissenschaften, kön., zu Stockholm. Öfversigt af
kongl. Vetenskaps-Akademiens Förhandlingar. Femtonde Argän-
gen. 1858; 8°* — Berättelse om framstegen i Fysik under
ar 1853. Afgifven tili k. V. A. af E. Edlund. 1859; 8»- —
Berättelse om framstegen i Insekternas, Myriapodernas och
Arachnidernas Naturalhistoria för 1855 och 1856 tili k. V. A.
afgifven af C. H. Boheman. 1859; 8°* — Kongl iga Svenska
fregatten Eugenies resa omkring jorden under befäl af C. A.
Virgin aren 1851 — 1853. Zoologi, III. 1859; 4»-
Annalen der Chemie und Pharmacie, red. von F. Wohl er, «I.
Liehig und H.Kopp. N. F. Band XXXVII, Heft 2. Leipzig
und Heidelberg, 1860; So-
Archiv der Mathematik und Physik, herausgegeben von J. A. GrĂĽ-
ner f. Band XXXIV, Heft 1. Greifswalde, 1859; So-
Astronomische Nachrichten, von Dr. CA. F. Peters. Nr. 1238 —
1239. Altona, 1860; 4°-
Bauzeitung, Allgemeine, red. von Prof. Chr. F. L. Förster.
Jahrgang XXV, Heft 2, sammt Atlas; fol. und 40#
Cosmos, IXe annee, XVP vol., livr. 10. Paris, 1860; 8°-
Erlangen, Universität. Akademische Gelegenheitsschriften für das
Jahr 1859.
Fortschritte der Physik im Jahre 1857. Jahrgang XIII, red. von
Dr. A. Krön ig und Dr. 0. Hagen. Zweite Abtheilung. Berlin,
1859; So-
Gemmellaro, Carlo, La Vulcanologia dell' Etna che comprende la
topografia, la geologia, la storia delle sue eruzioni , non che la
descrizione e lo esame de' fenomenivulcanici. Catania, 1858; 4°-
Geological Survcy of India, The. Memoirs. Vol. II, part I. Cal-
cutta, 1859; 4W-
Hlubek, D. F. X. , Ein treues Bild des Herzogtbums Steiermark
als Denkmal dankbarer Erinnerung an weiland Se. k. Hoheit
107
den durchlauchtigsten Erzherzog Johann; herausgegeben von
der k. k. steienn. Landwirthschafts - Gesellschaft durch ihren
Secretär. Gratz, 1860; 4°-
Joch mann, Dr. E., Beiträge zur Theorie der Gase. (Separat-
abdruck aus dem Unterprogramm des colnischen Realgym-
nasiums für 1859; 4°-)
Kirschbaum, C. L. , Die Athysanus-Arten der Gegend von Wies-
baden. 1858; 4°-
Kokscharof, N. v., Über die Krystallform der Nitrophensäure und
der Isonitrophensäure, so wie auch einiger Salze dieser Säuren.
1858; 8°-
Land- und forstwirtschaftliche Zeitung, Allgemeine, red. von
Dr. J. Aren stein. Jahrgang X, Nr. 8, 1860; So-
Planta mour, E., Resume meteorologique de l'annee 1858 pour
Geneve et le Grand Saint -Bernard. Geneve, 1859: 8°- —
Observations astronomiques faites a l'observatoire de Geneve
dans les annees 1853 et 1854. Geneve, 1859; 4°-
Verein fĂĽr Naturkunde im Herzogthum Nassau. JahrbĂĽcher, 13. Hft.
Wiesbaden, 1858; So-
Wiener medizinische Wochenschrift, red. von Dr. Witte lshöfer.
Jahrgang X, Nr. 10, 1860; 4»-
Zeitschrift, kritische, fĂĽr Chemie und die verwandten Wissen-
schaften und Disciplinen, red. von Dr. E. Erlenm eyer und
Dr. G. Lew in stein. Jahrgang 1859, Heft 5 und 6. — Vom
Jahrgänge 1860 (unter dein Titel: Zeitschrift für Chemie und
Pharmacie etc.). Heft 1,2,3. Erlangen, 1859 und 1860; 8°-
109
ABHANDLUNGEN UND MITTHEILUNGEN.
Ăśber Calcitkrystalle mit K e r n e n.
Von Dr. Gnstav Tschermak.
v
(Mit i Tafel.)
(Vorgelegt in der Sitzung vom 8. März 1860.)
Das Vorkommen von Krystallen mit Kernen ist an Mineralien
schon öfter beobachtet worden. Die Erscheinung, dass Krystalle einen
verschieden gefärbten Kern von derselben Form im Innern zeigen,
ist namentlich beim Flussspath häufig. Seltener hingegen sind die
Fälle, wo die Hülle eine andere Form der Krystallreihe darstellt, als
der Kern. Kopp hat in einer Abhandlung ĂĽber diesen Gegenstand *)
ein solches Vorkommen an Calcitkrystallen beschrieben. Der Kern
hatte die Form i?3, die HĂĽlle hingegen zeigte das Rhombneder 4Ăź
nebst den rauhen Flächen eines Skalenoeders. Der Kern war mit
einem röthlichen Sediment überzogen. Mehrere Beobachtungen die-
ser Art sind ferner von Bournon2) und von Richter3) gemacht
worden.
Eine hierher gehörige Erscheinung beobachtete ich an einem
Handstück von Celadna in Mähren aus meiner Sammlung. Auf einem
kalkreichen Sandstein sitzen dicht an einander gedrängt Calcit-
krystalle. Sie sind beim Ă–ffnen der Spalte, deren einer Wand das
Stück früher angehörte , sämmtlich stark beschädigt worden. Man
erblickt weisse und dunkelbraune Flächen, die mit einander wechseln
») Annaleo der Chemie Bd. XCIV, S. 118.
2) Traite coinplet de la chaux carbonate'e. T. I, pag. 340.
3) Zeitschrift fĂĽr Physik und verwandte Wissenschaften. Bd. 2 und 3.
JlO Tscher mak.
und sämmtlich dem Calcit angehören, nebst einigen grauen Quarz-
krystallen und Körnern von Eisenkies. Das Ganze sieht sehr eigen-
tĂĽmlich aus, so dass man im ersten Augenblicke versucht ist, die
braunen Partien fĂĽr ein vom Calcit ganz verschiedenes Mineral zu
halten, um so mehr da man häufig braune rechtwinklige Flächen, und
manchmal braune antrifft, die ein Krystalle monoklinisches Prisma
darzustellen scheinen (Fig. 1). Eine genauere Untersuchung zeigt
indessen, dass man es mit braunen Calcitkrystallen zu thun habe, die
sämmtlich von einer Hülle wasserhellen oder weissen Calcites über-
zogen sind. Die Krystalle sind oben beschädigt , und nach unten
natĂĽrlicher Weise nicht ausgebildet. Die Restauration eines solchen
Doppelkrystalls stellt Fig. 2 dar. Der innere braune Krystall hat die
Form — 2 R, die Hülle zeigt die Form des Grundrhomboeders, häufig
findet man an der letztern auch Flächen von — %R (Fig. 3, 4).
Kern und HĂĽlle sind mit einander fest verbunden und trennen sich
beim Spalten nach den Theilungsrichtuugen des Calcites nicht. Wird
der ganze Doppelkrystall nach einer Theilungsrichtung gespalten, so
erblickt man auf der entstehenden Fläche eine dem Rhombus ein-
geschriebene dunkle Rechtecktläche, die von dein braunen Rhom-
boeder herrührt (Fig. 5, 6). Desshalb erscheinen an den beschä-
digten Stellen der Druse die braunen rechteckigen Flächen in weis-
sem Felde (Fig. 1). Manchmal ist die HĂĽlle entfernt und man findet
dann Individuen des braunen Calcites, an denen eine Kante abge-
sprengt ist, so dass dieselben wie monoklinische Krystalle aussehen, da
sie mit der Polkante a b (Fig. 7) festsitzen.
Der weisse einhĂĽllende Calcit zeigte sich in chemischer Be-
ziehung fast ganz rein, es Hessen sich blos Spuren von Magnesia
nachweisen. Der dunkle Calcit hingegen zeigte nebstdem die Reac-
tion auf Eisen und eine geringe Spur von Mangan. Beim Auflösen
in Säuren blieb eine geringe Menge eines feinen schwarzbraunen
Pulvers zurück, das vor dem Löthrohre als ein Eisensilicat erkannt
wurde. Um die Bestandteile der Quantität nach zu bestimmen,
wurde zuerst eine gewogene Menge in einen nur 13 Gramm wie-
genden Kohlensäureapparat gebracht, und die Kohlensäure durch
Salzsäure ausgetrieben, aus der Gewichtsdifferenz die Menge der
Kohlensäure bestimmt. Der oben erwähnte Rückstand wurde nun
abfiltrirt, darauf das Eisen als Oxyd durch Ammoniak, die Kalkerde
durch Oxalsäure aus der Lösung abgeschieden. Es fiel dann nach
Ăślier Calcytkrystalle mit Kernen,
Hinzufügen von phosphorsaurem Natron und Ammoniak eine höchst
geringe Menge Magnesiasalz nieder, welche nicht gewogen wurde.
So wurden die nachstehenden Zahlen erhalten :
Menge der angewendeten Substanz . . . 553 Mg.
Der unlösliche Rückstand wog 5 Mg.
An Eisenoxyd wurden erhallen 8 Mg.; dies
entspricht 12 Mg. kohlens. Eisenoxydul 12 Mg. entspr. 5 Mg. Kohlensaure.
An kohlens. Kalkerde wurden erhalten . . 534 „ „ 235 ,, „
Die Menge des Magnesiasalzes wurde an-
genommen zu 5 Mg., dieses entspricht
2 Mg. kohlensaurer Magnesia .... 2 Mg. entspr. 1 Mir. Kohlensäure.
Zusammen . . 553 Mg. „ 241 Mg. Kohlensäure.
Dagegen bestimmte sich nach dem obigen Versuch die Mcage der
Kohlensäure zu 236 Mg.
Auf Procente berechnet liefert dies die folgenden Zahlen:
Kohlensaure Kalkerde . . .
. 96-57
1»
•ocent.
Kohlensaures Eisenoxydul .
. 217
«
„ Manganoxydul
Spur
Kohlensaure Magnesia . .
0-36
,.
Unlöslich (Eisensilicat) . . .
0-90
100-00 Procent.
Das spec. Gewicht des braunen Calcites wurde mittelst des
Pyknometers bestimmt zu 2'80 bei 0° C. ; es wog nämlich die ange-
wendet Substanz 628 Mg., das hiedurch verdrängte Wasser 224 Mg-
Die Temperatur des Wassers war 17° C.
Die Farbe des dunkelbraunen Minerals rührte also grössten-
theils von der J Procent betragenden Beimengung her, die von
einem schwarzbraunen Eisensilicat gebildet wurde.
Man sieht aus dem Ganzen, dass in jener Spalte zuerst ein
verunreinigter Calcit abgesetzt wurde, später aber eine reinere
Substanz sich ausschied und die frĂĽher gebildeten Krystalle ĂĽber-
zog, nach aussen eine von der des Kernes verschiedene Form an-
nehmend.
Die bekannte Erscheinung an Krystallen , die in der Lösung
isomorpher Salze fortwachsen, ist der eben besprochenen ähnlich;
doch werden an der Form des Kernes und der HĂĽlle so bedeutende
Verschiedenheiten wie 7? 3 und 4/2, — 2R und R nicht häufig
11^ Tscher malt. Ăśber Calcitkrystalle mit Kernen.
beobaclitet. Wenn es gelänge, einen kubischen Alaunkrystall mit
einer HĂĽlle, deren Form dem Octaeder entspricht, zu erhalten, so
wäre dies dem eben angeführten analog. Doch scheint es nach den
Versuchen des Herrn K. v. Hauer, dass kubische Alaunkrystalle, die
keine Spur der Flächen das Octaeders zeigen, nicht erhalten werden
können.
Ăśbrigens ist nicht zu bezweifeln, dass es gelingen werde , die
zuvor erwähnte Erscheinung nachzuahmen, und es wird von Inter-
esse sein, wenn durch viele Beobachtungen festgestellt wird, unter
welchen Umständen ein Krystall von einer Hülle derselben Species
umgeben wird, die eine andere Form der Krystallreihe zeigt, gegen-
über jenen Fällen, wo der Krystall beim ferneren Wachsen dieselbe
Form beibehält oder wo er von kleinen Krystallen derselben Species
ĂĽberdeckt wird, die sich in paralleler Stellung anreihen, oder wo
die letzteren sich regellos darauf absetzen.
Tschermak: ĂśTber Calcitkrystalle mit Kernen .
Fig. /.
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SiiRuusSst.d .k.Akad.d W.mntli .na.turw.Cl. X1L . Bd N*fll860.
Tächermak. Über secundSre Minevalbildungen etc. 113
Über secundäre Mineralbildungen in dem Grünsteingebirge
bei Neutitschein.
Von Dr. Gustav Tscher mak.
(Mit 2 Tafeln.)
(Vorgelegt in der Sitzung vom 8. März 1860.)
In dem Folgenden werden einige Beobachtungen mitgetheiit,
die ich bei meinen Exemtionen im Jahre 1857 in der Umgegend
von Neutitsehein in Mähren zu machen Gelegenheit hatte, nebst
einigen Untersuchungen, die ich an dem hierbei gesammelten Material e
angestellt habe.
Es war anfangs mein Plan, eine vollständige Bearbeitung der
dortigen GrĂĽnsteinformation zu liefern, da mir indess nicht die Gele-
genheit gegeben wurde, die Gegend in diesem Sinne genauer zu
durchforschen, so konnte diese Arbeit nicht weiter fortgefĂĽhrt werden.
Ich fasse daher die von mir gemachten Erfahrungen in der Form einer
Studie zusammen, die namentlich die seeundären Bildungen betrifft,
weil ich der Meinung bin, dass Forschungen in dieser Richtung so
viel Wichtigkeit haben, dass der Versuch durch Sammeln einiger
Beobachtungen die Aufmerksamkeit, wenn auch nur auf ein einzelnes
Gebirge zu lenken, der Sache wĂĽrdig erscheint.
Ich kann hier nicht unterlassen, mit Dank der BemĂĽhungen des
Herrn Dechants J. Prorok und des Herrn Oberlehrers Olb rieh
in Neutitschein zu gedenken, welche mir bei meinem Dortsein
freundlichst zu Dienste waren.
Das GrĂĽnsteingebirge zwischen Neutitschein und Teschen, an
Ausdehnung das bedeutendste der Monarchie , umfasst eine Reihe
Gesteine von verschiedenem Aussehen und mannigfaltiger Zusammen-
setzung, die sämmtlich der Grünsteingruppe angehören und die
unter den verschiedensten, mitunter sehr interessanten Verhältnissen
auftreten. Ich kenne den nördlichen Theil der Formation nicht aus
eigener Anschauung. Aus dem Vergleiche des darĂĽber Bekannten
| ^ T s c I) e r in :t k. Öbev secundäre Miiieriilliiltliingen
mit meinen Erfahrungen ĂĽber den sĂĽdlichen Theil ergibt sich, dass
der letztere viel mehr des Interessanten bietet als der erstere. Neben
dem, dass die ganze Grünsteinformation von verhältnissmässig gerin-
gem Alter ist (das durchbrochene Gestein entspricht nach Hohen-
egger dem Neocomien), zeigt sich im Süden eine grössere Mannig-
faltigkeit der Felsarten. Von einem syenitartigen Diorit bis zu
einem doleritähnlichen Diabas und einer zeolithreichen Wacke,
andererseits bis zu einem ausgezeichneten Kalkdiabas herab trifft
man eine ganze Reihe von Gliedern an. Das Auftreten des Gesteins
ist ebenfalls recht verschieden: Bald bricht ein mächtiger Gang
durch den dunklen Schiefer und bildet eine flach -kegelförmige
Erhebung, bald dringt ein isolirter Zapfen von dunkel- blasigem
Gestein mitten in der Ebene hervor, bald breitet sich der GrĂĽnstein
in der Form einer Decke aus, über welche später emporgequollene
Fjava sich wieder ergoss, oder es zieht sich eine Schichte sandigen
Tuffes dahin, der nach der Eruption mit Hilfe des Wassers sich
gebildet. Ăśberall erblickt man Spuren ehemaliger vuleanischer
Thätigkeit in vielfältigem Wechsel. Die Gegend hat in verschiedenen
Zwischenräumen eine Reihe von Eruptionen gesehen, wenngleich
die eruptive Thätigkeit nirgends so bedeutendeDimensionen erreichte,
wie sie uns das Wort Vulcan gewöhnlich in die Vorstellung ruft.
Die folgenden Zeilen sind dazu bestimmt, Beobachtungen an
einander zu reihen , welche die Verhältnisse einiger secundären
Mineralien betreffen, die sich in diesem Gebirge finden. Zuerst muss
ich mich ĂĽber die letztere Bezeichnung aussprechen: Jene Mineral-
bildungen, die erst nach der Eruption und dem vollständigem Erkalten
des Gesteins in demselben und aus dessen Substanz (natĂĽrlich
meist durch wässerige Eintlüsse) gebildet wurden, mögen als
secundär bezeichnet werden, während die beim Erkalten des Gesteins
ausgeschiedenen Verbindungen primäre Minerale genannt werden
können. Nim ist es in einzelnen Fällen allerdings nicht scharf nach-
weisbar, welche Entstehungsweise einem Mineral zuzuschreiben sei,
und die Ansichten gehen hierin manchmal weit auseinander. Dieses
kann indess bei dem Folgenden von keinem Belange sein, da es mir
mehr um treue Darstellungen der Beobachtung zu thun ist, und wenn
auch nach andern Ansichten das eine oder das andere der aufgefĂĽhr-
ten Mineralien nicht in die Reihe der secundären gehört, so wird
doch die Sache dadurch nicht geändert.
in dem Griinsteing-eliirge bei Neutitschein. \ ÂŁ)
Es ist wĂĽnschenswerth, bei dergleichen Untersuchungen die
Felsarten, welche das Material zur Bildung neuer Mineralien gegeben
haben, zuerst möglichst genau zu kennen; namentlich ist hier das
chemische Moment zu berĂĽcksichtigen. Dass ich nun in dieser
Beziehung nicht alles gethan. was nothwendig erschien, darf ich
damit entschuldigen, dass es mir nicht gegönnt war eine vollständige
Untersuchung der Vorkommnisse auszuführen, so dass nach sorgfäl-
tiger Auswahl des Materials eine chemische Untersuchung in der
angestrebten Richtung hätte ausgeführt werden können. Ich musste
mich auf Einzelnes beschränken, wodurch indess schon viel gewonnen
war. Die chemische Beschaffenheit der Gesteine nahezu gleichen
Alters in einem kleinen Verbreitungsbezirke ist nicht so verschieden,
dass man von der Zusammensetzung eines derselben nicht weiter
schliessen dĂĽrfte.
Ich bringe die Felsarten der gesammten Gegend zuerst in drei
Abtheilungen, die sich ungefähr abgrenzen lassen. Jene Grünsteine,
die vorwaltend Hornblende enthalten, sollen wie gewöhnlich Di o rite
genannt werden. Die mehr basischen Gesteine von mehr dunkler
Farbe und bedeutenderem Gehalt an Augit sollen als Diabase auf-
gefĂĽhrt werden. Eine Grenze zwischen den beiden genannten
Reihen ist ziemlich willkürlich, da Übergänge an demselben Gange
vorkommen, dagegen lässt sich der Kalkdiabas gut von den vori-
gen trennen. Er ist von klein-krystallinischem GefĂĽge, von lichten
grĂĽn-grauen Farben und durch den bedeutenden Gehalt an kohlen-
saurem Kalk ausgezeichnet. Nach diesen drei Abtheilungen soll nun
das Folgende geordnet werden, um die Ăśbersicht zu erleichtern.
Was die Beschreibung der Gesteine anbelangt, werde ich
immer nur den Haupttypus einer Gruppe angeben; eine eingehende
Schilderung mehrerer Felsarten findet man in Hochs tetter's
Abhandlung: „Über einige Grünsteine aus der Umgegend von. Te-
scben" *)• Ich kann darauf verweisen, da viele Gesteine des süd-
lichen Verbreitungsbezirkes mit denen im nördlichen Theile gleich-
artig sind.
Ich gehe nunmehr zur Beschreibung der ersten Hauptgruppe
ĂĽber:
') Jahrb. der k. k, geologischen Reichsanstalt, Bd. IV, S. 411.
Iß Tsehermak. Über secundäre Mineralbildungen
I. Diorit.
Die GrĂĽnsteine, welche sich in diese Gruppe bringen lassen,
finden sich meist im SO. von Neutitschein. Sie gehören zu den
ältesten Grünsteinen der Gegend, wovon man sich an einigen Punkten
ĂĽberzeugen kann, wo die vom Diorite gebildeten Lager und Decken
vom Diabas gehoben oder durchbrochen werden. Dagegen habe ich
nirgends beobachten können, wie sie sich in dieser Beziehung dem
Kalkdiabas gegenĂĽber verhalten. Im Ganzen jedoch machte es mir
den Eindruck, dass auch der Kalkdiabas ein jĂĽngeres Gebilde sei
als die Diorite.
Um ein Bild von der mineralogischen Beschaffenheit dieser
Gruppe zu entwerfen, will ich ein typisches Gestein näher beschrei-
ben, welches zwischen Sohle und Seitendorf auftritt.
Das Gestein ist mittelkörnig, dunkelgrün, mit vielen hervor-
stechenden weissen Flecken. Von den Gemengtheilen erkennt man
sogleich die Hornblende an den fast schwarzen, säulenförmigen
Krystallen und glänzenden Spaltflächen. Sie ist gleichförmig durch
das Gestein verbreitet, von dem sie ungefähr 40 Procent ausmacht, die
einzelnen Krystalle sind im Mittel 6 Millim. lang und 2 Millim. breit.
Die Feldspathmasse ist von weisser oder grĂĽnlicher Farbe, sehr
feinkörnig, fettglänzend, von unebenem, oft splitterigem Bruche, nur
hie und da erscheint eine Theilungsfläche, die ein grösseres Indivi-
duum anzeigt, welches indess niemals länger als 3 Millim. erscheint.
Splitter des Feldspathes schmelzen in der Löthrohrflamme erst nach
einiger Zeit. Von Säuren wird das feine Pulver aufgeschlossen und
es bleibt pulvrige Kieselsäure zurück.
Das Gestein ist von sehr frischem Aussehen. Es enthält nur
sehr wenig kohlensauren Kalk. Nur hie und da entsteht beim dar-
aufbringen von Säuren ein Bläschen, nur selten bemerkt man eine
höchst feine Spalte, die mit Calcit ausgefüllt ist.
Die Beschreibung, welche Hochstetter vom Diorite von
Boguschowitz gibt, passt nahezu auf dieses Gestein, nur tritt hier
der Augit zurĂĽck. Den Feldspath der Diorite halt Hochstetter
für Anorthit, wegen des Verhaltens in der Hitze und gegen Säuren.
Ich bin derselben Ansicht, um so mehr als eine später anzuführende
Analyse eines Gesteines die Gegenwart dieses Feldspathes sehr
wahrscheinlich macht.
in tlem GrĂĽnsteingebirge bei Neutilschein.
Alle ĂĽbrigen Diorit-Gesteine der Gegend stehen in mineralogi-
scher Beziehung dem eben beschriebenen sehr nahe und unter-
scheiden sich meist nur durch die Grösse derHornblendekrystalle. Hie
und da tritt auch derAugit etwas hervor. Er erscheint dann in kurzen
Säulen von der gewöhnlichen Form. Das äussere Ansehen der Fels-
art ist nach der Grösse des Korns, der Farbe des Feldspathes etc.
verschieden. Schiefer und Aphanite wurden nicht beobachtet. Das
specifische Gewicht bewegt sich meist in den Grenzen 2*8 . . . 29.
Das Auftreten des Diorites ist ein sehr mannigfaltiges. Ich will
hier blos einige auffallende Vorkommnisse beschreiben.
Im S. von Neutitschein am rechten Ufer der Titsch setzt ein
etwa 10 Klafter breiter Gang im Thonschiefer auf. Das Gestein ist
stark zerklĂĽftet, am Ausgehenden bedeutend verwittert und braun
gefärbt, tiefer unten besitzt es noch das frische Ansehen und die
grĂĽne Farbe. Die Spalten sind meist mit Calcit erfĂĽllt. Der Thon-
schiefer ist durch die hervorbrechende Masse gehoben und bis auf
die Entfernung von einer Klafter in eine dickschiefrige, hornstein-
ähnliche Masse verwandelt worden, die eine lichtere Farbe zeigt
als das unveränderte schiefergraue Gestein. Der Schiefer hat eine
Neigung von 46° in ONO. und einen Fall von 56° in SSO. erhalten.
Fig. 1 auf Taf. I stellt eine Contactstelle dar.
Bei Sohle im 0. des GĂĽmbelberges ist ein bedeutender Bruch
im Diorit eröffnet. Das Gestein bietet namentlich an den Stellen,
wo es bereits mehr angegritfen ist, eine sehr interessante Erschei-
nung. Es zeigt nämlich sehr häutig ausgezeichnet kugelförmige
Absonderung. Das Gestein theilt sich zuerst in würflige Blöcke,
welche nach einiger Zeit mehr abgerundet werden, bis endlich eine
Menge von grossen, concentrisch-schaligen Kugeln hervorstehen, die
sich oft ablösen und aus der Gesteinswand herausfallen. Die ganze
Erscheinung ist um so interessanter, als sie beim Diorite nicht häufig
angetroffen wird. AufTaf. I, Fig. 2 ist eine solche Felspartie abgebildet.
Eine wichtige Beobachtung ergab sich ferner an einem bloss-
gelegten Punkte bei Sohle, sĂĽdlich von dem ebengenannten Bruche.
Ein kleiner HĂĽgel war daselbst angebrochen und so eine Stelle
eröffnet worden, welche bei sehr geringen Dimensionen sechs ver-
schiedene Gesteine, welche ebenso vielen verschiedenen Perioden
angehören, zugleich aufweist. AufTaf. II ist eine Zeichnung aus-
gefĂĽhrt, welche das Ganze deutlich machen wird.
1 $ Tsehermak. Über secundäre Mineralbildiingen
Die Wand war etwa 8 Fuss hoch. Zu oberst erscheint eine
Schicht dunklen Thonschie fers, der identisch mit den ringsum
vorkommenden Schiefern ist. Hierauf folgt eine fast 2 Fuss mächtige
Schichte von Diorit. Er ist bereits stark verwittert und nicht mehr
mit einem Gestein der Gegend zu identificiren. Unter diesem eine
fast eben so mächtige Schichte von Diorittuff. Derselbe sieht
ziemlich compact aus, zerfällt jedoch bei der Berührung sogleich in
eine Menge eckiger DioritstĂĽckchen von 1 Centim. Durehmesser bis
zur Grösse eines Sandkorns. Nunmehr folgt eine 2 Zoll dicke Schicht
von stängligem, weissem Ar ra go nit, welche sicli gleichförmig über
die nächste Schicht ausbreitet. Die letztere ist etwa 8 Zoll dick und
bestellt aus einem frisch aussehenden, lichten Diorit, welcher dem
oben genauer beschriebenen gleich kömmt. Unter diesem folgt ein
verwitterter schwarzgrĂĽner Diabas, der in der Tiefe fortsetzt.
Dieser Durchschnitt gibt bereits viele Mittel an die Hand, die
Geschichte der GrĂĽnsteineruptionen dieser Gegend theilweise zu ent-
wickeln.
Man sieht hier zu unterst eine dĂĽnne Dioritschichte, den Rest
eines Lavastromes, welcher sich hier ergossen. Nach der Eruption,
welche dieser Schichte Entstehung gegeben hatte, mögen heisse
Quellen, die in der Nähe empordrangen, den Arragonit abgesetzt
haben. Bei einem ferneren Ausbruche ward durch gleichzeitige oder
spätere Einwirkung aus dem Sande und Rapillo eine Tuffmasse zu-
sammengesetzt, welche nur eine geringe Mächtigkeit erreichte und
nur unter den vorliegenden Umständen erhalten werden konnte. Es
hat sich nämlich bei einem späteren Ausbruche ein neuer Lavastrom
darĂĽber ergossen und die Tuffschichte an dieser Stelle vor der zer-
störenden Einwirkung des Wassers geschützt. Nach all diesen Erup-
tionen muss eine Bedeckung durch Wasser und der Absatz des Thon-
schiefers erfolgt sein. In einer ferneren Periode ward der ganze
Schichtencomplex durch eine emporgedrängte Lavamasse gehoben,
welch letztere zu einem Diabas erstarrte.
In der Umgebung spricht nichts dafĂĽr, dass die Schichtenfolge
etwa umgekehrt wäre und man ein Überkippen annehmen dürfte.
Dass der unten anstehende Diabas das Ganze gehoben habe, erscheint
hier nicht so augenfällig, da man für diesen Fall eine gewaltsame
Einwirkung auf die untersten Schichten erwarten könnte. Doch
spricht dafür das Auftreten desselben Diabas in der Nähe dieser
in dem GrĂĽnsteingebirge bei Neutitschein. 119
Stelle, sĂĽdlich davon, wo er in einem Gange emporgedrungen ist und
eine Dioritschichte gehoben hat, deren Gestein dem im vorgenannten
Anbruche zu oberst befindlichen so wie dem nördlich davon vorkom-
menden Kugeldiorite ähnlich ist.
Man ersieht aus all dem, dass einige Diorite älter seien als die
Schiefer des Neocomien, während andere Diorite, so wie sämmtliche
Diabase ein geringeres Alter besitzen.
Nunmehr gelange ich zur Aufzählung der secundären Minera-
lien, welche im Gebiete des Diorites beobachtet wurden.
1. Quarz .
Wenn auch im Ganzen der Quarz in den Dioriten sich häufiger
ausgeschieden findet als in den mehr basischen Gesteinen, so ist doch
die Menge desselben an einem Orte niemals sehr bedeutend. Er fin-
det sich krystallisirt in Spalten zu Drusen versammelt, wie in dem
Bruche an der Titsch, im Kugeldiorite von Sohle, in dem obersten
Dioritlager des Anbruches, oder er kommt als AusfĂĽllung runder
Hohlräume vor. Solche runde Quarzmassen zeigen sich häufig im
Diorite an der Titsch. Jede derselben stellt ein Quarzindividuum vor.
Die ganze Kugel ist gleichförmig durchsichtig, schwach gelblich ge-
färbt, von 3 — 1 Centim. Durchmesser, manchmal scharf gegen
das Gestein hin abgegrenzt, manchmal, namentlich die kleineren
Kugeln, fast mit dem Gestein verfliessend, ohne scharfe Grenze. Zu
bemerken ist noch, dass sich in dem Bruche im Kugeldiorite ein
Block krystall inisehen Quarzes von 2 Fuss Länge vorfand , welcher
EindrĂĽcke von zollgrossen Calcitrhomboedern und Stalaktiten enthielt.
2. Calcit.
Der Calcit kömmt im Diorite nicht häufig in kleinen Partikelchen
mitten im Gesteine vor, wesshalb diese mit Säuren wenig oder gar
nicht brausen, vielmehr tritt er meist in Spalten und Hohlräumen auf.
Sehr häufig findet man ihn in deutlichen Krystallen. In dem Bruche
an der Titsch beobachtete ich die Form 113 an mehr oder weniger
verkrĂĽppelten , mit einer Kruste von Brauneisenstein ĂĽberzogenen
Krystallen. In anderen Spalten fand sich Calcit in der Form — 2B
neben Bitterspath und Eisenkies auf Drusen von Quarz. Im Kugel-
diorit von Sohle kömmt häufig krystallinischer Calcit vor. Bemerkens-
wert!) ist das Auftreten einer kreideartigen AusfĂĽllung vieler Gesteins-
spalten daselbst. Die staubartige weisse Substanz (sogenannte Berg-
Sitzb. d. mathem.-naturw. Cl. XU Bd. Nr. S. 9
|20 Tscher mak. Üher secundäre Mineralbildung-en
milch) ist fast reines Kalkcarbonat. Durch eindringende Gewässer
wird dieselbe weiter gefĂĽhrt und ganze Gesteinspartien werden
damit bedeckt, so dass dieselben durch diesen Ăśberzug ein fremd-
artiges Aussehen erhalten. Der Calcit findet sich ferner in Rhom-
boedern von der Form — 2R in fast zollgrossen Krystallen neben
Baryt und Analcim in den bei der TeufelsmĂĽhle umherliegenden Ge-
steinstrĂĽmmern. Die Krystalle sind durch Einwirkung des Wassers
an der Oberfläche rauh geworden und man bemerkt die dem Grund-
rhomboeder angehörige Schraffirung in vertieften Linien ausgeprägt.
Interessant erscheint ferner das Vorkommen krystallinischen Calcites
als Spalten ausfĂĽllig in folgendem Falle: In dein Diorite an der
Titsch finden sich, wie bereits erwähnt, kugelförmige Ausscheidungen
von durchsichtigem Quarze. Hie und da setzt sich nun mitten durch
eine solche Quarzkugel ein feiner Spalt fort, welcher von weissem
krystallinischen Calcit erfĂĽllt ist, so dass diese weissen Adern von
dem gelblichen, durchsichtigen Quarz eben so deutlich abstechen als
von dem dunklen Gestein. Dies zeigt, dass die Ausscheidung des
Quarzes viel frĂĽher stattfand als die Spaltenbildung und AusfĂĽllung
durch Calcit. Es kann hier durchaus nicht angenommen werden, dass
der Quarz beim Erstarren der Masse gebildet worden, da dieser mit
der basischen Natur des Gesteines unverträglich ist, eben so wenig
lässt sich behaupten, dass dies eingeschmolzene Quarzstücke seien,
da man das Verfliessen des Quarzes mit der Gesteinsmasse hier oft
beobachten kann, wogegen eingeschmolzene StĂĽcke dies nicht zei-
gen, vielmehr, wie man es in Basalten öfter sieht, immer scharf ab-
gegrenzt, ganz undurchsichtig und mĂĽrbe erscheinen.
3. Arragonit.
Ein ausgezeichnetes Vorkommen des Arragonites ist das bereits
frĂĽher angedeutete im Anbruche bei Sohle. Daselbst setzt dieses
Mineral eine ganze Schichte zusammen, welche im Mittel 2 Zoll dick
ist und zwischen einem dunklen Diabas und einer dĂĽnnen Schichte
hellen Diorites eingeschoben ist. Er bildet ein gleichförmig dünn-
stengeliges Aggregat von rein weisser Farbe. Als Arragonit ist der-
selbe sogleich an den Theilungsflächen der ungefähr 1 Millimeter
breiten Individuen erkennbar. Die Axen der Individuen stehen auf der
Schichtfläche senkrecht. Die ganze Schichte zeigt sich hie und da
in zwei bis drei Etagen abgetheilt. Eine Partie einer solchen kleinen
in dem Griinsteingehirge bei Neutitschein. 14 [
Schichte zeigte sieb in Steatit umgewandelt. Da das umgehende Ge-
stein leicht hei der Verwitterung in Trümmer zerfällt, die Arragonit-
schichte aber grössere Festigkeit besitzt, so kömmt es, dass dieselbe
auf der einen Seite dos HĂĽgels ĂĽberall aus dem Boden hervorragt
und streckenweise einen weissen Streif bildet.
Da diesei- Arragonit wahrscheinlich ein Absatz heisser Quellen
ist, so wäre er in sofern nicht zu den seeundären Bildungen gegen-
ĂĽber dem GrĂĽnstein zu rechnen, als er vielleicht nicht aus dessen
Substanz gebildet wurde, doch habe ich dieses Vorkommen der Voll-
ständigkeit wegen angeführt.
4. Bitterspath.
Dieses Mineral tritt überall, wo es vorkömmt, in Gesellschaft
des Calcites auf. Dies ist der Fall in dem Bruche an der Titsch, wo
es in kleinen Partien auf den Quarzdrusen neben Calcit und Eisen-
kies in gekrĂĽmmten Khomboedern sich findet, ferner in den Spalten
des Kngeldiorites bei Sohle, endlich bei Seitendorf.
5. Baryt.
Der Baryt kommt in undurchsichtigen rein weissen StĂĽcken,
welche lue und da die Fläche ooPoo erkennen lassen, neben Calcit
und Analcim in den GesteinstrĂĽmmern bei der TeufelsmĂĽhle vor. Da
er mit dem Calcit und Analcim innig verwachsen erscheint, so hat
man alle drei Mineralien als gleichzeitige Bildungen anzusehen und
der Baryt ist hier als seeundäre Bildung aufzufassen, sobald man den
in Hohlräumen des Diorites auftretenden Analcim und Calcit für
seeundär ansieht. Der Baryt findet sich sonst an keinem anderen
Orte dieser Gegend.
6. Serpentin.
Der Serpentin findet sich hie und da als Zersetzungsproduct
der Hornblende und des Augites in geringer Menge in den Binden
der Gesteine wie bei Sohle, bei Hotzendorf. Die Serpentinbildung
ist in den Dioriten bei weitem nicht so bedeutend als im Diabas.
7. Steatit.
Dieses Mineral tritt in der bereits erwähnten Arragonitschichte
pseudomorph nach Arragonit auf. Der Steatit ist von grĂĽnlicher
Farbe und zeigt grösstenteils noch das stengelige Gefüge des Arra-
gonits. Stellenweise ist noch etwas Arragonit zurĂĽckgeblieben, wel-
|22 Tschermak. Ăśber secundiire Mineralbildungen
eher dann sehr morsch und mĂĽrbe erscheint. Die Steatitmasse zer-
fällt beim Daraufschlagen gerade so wie der Arragonit, nach der
Länge der Säulchen hin, in prismatische Stücke; dagegen lässt sie
sich nach jeder Richtung hin mit dem Messer schaben ohne zu bre-
chen und ohne im Querschnitte die stengelige Structur zu zeigen.
Der Steatit Gndet sich ferner hie und da in den Spalten des Kugel-
diorites in geringer Menge.
8. (Jliminer.
Im Diorite kommt nur wenig Glimmer vor und dann nur immer
die eine Art: ein tombakbrauner metallisch glänzender Glimmer,
von dessen seeundärer Natur man sich leicht durch Betrachtung ein-
zelner Gesteinspartien überzeugen kann, wo die Glimmerblättchen
genau parallel den Theilungsflächen auf den Hornblendekrystallen
liegen oder durch dieselben hindurch gewachsen erscheinen, wie dies
im Gesteine von Hotzendorf der Fall ist. Sehr häufig kann man auch
die Beobachtung machen, dass der Glimmer nur auf der Verwitte-
rungsrinde erscheint, oder dass er gegen die Oberfläche des Ge-
steines zu immer häufiger wird.
9. Chlorit.
Noch weniger häufig als der Glimmer, findet sich der Chlorit
nur in Gesteinen, die schon merkbar angegriffen sind, in kleinen
grĂĽnen SchĂĽppchen als Zersetzungsproduct der Hornblende, wie bei
Seitendorf; doch niemals trifft man ihn in grösserer Menge an.
Hochstetter hat einen chlorithaltigenDiorit von Kalembitz genauer
beschrieben.
Zeolithe.
Im Gebiete des Diorites treten die Mineralien dieser Familie
nicht häufig auf und kommen nur in geringen Mengen vor. Im Dio-
rite bei Sohle , so wie in vielem Gerolle finden sich einzelne feine
Nadeln, so wie spärliche Aggregate derselben, welche sich durch
ihr Verhalten in der Hitze und gegen Säuren leicht als Zeolithe er-
kennen lassen, doch war eine genauere Bestimmung nicht ausfĂĽhrbar.
Nur eine Zeolithspecies kömmt in grösseren Krystallen vor.
10. Analciin.
Das Vorkommen dieses Minerals wurde schon früher erwähnt.
Der Analcim findet sich bei der TeufelsmĂĽhle in Gesellschaft von
in dem Griinsteiiigebirge bei Neutitschein. 123
Calcit und Baryt in meistens hellen Krystallen von im Mittel 5 Millim.
Durchmesser. Sie zeigen die Form ooOao.202, liegen meist dicht
an einander und sind den hegleitenden Mineralien gleichsam zwischen
gestreut1)- Beim Ahlösen derKrystalle hemerkt man oft inderünter-
lage hinterlassene EindrĂĽcke, wornach also die gleichzeitige Bildung
der drei Mineralien keinem Zweifel unterliegt.
II. Magneteisen.
Der Magnetit tritt der Menge nach in demselben Verhältnisse
auf, wie der Augit und es gehört der erstere als Zerlegungsproduct
vorzĂĽglich dem Augite zu. Im Diorite, wo der Augit nur in geringer
Menge vorkömmt, findet sich auch das Magneteisen nur in ganz unbe-
deutenden Quantitäten, so dass es niemals mit blossem Auge bemerkt
werden kann. Der Magnet zieht aus dem feinen Gesteinspulver nur
geringe Mengen.
12. Pyrit.
Den Eisenkies trifft man im Diorite viel häufiger an als im Dia-
bas. Er findet sich fast überall in Spalten und Hohlräumen, oft neben
Calcit und Quarz, wie bei Sohle, bei Seitendorf. Die Krystalle sind
meist von ungefähr 2 Millim. Durchmesser, manchmal sind auch
blos sehr kleine Individuen staubförmig auf Calcit vertheilt. Auch
mitten im Gesteine kommt er in kleinen Körnern eingesprengt vor.
13. Branneisen.
Ausserdem, dass das Eisenhydrat in den stark angegriffenen Ge-
steinen als Best der Zersetzung nach den Augitspathen in mehr oder
weniger reinem Zustande oft anzutreffen ist, kömmt es auch als Absatz
der Gewässer in Spalten vor. Im Bruche an der Titsch fand ich
unter anderen eine ganz junge Bildung als lederartigen Ăśberzug der
Calcitkrystalle.
II. Diabas.
Die GrĂĽnsteine dieser Gegend, welche hier als Diabase aufge-
fĂĽhrt werden, sind im Allgemeinen mehr basische, dunklere, an Augit
reichere Gesteine von höherem specifischen Gewichte als die Dio-
rite. Sie sind von geringerem Alter als die letztere Gesteinsgruppe
und jĂĽnger als die Schiefer und Kalke desNeocomien. Mehrere der-
*) S. G lock er, Verhandl. der kais. Leop. Carol. Akademie. Bd. 15.
•J24 Tschermak. Über secundäre Mineralbildung'en
selben sind frĂĽher fĂĽr Basalte gehalten worden, wie z. B. der vom
GĂĽmbelberge, doch ist nirgends eine Spur von Olivin zu bemerken.
Ich will zuerst wieder die Beobachtungen an einem typischen
Gesteine vom GĂĽmbelberge anfĂĽhren, welches zwischen den ĂĽbri-
gen Felsarten dieser Gruppe so ziemlich die Mitte hält.
Der Diabas ist von mittlerem Korne und von schwärzlichgrüner
Farbe. Er ist ungemein zähe, so dass sich nur mit grosser Mühe ein
Handstück aus einem Blocke schlagen lässt. Von den zusammen-
setzenden Mineralien ist der Feldspath der vorherrschende Gemeng-
theil. Er ist dunkelgrün, zeigt auf dem Bruche glasglänzende Thei-
lungsflächen, welche im Mittel 6 Millimeter lang und 4 Millimeter
breit und ĂĽberall von feinen Hornblendetheilchen durchwachsen sind.
Splitter desselben schmelzen in der Löthrohrflamme nach einiger
Zeit, jedoch schwieriger als Labrador. Von Salzsäure wird das Pul-
ver ganz zersetzt und es bleibt pulverige Kieselsäure zurück. Er ver-
liert durch Behandeln mit verdünnten Säuren bald die dunkelgrüne
Farbe und wird schneeweiss. Beim Verwittern hinterlässt er eine
gelblich gefärbte pulverige Masse. Die Augitspathe lassen sich erst
genauer beobachten, nachdem der Feldspath-Bestandtheil durch Atzen
mit Säuren weiss geworden: dann bemerkt man sogleich, dass die
Augitspathe blos ungefähr 30 Percent des Gesteins ausmachen, und
dass sie in ganz kleinen Krystallen zwischen den Feldspathkrystallen
gelagert oder durch dieselben hindurchgewachsen sind. Mit Hilfe der
Loupe erkennt man sogleich die Hornblende an ihren charakteristi-
schen Kennzeichen: der fast schwarzen Farbe und den glänzenden
Spaltflächen. Daneben zeigt sich Augit in kleinen Krystallen, von der
Hornblende leicht an dem matten Aussehen und dem muschligen Bru-
che zu unterscheiden. Ferner beobachtete ich hie und da feine Kry-
stalle von hellgrüner Farbe; dieselben mögen Epidot gewesen sein.
Aus dem Pulver des Gesteins zieht der Magnet eine nicht ganz un-
bedeutende Menge Magneteisen heraus, doch lässt sich bekanntlich
die Menge desselben wegen anhängendem Gesteinspulver nicht ein-
mal richtig schätzen. Das Gestein siebt ganz frisch aus; mit Säuren
behandelt gibt es eine geringe Menge Kohlensäure. Dagegen ist der
Gehalt an Wasser, wie später angeführt weiden wird, nicht unbe-
deutend.
Das speeifische Gewicht wurde von Hrn. L. Knaffl und von mir
an zwei verschiedenen Proben mit Hilfe des Pyknometers bestimmt.
in dem GrĂĽnsteingebirge bei Neutitschein. I<iO
In dem Folgenden bezeichnet P die Capacität des Pyknometers
in Grammen, p das Gewicht der angewendeten Gesteinsprobe, p'
das Gewicht des dadurch verdrängten Wassers in Grammen, t die
Temperatur des Wassers (die Correctionen ĂĽberall inbegriffen). Die
Proben waren gepulvert und vor dem Wägen getrocknet, die Luft
aus dem Wasser durch Kochen entfernt. Es wurden bestimmt:
A. P=30 052 , ^ = 5 081 , p' = 1-721 , * = 17-S»C.. . K
daraus— = 2-952.
V
B. P= 15-010 , ^ = 7-275 , ^' = 2-453 , t = 16» C T
daraus- = 2-966.
P'
Hiernach berechnet sich das specifische Gewicht bei 0°C. für A
zu 2-95, fĂĽr B zu 2-96.
Das Gestein ist noch weiter untersucht worden. Herr L. Knaffl
hat auf meine Bitte eine chemische Analyse desselben vorgenommen.
Ich theile im Folgenden die Methode und die erhaltenen Resul-
tate mit.
Die qualitative Analyse erwies die Gegenwart von Kieselsäure,
Kohlensäure, Eisen , Kupfer , Kalk , Magnesia, Kali, Wasser. Zur
Bestimmung von Kieselsäure, Kupfer, Eisen, Kalk, Magnesia wurde
eine Partie der fein gepulverten, bei 100u getrockneten Probe genom-
men und mit kohlensaurem Natron aufgeschlossen. Die Kieselsäure
wurde nach sorgfältigem Eindampfen abfiltrirt, im Filtrate das Kupfer
durch Schwefelwasserstoff gefällt, hierauf nach dessen Entfernung
Thonerde und Eisen durch Ammoniak gefällt, der Niederschlag
respective deren Lösung in zwei Theile getheilt. In dem einen ward
das Eisen durch Titriren mit ĂĽbermangansaurem Kali bestimmt, der
andere Theil ward zur Ermittelung der Summe der Thonerde und
des Eisenoxydes verwendet. Die Kalkerde wurde als oxalsaures Salz
abgesondert, letzteres in Salzsäure gelöst und dessen Quantität durch
Titriren mit Chamäleon bestimmt, die Magnesia wurde wie gewöhn-
lich als pyrophosphorsaures Salz gewogen. Zur Bestimmung der
Alkalien wurde eine weitere Probe durch Flusssäure aufgeschlossen.
Nachdem alles übrige mit Hilfe von Ätzbaryt entfernt war, wurde
die erhaltene Chlorverbindung gewogen, endlich durch Silberlösung
die zweite nöthige Bestimmung gemacht. Zur Ermittelung der
Quantität des im Gestein enthaltenen Eisenoxyduls wurde eine sehr
1 £0 Tscher mak, Über secundäre Miiieralbildung-en
fein gepulverte Probe längere Zeit mit conceutrirter kochender Salz-
säure in einer Atmosphäre von Kohlensäure behandelt, bis das Pulver
vollständig weiss geworden. Hierauf konnte sogleich das Titrirver-
fahren angewendet werden. Die Kohlensäure wurde mittelst eines
kleinen Fresenius'schen Apparates bestimmt. Der Gewichtsverlust
beim GlĂĽhen wurde als Wassergehalt in Rechnung gebracht. Es folgen
die Zahlenresultate:
1. Augewendete Menge Substanz 1*018 Gramm
An Kieselsäure erhalten: 398 Mg 3910 Procent.
Eisenoxyd und Thonerde aus der Hälfte der Sub-
stanz 148 Mg., im Ganzen 29-08 Procent. Bestim-
mung des Eisens in der Hälfte der Substanz: Titre
des Chamäleon a = 0*085, Anzahl der gebrauchten
C. C. der Lösung: n = 9*6. Daraus berechnet sich
Eisenoxyd 65*3 Mg., im Ganzen 12*82 Procent,
hiernach berechnet sich Thonerde 29*08— 12*82= 16*26
Das gefällte Schwefelkupfer in Oxyd verwandelt
und 16 Mg. erhalten oder 1*57
Bestimmung der Kalkerde: a = 0*042, n = 492,
hieraus berechnen sich 57*8 Mg. Kalkerde . . . 5*68 „
Das erhaltene Magnesiasalz wog 537 Mg., dem ent-
sprechen 193*5 Mg. Magnesia 1901
, 2. Aus 879 Mg. Substanz wurden 11 Mg.
Chloralkalien erhalten. Es wurden von der Silber-
lösung gebraucht 1*5 C. C. , dein entsprechen
0 Chlornatrium 11 Mg. Chlorkalium oder 7 Mg.
Kali 0-79
3. In 1*054 Gramm der Gesteinprobe wurde
das Eisenoxydul bestimmt und erhalten a = 0*085,
n = 12*8, daraus ergibt sich 78*3 Mg. Eisenoxy-
dul oder 7*43
dem entsprechen Eisenoxyd 8*26 Procent. Darnach
berechnet sich die Menge des im Gestein enthaltenen
Eisenoxydes zu 12*82 — 8*26= 4*56
4. Aus 1*704 Gramm Substanz wurde die Koh-
lensäure entfernt und eine Gewichtsdifferenz gefun-
den von 2 Mff. oder 0*12
in dein GrĂĽnsteingebirge bei Neutitschein. 1 ÂŁ, i
5. Der GlĂĽhverlust betrug bei 3*32 Gramm
Substanz 145 Mg. , dem entspricht ein Wasser-
gehalt von 4-37 Procent.
Das Verhältniss der zusammensetzenden Bestandteile ist
demnach :
Kieselsäure 39" 10
Thonerde 16*26
Eisenoxyd 4*56
Eisenoxydul 7 "43
Kupferoxyd 1-57
Kalkerde 5-68
Magnesia 19-01
Kali 0-79
Wasser 4-37
Kohlensäure 0-12
98-89
Um eine Andeutung ĂĽber die Art und Menge der in dem
Gestein enthaltenen Salze zu erhalten , soll das Aquivalenten-Ver-
hältniss der genannten Bestandteile näher betrachtet werden. Die
Menge der Kieselsäure in Äquivalenten ist hier = 800 gesetzt. Hier-
nach ist das Verhältniss folgendes:
Kieselsäure 800 ... 800 (Si03)
Thonerde 197 ... 197 (A1303)
Eisenoxyd 35 \
dem entspricht um Magneteisen zu bilden > . . . 70 (Fe304)
Eisenoxydul 35 )
Ăśbrige Menge Eisenoxydul 92
Kupferoxyd 24
Kalkerde 125 }. . . 834 (ROJ
Magnesia 585
Kali 8
irr: mJ... » (ho
Kohlensaure ö )
Die Zusammensetzung kann daher durch die folgenden Zahlen
repräsentirt werden:
(Si02)8 (A1203)3 (RO)8.3 (HO), (Fe304)
()• 7
Man bemerkt sogleich , dass die Zersetzung schon bedeutend
Platz gegriffen hat , da der Wassergehalt ein namhafter ist. Der
128 Ts.he
:i k. Ăśber seeundiire Miiier;ill)ildunt,reii
Kupfergehalt ist auch bemerkenswerth; das Gestein ist ferner
so stark basischer Natur, dass dies bei einem GrĂĽnstein ziemlich
auffällig erscheint. Es ist leicht einzusehen, dass der enthaltene
Feldspath ein sehr basischer sein mĂĽsse, so dass auch nicht Labra-
dor, für welchen das Verhältniss (Si02) 3 (Al203) (RO) gilt, ange-
nommen werden kann. Dagegen ist der Annahme von Anorthit,
sowohl der Zusammensetzung, als der frĂĽher ĂĽber das Verhalten des
Feldspathes angefĂĽhrten Beobachtungen ganz entsprechend. Dem
Wassergehalt muss irgend ein Hydrat entsprechen, welches eben so
wie das Magneteisen als Zersetzungproduct abzusondern ist. Das
Eisenoxyd gehört wahrscheinlich ganz dem Magneteisen an. Dem-
nach könnte das Verhältniss der Bestandteile vielleicht auf folgende
Art gedeutet werden *) :
f[(Si02)6(RO)5] Augitspathe
2[(Si02)2(Al203)(RO)] Anorthit
|[(Fe2Os)(FeO)j Magneteisen
3[(RO)(HO)] Hydrat
Der hiernach berechnete Gehalt an Magneteisen von 8 Procent
und an Augitspathen von ungefähr 33 Procent entspricht sehr gut
der direeten Beobachtung an der Felsart. Das angefĂĽhrte Hydrat
kann einer eingetretenen Serpentin- oder Zeolith-Bildung angehören
und es würde in Folge dieserlnterpretation eine Änderung der ange-
nommenen Verhältnisse vorzunehmen sein. Dagegen ist es fast ganz
sicher, dass der Feldspathbestandtheil von Anorthit gebildet werde.
Was die Bildung von Serpentin in diesem Gesteine betrifft, werde
ich später noch Einiges anführen.
Es lohnt ĂĽbrigens hier, so wie ĂĽberhaupt bei Gebirgsarlen,
kaum der MĂĽhe, aus den Daten der Analyse die Mengen der zusam-
mensetzenden Mineralien berechnen zu wollen; doch verleiht die
Discussion Anhaltspunkte , um auf die ursprĂĽngliche Zusammen-
setzung, die bei Gesteinen aus frĂĽheren Perioden wohl nur sehr
selten ungeändert geblieben ist, zurückzuschliessen und so einige
Einsicht in die seeundären Bildungsproeesse zu erlangen. Ich komme
auf das Einzelne noch weiter unten zu sprechen.
Um die Felsarten , welche dem eben beschriebenen Gesteine
ähnlich sind , lassen sich die übrigen Diabase folgender Art grup-
') Ich gebrauche liier blos Äquivalentzeichen; daher 0 = 8, Si =; 14*2 etc.
in dem GrĂĽnsteingebirge l>ei Neutitschein. 149
piren. Eine Reihe bilden die mehr grobkörnigen Diabase, bei denen
auch die Hornblende- und Augit-Krystalle eine Länge von 3 Centim.
erreichen, wie z. B. das Gestein von Lichnau, einer zweiten Gruppe
kann man die Aphanite zuth eilen, die von sehr feinem Korn und
schwarzgrüner Farbe sind, wie das Gestein von Schönau. Von beiden
verschieden ist das letzte Glied: eine zeolithische VVacke, welche
mitten im Dorfe Liebiscb unterhalb der Kirche ansteht.
Die dem Gestein vom Gümbelberge ähnlichen Diabase haben
dieselbe mineralogische Zusammensetzung wie dieses, die genannte
Wacke aber scheint ehedem Labrador enthalten zu haben, wofĂĽr
die Ausscheidungen von Kalk und Apophyllit sprechen. In den
Aphaniten ist das Vorkommen von Labrador nicht wahrscheinlich,
da sie dieselben Zersetzungserscheinungen zeigen, wie der anorthit-
hältige Diabas. Von einer Prüfung des Feldspathes der Aphanite kann
natĂĽrlich nicht die Rede sein. Der Gehalt an Magneteisen und Kalk-
Carbonat ist beim Diabas allgemein. Auch tritt fast ĂĽberall etwas
Glimmer auf. Das specifische Gewicht hält sich meist innerhalb der
Grenze 2-9 . . . 3-0.
Das Auftreten des Diabas ist zweierlei. Meistens setzen die
Gänge im Kalk oder Schiefer auf, das Gestein tritt am Gipfel eines
HĂĽgels zu Tage, wie am GĂĽmbelberge, bei Lichnau, oder es steht auf
einer flachen Stelle an, wie die Wacke von Liebisch. Manchmal hin-
gegen trifft man den Diabas unterhalb des Diorites oder neben dem-
selben, wie bereits früher erwähnt wurde.
Als Zersetzungsproducte des Diabas können die folgenden auf-
gefĂĽhrt werden:
1. Quarz.
Das Vorkommen des Quarzes im Gebiete des Diabas ist ein sel-
tenes , was sich aus der Zusammensetzung des Gesteines leicht
erklären lässt. Man findet nur hie und da beim Verschwinden des
Feldspathes nach totaler Zersetzung in den hinterlassenen Hohl-
räumen mehr minder reine Qtiarzskelete. Mit Hilfe des Mikroskopes
entdeckt man manchmal deutliche Quarzkryslalle in solchen Hohl-
räumen. Dagegen ist das Auftreten bedeutender Quantitäten von
Mineralien, welche Quarzvarietäten darstellen, auf dein Gümbelberge
merkwürdig. Man sieht auf dem Gipfel des Hügels häutig knollige
StĂĽcke, bis 1 Fuss Durchmesser zeigend , umherliegen. Sie bestehen
1 30 Tschermak. Ăśber secundiire Mineralbildungen
aus Chalcedon oder Achat , hie und da finden sich auch schöne
Quarzdrusen; mehrere davon fand ich auf Kalkspath-Unterlage auf-
sitzen, die einzelnen Kiystalle waren bis i/2 Zoll lang, milchweiss.
Deutliche Achatmandeln wurden nicht beobachtet. Die Menge des
hier auftretenden Quarzes ist wohl zu bedeutend, als dass man den-
selben blos als eine Ausscheidung aus dem daselbst vorkommenden
Diabas erklären könnte. Auch ist keine Verbindung zwischen beiden
zu bemerken. Da nun beide am Gipfel des HĂĽgels zu Tage liegen, so
könnte es auch sein , dass die Quarzpartie von dem Gesteine aus
der Tiefe empor gebracht worden.
2. Calcit.
Der Calcit tritt als Zersetzungsproduct ĂĽberall im Diabas auf,
wo er mindestens durch das Aufbrausen beim Zusammenbringen des
Gesteines mit Säuren seine Gegenwart verräth. Im Folgenden mögen
nur jene Vorkommnisse erwähnt werden, wo das Mineral in grösseren
Quantitäten , oder unter besonderen Verhältnissen sich findet. In
den Klüften des Schönauer Aphanites kommen grössere Partien von
Calcit vor , welche öfters abwechselnd Schichten mit Serpentin
bilden. Er besitzt daselbst immer die Form — 2 R. Kristallinische
Partien finden sich im Diabas von Lichnau, von Sohle. Im Gesteine
von Lichnau trifft man an den mehr angegriffenen Stellen häufig
klare durchsichtige Blättchen eingewachsen. Die Wacke von Lie-
bisch enthält nur geringe Mengen Calcites. Neben Apophyllit und
Arragon vorkommend, bildet er daselbst kristallinische AusfĂĽllungen
von Hohlräumen und erscheint als ein Zersetzungsproduct aus der
jĂĽngsten Zeit.
Ich kann hier nicht unterlassen eine Metamorphose zu erwähnen,
welche der Kalk durch die empordringende heissflĂĽssige Gesteins-
masse erlitten hat. Ein solches eigenthümliches Verhältniss beob-
achtete ich am GĂĽmbelberge, wo der Diabas einzelne KalktrĂĽmmer
entweder aus der Tiefe empor gebracht, oder oben angetroffen und
verändert bat. Es finden sich nämlich hie und da grobkörnige Kalk-
blöcke von blaulich-grüner Farbe und mattem Ansehen auf den Spalt-
flächen, umschlossen von einer blasigen Diabas-Masse. Bei genauerer
Befrachtung des zerstĂĽckten Minerales bemerkt man, dass dem
Calcit kleine dunkelgrĂĽne Theilchen mehr oder weniger gleich-
förmig eingestreut sind. Ich habe ein solches Stück etwas näher
in dem Griinsteingebirge bei Neutitschein. 1 O 1
untersucht1), indem ich es durch stark verdünnnte Salzsäure zerlegte
und die Bestandteile des löslichen Theiles hestimmte. So wurden
die Zahlen erhalten:
Kohlensäure 33-10 Procent.
Kieselsäure 0-12 „
Eisenoxydul 4-57 „
Kalkerde 40-41
Magnesia 1-09 „
Wasser 1'80
Unlöslich (Diabas) 19-07
100-16 Procent.
Der grüne Calcit enthält demnach 19 Procente Diabas, der in
dem ersteren in höchst fein vertheiltem Zustande verbreitet war, und
dessen Spaltflächen rauh machte. Diese Erscheinung lässt sich wohl
nur dadurch erklären, dass der Diabas den Kalkblock aus der Tiefe
empor brachte und umhüllte, während dessen der letztere geschmol-
zen wurde und eine ziemlich grosse Quantität von der Substanz des
Gesteines in sich aufnahm, so dass beim Erstarren diese Verun-
reinigungen gleichsam mitkrystallisirten. Dass die Silicate, welche
die Beimengung ausmachen, durch den Kalk nicht aufgeschlossen
wurden, ist wohl eigentümlich: man müsste es damit erklären, dass
der Kohlensäure wegen des allseitigen Verschlusses keine Gelegen-
heit zu entweichen gegeben war und so die Zersetzung nicht eintreten
konnte. Dass diese Bildung nicht auf nassem Wege entstanden sei,
beweist sogleich das Vorkommen in dem schlackigen Diabas , das
stellenweise Eindringen des letzteren in die Calcit-Masse, derart, dass
man häutig bemerkt wie eine dunklere , an Diabas reichere Partie
des Calcites mit solch einer eindringenden Diabas-Ader in Verbin-
dung steht.
Eine andere Metamorphose, wie solche schon öfter beobachtet
wurden, konnte ich auf dem GĂĽmbelberge wahrnehmen. Ein Calcit-
block von etwa zwei Fuss Höhe war daselbst durch sein Äusseres
sogleich auffallend. Er bildete ein StĂĽck einer Kugel, die als sie
vollständig war, einen Durchmesser von vier Fuss gehabt hatte. Er
war von weisser Farbe, feinkörnigem Gefüge und besass eine eigen-
thümliche Structur: er bestand nämlich aus einer Anzahl meist
sechsseitiger Pyramiden, deren Spitzen im Centruin der Kugel
1) Das Resultat wurde bereits mitgetheilt im Jahrb. der geologischen Reichsanstalt
Bd. VIII, S. 615.
IOä Tscher mak. Über secundäre Mineralhildungen
vereint waren. Die Oberfläche der Kugel war durch die Grundflächen
der Pyramiden gebildet und demnach in meist sechsseitige Felder
gefheilt. Zwischen den einzelnen Pyramiden, welche fest zusammen-
hingen, fand sich häufig etwas feinkörniger Diabas, der von aussen
in die Zwischenräume eingedrungen war. Auf Taf. II, Fig. 1 ist
eine Zeichnung hierĂĽber gegeben. Diese Erscheinung sagt, dass der
ompordringende heissflĂĽssige Diabas einen Kalkblock, den er ent-
weder von unten heraufgebracht oder oben angetroffen, in eine Kugel
von radialer Structur umgewandelt hat.
3. Arragonit.
In der Wacke, die unterhalb der Kirche des Dorfes Liebisch
ansteht, findet sich Arragonit in parallel fasrigen Aggregaten in den
senkrechten Klüften. Die Nadeln stehen auf den Wänden der 1/4 Zoll
weiten Spalte nahezu senkrecht und treffen in der Mitte derselben
in einem sehr stumpfen Winkel zusammen. An der Oberfläche ist
der Arritgonit oft in Calcit verwandelt, wo er dann leicht zu einein
feinen Krystallmehl zerrieben werden kann. Kleine Partien von
Arragon finden sich auch im Diabas von Sohle.
4. Serpentin.
Unter allen seeundären Mineralbildungen im Diabas ist der Ser-
pentin die interessanteste, weil sich die Bildungsweise desselben
durch alle Stadien verfolgen lässt. So haben sich an dem Gesteine
vom Günibelberge, von Sohle, an dem Aphanite von Schönau instruc-
tiveBeobachtungen ergeben *). Ich will zuerst die Beschreibung einer
Partie des letzteren Aphanites anfĂĽhren. Fig. 2 auf Taf. II stellt
den Durchschnitt einer Spalte in dem Gesteine vor. Das letztere ist
im frischen Zustande von schwarzgrĂĽner Farbe, unebenem Bruche,
sehr feinem Korne. Unter dem Mikroskope bemerkt man als Bestand-
teile einen grĂĽnlichen Feldspath, viele kleine deutliche Krystalle
von Augit, sehr wenig Hornblendenadeln, hie und da ein Körnchen
Eisenkies. Öfters erscheinen kleine schwarze Glimmerblättchen und
weisse Calcittheilchen darin. Verfolgt man nun das Gestein von dem
noch wenig veränderten Innern her gegen gewisse Spalten hin, so
bemerkt man als erstes Stadium der tiefer eingreifenden Zersetzung
das Auftreten von schwarzen glänzenden Glimmerblättchen , deren
*> Vgl. Glocker, Jahrb. rl. geol Reichsanstalt, Bd. VI.
in dem Grünsteingebirge bei Neutitschein. Id»)
Durchmesser 4 Millimeter erreicht. Dieselben werden häufiger,
man merkt auch die Zunahme des Calcites an dem lebhafteren Auf-
brausen mit Säuren. Bei genauer Betrachtung findet man hie und da
neben den Glimmerblättern kleine grüne Partien von flachmusch-
ligem , spittrigem Bruche: es ist Serpentin. Diese Partien werden
in der Richtung gegen die Spalte hin immer häufiger. — Die in
diesem Stadium der Zersetzung sich befindliche Gesteinspartie
bildet bezüglich der Spalte eine Schichte von 1 — 2 Zoll Mächtigkeit
(in der Fig. mit b bezeichnet). — Nunmehr nimmt der Serpentin über-
hand, so dass die Glimmerblätter darin eingewachsen erscheinen, hie
und da erscheint eine Nadel von Zeolith. Der Glimmer tritt nun
ganz zurĂĽck und unmittelbar an der Spalte zeigt sich reiner Ser-
pentin von flachmuschligem Bruche. Die Spaltwände sind meist von
Calcit ĂĽberkleidet, oder es ist der Spalt damit ausgefĂĽllt. Manchmal
wechsellagern Schichten von Calcit und Serpentin von 1 — 2 Milli-
meter Dicke mit einander (wie in der Fig. angedeutet). Zu oberst
erscheinen häufig Calcitkrystalle der Form — 2R, überdies manch-
mal Krystalle von Eisenkies, so wie halbkugelförmige Aggregate von
Natrolith. Ähnliche Verhältnisse zeigen sich an dem Diabas vom
GĂĽmbelberge. In dem Gesteine vom genannten Anbruche bei Sohle
kommt ebenfalls eine nicht unbedeutende Serpentinbildung vor. Der
Diabas ist bereits stark angegriffen und zerfällt bald in Kugeln von
ungefähr 4 Zoll Durchmesser. Im Innern dieser Kugeln sieht man einen
unreinen Serpentin , von Glimmerblättchen und öfter von rundlichen
Kürnern, welche die Spaltflächen der Hornblenden zeigen, durch-
wachsen; auch Theilchen von Calcit, so wie einzelne Nadeln von
Zeolith fehlen nicht.
Aus diesen Beobachtungen ergibt sich, dass die durch Spalten
dringenden Gewässer das Gestein auf 2 — 3 Zoll weit ganz oder
theilweise in Serpentin umgewandelt haben. Nach der oben ange-
fĂĽhrten Untersuchung kann man auf die ursprĂĽngliche Zusammen-
setzung des Gesteines aus Anorthit und Augit (und Amphibol)
schliessen, so dass man sich einen Ăśberblick des Processes zu bilden
vermag.
Den Beobachtungen an den meisten dieser Gesteine entspricht
ungefähr die Zusammensetzung aus gleichen Mengen:
Anorthit (Si0j,(Al203)(R0) U (SiOa)5 (AI, Os) (RO),
und Augit 3[(SiO.)(RO)] ( ^ 2j'K ' ""
134- Tscher mak. Über secundäre Mineralbildung-en
Es kann nun eine Zerlegung in der Art eintreten, dass ein
Zeolith und Serpentin gebildet wird:
i(SiO8)3(Al2O3)(RO)(H0)2 Mesotyp.
(Si0,).(Al,O.)(R0). + (H0),==1(s.o)(ao)(HO)i Serpenl.n
Die gelöste kalkhaltige Zeolithsubstanz kann nun durch Ein-
wirkung von Gewässern, die kohlensaure Alkalien führen, wie diese
namentlich in den ersten Stadien der Zersetzung auftreten, in koh-
lensauren Kalk und einen alkalihaltigen Zeolith umgesetzt werden.
Das letztere Salz wird dann meistens weggefĂĽhrt.
In einem andern Falle, oder auch zugleich, kann eine Bildung
von Glimmer eintreten. Es ist:
CSiO 1 TAI 0 ^n\0^ - i (Si°^ (A1s°.)(R0)s Glimmer.
(S.OJ5(Al203)(HO)4_ j2[(Si0a)(R0)] -. Augit.
Der hier unverändert gebliebene Augit kann hierauf durch Verlust
von Kieselsäure ebenfalls in Serpentin umgewandelt werden 1) etc.
Es entspricht diese Auffassung in der Hauptsache den Erschei-
nungen auf befriedigende Weise, so dass man dadurch einige Anhalts-
punkte zur Beurtheilung der Serpentinbildung, wo sie in grossarti-
gem Massstabe stattgefunden hat, erreicht. Beachtenswerth erscheint
mir unter den angefĂĽhrten Beobachtungen auch die, dass der Ser-
pentin in dünnen Schichten mit Calcit wechsellagernd vorkömmt,
wo er demnach durch Absatz aus Gewässern entstanden ist. Daher
mag der Serpentin nicht immer als Zerlegungsrest an Ort und Stelle
bleiben, sondern auch, wie dies ĂĽberdies bei der Chrysotilbildung
der Fall sein muss, aus wässeriger Lösung ausgeschieden werden.
5. Glimmer.
Glimmerblättchen kommen im Diabas sehr allgemein vor. In
manchen Partien des Gesteins von Schönau, von Sohle, ist der
Glimmer gleichförmig verbreitet, sonst aber erscheint er immer
gegen die Oberfläche hin in wachsender Menge. Er ist natürlicher-
weise immer als ein seeundäres Mineral zu betrachten. Dem Ansehen
nach kann man zwei verschiedene Arten unterscheiden, einen glas-
glänzenden schwarzen und einen tombakbraunen metallisch glän-
zenden Glimmer. Doch ist der letztere nur ein Umwandlungsproduct
des ersteren. Der schwarze Glimmer lindet sich nämlich meist im
ij S. Bischoff, Chem. Geologie, IM. II, S. 530.
in dem Griinsteingebirge bei Neutitsehein. 1 OO
Innern, im frisch aussehenden Gestein, wogegen der metallglänzende
nur in den bereits stärker angegriffenen Partien und auf der Ober-
fläche des Gesteins, in der Verwitterungsrinde auftritt. Man über-
zeugt sich ĂĽberall leicht, dass die Glimmerbildung mit der Zer-
setzimg des Gesteins gleichen Schritt hält, bis endlich bei der Ver-
witterung der Glimmer den mächtigeren Einflüssen ebenfalls weichen
muss.
In dem Gestein von Lichnau fand sich der Glimmer pseudo-
morph nach Augit, indem StĂĽcke von Augitkrystallen von Glimmer
ersetzt waren, während der übrige Theil derselben in Grünerde um-
gewandelt erschien.
6. Iralit.
Der Diabas von Sohle ist im frischen Zustande nahezu fein-
körnig und besteht ungefähr zur Hälfte aus kleinen Augitkrystallen.
An jenen Stellen hingegen, wo die Umwandlung schon bedeutender
vorgeschritten ist, bemerkt man nichts mehr von Augit. Das Ganze
erscheint vielmehr als ein Gemenge aus Serpentin und Glimmer. In
diesem Gemenge nun sieht man oft rundliche Körner eingewachsen,
welche die Spaltbarkeit der Hornblende sehr deutlich zeigen. Von
einer regelmässigen äusseren Begrenzung lässt sich nichts beobach-
ten. Diese Körner zeigen sich manchmal in parallelfaserige Aggre-
gate von Seidenglanz umgewandelt, manchmal erscheinen sie von
Glimmer ersetzt. Diese Thatsachen sprechen dafĂĽr, dass die schwarz-
grünen Körner Uralit- Individuen darstellen. Obwohl der directe
Beweis dafĂĽr fehlt, so ist es doch nach dem AngefĂĽhrten sehr wahr-
scheinlich.
7. Grimerde.
In der Wacke von Liebisch und im Gestein von Lichnau finden
sieb ausgezeichnete Pseudomorphosen von GrĂĽnerde nach Augit.
Solche umgewandelte Augitkrystalle zeigen sich in der genannten
Wacke namentlich an den Stellen, wo die letztere grossblasig er-
scheint. Sie erreichen eine Länge von 3 Centim., eine Breite von
1 Centim., sind meist sehr weich, mit dem Fingernagel leicht ritzbar,
werden im Striche glänzend. Hie und da zeigen sich auch rundliche
Hohlräume von unregelmässiger Gestalt durch Grünerde erfüllt. Kein
einziger Krystall dieses Gesteins ist der Umwandlung entgangen. Der
Diabas von Lichnau bestellt im frischen Zustande ungefähr zu einem
Sitzb. d. mathem.-naturw. CI. XL. Bd. Nr. 8. 1()
lob Tschermak. Über secundäre Mineralbildung-en
Drittheil aus Äugitkrystallen von 1 — 3Centim.Länge, einer geringen
Quantität Hornblende und einem weisslichen Feldspath, wahrschein-
lich Anorthit. An jenen Stellen , wo das Gestein mehr angegriffen
erseheint, ist der Augit sämmtlich in Grünerde verwandelt, doch sind
die Pseudomorphosen etwas weniges härter als die von Liebisch. Die
Hornblende ist ganz mĂĽrbe geworden, so dass sie sich leicht zu
Stückchen zerreiben lässt, doch hat sie noch einen bedeutenden Grad
des Glanzes auf den Theilungsflächen behalten. Die Zerlegungspro-
ducte : Glimmer, Magneteisen, Zeolith, fehlen nicht. Der Glimmer
hat hie und da Tlieile von Augitkrystalle verdrängt. Die liier be-
schriebenen Pseudokrystalle nach Augit haben alle die gewöhn-
lich auftretende Form.
Zeolithe.
In allen als Diabas aufgefĂĽhrten Gesteinen, namentlich in den
mehr angegriffenen Partien, finden sich geringe Mengen von Mine-
ralien dieser Familie vor. Bei aufmerksamer Betrachtung des Ge-
steins bemerkt man bald einzelne wasserhelle Nadeln oder auch
kleine Krystallbüschel , welche sich ohne Brausen in Säuren lösen
und durch die Reactionen auf Kieselsäure, Thonerde und Wasser
sich leicht als Zeolithe zu erkennen geben. Dagegen gelingt es
selten, eine genĂĽgende Menge dieser Krystallnadeln zu erhalten, um
eine weitere Bestimmung durchzuführen. Sie mögen wohl meist der
mitMesotyp bezeichneten Gruppe angehören. Mit Sicherheit Hessen
sich die folgenden erkennen:
8. Apophyllit.
Dieser Zeolith kömmt in ziemlich bedeutender Menge in der
mandelsteinartigen Wacke von Liebisch vor. Das Gestein bestand
wahrscheinlich aus Augit und Labrador. Der sämmtliche Augit ist
in GrĂĽnerde verwandelt; auf die frĂĽhere Gegenwart von Labrador
lässt sich blos aus den Zersetzungsproducten : Apophyllit, Natrolith,
kohlensaurer Kalk, schliessen. Das Gestein ist durchaus blasig; die
Blasenräume haben alle Dimensionen von verschwindender Kleinheit
bis zu 1 Zoll Durchmesser. Sämmtliche Hohlräume sind ausgefüllt.
Die ausfĂĽllende Masse wird fast blos von Apophyllit gebildet. Der-
selbe ist trĂĽbe, milchweiss, nirgends linden sich ausgebildete Kry-
stalle, da er die Blasen total erfüllt. Die Menge der Blasenräume
in dem Griinsteingebirge hei Neulitschein. 1 o i
und somit des Apophyllites macht im Mittel ungefähr 40 Procent des
Gesteines aus. Wo das Gestein zu Tage steht, dort ist der Apo-
phyllit stark verändert. Er ist mürbe geworden und zeigt mit Säuren
starkes Aufbrausen. Neben dem Apophyllit findet sich hie und da
etwas Natrolith. Von dem Vorkommen des Arragonits ist bereits
frĂĽher die Rede gewesen.
9. Natrolith.
In den Spaltenräumen des Aphauites von Schönau, ferner in
einigen Blasenräumen der Wacke von Liebisch finden sich öfters
halbkugelige, radial faserige Aggregate von weisser Farbe, die sich
durch das Verhalten vor dem Lüthrohr und gegen Säuren durch
die Abwesenheit von Kalkerde und den Gehalt an Natron bald als
Natrolith zu erkennen geben. Im Gesteine von Schönau findet sich
derselbe auf den Schichten von Serpentin oder Calcit aufge-
wachsen. In der genannten Wacke trifft man ihn öfters mit Apo-
phyllit in derselben Höhlung. Die kleinen Krystallbüschel ., die in
den mehr angegriffenen Partien des Gesteins von Sohle auftreten,
mögen auch zu Natrolith zu rechnen sein, doch gelang es mir nicht
eine genĂĽgende Menge zur Untersuchung zu isoliren.
10. Skolezit.
Dieses Mineral scheint einen ziemlieh grossen Tbeil jener feinen,
wasserhellen Nadeln zu bilden, welche man öfters im Diabas einge-
wachsen findet. Nur in einem Falle indess liess sich eine nähere
Bestimmung vornehmen. An einem flachen HĂĽgel im 0. von Lichnau
beobachtete ich eine eigentluimliche aussehende Gesteinpartie, auf
welche ich durch Herrn M. Mauer, der mich auf jener Expedition
begleitete, aufmerksam gemacht worden. Das Gestein ist ziemlich
grobkörnig, bereits stark verändert. Die Gemengtheile sind ein weiss-
lieber Feldspath (Anorthit) und Augitkrystalle von 2 Centim. mittlerer
Länge, die meistens in Grünerde umgewandelt sind. Nebenher tritt
etwas Hornblende, so wie Magneteisen auf. Ăśberall finden sich feine
Zeolith-Nadeln im Gestein, welche öfters auch mitten durch die Grün-
erde hindurchgewachsen erscheinen. Sie sind ungefähr */a Millim.
dick und im Mittel 5 Millim. lang. An einzelnen Stellen treten sie so
dicht neben einander auf, dass das GesteinsstĂĽck wie mit kurzen
feinen Haaren bestreut aussieht. Die Nadeln erscheinen dem bewaft-
to*
1 oö Tscher mak. Über secundäre Mineralbildung-en
neten Auge als rechtwinkelige glasglänzende Prismen. Da sie erst
nach dem Zerschlagen des Gesteins aus den StĂĽckchen herausgelesen
werden konnten, so ist es erklärlich, dass keine deutlichen Endflächen
gefunden wurden. Beim Auflösen in Säuren hinterliessen dieselben
schleimige Kieselsäure. Neben Thonerde liess sich eine bedeutende
Menge Kalkerde nachweisen. Aus diesen Beobachtungen lässt sich
mit Sicherheit auf Skolezit schliessen. Die im Diabas allgemein vor-
kommenden Zeolith- Nadeln gehören wahrscheinlich sämmtlich der
mit Mesotyp bezeichneten Gruppe an, ein bedeutender Theil mag
dem Skolezit entsprechen.
Es ist zwar in den meisten Fällen sicher, dass die Zeolithe als
secundäre Bildungen zu betrachten seien, bei dem Vorkommen in
Mandelsteinen und Wacken hingegen erscheint der Vorgang wahr-
scheinlicher, dass sich die Zeolithe schon beim Erstarren der Gesteins-
masse gebildet haben. So wäre auch bei dem oben angeführten Vor-
kommen von Apophyllit die Entstehung durch Infiltration weniger
wahrscheinlich und derselbe in diesem Falle nicht als eine secundäre
Bildung aufzufassen; vielmehr könnte die Sache so erklärt werden,
dass die heissflĂĽssige Gesteinsmasse beim Empordringen mit Kalk und
Wasser in BerĂĽhrung gekommen sei und so diesen kalkreichen Zeolith
in ziemlich bedeutender Menge gebildet habe. Freilich fehlen in dieser
Richtung noch viele experimentelle Beweise, und es ist die letztere
Erklärungsweise der Zeolithbildung in Mandelsteinen als keine
sichere hinzunehmen.
11. Magneteisen.
Der Magnetit ist nach der Menge des Augits und dem Grade der
Zersetzung in demselben Sinne im Gesteine verlheilt. Er ist meistens
mit blossem Auge darin nicht zu erkennen, in den mehr angegriffe-
nen Partien hingegen tritt er etwas deutlicher hervor. So findet er
sich in dem stark veränderten Gesteine von Lichnau in kleinen, deut-
lich wahrnehmbaren Körnern , öfters auch in Oktaedern von etwa
3 Millim. Höhe.
12. Brauneisen.
Das Brauneisen kommt als Zersetzungsproduct nur selten und
in kleinen Quantitäten vor, als Product der Verwitterung erscheint
es nach den Augitspathen und dem Magneteisen.
I
in dem Griinsteingebirge bei Neutitschein. J ',){)
13. Eisenkies.
Der Pyrit erscheint in kleinen Körnern im Gesteine eingesprengt,
in deutlichen Krystallen in Spaltenräumen und Höhlungen der Gesteine,
der Quantität nach so wie in den Dioritgesteinen.
III. Kalkdiabas.
Die Gesteine dieser Gruppe treten namentlich im SĂĽden von
Neutitschein auf, wo sie bei Blauendorf, Seitendorf, Hotzendorf häufig
Erhebungen bilden. Die Felsart ist fast ĂĽberall von gleichem Anse-
hen, von graugrĂĽner Farbe, die bei der Verwitterung in's Braune
übergeht, von unebenem öfter auch von flachmuscheligem Bruche,
meist von sehr feinem Korne, so dass sie zum grössten Theile Aphanit
genannt werden kann. Unter dem Mikroskope zeigt sie stets drei ver-
schiedene Bestandteile: einen weissen trĂĽben Feldspath, kurze
dunkelgrüne Säulchen von Augit und viele weisse Kalkspathköin-
chen, welche hie und da eine gelbe Oberfläche bieten. Wird das
Gestein mit Salzsäure angeätzt, so verliert es die grünliche Färbung
und wird heller, die Betrachtung mit dem Mikroskope zeigt nun die
Feldspath- und Augitkrystalle deutlicher, zwischen denselben ist der
Calcit verschwunden und hat entweder leere oder mit einem Kiesel-
skelet theilweise erfüllte rundliche Hohlräume hinterlassen. So wie
die kleinen Calcitkügelchen verhalten sich auch die grösseren hie und
da vorkommenden Partien dieses Minerales, wenn das Gestein mit
Säuren behandelt wird. Sie lassen entweder rauhwandige Höhlungen
oder auch mit einem Kieselskelet, öfter aber mit kleinen Quarzkrystal-
len besetzte Bäume zurück. Splitter der von Calcit befreiten Gesteine
schmelzen in der Luftröhrflamme leicht zu einem in Säuren lösli-
chen Glase, das speeifische Gewicht der Grundmasse ist im Mittel
2-8 .... 2*9. Die angefĂĽhrten Beobachtungen lassen schliessen, dass
der Feldspath- Bestandteil von Labrador gebildet werde und die
Grundmasse stellt somit einen aphanitischen Labrador-GrĂĽnstein dar.
Das äussere Ansehen des Gesteins variirt nur in zweierlei Beziehung.
Manchmal werden die enthaltenen Calcitkugeln bedeutend gross und
es entsteht so ein Aphanit -Mandelstein von schönem Aussehen, die
weissen Calcitmandeln heben sich angenehm von der grĂĽnen Grund-
masse ab. Manchmal hingegen tritt eine variolitische Structur auf.
\ 40 Tschermak. Über secundäre Mineralbildungen
Am Ende von Blauendorf am Bache »)> so wie bei Seitendorf finden
sich Partien ausgezeichneten Variolites, der namentlich, wenn bereits
eine oberflächliche Verwitterung eingetreten ist, durch die regel-
mässig gefleckte Oberfläche von weitem bemerkbar wird. Die ein-
zelnen hervorragenden Kugeln von etwa 8 Millim. Durchmesser lösen
sich dann allmählich von einander und bilden zuletzt ein lockeres
Aggregat, welches beim Stosse in Tausende von Kügelchen zerfällt.
Die Variolite haben eine feinere körnige Grundmasse als die anderen
Aphanite. Im frischen Zustande lässt sich ihre künftige Structur
nicht leicht, öfters aber daran voraus erkennen, dass der Bruch nicht
gleichförmig flachmuschlig erscheint, sondern die Bruchfläche von
einer Menge kleiner Flächen zusammengesetzt wird, deren jede
einer kĂĽnftigen Kugel entspricht.
Der Kalkdiabas zeigt in seinem Auftreten nirgends etwas Beson-
deres. Das Verhältuiss desselben zu den übrigen Grünsteinen liess
sich nicht bestimmen. Fernere Beobachtungen werden wahrschein-
lich hierüber Aufklärung verschaffen.
Als Producte secundärer Bildung können angeführt werden:
1. Quarz.
Die Kieselsäure kommt selten in grösserer Menge vor. Ausser-
dem dass sie öfter in den vom Calcit befreiten Hohlräumen auftritt,
findet man sie auch als Hornstein in SchnĂĽren das Gestein durch-
ziehend, neben weissem grobkristallinischen Calcit. Besonders schöne
Partien solchen Vorkommens beobachtete ich im Kalkdiabas, der
zwischen Seitendorf und Hotzendorf zu Tage steht. Es finden sich
dort Hornsteinadern von 2 — G Cenlim. Dicke neben meist dickeren
Adern von Calcit in einer mandelsteinartigen Masse.
Ausgebildete Quarzkrystalle finden sich auch im Gesteine bei
Blauendorf.
2. Opal.
Opal wurde nur an einem Orte beobachtet. Dies ist der Bruch
am Ende von Blauendorf am rechten Bachufer. Er fand sich daselbst
als Ausfüllung rundlicher Bäume im Gestein. Er war ganz undurch-
sichtig, von gelblich weisser Farbe, ziemlich spröde.
l) Dieser Variolit wurde von Prof. G lock er aufgefunden (siehe Jahrb. d. geologischen
Reichsanstalt iö52, 3. lieft, S. 130J.
in dem GrĂĽnsteingebirge bei Neutitschein. 14-1
3. Calcit.
DerCalcit ist, wie bereits erwähnt, in kleinen, kaum wahrnehm-
baren Kugeln gleichmässig im Gesteine veitheilt. Diese Kugeln sind
auch manchmal grösser und das Gestein gewinnt das Ansehen eines
Mandelsteines. Jede Kugel zeigt meist ununterbrochene Theilbarkeit
und stellt somit ein Individuum dar. Manchmal zeigt sich indess auch
die Kugel feinkörnig, und es ist dies immer der Fall bei der Aus-
füllung der Spaltenräume.
Die Calcitkugeln in diesem Gesteine sind wohl kaum fĂĽr secun-
däre Bildungen zu erklären, vielmehr sprechen die Thatsachen, dass
der Calcit in Kugeln auftritt, deren jede ein Individuum bildet und
die gleichförmig in dem Gesteine verbreitet sind, für die Ansicht,
dass die empordringende Gesteinsmasse eine bedeutende Menge
Calcit aufgenommen und eingeschmolzen habe, der Art, dass das
Carbonat nicht zerlegt wurde. Die Entstehung durch Infiltration ist
viel weniger wahrscheinlich, da das frische Aussehen des Gesteines
die Umgebung desselben und die oben angeführten Umstände sehr
dagegen sprechen. Es wäre auch nicht begreiflich, wie gerade
dieses Gestein eine so ungeheuere Metamorphose durchgemacht hätte,
während die ringsum auftretenden Felsarten desselben Alters verhält-
nissmässig gar nicht angegriffen worden wären.
Es möge nun noch ein eigenthümliches Vorkommen besprochen
werden, das den secundären Bildungen angehört.
An manchen Stellen finden sich Partien eines dunklen grau-
grünen körnigen Kalkes von eigentümlichem Aussehen. Die Spalt-
flächen der einzelnen Körner sind fettglänzend oder matt, oft
gekrümmt, das Korn ist gleichförmig, jedes Individuum von ungefähr
5 Millim. Durchmesser. Der von den Spaltflächen eingeschlossene
Winkel konnte annähernd bestimmt werden, indem die eine Fläche
weiss bestrichen', hiernach beide bis zu deren Verschwinden zur
Linie am Goniometer gedreht wurden. Es wurden Zahlen zwischen
105° und 106° erhalten. Das Gestein hinterlässt beim Behandeln mit
Säuren einen bedeutenden Rückstand, wird ein Stück davon in ver-
dünnte Säure gelegt, so verschwindet bald das gleichförmig körnige
Aussehen; man erblickt ein schön regelmässig geschichtetes, fein-
sandiges Gestein und gewinnt so die Ăśberzeugung, dass man es mit
einem eigenthümlichen Producte wässerigen Absatzes zu thun habe.
1 42 Tschermak. Über secundäre Mineralbildung'en
Der beim Behandeln mit Säuren bleibende Rest, ein dunkelgrünes
sandiges Pulver, ist gleichförmig im Gesteine vertheilt und bildet die
Ursache des matten Aussehens der Spaltflächen. Ich habe die Be-
standteile dieses Gesteines zu ermitteln versucht und dabei folgen-
den Weg eingeschlagen : Von dem Gesteine, welches sich aus Kalk-
und Magnesia- Carbonat, Eisenoxyd und einem alkalifreien Silicat
bestehend erwiesen hatte , wurde eine gewogene Menge durch
Essigsäure bei einer Temperatur von ungefähr 50° C. zerlegt. Aus
dem gelösten Theile wurde das Eisen durch Schwefelammonium
entfernt und in Oxyd verwandelt, Kalkerde und Magnesia nach den
gewöhnlichen Methoden bestimmt. Der ungelöste Theil ward durch
kohlensaures Natron aufgeschlossen, die Bestandteile wurden auf
gewöhnliche Art bestimmt. Der Ammoniak -Niederschlag wurde in
zwei Theile gesondert, in dem einen das Eisen, in dem andern die
Summe von Eisenoxyd und Thonerde bestimmt. Zur Ermittlung der
Menge der Kohlensäure diente der Apparat von Schaffner. Es
wurden folgende Zahlen erhalten :
Angewendete Menge Substanz: 1149 Gramm.
Davon blieben in Essigsäure ungelöst 412*5 Mg.
oder 34-29 Procent.
1. Aus der Lösung wurden erhalten 876 Mg.
schwefelsauren Kalkes, dem entspricht 360-7
mg. Kalkerde oder 31-39 Procent.
An pyrophosphors. Magnesia erhalten 84 Mg.,
entsprechend 29-4 Mg. Magnesia 2-63 „
Eisenoxyd 46 Mg., oder 4-00
2. In dem aufgeschlossenen Theile blieb ein Kiesel-
säurerückstand von 333 Mg., d. i 28-98 „
An Eisenoxyd wurden erhalten 11-2 Mg., ent-
sprechend 10-1 Mg. Oxydul oder 1-76 „
Eisenoxyd und Thonerde wogen 31-5 Mg., daher
die Thonerde 20-3 Mg., d. i 3-52
An Magnesiasalz erhalten 20 Mg., entsprechend
Magnesia 7-3 Mg., oder 0-63
3. 1-131 Gramm Substanz verloren beim Behandeln
mit Salzsäure 315 Mg. Kohlensäure .... 27-85 „
T00-76 Procent.
in dem GrĂĽnsteingebirge bei Neutitschein. 143
Im löslichen Theile wurden gefunden :
Kalkerde 31-39 Procent, dem entsprechen an kohlensaurem Kalk 56*06 Procent.
Magnesia 2-63 „ „ „ „ kolilens. Magnesia 5*53 „
Eisenoxyd 4" 00 „ „ „ „ Eisenoxyd . . . . 4 '00 „
Summe der lösliehen Bestandtheile . 65-59 Procent.
Dieselhe wurde direct gefunden zu . 65-71 „
Kohlensäure aus der Menge der Basen berechnet . 27-157 „
„ direct gefunden 27-85 „
In dem unlöslichen Theile wurden gefunden:
Kieselsäure 28-98 Procent.
Thonerde 3 -52 „
Eisenoxydul 1-76 „
Magnesia 0*63 „
Summe der unlöslichen Bestandtheile . 34*89 Procent.
Direct wurde dieselbe bestimmt zu . . 34*29 „
Die Zusammensetzung des löslichen Theiles ist demnach:
85*47 Procent kohlensaure Kalkerde,
8*43 „ „ Magnesia,
6 10 „ Eisenoxyd.
Der in Essigsaure unlösliche Theil besteht aus:
83*07 Procent Kieselsäure,
10*09 „ Thonerde,
5*04 „ Eisenoxydul,
1*80 „ Magnesia.
Das untersuchte Gestein scheint demnach ein Product secun-
därer Bildung aus Labrador und Augit zu sein. Man hat einerseits
die Carbonate von Kalk und Magnesia (62 Procent), andererseits
Eisenoxyd (4 Procent) und einen kieselsäurereichen Zersetzungsrest
(34 Procent), der keiner bestimmten Verbindung entspricht. Dieser
ist gleichförmig in dem Gesteine vertheilt, wovon ich mich durch
die Zerlegung einer andern Partie mit Essigsäure überzeugte; der
ungelöste Theil betrug 3356 Proeent, also nahezu die ohen ange-
fĂĽhrte Menge.
Man ersieht aus dem Ganzen , dass diese Zerlegungsproducte
des Griinsteins , nachdem sie vom Wasser an einemPunkte abgesetzt
waren, zu einer homogenen krystallinischen Masse erhärteten, der Art,
dass die 34 Procente fremder Substanz mit dem Calcit gleichsam
I 44 T s c h e r m a k. Über secundäre Mineralbildungen
mitkrystallisirten. Dies erinnert an die sogenannten Sandstein -
Krystalle vom Mont-rnartre, doch ist hier die Erscheinung etwas ver-
schieden, immerhin aber recht interessant.
Solche Gesteinspartien fand ich im Kalkdiabas von Blauen-
dorf, vom Herrn Pfarrer Prorok erhielt ich ein HandstĂĽck von
Senftlehen.
4. Chlorit.
Der Chlorit findet sieh oft im Kalkdiabas, doch ist die Gegen-
wart desselben meist schwer zuerkennen, da er gleichsam staub-
förmig im Gestein vertheilt ist. Dagegen erscheint ein Vorkommen
desselben wegen seiner EigentĂĽmlichkeit bemerkenswert!!. Bei
Hotzendorf fand sieh in einem Bruche eine Aphanitpartie, welche
sogleich durch eine Menge grüner Blättchen, die dem Gestein ein-
gewachsen waren, auffiel. Die Blattchen hatten im Mittel 1 Centim.
Länge und Breite, bei sehr geringer Dicke und unregelmässigem
Umrisse. Sie lagen in keiner bestimmten Richtung zu einander,
sondern waren ohne Regel in verschiedenen Ebenen geneigt. Mit
der Nähe der Erdoberfläche wuchs die Menge der Blättchen. Sie
besassen keine glänzende Oberfläche, sondern einen derartigen
Schimmer, als ob sie aus kleinen SchĂĽppcheu bestĂĽnden. Das letz-
tere bestätigt sich sogleich bei der Betrachtung mit dem Mikroskope.
Jede solche Partie , welche dem blossen Auge als ein Blättchen
erschien, besteht aus einer Schaar von kleinen Chlorit-Krvstallen
von der Form OP . coP , an denen man die sechseckigen Umrisse
meistens deutlich wahrnimmt. Die Pinakoide liegen sänimtlich in
einer Ebene , daher es kommt , dass die ganze Gruppe als ein
Blättchen erscheint. Die Zwischenräume zwischen den Krystallen
sind fast so breit als die letzteren. Die Krystalle stehen nicht parallel.
Das EigenlhĂĽmliche dieses Vorkommens liegt namentlich darin.
dass hier ein Nebeneinanderlagern kleiner Krystalle eintrat, wobei
das Gestein gleichsam durchdrungen werden musste. Wenn man
indess bedenkt, dass bei der mikroskopischen Kleinheit der Krystalle
in dem etwas porösen Gestein sich der eulsprechende Baum genü-
gend vorfand, und dass der Thatsachen, die einen gegenseitigen Ein-
lluss der Krystalle während der Krystallisation beweisen, bereits
mehrere bekannt sind , so erscheint diese secundäre Bildung nicht
befremdend.
in dem GrĂĽnsteingebirge bei Neutitschein.
145
Zeolithe.
Im Bereiche des Kalkdiabas wurden keine Mineralien dieser
Familie beobachtet , doch ist dadurch nur bewiesen, dass keine
grosseren Mengen derselben auftreten. Fernere Beobachtungen
werden ein mehr entscheidendes Resultat liefern können.
5. Pyrit, Magnetit, Brauneisen.
Geringe Mengen dieser Substanzen finden sieh ĂĽberall im ivalk-
diabas. Das Auftreten ist dasselbe, wie in den ĂĽbrigen Gesteinen.
Die folgende Tafel gibt eine Ăśbersicht der in dem GrĂĽnstein
beobachteten secundären Mineralien, letztere nach den genannten
Gesteingruppen geordnet. In den Zwischencolumnen ist durch die
Zeichen > , < , = angedeutet, ob in dem einen Gestein die auf-
tretende Menge des bezeichneten Minerals grösser oder geringer
sei als in dem anderen , oder ob das Mineral in ungefähr gleicher
Menge vorkomme.
D i o r i t
>
<
Diabas
<
Kalkdiabas
Bestand:
Anorthit, Amphibol, Augil
Bestand:
Anorthit. Augil, Amphibol
Secund. Bildungen:
Quarz
Caleit (Arragonit)
Bestand:
Labrador, Augit
Secund. Bildungen:
Quarz, (Opal)
Caleit
Chlorit
Magneteisen
Pyrit
Brauneisen
Secund. Bildungen:
Caleit
Baryt
Steatit
Serpentin ....
<
>
<
Analcim
Natrolitli ....
Magneteisen . . .
Pyrit
Brauneisen ....
<
>
<
Skolezit
Natrolitli ....
Magneteisen . . .
Pyrit
Brauneisen ....
â– ^
Die Übersicht der secundären Mineralien zeigt, dass die beiden
ersten Abtheilungen der GrĂĽnsteine fast genau gleiche Zerlegungs-
produete liefern, was der gleichen Zusammensetzung genau entspricht.
Der Diabas unterscheidet sich indess doch durch die bedeutende
14b T s c h e r m a k. Über secundäre Mineralbildungen etc.
Serpentinbildimg und durch die grössere Menge des Magneteisens,
was wieder dem Umstände entspricht, dass das ursprüngliche Gestein
reicher an Augit ist als die Diorite. Der Kalkdiabas zeichnet sich
durch die geringe Verschiedenheit der secundären Mineralien aus.
Es fehlen namentlich die Silicate.
Sämmtliche Zersetzungsproducte lassen sich naturgemäss in
folgende Abtheilungen bringen: 1. Kieselsäure und Carbonate, 2. im
Wasserlösliche Silicate oderZeolithe, 3. unlösliche Silicate, 4. Eisen-
erze. Dieser Eintheilung entsprechen auch die einzelnen Perioden
der Zersetzung: im Anfange erscheinen namentlich Kieselsäure und
Calcit, einer spätem Periode gehören die Zeolithe an, die unlös-
lichen Silicate treten zugleich mit diesen auf und nehmen dann mit
dem Fortschreiten der Zersetzung rasch an Menge zu. Sie bilden
die an Ort und Stelle bleibenden Zerlegnngsreste, während die Zeo-
lithe meist weiter gefĂĽhrt werden. Die Eisenerze treten sogleich im
Anfange in bedeutender Menge auf, später erfolgt deren Ausschei-
dung in geringerer Menge allmählich und gleichförmig.
Die zwei Hauptstadien der Zersetzung lassen sich schon bei
oberflächlicher Betrachtung der Gesteine studiren. In dein ersten
Stadium zeigen dieselben nur Quarz und Calcit ausgeschieden, in
der zweiten Periode erscheinen darin Glimmer, Serpentin, Zeolithe.
Der Kalkdiabas zeigt blos die erstere Erscheinung. .Ie nach den
speciellen EinflĂĽssen, denen das Gestein ausgesetzt ist, erfolgen dann
verschiedene Erscheinungen der Zersetzung. Doch kann nur eine
genaue und eingehende Untersuchung der Auffindung der einzelnen
Ursachen, der Erklärung des ganzen Vorganges entgegenführen.
Die im Vorigen angefĂĽhrten Beobachtungen sind noch nicht
vollständig genug , um den Grund für ein genaueres Studium der
Umwandlung des GrĂĽnsteins jener Gegend abzugeben. Erst eine
eingehende Untersuchung der weniger veränderten Felsarten, ver-
bunden mit genauen Beobachtungen an vielem veränderten Material
aus den verschiedenen Stadien der Umwandlung, werden einen tie-
feren Einblick in den ganzen Vorgang verschallen. Mir fehlte es an
Mitteln, dies schon jetzt auszufĂĽhren. Das Interesse fĂĽr diese Stu-
dien ist nicht so allgemein, als dass viele Unternehmungen in dieser
Richtung zu erwarten Mären. So bleibt denn immer vieles der
Zukunft ĂĽberlassen. Die Gegend, ĂĽber welche der vorliegende Auf-
satz handelt, ist bezüglich der sedimentären Bildungen von Hohen-
T.silicrniak Ăśbersee Mmeralbd im Grinistgeb b. Neutitsckein.. TafI
r^m,:-
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Sit7,un<lNb ilk.ARad d. W. tuatli lu.liirw Cl.XL. Bd. N? 8. 1860.
Tsdicrmab Ăśber aecimdĂĽe Minerallii
■[i,.i.-liii---.- bei N«uli1.m)li«a
Äjr./
il..„,,.j.<l, ,1 k Ak„,l ,1 V miitll nntuiw.n XL RJ X° 3.1860.
Reuss. Die Foramiuiferen der westphälischen Kreideformation. 14<
egg er durchforscht worden, so dass fĂĽr das Studium der dortigen
Grünsteine schon eine sichere Basis gewonnen ist. Es wäre nur zu
wĂĽnschen , dass diese Gegend , welche fĂĽr die Petrographie der
genannten Gesteinsgruppe vieles Interessante zu liefern verspricht,
noch ferner der Gegenstand eifriger Forschung wĂĽrde.
Ich habe den Versuch gemacht, auf die vielen interessanten
Erscheinungen, welche die dort auftretenden Eruptivgesteine bieten,
aufmerksam zu machen, nicht als ob die anderen Vorkommnisse dieser
Art in der Monarchie besser studirt wären, sondern weil ich Gele-
genheit hatte, eben dort einige Beobachtungen zu sammeln, die ich
der Mittheilunff fĂĽr werth hielt.
Die Foraminiferen der westphälischen Kreideformation.
Von dein w. M. Prof. Dr. Aug. Em. Reuss.
(Mit 13 Tafeln.)
(Vorgelegt in der Sitzung am 20. Oetober 18Ă–9.)
1. Allgemeine Bemerkungen.
Seit zwei Decennien, als man ĂĽberhaupt der Kreideformation eine
grössere und ausgedehntere Aufmerksamkeit zu widmen begonnen
hat, haben auch die Kreidegebilde Westphalens, die eine so reiche
FĂĽlle wolilerhaltener Versteinerungen beherbergen, das Interesse der
Geognosten und Paläontologen in hohem Grade erregt. F. A. Bö-
mer *) war jedoch der erste, der es versuchte, nach den vorliegen-
den Petrefacten das relative Alter einiger dieser Schichten sorgfäl-
tiger festzustellen und dieselben mit den in der Kreideformation
anderer Länder , besonders Englands , das in dieser Beziehung
damals allein etwas genauer bekannt war, nachgewiesenen Etagen
zu parallelisiren. Dieser Versuch konnte in einer Zeit, wo die »eo-
gnostische und paläontologische Kenntniss der Kreideformation im
Allgemeinen und der westphälischen insbesondere noch sehr unvoll-
') Die Versteinerungen des norddeutschen Kreidegehirges. Hannover 1841.
1 4(S R e u s s.
kommen und lĂĽckenhaft war, natĂĽrlich nicht in allen Beziehungen
vollkommen gelingen.
Später hat der 7.11 früh der Wissenschaft entrissene Professor
Becks in MĂĽnster durch eifriges locales Forschen und Sammeln
von Versteinerungen wesentlich zur Förderung der Kenntniss des
in Rede stehenden Schichtensystemes beigetragen. Leider sind
die Resultate seiner Forschungen nicht veröffentlicht, sondern nur
theilweise von Anderen benutzt worden. Die vollständigste und dem
jetzigen Stande der Wissenschaft entsprechendste Untersuchung der
Kreidegebilde Westphalens verdanken wir Herrn Prof. Dr. F. Römer.
der die Ergebnisse derselben in einer umfassenden Monographie *)
zur Kenntniss der gelehrten Welt brachte. Nicht wenig haben ferner
zur Aufhellung mancher dunkler Punkte und zur Berichtigung
einzelner IrrthĂĽmer die trefflichen sehr detaillirten Untersuchungen
beigetragen, die Herr v. Strombeck ĂĽber die Reihenfolge, beson-
ders der norddeutschen Kreideschichten anstellte. Endlich darf ich
die Bereicherungen nicht unerwähnt lassen, welche besonders der
chemischen Kenntniss der westphälischen Kreidegebilde durch die
eifrigen und erfolgreichen BemĂĽhungen des Herrn von der Marck
in Hamm zu Theil wurden 2).
Gleichen Schritt mit den geognostischen Studien dieser Gebilde
gingen die paläontologischen Forschungen; ja diese bildeten vielmehr
die Basis der ersteren. Schon Goldfuss lieferte in seinem bekannten
Prachtwerke: „Petraefacta Germaniae" die Beschreibung und Abbil-
dung einer nicht unbedeutenden Anzahl von Versteinerungen aus den
in Rede stehenden Schichten, welche Graf von MĂĽnster gesammelt
hatte. Eine noch grössere Anzahl derselben finden wir in dem schon
oben angeführten Werke F. A. Römer's verzeichnet und bildlich
dargestellt. Ihre Zahl wurde durch den Sammeleifer des Prof.
Becks nicht unbedeutend vermehrt. F.Römer benützte dieselben
vorzugsweise zur Charakterisirung einzelner Etagen der westphäli-
schen Kreideformation und zur Bestimmung ihres Alters, und lieferte
1) Die Kreidebildungen Westphalens. Eine geognostische Monographie. Bonn 1854.
~) Chemische Untersuchung von Gesteinen der oberen westphälischen Kreideformation.
In den Verhandl. d. naturf. Ver. f. Rhein), u. Westph. Bd. XII, p. 2CĂĽ> u. f., und in
d. Zeitschrift d. deutschen geol. Ges. Bd. VIII, p. 1T>2 n. f. — Chemische Untersuchung
westphälischer Kreidegesteine. Zweite Reihe. In d. Verhandl. der nalurf. Ver. f.
Rheinl. u. Westph. Jahrg. XVI.
Die Foraminiferen der westphälischen Kreideformation. 14:9
zuerst vollständigere Listen der in einzelnen derselben vorkommen-
den Versteinerungen. Werthvolle Beitrage hat in der jĂĽngsten Zeit
auch Herr von derMarck, besonders durch Beschreibung interes-
santer Reste von Fischen, Crustaceen und Cephalopoden geliefert *).
Eine vollständige Zusammenstellung der westindischen Kreidever-
steinerungen ist aber bisher noch nirgends gegeben worden.
Alle genannten Untersuchungen beschränken sich ferner auf die
grösseren Versteinerungen. Jene von sehr kleinen Dimensionen, wie
z. ß. die Foraminiferen wurden bisher gänzlich vernachlässigt, trotz-
dem dass sie dieselbe Bedeutung fĂĽr die Charakterisirung der einzel-
nen Schichten für sich in Anspruch nehmen können , wie die Reste
höher organisirter Thiere. Herrn von der Marck gebührt das
Verdienst, zuerst seine Aufmerksamkeit dieser umfassenden aber
sehr stiefmütterlich behandelten Thierclasse innerhalb der westphäli-
schen Kreidegebilde zugewendet zu haben. Er scheute die mĂĽhevolle
Arbeit nicht, eine grosse Anzahl derselben zu sammeln und theilweise
auch zu bestimmen.
Einen Theil der gewonnenen Resultate legte er in einer interes-
santen Abhandlung ĂĽber die Diluvial- und Alluvialablagerungen im In-
nern des Kreidebeckens von MĂĽnster nieder, welche eine reiche FĂĽlle
von Kreideversteinerungen auf secundärer Lagerstätte beherbergen.
Ăśberdies stellte er umfassende Listen der in den Kreideschichten
zahlreicher einzelner Localitäten gefundenen Arten zusammen, die
er im Manuscripte mir mitzutheilen die Gefälligkeit hatte. Ebenso
verdanke ich seiner zuvorkommenden Güte Schlämmrückstände der
Kreidegesteine von zahlreichen Fundstellen, welche grösstenteils
mehr weniger reich an Foraminiferenschalen waren, so wie einzelne
Partien schon ausgelesener solcher kleiner Fossilreste. Mit diesen
weithvollen Gaben verband Herr von der Marck zugleich das
Ersuchen, das erhaltene Material einer genauen Untersuchung zu
unterziehen und das Resultat als einen Beitrag zur umfassenden
paläontologischen Kenntniss Westphalens der Öffentlichkeit zu über-
geben.
Sehr gerne habe ich die gewĂĽnschte und auf die freundlichste
und uneigennĂĽtzigste Weise unterstĂĽtzte Arbeit unternommen und
*) Über einige Wirbelthiere , Crustaceen und Cephalopoden der westphälischen Kreide.
In der Zeitschrift der deutschen geol. Ges. 18Ă–8, p. 231 u. f.
150 Reuss.
theile nun die Ergebnisse derselben auf den nachfolgenden Blättern
mit, mit dem Wunsche, dadurch wenigstens theilweise eine LĂĽcke
in der Kenntniss der reichen Kreidefauna Westphalens ausgefĂĽllt zu
haben.
Die Zahl der wohlerhaltenen, zum grössten Theile mit voll-
kommener Sicherheit bestimmbaren Foraminiferenarten, die in den
Gesteinen der westphälischen Kreideformation aufzufinden mir gelang,
erhebt sich bis zu 152. Es ist ĂĽbrigens wahrscheinlich, dass diese
Zahl sich in der Folge noch bedeutend erhöhen wird. Von den
genannten Arten ist unter den Monothalamien nur die Gattung Cornu-
spira, welche nebst Lagena unter denselben am frĂĽhesten aufzutreten
scheint, durch eine Species vertreten. Die ĂĽbrigen 151 Arten sind
ohne Ausnahme mehrkammerige Arten (Polythalamia, Polystegia) .
Von den Hauptabtheilungen derselben erscheinen hier die Sticho-
stegier (68 Arten), Helicostegier (70 Arten) und Enallostegier
(13 Arten). Die Agathistegier, die in der Kreideformation ĂĽberhaupt
nur selten und ausnahmsweise zum Vorschein kommen , scheinen
der westphälischen Kreide ganz zu fehlen. Ebenso suchte ich unter
den Helicostegiem die Abtheilung der zweireihigen Cassiduliniden
vergebens.
Die 68 Species von Stichostegiern sind auf 7 Gattungen ver-
theilt — Nodosaria und Dentalina aus den Nodosariden; Glandulina
aus den Glanduliniden ; Frondicularia und Iihabdogonium aus den
Frondiculariden ; Vaginnlina aus äenVaginnliniden und Pleurosto-
mella aus den Pleurostomelliden. Neben den Stichostegiern (Iihab-
doideen) sind unter den Helicostegiem die gleichseitigen Nauti-
loiden mit 37 Arten besonders reich vertreten, während die doch
eine weit grössere Anzahl von Gattungen umfassenden ungleich-
seitigen Turbinoidcn nur 29 Arten , die in den Kreidegebilden
ĂĽberhaupt seltenen Polymorphinideen nur 4 Arten geliefert haben.
Unter den Nautiloidcn ist es wieder die Familie der Cristellariden,
die die Mehrzahl der erwähnten Arten (33) dargeboten hat. Neben
ihnen sind aber auch die Pencropliden mit 3 Arten, die ĂĽberhaupt
vorzugsweise der Tertiärzeit und der Jetztwelt angehörigen Nonio-
niden nur mit einer Species vertreten.
Unter den Turbinoiden fallen nur die Gattungen Rotalia
(6 Arten) und Bulimina (9 Arten) durch eine grössere Artenzahl auf.
Dagegen erscheinen sämmtliche bisher in der Kreide überhaupt
Die Foraminiferen der westphälischen Kreideformation.
151
bekannten drei Gaudryina - Arten in den westphälischen Kreide-
gebilden. — Die 13 Arten der Textilarideen gehören nur zwei
Gattungen — Proroporus (1 Sp.) und Textilaria (12 Sp.) — an.
Das eben Angegebene lässt sich deutlicher und mit einem
Blicke aus der nachstehenden tabellarischen Ăśbersicht, deren Anwen-
dung sich yoii selbst ergibt, ersehen.
Cristellaridae
Peneroplidae
Cornuspira S c h u 1 1 z e
Nodosaria d'Orb 10) ,T , . ,
} Jyodosaridae . •
Dentalina d'Orb 28)
Glandulina d'O r b 3J Glandulinidae .
FrondiculariaVeir.. . . ^)Fron(Ucularidae
Rhabdogonium Rss. . . . 3[
Vaginulina d'Orb 4} Vaginulinidae .
Pleurostomella Rss. . . . 2} Pleurostomellidae
Margimdina d'Orb. . . . 11
Cristellaria d'Orb. . . .16
Robulina d'Orb 1
Flabellina d'Orb 5
Haplopliragmium Rss. . . 2
Lituola Lamk 1
Nonionina d'Orb ll Nonioninidae
Rotalia Lamk 6
Valmdina d'Orb 2
Rosalina d'Orb 2
Anomalina d'Orb 2
Truneatulina d'Orb. ... 1
Globigerina d'Orb. ... 1
Bulimina d'Orb 9
Verneuilina d'O r b. . . . 2
Tritaxia Rss 1
Gaudryina d'Orb 3
Pyrulina d'Orb 1
Guttulina d'Orb 1
Globulina d'Orb 2
Proroporus Ebrbg. .
Textilaria Defr. . .
Tabellarische Ibersicht.
. 1} Monothalamia 1
. 38\ \
s.
I 68
33
3
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12)
§13
Die Gesteine, in deren Schlämmrückständen ich Foraminiferen
in grösserer oder geringerer Zahl aufgefunden habe, gehören theils
den oberen Seiionschichten mit Belemnitella mucronata, theils dem
unteren Senonien (Schichten mit Belemnitella quadrata), theils dem
Pläner, theils der Tourtia, theils dem Gault an.
SiUfo. (1. matuein.-uaturw. Cl. XL. Bd. Kr. N.
II
152 I! e u s s.
Die untersuchten Gesteine der oberen Senongrnppe stammen
vom Hilgenberge, Westberge, Herrnsteinberge, Kurkenberge bei
Hamm , von Dolberg und SĂĽstwarte bei Beckum, und von Drenstein-
furth. Der unteren Senongrnppe zuzurechnen sind die Gesteine von
Hamm, Flierich, Haustenbeck, Bergeamen, Uedinghoff, Ostheide bei
Hamm und vom Rhynerberg bei Haustenbeck an der Senne. In das
Gebiet des Pläners müssen die Schichten von Horde, Ahaus, Unna,
Graes, Wullen bei Ahaus, und Opherdieke, so wie die oberen Schich-
ten von Essen und von Rheine eingereiht werden, während die tiefer
liegenden von letzterer Fundstätte dem Gault beizuzählen sind.
Am wenigsten ergiebig in Beziehung auf Foraminiferen waren die
Gesteine der Tourtia von Essen und von Spelldorf zwischen Essen
und Mühlheim; der grösste Reichthum dagegen entfaltete sich in den
oberen Senonmergeln des Hilgenberges bei Hamm.
Ich halte es fĂĽr ĂĽberflĂĽssig, die in den Gesteinen jeder der eben
genannten Localitäten aufgefundenen Foraminiferen speciell anzu-
fĂĽhren, um so mehr da im speciellen Theile dieser Abhandlung ohne-
dies bei jeder Species sämmtliche mir bekannte Fundorte namhaf
gemacht werden. Eine wiederholte Aufzählung würde einerseits
unnbthigen Raum in Anspruch nehmen und ĂĽberdies den Leser
ermüden. Von der andern Seite könnten die gegebenen Listen doch
keinen Anspruch auf irgend eine Vollständigkeit machen, da meine
Untersuchungen sich nur auf die geringe Menge des mir zur Dispo-
sition gestellten Schläuimrückstaudes stützen. Eine vollständigere
Übersicht der Foraminiferenfauna einer Localität Iässt sich aber nur
durch fortgesetzte und möglichst umfassende Forschungen erlangen,
weil nach meinen bisherigen vielfachen Erfahrungen jede einzelne
Schichte neben einer Anzahl durch alle identische Schichten hin-
diirchgeliender gemeinschaftlicher Arten immer mehr weniger zahl-
reiche eigenthĂĽmliche Formen umschliesst.
Herr von der Marck fĂĽhrt desshalb in seinen Verzeichnissen
von manchen Fundorten eine grössere Anzahl von Arten an, als ich
zu entdecken im Stande war , und manche Gesteine, in denen ich
durch meine beschränkten Untersuchungen nichts aufzufinden ver-
mochte, haben ihm bei reicherem Materiale eine Ausbeute geliefert.
Ich beschränke mich daher darauf, die Foraminiferen, welche ich in
den allgemein angenommenen Schichtengruppen der westphälischen
Kreideformation durch Autopsie kennen gelernt habe, collectiv zu-
Die Foraminiferen der westphälischen Ki-eideformation. 153
sammenzustellcn, da sich daraus wenigstens annähernd jene Formen
ergeben werden, die als charakteristisch fĂĽr die einzelnen Etagen
anzusehen sind.
Die grösste Anzahl von Arten lieferte die obere Abtheilung der
Senongruppe — die Schichten mit Belemnitella mucronata — , ins-
besondere jene vom Hilgenberge bei Hamm, die einen ungemeinen
Formenreichthum zu beherbergen scheint. Die gefundenen Arten
sind: Cornuspira cretacea Rss. (1), — Nodosaria lepida m., N.
concinna m., N. intercostata m., N. obscura Rss., N. Zippei
Rss., N. inflata Rss. (6), — Dentalina acuminata m., D. subrecta
m., D. megalopolitana Rss., D. annulata Rss., D. pugiunculus m.,
D. cognata rn. , D. Lilli Rss., D. marginuloides Rss., D. cylin-
droides m. , D. catenulu m., D. oligostegia Rss., D. Lomeiana
d'Orb., D. gracilis d'Orb., D. legumen Rss., D. expansa m.,
D. filiformis Rss.?, D. lineolata Rss., D. Marcki m., D. acu-
leata d'Orb. (19), — Glandidina manifesta Rss., Gl. elongata
in., Gl. cylindracea Rss. (3), — Frondicularia turgida Rss.,
Fr. angulata d'Orb., Fr. Decken i m., Fr. BecJcsi m., Fr. Gold-
f'ussi in., Fr. marginata Rss., Fr. striatula Rss., Fr. inversa
Rss., Fr. angusta Nilss. , Fr. angustissima m., Fr. Archiacina
d'Orb. (H), — Khabdogonium Römeri m., Rh. globuliferum m.,
(2), — Pleurostomella subnodosa m. (1), — Marginulina bid-
lata Rss., M. elongata d'Orb., 31. ensis Rss., M. bacĂĽlum m.,
M. seminotata m. , 31. omatissima m. (6), — Cristellaria recta
d'Orb., Cr. Hagenowi m., Cr. inepta m., Cr. harpa m., Cr. trian-
gularis d'Orb., Cr. Marcki m. , Cr. inflata m. , Cr. ovalis Rss.,
Cr. rotulata Lam. sp., Cr. microptera m. (10), — Robulina lepida
Rss. (1), — Flabellina rugosa d'Orb., Fl. interpunctata v. d.
Marck,i<7. macrospira m. (3), — Haplophragmium aequale Rom.
sp., H. irreguläre Rom. sp. (2), — Lituola nautiloidea Lam. (1),
Nonionina quaternaria Rss. (1), - — Rotalia polgrraphes Rss.,
R. eoesculpta m., /?. nitida Rss., i?. 31icheliniana d'Orb. (4), —
Valrulina allomorphinoides in. (1), — Rosalina ammonoides Rss.,
.#. marginata Rss. (2), — Anomal ina moniliformis Rss. (1), —
Bulimina varbiailis d'Orb., Z>. ofos« Rss., 2?. Murchisoniana
d'Orb. 2?. intermedia Rss., 2?. Ovulum Rss., 2?. Presli Rss., 2?.
Orbignyi Rss., (7), — Yerneuilina Bronni Rss., F. Münsteri
Rss. (2), — Tritaxia tricarinata m. (1),— Gaudryina oxy-
11*
[ 5 4 R e U 8 s.
cona m., G. rugosa d'Orb. (2), — Pyrulina acuminata d'Orb.
(1), — Guttulina elliptica Rss. (1), — Globulina globusa v. M.
sp., G. porrecta m. (2), — Textilaria tarris d'Orb., T. conulus
Rss., T. pupa m., T globifera m. , T. concinna Rss., T. foeda
Rss., T, Partschi Rss., T. flexuosa m. (8).
Vorstellende Liste weiset in den westphälischen Mukronateu-
scliicbten die bedeutende Zahl von 99 Arten auf, — eine Anzahl, die
durch fernere Untersuchungen ohne Zweifel vermehrt werden wird.
Ăśberblickt man die Liste nur flĂĽchtig, so bemerkt man sogleich, dass
die monothalamen Foraminiferen, die überall erst in der Tertiärperiode
in etwas reicherer Artenzahl erscheinen, hier nur durch Comuspira cre-
tacea vertreten werden, sämmtliche anderen 98 Arten aberpolythalame
Formen sind. Von diesen fallen 42 Arten auf die Stichostegier, 48 auf
die Helicostegier und 8 Arten auf die Textilariden. Von den Helico-
stegiern gehören 24 Arten den gleichseitigen Nautiloiden — und zwar
20 den Cristellariden , 3 den Peneropliden und 1 den Nonioniden
— an, 20 Species den ungleichseitigen Turbinoiden und nur 4 den
Polymorphiniden, die sich auch erst in derTertiärperiode zu reicherer
FĂĽlle entfalten. Wir sehen, dass also auch hier, wie in der gesammten
Kreideformation, die Stichostegier und die Cristellariden die grösste
Artenzahl und Mannigfaltigkeit entwickeln. Die reichste Artenzahl
bieten ĂĽbrigens die Gattungen Nodosaria (5), Dentalina (19),
Frondicularia (11), Cristellaria (10), Bulimina(7), und Textilaria
(8) dar, und hierin kömmt die westphälische Kreide mit jener anderer
Länder überein.
Die untere Abtheilung der Senonschichten — die Schichten mit
Belemnitella quadrata — lieferten mir: Comuspira cretacea Rss.
(1), — Dentalina tenuicaudata m., D. distincta m.?, D. discre-
pans in., D. cylindroides m., D. Lorneiana d'Orb., D. communis
d'Orb., D. gracilis d'Orb., D. legumen Rss., D. aculeata
d'Orb. (9), — GlanduUna cylindracea Rss. (I), — Frondi-
cularia marginata Rss., Fr. striatula Rss., Fr. lanceola m. (3),
— Margiuulina lata m., M. modesta in., M. ensis Rss. (3), —
Cristellaria navicula d'Orb., Cr. ovalis Rss., Cr. rotulata Lam. s p.
(3), — Flabellina rugosa d'Orb., Fl. cordata Rss., Fl. interpunc-
tata v. d. Mk. (3), — Haplophragmium irreguläre Rom. sp. (1),
— Nonionina quaternaria Rss. (1), — Iiotalia polyrraphes
Rss., II. e.vsculpta m., It. nitida Rss., R. Micheliniana d'Orb.
Die Foraminiferen der westphälischen Kreideformation. 1 o5
(4), — Valvulina allomorphinoides m. , V. spicula Rss. (2), —
Rosalina marginata Rss. (1), — Truncatulina convexa Rss.
(1), — Globigerina cretacea Rss. (1), — Bulimina variabilis
d'Orb., B. Murchisoniana d'Orb., B. Ovulum Rss., B. Presli
Rss., B. Orbignyi Rss. (5), — VerneuiUna Bronni Rss.,
V. Münsteri Rss. (2), — Tritaxia tricarinata m. (1), —
Gaudryina oxycona m., G. rugosa d'Orb. (2), — Globulina
porrecta m. (1), — Textilaria conulus Rss., T. pupa in.,
T. globifera m., 7". /o^rf« Rss., T. anceps Rss., 71. praelonga
Rss., T. flexuosa m. (7).
Die Zahl der im unteren Senonien gefundenen Foraminiferen ist
demnach beinahe nur halb so gross, als in dem oberen. Sie beträgt
nur öl Arten. Sie gehören, mit Ausnahme der schon vorerwähnten
Cornuspira, insgesammt den Polythalamien an. Wiewohl diese der
Art nach grösstentheils mit jenen der oberen Senonschichten über-
einstimmen, so stellen sich doch in der Quadratenkreide die relativen
Zahlenverhältnisse ganz anders dar. Die Stichostegier treten sehr
zurück, belaufen sich nur auf 13 Species, während die einreihigen
Helicostegier 31 Species , mithin mehr als das Doppelte liefern.
Unter den letzteren sind wieder die Nautiloiden im Verhältnisse zu
den Turbinoiden in den Hintergrund getreten ; beide verhalten
sich wie 11 : 19. Die Polymorphiniden sind bis auf vier Species
herabgesunken. Dagegen haben die Textilariden relativ nicht ab-,
eher zugenommen ; sie haben noch 7 Arten aufzuweisen. Die
artenreichsten Gattungen des unteren Senon sind: Dentalina (9),
Bulimina (5) und Textilaria (7); die anderen bei dem oberen
Senonien hervorgehobenen sind an Artenfiille schon zurĂĽck-
gegangen.
Noch geringer scheint die Zahl der Arten zu sein, welche der
westphälische Pläner umschliesst. Ich kann nach eigener Untersuchung
nennen: Cornuspira cretacea Rss. (1), — Dentalina subrecta in.,
D. legumen Rss. (2), — Cristellaria acuta m.?, Cr. rotulata Lam.
sp. (2), — Haplophragmium irreguläre Rom. sp. (1), — Rotalia
lenticula Rss. ,i?. polyrraphes Rss. , R. nitida Rss., R. Miche-
liniana d'Orb. (4), — Valvulina spicula Rss. (1), — Rosalina
ammonoides Rss., R. marginata Rss. (2), — Anomalina compla-
nata Rss. (1), — Globigerina cretacea d'Orb. (1), — Bulimina
variabilis d'Orb., B. Murchisoniana d'Orb., B. Ovulum Rss., B.
1 50 R e u ss.
Presll Rss., B.Orbignyi Rss., B.polystropha Rss. (6), — Verneui-
lina Münsteri Rss. (1), — Tritaxia tricarinata m. (1), — Gau-
dryina pupoides d'Orb., G. oxycona Rss. (2), — Textilaria tur-
ris d'Orb., T. globifera Rss., T. concinna Rss., T. foeda Rss.,
T. anceps Rss., T. praelonga Rss. (6). —
Die Zahl der Arten, welche ich aus dem Pläner Westphalens
sammelte (31), beträgt beinahe nur ein Dritttheil jener der oberen
Senonabtheilung. Auch hier gehören beinahe wieder alle (o0)
den Polythalamien an. Die vorwiegendste Gruppe bilden aber im
Gegensatze zu den frĂĽher dargelegten Ergebnissen die llelico-
stegier mit 22 Species, von denen der bei weitem grösste Theil (19)
den Turbinoiden, nur drei den Nautiloiden angehören. Die Zahl
der Stichostegier ist sogar bis auf zwei Dentalina- Arten herab-
gesunken. Die Gattung Textilaria ist in ihrer Artenzahl beinahe
gleich geblieben (6). Neben diesen sind Bulimina und Rotalia
(4) die artenreichsten Gattungen. In der Individuenzahl dĂĽrften
aber Rosalina marginata und Globigerina cretacea alle anderen
ĂĽbertreffen.
Reicher an Arten ist wieder der Gault, von dem aber nur die
oberste Abtheilung — der Minimusthon — bei Rheine entwickelt
zu sein scheint. Wenigstens gehören alle Schichten, von denen mir
Proben zur Untersuchung vorlagen, diesem an. Die Entscheidung,
ob auch tiefere Schichten dieser Gruppe innerhalb der Grenzen
Westphalens entwickelt sind, muss kĂĽnftigen Forschungen anheim-
gestellt bleiben. Die von mir nachgewiesenen Foraminiferenarten
sind: Cornuspira cretacea Rss. (1), — Nodosaria nana m., N.
duplicicostata m. , N. obscura m., N. prismatica m. , X. tetragona
m. (5), — Dentalina subrecta m. , D. commutata m. , D. distincta
m.,D. cyUndroides m.,D. catenula m. , D. strangulata in., D.
intermedia m., D. legumen Rss. (8), — Frondicularia gaultina
m., Fr. g uest phalica m. (2), — Vaginulina transversalis m., V.
arguta m., V. bicostulata m., V. notata m. (4), — Pleurostonw/fa
fusiformism. (1), — Marginulina soluta m., M. inaequdlis m.
(2), — Cristellaria tripleurtt m., Cr. acuta in., Cr. rotiilata Lam.
sp., Cr. secans in. (4), — Rotalia polyrraphes Rss., R. umbonella
in. (2), — Rosalina marginata in. (1), — Globigerina cretacea
d'Orb. (1), — Bulimina Presli Rss., B. Orbignyi Rss. (2), —
Verneuilina Münsteri Rss. (1), — Tritaxia tricarinata in. (1), —
Die Forarainiferen der wesiphälischen Kreideformation. 157
Gaudryina pupoides d'Qrb., G. oxycona m. (2), — Proroporus
complanatus m. (1), — Textilaria bolivinoides m., T. parallela
m. (2). -
Wie aus dem vorstehenden Verzeichnisse hervorgeht, steigt
die Zahl der im Minimusthone Westphalens angetroffenen Foramini-
feren wieder bis auf 40, von denen 39 den Polythalamien beizuzäh-
len sind. Zugleich gewinnen die Stichostegier mit 20 Arten wieder
die Oberhand, wie in den beiden Abtheilungen der Senongruppe.
Davon gehört die Mehrzahl (13) den Nodosariden an, nur zwei den
Frondiculariden, eine den Pleurostomelliden, dagegen 4 den Vagi-
nuliden, die in den frĂĽher besprochenen Kreideetagen keine Vertreter
gefunden hatten. Die Helicostegier haben nur 15 Arten aufzuweisen,
von denen die Mehrzahl (9) wieder den Turbinoiden, und nur (6)
den Nautiloiden angehören und zwar durchgehends den Cr ist eil 'ari-
den. Die Polymorphiniden sind unter den bisher bekannten Arten
gar nicht vertreten. Auch die Enallostegier sinken von ihrer For-
menfülle herab; sie beschränken sich auf 3 Species, den Gattungen
Proroporus und Textilaria angehörend. Mit Ausnahme der Sticho-
stegier-Gattungen Dentalina (8), Nodosaria (5) und Yaginulina
(4) ist nur noch die spiralreihige Sippe Cristellaria etwas reich-
licher— mit 4 Arten — vertreten.
In der zweiten Reihe seiner chemischen Untersuchungen westphä-
lischer Kreidegesteine (Verhandl. des naturhist. Vereines der Rhein-
lande und Westphal. Jahrg. XVI) beschreibt Herr von der Marck
auch Gaultgesteine von Ahaus und gibt von dem Gault an der Fran-
kenmĂĽhle ein in den dortigen SteinbrĂĽchen sichtbares Profil und
fĂĽhrt auch eine Anzahl von Foraminiferen an, welche er darin ent-
deckte. Es sind dies aber, mit Ausnahme einiger auch in den höheren
Kreideschichten heimischer Arten, Species, die nicht dem Gault, son-
dern dem Hils angehören. Diese Ansicht wurde durch Autopsie der
Fossilreste, welcheHerr von derMarck, meiner Bitte entsprechend,
mir mit freundlicher Bereitwilligkeit zusandte, bestätigt. Leider konnte
ich, da die Foraminiferen zwischen Glasplatten in Canadabalsam ein-
geschlossen waren, keine ganz genaue Untersuchung derselben vor-
nehmen. Doch waren Botalia caracolla Rom. sp. , R. ornata Rom.
sp. und R. Orbignyi Rom. sp. mit ziemlicher Sicherheit zu erken-
nen. Diese drei Species sind von Römer und mir im Hilsthon, nie
aber im Gault gefunden worden. Die anderen mir zugesandten Arten
158 R e u s s.
sind Vaginulina hamulosa n. sp., ähnlich der V. arguta in., aber
deutlich verschieden, Cristellaria nodigera n. sp., zwei Vaginulina,
l Rosalina, 1 Frondicularia (Bruchstück), die alle nicht näher
bestimmt werden konnten. Mit Sicherheit lässt sich aber der Ausspruch
thun , dass sich darunter keine einzige charakteristische Gaultspecies
befindet. Es werden daher M-enigstens jene Schichten, denen die
besprochenen Fossilreste angehören, nicht dem Gault zugezählt
werden können. Vielmehr dürfte es wahrscheinlich sein, dass sie in
die Abtheilung des Hils gehören.
Die Tourtia von Essen, ein festes Gestein, von dem mir keine
geschlämmlen Proben zukamen, hat wohl desshalb nur drei Forami-
niferenarten geliefert, die durch ihre Grösse ausgezeichnete Denta-
lina polypkragma m. und die weit verbreiteten Rotalia polyrraphes
Rss. und Rosalina marginata Rss. Vielleicht gelingt es später
ihre Zahl zu vermehren und dadurch ein zur Vergleichung taugliches
Material zu erlangen.
Um eine genauere Vergleichung der in den einzelnen Etagen
der westphälischen Kreideformation vorkommenden Foraminiferen-
species zu erleichtern und ĂĽberhaupt die Vertheilung derselben mit
einem Rlicke ĂĽberschauen zu lassen, gebe ich hier eine tabellarische
Zusammenstellung sämmtlicher mir bisher daraus bekannt gewordener
Species nach den einzelnen Etagen, in welche die Formation nach
der allgemeinen Annahme zerfällt. Zugleich sind die Abtheilungen
der Kreidegebilde, in welchen die betreffenden Species auch ausser-
halb Westphalens angetroffen wurden , beigefĂĽgt, ohne aber die ein-
zelnen Fundorte namhaft zu machen. Es wĂĽrde dies der Tabelle
einen zu grossen Umfang verliehen haben, dĂĽrfte ĂĽberdies ĂĽber-
flĂĽssig sein, da in dem speciellen Theile der Abhandlung ohnehin
bei jeder Species sämmtliche mir bekannte Fundorte namentlich ange-
fĂĽhrt werden.
Die Foraminiferen der westphäliselien Kreideformation.
159
Tabellarische Zusammenstellung der Kreideforamiiiiferen Westphalens
nach den einzelnen Etagen.
9.
10.
11.
12.
13.
14.
15.
16.
17.
18.
19.
20.
21.
22.
23.
24.
25.
26.
27.
28.
29.
30.
31.
32.
33.
34.
35.
36.
37.
38.
39.
40.
41.
42.
Cornuspira cretacea Rss.
Nodosaria lepida m. . .
„ concinna m.
„ nana in. . . .
„ intercostata m.
„ duplicicostata m.
„ obscura Rss. .
„ prismatica m. .
„ Zippei Rss. .
„ inflala Rss. .
„ tetragona m.
Dentalina acuminata in. .
„ subrecta in. . .
„ megalopolitana R
„ annulata Rss. .
„ tenuicaudata m.
„ commutata in. .
„ pugiunculus m.
„ co g natu m. . .
„ distincta m. . .
„ discrepans in. .
„ Lilli Rss. . .
„ marginuloides R s
„ cylindroidcs m.
„ catenula in. . .
„ strangulata in. .
„ oligostegia Rss.
„ Lorneiana d'Orb
„ intermedia m. .
„ communis m. .
„ gracilis d'Orb.
„ legumen Rss. .
„ expansa m. . .
;> filiformes Rss.
„ lineolata Rss. .
„ Marcki in. . .
„ polyphragma in.
„ aculeata d'Orb.
„ foedissima in. .
Glandulina manifesta Rss.
„ elongatu m.
„ cylindracea Rss.
Krpidpgebildc
Westphalens
+
+
+
KreidegrliiUlc anderer
Länder
+
+
+
+
100
R e u s s.
99
Kreidegebilde
Wcstplialeiis
Kreidegebilde anderer
Lander
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o
7.
S
z
5
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a
o
i
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0
44. „ angulata d'Orb.
47. „ apicidata Rss. .
48. „ Goldfitssi m. . .
49. „ marginata Rss. .
50. „ canaliculata Rss.
52. „ inversa Rss. . .
53. „ strigiUata m. . .
55. „ microdisca m.
56. „ striatula Rss.
57. „ angusta Nilss. .
59. „ Archiacina d'O r b.
62. „ globidiferum in.
63. „ anomalum m. .
68. Plcurostomclla subnodosa m. .
73. „ elongata d'Orb. .
76. „ ensis Rss. ...
77. „ bacillum in. . . .
81. Cristellaria recla d'Orb. . .
82. „ angusta Rss. . .
87. „ triangularis d'Orb.
88. „ navicula d'Orb. .
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9
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9
9
+
9
Die Foraminiferen der west|>halischen Kreideformation.
161
Kreidegebih
WestpEalens
Kreidegebilde anderer
Länder
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O •_ u
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89. Cristellaria Marcki m. . .
91. „ oligostcgia Rss.
92. „ ovalis Rss. . .
93. „ acuta m. . . .
94. „ rotulata Lam. sp
97. Rohulina lepida Rss. . . .
98. Flabellina rugosa d'Orb. .
99. „ Bau dou in ia na d'Orb
100. „ cor data Rss. . .
101. „ inter punctata v. d. M
103. Haplophragmium aequale R. sp
104. „ irreguläre R. sp
105. Lituola nautiloidea Lam. .
106. Nonionina quaternaria Rss.
108. „ polyrraphes Rss. .
112. „ Micheliniana d'Orb.
113. Valvulina allomorphinoidesM
114. „ spicula Rss. . .
113. Rosalina ammonoides Rss.
116. „ marginata Rss. .
117. Anomalina complanata Rss.
118. ,, moniliformis Rss
119. Truncatulina conrexa Rss.
120. Gluhigerina cretacea d'O r b.
121. Bulimina variabilis d'Orb.
123. „ Murchisoniana d'Orb
124. „ intermedia Rss. .
126. Bulimina ovulum Rss. . .
127. „ Presli Rss. ...
128. „ Orhignyi Rss.
129. „ polystropha Rss. .
130. Verneuilina Bronni Rss. .
131. „ Münsteri Rss.
132. Tritaxia tricarinata m. . .
133. Gaudry ina pupoides d'O r b.
134. „ oxycona m. . .
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135. Gaudryina rugosa d'O r b. . .
139. „ porrecta m. . . .
141. Textilflria iurris d'Orb. . .
142. „ conidus Rss. . .
144. „ glubifcra m. . . .
145. „ concinna Rss. . .
147. „ foeda Rss. . . .
148. „ Partschi Rss. . .
149. „ aneeps Rss. . . .
150. „ praclonga Rss. .
152. „ flcxuosa m. . . .
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Aus der voranstellenden tabellarischen Ăśbersicht lassen sich
bei genauerer PrĂĽfung einige SchlĂĽsse ziehen. Vor allem ergibt sich,
dass 59 Species den Schichten der westphälischen Kreideformation
eigenthĂĽmlich oder doch bisher nirgend anders gefunden worden
sind. Es sind: Nodosaria lepida, concinna, nana, intercostata,
duplicicostata, prismatica, tetragona; Dentalina acuminata , sub-
reeta, tenuicaudata , commutata, pugiunculus, cognata, distineta,
discrepans, catenula, sträng ulata, intermedia, expansa, Marcki,
polyphragma , foedissima; Glandulina elongata ; Frondicularia
Decheni, Becksi, Goldfussi, gaultina, strigiĂĽata, guestphalica,
microdisca, angustissima, lanceola; Rhabdogonium Römeri, globu-
liferum, anomalum; Vaginulina transversalis, bicostulata, notata,
ornatissima; Cristellaria Ilagenowi, inepta, liarpa, tripleara,
Marcki, inflata, microptera; Flabellina interpunetata, macrospira;
Rotalia utnbonclla, exsculpta; Globulina porrecta; Proroporus
complanatus ; Textilaria parallela.
Freilich wird ohne Zweifel ein Theil der genannten Fossilreste
sich in der Folge auch anderwärts, besonders in der Kreide des
Die Foiaminiferen der westphälischen Kreideformation. 1 63
nordwestlichen Deutschlands und des nachbarlichen Aachener Ge-
bietes, wiederfinden, wenn diese in dieser Beziehung genauer
durchforscht sein wird. Von den oben angefĂĽhrten 59 Arten
gehören 38, also beinahe zwei Drittheile den Stichostegiern, 19 den
Helicostegiern und nur 3 den Textilariden an; und selbst von den
19 spiralreihigen Arten sind 16 zu den Cristellariden, welche
mit den Rhabdoiden unmittelbar zusammenhängen, nur 2 zu den
Turbinoiden, 1 zu den Polymorphinideen zu rechnen. Man muss
also den hervorstechenden Charakter der westphälischen Kreide-
gebilde , besonders der oberen , in der grossen Anzahl der ihnen
eigentĂĽmlichen Stichostegier und Cristellariden suchen.
Ferner gelangt man zu der Ăśberzeugung, dass die Foramini-
feren-Fauna des Gault in ihrer Physiognomie wesentlich verschieden
ist von jener der oberen Kreideschichten, wenn auch fernere
ausgedehntere Untersuchungen des in dieser Beziehung bei weitem
nicht genügend erforschten Gault noch eine etwas grössere Zahl
beider gemeinschaftlicher Species herausstellen werden. In dem
in Westphalen nur spärlich vertretenen Gault (von Rheine und
Ahaus) sind bisher 39 Species — 1 Monothalamier, 20Stichostegier,
15 Helicostegier (6 Cristellariden und 9 Turbinoiden) und 3 Texti-
lariden — von mir nachgewiesen worden, also beinahe das Vier-
theil sänimtlicher westphälischer Kreideforaminiferen. Von ihnen
gehören 19 dem westphälischen Gault eigentümlich an; zwei sind
auch im Gault Norddeutschlands, 7 zugleich in den oberen Kreide-
schichten Westphalens und anderer Länder, 10 endlich sowohl in
diesen , als auch im Gault anderer Gegenden aufgefunden worden.
Untersucht man die 12 im Gault anderer Länder wieder-
gefundenen Arten, so findet man, dass 6 auf das Niveau des oberen
Gault (Minimusthon), 3 auf den mittleren Gault (Milletianus- und
Tardefurcatusthon), 2 auf beide zugleich, 1 endlich (die fast durch
die gesammte Kreideformation hindurchgehende Cristellaria rotulatd)
auf alle drei Abtheilungen des Gault fallen. Wir dĂĽrfen daher wohl mit
ĂĽberwiegender Wahrscheinlichkeit schliessen, dass dieGaultschichten
von Rheine dem oberen Gault und zwar dem Minimusthone angehören,
was durch die anderen, die Foraininiferen begleitenden grösseren
Versteinerungen bestätigt wird.
Nur eine Species — Haplophragmium aequale Rom. sp. — , die
in Westphalen in den Mucronatenschichten liegt, taucht in Nord-
1 64 Heus s.
deutscliland im Hilsthone des Hilses wieder auf, ohne dass sie mir
bis jetzt aus den zwischenliegenden Schichten der Kreideformation
bekannt geworden wäre i'). So auffallend dies ist, vermag ich doch
die Exemplare von beiden Fundstätten durch kein wesentliches Merk-
mal zu unterscheiden.
Weit grösser ist die Anzahl der Foraminiferen in den oberhalb
des Gault liegenden Schichten der westphälischen Kreideformation.
Wenn man die 17 zugleich im Minimusthone vorkommenden Arten
hinzu zählt, steigt ihre Zahl auf 119. Dagegen sind bisher 102 nur in
den Schichten der oberen Kreide aufgetreten. Aus diesem Verhält-
nisse leuchtet die grosse Verschiedenheit der oberen Kreide und des
Gault in Beziehung auf die zugehörigen Foraminiferen am klarsten
hervor. — Aus dem Cenomanien — derTourtia von Essen und Spell-
dorf — habe ich leider nur 3 Species (Dentalina polyphragma,
CristeĂĽaria rotulata und Rotalia polyrraphes) kennen gelernt, von
denen aber die beiden letzten, in fast allen Kreideetagen wieder-
kehrend, keine Bedeutung haben können. Nur die erstgenannte
dürfte der Tourtia eigenthümlich angehören. Bei der so geringen
Anzahl der Arten ist ĂĽbrigens jeder Versuch, das Cenomanien durch
seine Foraminiferen zu charakterisiren, von vorne herein unmöglich.
Ich muss aber gleich hier erwähnen, dass es mir auch nach den
zahlreichen Arten, welche ich im norddeutschen Cenomanien auf-
fand, nicht thunlich scheint, einen unterscheidenden Charakter des-
selben in seinen Foraminiferen zu suchen. Es sind mit wenigen
Ausnahmen Arten, die auch dem Senon und dem Planer gemein-
schaftlich zukommen 3). Vielleicht fĂĽhren ausgedehntere Unter-
suchungen in der Folge zu den gewĂĽnschten Besultaten.
') Das Neocomien zeigt in Beziehung- auf seine Foraminiferen eine noch bei wei-
tern grössere Selbstständigkeit und eine schärfere Abgrenzung, als der Gault,
indem es nach meinen bisherigen Erfahrungen kaum eine Species mit dem Gault
und den höheren Kreideschichten theilt. Eine Annäherung an den Gault ver-
räth es nur darin, dass es gleich diesem besonders reich an Arten von Vaginulina,
Rhäbdagonium , Frondicularia und Cristeüaria erscheint; jedoch sind dieselben
ohne Ausnahme specifisch verschieden von den Arten des Gaultes.
a) Solche gemeinschaftliche Species sin d: Oristellaria rotulata La m.sp., Haplophragmium
irreguläre Rom. sp., Rotalia polyrraphes llss., Rosalina ammonoides Rss., Bulimina
variabilis d'Orb. , />'. Prcsli Rss. , />'. Orbignyi Rss., Tritaxia tricarinata m. Als
eigenthĂĽmlich kann ich nur anfĂĽhren : Textilaria platycona m., Tritaxia pyrami-
dalis und sulcata in. und Quinqueloculina acutimargo m.
Die Foraminiferen der westphälischen Kreideformation. \ ߣJ
Der nicht sehr artenreiche Planer Westphalens hat mir bisher
31 Species geliefert. Von diesen ist eine einzige Species sowohl
in Westphalen als auch in Böhmen auf den Pläner beschränkt ge-
blieben (Bulimina polystropha Rss.). Alle ĂĽbrigen kommen auch in
anderen Kreideschichten Westphalens und anderer Länder vor.
Nur eine Species hat der Pläner ausschliesslich mit dem Gault
gemeinschaftlich (Cristcllaria acuta m.); 17 mit dem Senonien,
12 zugleich mit diesem und dem Gault, — fast sämmtlich Arten,
die eine sehr ausgedehnte verticale Verbreitung zeigen. Acht seiner
Arten kehren auch im Cenomanien wieder; aber dies sind auch
fast durcbgehends Arten von sehr weiter Verbreitung in den Kreide-
gebilden, die insbesondere auch in der obersten Abtheilung der-
selben zum Vorschein kommen. Daraus ergibt sich zur Geniige, dassdie
Foraminiferenfiiuna des Planers die grösste Verwandtschaft mit jener
der Senonschichten, besonders der Quadratenkreide, verräth und
beinahe gar keine besonderen EigenthĂĽmlichkeiten darbietet. Dieselbe
Erscheinung wiederholt sich an dem Pläner anderer Länder. Eine
ausgedehntere Kenntniss der Pläiierforaminiferen dürfte in Zukunft viel-
leicht doch noch eine grössere Zahl charakteristischerFormen liefern.
Viel des EigenthĂĽmlichen bieten dagegen die Senonschichten
dar, so dass dieselben auch durch die Foraminiferen recht wohl
charakterisirt erscheinen. Vor allem umschliessen sie unter allen
Kreideschichten — in Westphalen sowohl als in anderen Ländern —
die grösste Fülle von Foraminiferen. In Westphalen liegen von der
Gesammtzahl derselben 113 Species, also fast drei Viertheile, in den
Senonschichten. Unter denselben befinden sich: 1 Monothalamier,
47 Stichostegier, 55 Helicostegier und 10 Textilariden. Vier Arten
"aben die Senonschichten mit dem Gault, 15 Arten mit dem Pläner,
9 mit beiden zugleich und 2 endlich mit dem Pläner, Cenomanien und
Gault gemeinschaftlich; daraus ergibt sich die schon erwähnte grosse
Verwandtschaft der senonischen Foraminiferen mit jenen des
Planers, dagegen eine viel entferntere mit jenen des Gault. Es bleiben
daher, wenn man zugleich das Vorkommen in anderen Ländern in
Rechnung bringt, 68 Arten auf die Senongruppe beschränkt, mithin
eine hinreichend grosse Anzahl um diesen Schichtencomplex zu cha-
rakterisiren. Wenn dieselbe sich in der Folge auch von einer Seite
verringern sollte, wird sie dagegen von der andern gewiss einen noch
stärkeren Zuwachs erhalten.
166 R « " ■s.
Von den genannten Arten gehören 36 den Stichostegiern,
28 den Helicostegiern (19 den Nautiloideen, 9 den Tnrhinoideen)
und 4 den Textilarideen an. Darin spricht sich die Erscheinung aus,
dass das Senonsystem vorzugsweise durch das Ăśbergewicht und die
besonderen Formen der Rhahdoideen, vorzĂĽglich Nodosariden , und
der gleichseitigen Helicostegier, charakterisirt werde.
Weit schwieriger dürfte eine schärfere Trennung der Forami-
niferen der oberen und unteren Senonabtheilung — der Mucrona-
ten- und der Quadratenkreide — werden, besonders wenn noch um-
fassendere Untersuchungsresultate gewonnen sein werden, indem
sich dann gewiss manche Species, die nach den bisherigen Erfah-
rungen auf eine der beiden Abtheilungen beschränkt ist, auch in der
andern wiederfinden wird. Am meisten des Eigenthümlichen trägt
die Mucronatenkreide an sich, was sich auch an jener Westphalens
erkennen lässt. Dieselbe zählt 30 Species, die bisher in keiner andern
Abtheilung der Kreideformation angetroffen worden sind. Freilich
befindet sich darunter ein grosser Theil der 59 Arten, die bis jetzt
überhaupt auf die westphälische Kreideformation beschränkt geblieben
sind. 25 Arten hat in Westphalen zwar ebenfalls nur das obere Senon
geliefert; in anderen Ländern treten sie aber auch in tieferen Kreide-
schichten, vorzĂĽglich in der Quadratenkreide und zum Theile auch
im Pläner, auf. 71 Arten haben sich in Westphalen nur in den beiden
Abtheilungen der Senongruppe vorgefunden, 10 derselben sind aber
in anderen Gegenden auch noch in tieferen Schichten vorgekommen.
23 Arten endlich gehen wenigstens durch drei, mitunter auch durch
beinahe alle Etagen der Kreideformation, mit Ausnahme des Neoco-
mien, hindurch. Ich kann nur 3 Species anfĂĽhren, welche in West-
phalen und zugleich anderwärts aus den Grenzen der oberen Senon-
gebilde nicht herauszutreten scheinen. Es sind Lituola nautiloidea
Lam., Glandulina manifesta R ss. und Pyrulina acuminata d'Orb.
Ein noch weit weniger charakteristisches Gepräge trägt die
untere Senongruppe — die Quadratenkreide — an sich, da beinahe
alleinihr vorkonimendenForaminiferenarten auch in dem oberen Seno-
nien und zum Theil auch im Pläner wieder zum Vorschein kommen.
Die westphälischen Quadratenschichten besitzen nur 1 1 eigentüm-
liche Arten; aber selbst von diesen reicht die Mehrzahl — nämlich
8 Arten — in anderen Gegendon auch in die Mucronatenkreide hinauf
oder in den Planer hinab , so dass bisher nur die seltene Dentalina
Die Foraminiferen der westphälischen Kreideformation. 16/
tenuicaudata m. und discrepans m. und Frondicularia lanceola m.
ihr eigenthümlich anzugehören scheinen.
Alle diese auf den vorhergehenden Seiten ausgesprochenen An-
sichten werden in der Folge ohne Zweifel noch manche vielleicht
nicht unwesentliche Modification erleiden, wenn die Foraminiferen
der verschiedenen Etagen der Kreideformation ĂĽberhaupt und West-
phalens insbesondere einer sorgfältigeren und umfassenderen Un-
tersuchung unterzogen sein werden. Dadurch wird nicht nur eine
weit grössere Formenfülle bekannt werden, sondern auch ihre Ver-
keilung wird sich in mancher Beziehung anders als bisher her-
ausstellen.
II. Einige Bemerkungen ĂĽber den tirĂĽnsand.
Ich sehe mich genöthigt, am Schlüsse der vorstehenden Erör-
terungen einige Bemerkungen hinzuzufĂĽgen ĂĽber die glaukonitischen
Körner, die in wechselnder Menge manchen westphälischen Kreide-
gesteinen, besonders aus dem Gebiete des Pläners und Gault, bei-
gemengt sind, zuweilen in solcher FĂĽlle, dass die Gesteine dadurch
im Ganzen eine mehr weniger deutliche grüne Färbung annehmen
und dass die Schlämmrückstände derselben der Masse nach vorwie-
gend aus solchen grünen Körnern bestehen. Es ist dies bekanntlich
eine Erscheinung, die nicht etwa den westphälischen Kreidegebilden
eigenthümlich zukömmt, sondern die sich in allen Ländern , in allen
Formationen, von der silurischen an aufwärts bis zu den jüngsten
Abtheilungen der Tertiärformation, wiederholt.
Ich beobachtete diese Körner unter den westphälischen Kreide-
gesteinen in beträchtlicher Zahl in dem Schlämmrückstande desGrüu-
sandes des Pläners von Werl, Unnau.a.O.; im cenomanen Grünsande
von Horde und Essen; in geringerer Menge in vielen Plänern und
selbst in senonischen Gesteinen, z. B. den oberen Senonmergeln von
Sendenhorst u. a. 0.
Ehrenberg *) war der erste, der darauf aufmerksam machte,
dass die erwähnten Glaukonitkörner organische Formen an sich tragen
und sich als Steinkerne von Foraminiferen zu erkennen geben.
Mitunter sind dieselben in ihrem ganzen Umfange erhalten, so dass es
J) Über den Grünsand und seine Erläuterung des organischen Lebens. 1836. Aus den
Abhandl. d. k. Akad. d. Wiss. zu Berlin.
Sitzh. d. mathem.-naturw. Cl. XL. Bd. Nr. 8. 12
1 68 Rens s.
geringen Schwierigkeiten unterliegt, die Gattung, welcher sie ange-
hören, mit Sicherheit oder docli annähernd zu bestimmen. Weit Öfter
sind die Steinkerne aber in ihre einzelnen Glieder zerfallen, und
dann ist selbst die Erkenntniss des organischen Ursprunges schon
mit grösseren Schwierigkeiten verbunden. Während Ehrenberg
sich in seinen früheren Mittheilungen darauf beschränkte, auf das
Erhaltensein einzelner Foraminiferen in dem GrĂĽnsande hinzuweisen,
ging dieser Gelehrte später weiter und stellte, auf zahlreiche müh-
same Untersuchungen sich stĂĽtzend , die Ansicht auf, dass aller
Glaukonit des GrĂĽnsandes organischen Ursprunges sei. Er sagt 1. c.
p. 101 ausdrücklich: die wahren körnigen Grünsande der Tertiär-
„zeit zeigen überall eingestreute wohl erhaltene Polythalamienkerne
„und das Vereinzelte und scheinbar Formlose macht sich massenhaft
„als Zusammenballung von Theilen und Splittern der ähnlichen
„Formen geltend. Sehr genau übereinstimmend mit solchen mehr
„vereinzelten und mehr zusammengeballten Steinkernen fand ich
„den Sand der Gebirgsmassen in derSecundär- und der Primärzeit."
Einer solchen gewagten Generalisirung einzelner unbestritte-
ner Thatsaehen vermag ich nicht beizupflichten. Wenn man frei von
vorgefasster Meinung nur die Thatsaehen in das Auge fasst, gelangt
man zu sehr abweichenden Resultaten. Der Glaukonit spielt in den
Sandsteinen and Mergeln ohne Zweifel eine ganz ähnliche Rolle,
wie der Feuerstein, Schwefelkies und viele andere Substanzen. Die
Glaukonitkörner, wenn sie auch nie eine beträchtliche Grösse errei-
chen, sind in der Regel nichts als concretionäre Bildungen, durch
Conceutration um gewisse Centra entstanden. Wenn man eine grosse
Anzahl derselben untersucht — und ich habe ebenfalls Grünsande
der verschiedensten Beschaffenheit und vom verschiedensten geolo-
gischen Alter genauer Prüfung unterzogen — , so findet man, dass
der bei weitem grösste Theil keine Spur von organischer Gestaltung
darbietet, sondern die gewöhnlichen Concretionsformen, kleine
kugelige, traubige und knollige Gestalten mit meistens sehr unregel-
mässiger gekörnter, warziger oder runzeliger Oberfläche. Es würde
offenbar einer sehr lebhaften Phantasie bedĂĽrfen . um darin regel-
mässige organische Gestalten oder doch Bruchstücke derselben zu
erkennen. Die Unsicherheit der gezogenen SchlĂĽsse leuchtet aus
Ehrenberg's Äusserungen selbst hervor. Er sagt 1. c. p. 89 aus-
drücklich: „Zwar scheinen die grossen Massen des grünen Sandes
Die Foraminiferen der westphälischen Kreiileformatinn. \ ßj)
„in den Körnchen beim ersten Anblicke ohne organische Gestaltung;
„allein bei intensivem Vergleichen Hess sich allmählich soviel
„davon auf organische Versteinerung und besondere Steinkernbil-
„dung zurückführen, dass das Übrigbleibende als die nothwendig
„existirenden Bruchstücke durch Zerklüftung und unvollkommene
„Verkieselung angesehen werden könne".
An einem andern Orte (1. c. p. 96) beschränkt sich Ehren-
berg darauf, von einer „überraschenden Menge an Organisches
erinnernd er Einzelheiten" zu sprechen. Darin spricht sich nicht
sowohl sichere objective Beobachtung , als nur individuelle An-
sicht aus. Ich habe bei dem grössten Theile der Glaukonitkörner
nicht nur keine Andeutung organischer Form, sondern absolut unre-
gelmässige, unorganische Gestalten gesehen.
Weit seltener vermochte ich an denselben deutliche Formen
von Foraminiferen oder von einzelnen Theilen derselben wahrzuneh-
men. Entweder sind diese ganz in Glaukonitsubstanz umgewandelt
und dann ist der Umriss am regelmässigsten erhalten. Dies beob-
achtete ich nur selten an Globigerina cretacea und Textilaria
globifera aus dem turonischen Grünsand von Unna. Häufiger bietet
der Grünsand nur Steinkerne, während die kalkige Schale durch
Auflösung verloren gegangen ist. Solche undeutlichere Steinkerne
kommen am häufigsten im Grünsande von Unna, Worl, Horde u. s.w.
vor. So finden sich Cristellaria rotulata, Globigerina cretacea,
Textilaria globifera, Gaudryina rugosa, Rosalina marginal a.
Arten von Rotalia, Textilaria, Nodosaria, Dentalina u. s. w. , die
eben der Species nach nicht bestimmt werden können. Endlich trifft
man an vielen Localitäten Schalen von Foraminiferen, die entweder
ganz in Kieselerde umgewandelt sind oder ihre kalkige Natur noch
vollkommen beibehalten haben, im Innern aber durch glaukonitische
Substanz mehr weniger erfĂĽllt erscheinen. Dieselbe tritt mitunter
nur in isolirten kleinen kugeligen Partikeln auf; bald bildet sie grös-
sere Concretionen, die einen bedeutenden Theil des Hohlraumes der
Kammern einnehmen. Zuweilen werden die Glaukonittheilchen von
Partien amorpher farbloser oder auch durch Eisenoxydhydrat gelb
oder gelbbraun gefärbter Kieselerde begleitet. Dadurch erhalten ein-
zelne Foraminiferen eine bunte Färbung, wie Ehren berg derglei-
chen sehr schön aus den Tertiärschichten von Alabama abbildet (I.e.
T. 7) und wie ihrer Herr von der Marck (z. B. von Cristellaria
12*
170 Reuss.
rotulatd) auch aus den westphälischen Kreidegesteinen anführt und
mir zur Ansicht gefalligst mitgetheilt hat. Wenn man Proben des
geschlämmten glaukonitischen Sandes mit sehr verdünnter Salz-
säure behandelt, kann man in dem ungelösten Rückstande die geschil-
derten Zustände sehr schön beobachten. Man überzeugt sich zuweilen,
dass die Kammerhöhlnngen ganz oder theilweise mit zahllosen sehr
feinen Körnchen farbloser oder durch Eisen gefärbter Kieselerde,
die aber im polarisirten Lichte unter dem Mikroskope sehr oft deut-
liche Farbenerscheinungen zeigte, mit oder ohne Glaukonit erfĂĽllt
waren.
In Gesellschaft dieser fossilen Foraminiferenschalen befinden sich
Gehäuse, die normal nur aus kohlensaurem Kalk bestehen; andere,
die ganz oder theilweise in Kieselerde umgewandelt wurden *);
x) Von diesen durch den Versteinerungsprocess erst später umgewandelten Fora-
miniferenschalen niuss man jene unterscheiden , welche schon ursprĂĽnglich, im
normalen Zustande , ganz oder theilweise aus Kieselerde bestehen. Viele Te.vti-
larien (T. carinata d'Orb., Poppelaki Rss., eoncinna Rss. u. a. m.), Gaudryina
ruyosa d'Orh., Clavulina communis d'Orb., Haplophragmium irreguläre Rom. sp. und
andere Arten mit rauher Schale brausen zwar lebhaft mit Sauren auf, lösen sich
aber, in verdünnter Salzsäure erwärmt, nicht vollständig- auf, sondern lassen einen
feinen durchsichtigen Kieselsand ungelöst zurück, der unter dem Mikroskope zum
Theile aus sehr feinen Körnchen , zum Theile aus grösseren flachen unregelmäs-
sig eckigen Plättchen besteht. Im polarisirten Lichte unter dem Mikroskope
betrachtet zeigt er bei Drehung des Nicols deutliche Farbenveränderungen, die
besonders klar hervortreten, wenn man die zu untersuchende Probe mit einem
dünnen Glimmerblättehen bedeckt. Man hat es also offenbar mit der krystallini-
schen Modilication der Kieselerde zu thun. Oh dieselbe schon ursprĂĽnglich vor-
handen war oder sich erst durch den Versteinerungsprocess aus der amorphen
gebildet hat, will ich nicht entscheiden. — Bei Lituola nautiloidca Lam. ist die
Menge des Kalkcarbonates noch geringer. Die Gehäuse behalten , auch wenn sie
durch längere Zeit in der Wärme mit Salzsäure digerirt werden, wie auch schon
von derMarck bemerkte, ihre Form und ihren Zusammenhang bei, lassen sich aber
sehr leicht mit dem Finger zu dem erwähnten Kieselpulver zerdrücken. Bei
Bulimina variabilis, Puschi , Presli , d'Orbi/jnyi und anderen nur mit feinen
Rauhigkeiten bedeckten Arten dauert das Aufbrausen in der Säure nur kurze Zeit; das
Gehäuse bleibt nicht nur in der Form ungeändert , sondern auch der Zusammen-
hang der sehr feinen Kieselkörperchen, aus denen die Schale zum grössten Theile
besteht, wird nur sehr wenig aufgelockert, so dass es einer bedeutenden Ein-
wirkung bedarf, um denselben aufzuheben. Es scheint, wie Schul tze richtig
vermuthet , die Kieselerde ĂĽberhaupt in der Zusammensetzung der Foraminiferen-
schalen eine grössere Rolle zu spielen, als man vermuthete. Es steht nun auch
die S c h u I tze'sche Beobachtung der Polymorphina silicea (Schul tze Poly-
thalem. p. 61, T. 6, F. 10, 11) nicht mehr vereinzelt , sondern dieselbe Structur
findet sich bei sämmtlichen Foraminiferen mit rauher Schale wieder. Auch die Polymur-
Die Foraminiferen der westphälischen Kreideformation. 1 T 1
seltener solche, die durch Pyrit vererzt sind, aus welchem mit-
unter durch einen pseudomorphen Oxydationsprocess später wieder
Limonit entstanden ist. Der letzteren (besonders Textilaria globi-
fera in.) erwähnt von der Marck aus dem thonigen unteren Senon-
mergel und ich sah dergleichen (Nummulites, Amphistegina Haueri
d'Orb., Textilaria Poppelacki Rss. u.a.m.) in den verschiedensten
Tertiärschichten. Nonionina placeuta Rss. (Jahrb. d. deutschen
geol. Ges. 1851, p. 72, T. 5, F. 33) aus den Oligocänmergeln von
Freienwalde und Herinsdorf stellt beinahe stets aus Limonit beste-
hende Steinkerne dar. Alle diese Erscheinungen sind nur durch eine
Verdrängungspseudomorphose, der sich in der Folge manchmal
noch ein pseudomorpher Umwandlungsprocess hinzugesellte, entstan-
den und derselben Gruppe von Erscheinungen mĂĽssen offenbar auch
die totalen oder partiellen Glaukonitpseudomorphosen der Fora-
miniferen zugesellt werden, welche man so häufig in den Grünsanden
antrifft. Man kann dort alle Stufen des pseudomorphen Processes
beobachten, bald nur theil weise oder totale Steinkernbildung, bald
wieder auch Verdrängung der Kalkschale durch Glaukonitsubstanz.
Durch diese Anschauungsweise wird aber auch der Mangel jeder
phina silicea enthält Kalkcarbonat, wenu auch in sehr untergeordnetem Verhält-
nisse; denn nach der Einwirkung' von Salzsäure wird die Schale porös und lässt
sich zerdrücken. Der ungelöste Rückstand besteht aus feinen Kieselkörnchen von
verschiedener Grösse, deren grössere flach, unregel massig erscheinen, wie Schu 1 tze
1. c. F. 11 deutlich abbildet. Diese Kieselpartikeln sind aber, schon wegen dieser
constanten Form, nicht etwa Sandkörnchen, die, schon fertig gebildet, von dem Thiere
zur Bildung der Schale verwendet werden, wie d'Orb ign y von einigen Foraminiferen-
arten mit sehr rauher Sehale, z. B. Bigenerina agglutinans, Textularia agglutinans, un-
richtigbehauptet ; sie werden offenbar, wie der kohlensaure Kalk, von dem Thiere selbst
abgesondert und bilden einen ursprĂĽnglichen und wesentlichen Bestandteil der
Schale. Ganz anders verhalten sieh die Foraminiferen mit glasiger oder porzellanarti-
ger Schale. Diese besteht, so lange sie nicht etwa durch den Versteinerungs-
process verändert ist, nur aus Kalkcarbonat und löst sich in Säuren vollkommen
auf. Bei lebenden Foraminiferen bleiben nach der Lösung- organische tnembranöse
Theilchen zurück, zuweilen zusammenhängend und noch die Gesammtform der
Kammerhöhlungen darbietend, oft aber schon durch die bei der Lösung statt-
findende Gasentwickelimg zerfallend. Fossile Foraminiferen dagegen hinterlassen
nach dem Autlösen wechselnde Mengen von Kieselerde, braunem oder rothem Eisen-
oxyd u. s. w., welche die Kaminerhöhlungen theilweise oder ganz erfüllen. In letz-
terem Falle erhält man vollkommene innere Schalenmodelle, an denen mandieForm
der einzelnen Kammern und ihren Zusammenhang durch einzelne oder mehrfache
Röhrencanäle sehr deutlich beobachten kann. Fast nie sind die Kammerhöhlungen
leer oder nur mit Kalkspath erfĂĽllt.
172 R e ii s s.
innigem notwendigen Beziehung zwischen Glaukonit und den orga-
nischen Formen der Foraminiferen dargethan. Der Glaukonit tritt,
gleich der Kieselerde, dem Schwefelkiese, dem Brauneisensteine
u. s. w. in die Beihe der zufälligen Versteinerungsmittel zurück und
die demselhen zugetheilte Prärogative, auf unerklärbare Weise stets
die Form der Foraminiferen annehmen zu mĂĽssen, verschwindet von
selbst.
Einer der wichtigsten GegengrĂĽnde liegt endlich auch darin,
dass der Glaukonit auch als versteinernde Substanz anderer grösserei*
Fossilien auftritt. Herr von der Marck theilte mir gefälligst lange,
dünne, beinahe cylindrische Körper aus dem Griinsande der Tourtia
von Spelldorf mit, die im Innern ganz aus amorpher Glaukonitsubstanz
bestehen, äusserlich aber mit einer dünnen unebenen Schichte ocheri-
gen Limonites ĂĽberzogen sind. Da wo dieselbe sich absprengen Hess,
erkannte man deutlich die in Längsreihen rund um die Stämmchen
stehenden ZellmĂĽndungen, welche die Gattungen Cellaria und Vin-
cularia charakterisiren, ohne dass man im Stande wäre, die Species
näher zu bestimmen. Es geht daraus wohl unzweifelhaft hervor, dass
der Glaukonit, gerade so wie Kieselerde, Pyrit, Markasit und viele
andere Mineralsubstanzen, unter günstigen Umständen Foraminiferen
zu versteinern vermöge, ohne dass man behaupten könnte, dass
aller Glaukonit, Pyrit, Markasit u. s. w. organische Form an sich
trage. Man ist daher auch nicht berechtigt zu der Ansicht, dass aller
Glaukonit des Grünsandes ganze oder dochfragmentäre Steinkerne von
Foraminiferen darstelle. Bailey (Silliman Journ. 1856, XXII, p. 280
bis 284) bestätigt zwar die Beobachtungen Ehrenberg1s über die
Polythamienkerne im Kalksteine von Alabama, setzt aber ausdrĂĽcklich
hinzu, dass viele Glaukonitkörner nicht von erkennbarem organischem
Ursprung sind, daher wegen ihrer sehr unregelmässigen Gestalt
nicht von Foraminiferen abgeleitet werden können. Dagegen ist er
wohl geneigt, dieselben sämmtlich für kieselige oder eisenkieselige
Ausfüllungen leerer Bäume in organischen Körpern, welche nachher
selbst zerstört worden sind, zu betrachten. (Leonh. u. Br. Jahrb.
1851, 1, p. 91, 92.)
III. Ăśber die Versteinerungen des Dilavialsandes von Hamm.
Der gefälligen Mittheilung sowohl des Herrn Dr. von der Marck
in Hamm, als auch des Hrn. Dr. Krantz in Bonn verdanke ich
Die Forstrainiferen «ler westphälischen Kreideformation. 1 T3
unter andern auch eine ansehnliche Menge des schon von den grobem
Theilen befreiten Diluvialsandes von Hamm. Obwohl der erstere der
genannten Herren in seiner Abhandlung ĂĽber die Diluvial- und Allu-
vialablagerungen im Innern des Kreidebeckens von MĂĽnster (in den
Verhandlungen des naturh. Ver. der Rheinl. u. Westph. XV. Jahrg.)
die Versteinerungen derselben schon ausfĂĽhrlich verzeichnet und
besprochen bat, will ich doch jene organischen Reste, die ich selbst in
denselben fand, hier zusammenstellen, da ich doch manche schärfere
Bestimmung in Beziehung auf die Foraminiferenschalen zu geben ver-
mag, wenn auch die Liste von der Vollständigkeit sehr entfernt ist
und den Umständen gemäss sein muss.
Die beobachteten Petrefacten sind folgende:
1. Cornuspira cretacea Rss.
2. Nodosaria lepida m.
3. „ Zippei Rss.
4. Dentalina annulata Rss.
5. „ cylindroides m.
6. „ catennla m.
7. „ oligostegia Rss.
8. „ aculeata d' 0 r b.
9. „ foedissiuia m. (v. d. Marck 1. c. p. 56, T. 1, F. 13,
mala ic.)
10. Frondicularia apicnlata Rss.
11. „ Goldfussi m.
12. „ marginata Rss.
13. „ canaliculata Rss.
14. „ strigillata m. (Fr. Cordai var. lineolata v. d.
Marck 1. c. p. 55, T. 1, F. 11.)
15. „ microdisca m. (Fr. bicornis (Rss.) v. d. Marck
1. c. p. 56, T. 1, F. 12.)
16. „ striatula Rss.
17. „ angnsta Nilss.
18. Rhabdogoninm anomal um m.
19. Marginulina ensis Rss.
20. „ bacillnm m.
21. „ armata m.
22. Cristellaria angnsta Rss.
174 R e u s s.
23. fristellaria Marcki Rss.
24. „ oligostegia m.
25. „ rotulata L a m. sp.
26. Flabellina rogosa d'Orb.
27. „ Baudouiniann d' Orb.
28. „ cordata Rss.
29. „ interpunctata v. d. Marck (I. c. p. 53, T. i, F. 5).
30. Ilaplopliragmiiim aequale Rom. sp.
31. „ irreguläre Rom. sp.
32. Lituola nautiloidea Lamk.
33. Rotalia polyrraphes Rss.
34. „ exsculpta m.
33. Rosalina niarginata Rss.
36. Olobigerina cretacea d'Orb.
37. Buliuiina variabilis d'Orb.
38. „ Murchisoniana d'Orb.
39. „ Puschi Rss.
40. „ oYuluin Rss.
41. „ Presli Rss.
42. Verneailiua MĂĽnster! Rss.
43. Tritaxia tricarinata m.
44. ftaudryina pnpoides d'Orb.
45. „ rugosa d'Orb.
46. Globalina porrecta m.
47. Textilaria conulus m.
48. „ concinna Rss.
49. „ aneeps Rss. —
50. Tragos globolaris Rss. (Kreideverst. Böhm. II, p. 78, 79, T. 20,
F. 5). Selten.
51. Cylindrische StielstĂĽcke von Scyphia pedunculata Rss. (I. c. II,
p. 75, T. 17, F. 7—9).
52. Bourgucticrinus ellipticus d'Orb. Häufige Säulen- und Ann-
glieder. Fragmentäre Kronen sehr selten.
53. Bruchstücke von Cidaritenstacheln, die aber ihres fragmentären
Zustande» wegen nicht mit Sicherheit bestimmbar sind. Sie
dĂĽrften wohl von C. filamentosa Ag. , C. sceptvifera Mant.,
C. subvesiculosa Ag. (am häufigsten), C. armata Rss. abstam-
men. C. veslculosa fand ich nicht.
Die Foraminiferen der westfälischen Kreideformat/on. 175
54. Fragmente von anderen unbestimmbaren Cidaritenstacheln. Meh-
rere Arten.
55. Eschara dichotoma Goldf. Sehr selten.
56. „ Lamarcki Hag. ? Selten.
57. „ ähnlich der E. macrostoma v. Hag. Sehr selten.
58. „ ähnlich der E. papyracea v. Hag. Sehr selten.
59. „ Atalanta d'Orb. ?
60. „ ähnlich der E. striata Goldf.
61. „ larcki n. sp., ähnlich der E. Eryx d'Orb. (Pal. frang.
terr. cret. T. 628, F. 11). Alle sehr selten und meistens abgerie-
ben, so dass sie keine vollkommen sichere Bestimmung gestatten.
62. Abgeriebene BruchstĂĽcke von LunuUtes, wohl von L. Goldfussi
v. Hag. Sehr selten.
63. Vincularia inicrostoma n. sp.
64. „ ähnlich der V. procera v. Hag.
65. „ sp. Alle sehr selten.
66. Echarites (Melicerites) inipressa n. sp. Sehr selten.
67. Myriozouin cyclostomum n. sp. Ebenfalls sehr selten.
68. Pnstnlipora teiiuissinia n. sp.
69. Cricopora antiqaa De fr. sp. (= Cr. annulata Rss.). Sehr
selten.
70. Idmonea sp. Sehr selten.
71. Crania striata Defr. Sehr vereinzelt.
72. Terebratulina chrysalis Schloth. sp.
73. „ Fanjasi Rom. sp. (Ist gewiss kein Jugendzustand
von T. striata.)
74. Schlossfragmente eines unbestimmbaren Inoceramus. Häufig.
75. Zahlreiche BruchstĂĽcke kleiner Schalen von Ostrea proteus
Rss. (1. c. I, p. 41, T. 27, F. 12—27).
76. BruchstĂĽcke und Steinkerne kleiner gethĂĽrmter Schnecken. Sehr
selten.
77. Deckel einer Bithynia.
78. Eine kleine Paludina.
79. Eine kleine Succinea.
80. Ein Pisidium. Die letztgenannten vier Conchylien sind nicht
fossil.
81. Beleuinitella qnadrata d'Orb. ziemlich häufig, meist in Bruch-
stĂĽcken.
176 I« e ii s s.
82. Serpula flnctnata Sow. Seltene BruchstĂĽcke.
83. „ subtorquata v. Mst. , aber schwachkantig, ganz über-
einstimmend mit der Beschreibung von Römer und den Exem-
plaren aus der böhmischen Quadratenkreide (Plänermergel).
84. Serpula omatissima n. sp. Sehr selten.
85. Bairdia snbdeltoidca v. Mst. sp.
86. Kleine unbestimmbare Fischwirbel,
87. Kleine Haifischzähne ohne Wurzel, ähnlich Scoliodon.
88. Fragmente kleiner Haifischzähne, vielleicht von Oxyrrhina
Mantelli A g.
89. Odontaspis raphiodon Ag. Kleine Zähne.
90. Fragmente kleiner Flossenstachel eines Spinaxt
Sämmtliche hier autgezählte Petrefacten stammen aus der Kreide-
formation. Dieselben sind also, wenn sie auch, wie die von Dr. von
derMarck gegebenen Listen ausser Zweifel setzen, mit organi-
schen Resten anderer Formationen, besonders der devonischen, des
Jura und des Wälderthones gemengt vorkommen, offenbar in vor-
wiegender Zahl vorhanden, was in der unmittelbaren Nähe mächtig
anstehender Kreidegesteine seine ungezwungene Erklärung findet.
Die nähere Betrachtung der namhaft gemachten Versteinerungen
lehrt uns aber auch, dass es vorzugsweise jĂĽngere Kreideschichten
sind, die dem Diluvialsande das organische Material geliefert haben.
Nehmen wir die 49 Foraminiferen-Species, fĂĽr welche die unter-
suchten Foraminiferen der anstehenden Kreidegesteine Westphalens
ein sehr willkommenes Material zur Vergleicbung darbieten, zum
Ausgangspunkte. 6 Arten, die bisher nur aus dem Diluvialsande
von Hamm bekannt sind, mĂĽssen dabei ausgeschieden werden, so
dass nur 43 Arten zur Vergleicbung erĂĽbrigen. Von denselben sind
10 nur in den Mucronatenschichlen theils Westphalens, theils
auch anderer Länder gefunden worden; 11 Arten zugleich im oberen
und unteren Senonien, 9 nebst diesen beiden Etagen auch noch
im Cenomanien; 7 Species gehen vom oberen Senon selbst bis in
den Gault hinab. FĂĽnf Arten sind zwar in Westphalen bisher nur im
Diluvialsande angetroffen worden, kommen aber ausserhalb des unter-
suchten Terrains auch in der Kreideformation vor, und zwar zwei
Arten in den Mucronatenschichten, 3 in der Quadratenkreide und im
Pläner. Zwei Species hat der Diluvialsand von Hamm nur mit den
Quadratenschichten gemein. Die eine derselben kehrt aber ausserhalb
Die Foraminiferen der westphälischen Kreideformation. 177
Westphalens in allen Kreidegliedern vom oberen Senon bis zum
Cenomanien herab wieder.
Es ergibt sich aus dem eben Vorgetragenen, dass von 43 Fora-
miniferenarten 40 zugleich in den Mucronatenschichten liegen, 32
in der Quadratenkreide. Es dĂĽrfte dadurch wohl der Schluss gerecht-
fertigt erscheinen, dass die im Diluvium von Hamm begrabenen Fora-
miniferen fast sämmtlich den in der Nachbarschaft anstehenden und
weit verbreiteten oberen und unteren Senonschichten entnommen
sind. Dass sie nicht aus der Ferne herbeigeführt worden sein können,
geht aus dem guten Erhaltungszustände der so kleinen und zerbrech-
lichen Schalen mit der grössten Wahrscheinlichkeit hervor.
Zu ganz analogen Resultaten gelangt man, wenn man die ĂĽbri-
gen Petrefacten des Diluviums von Hamm, die freilich viel weniger
vollkommen erhalten sind, in das Auge fasst. Ich sehe jedoch von
der weiteren Vergleichung ab, da vorzugsweise nur die Foraminiferen
den Gegenstand der vorliegenden Abhandlung bilden.
IV. Specielle Beschreibung der neuen oder unvollständig bekannten
Foraminiferen.
A. Monothalamia.
Cormispiriclae S c h u 1 1 z e.
Cornuspira Jfi» Schultze*
1. C. cretaceaRss. (OpercuUna er. Reuss. Verstein. d. böhm.
Kreideform. p. 35 , T. 13, F. 64, 65). — T. I, F. 1. — 0-6—1-6
Millim. gross, dünn scheibenförmig, im Umfange kreisrund, seltener
durch Verlängerung nach einer Richtung breit elliptisch. 10 — 15 in
einer Ebene spiral aufgerollte, wenig gewölbte, durch deutlicheNäthe
gesonderte Umgänge, die nur wenig involut sind, so dass jede auf
der Innenseite nur eine schwache Längsfurche zeigt, welche die
nächstvorhergehende Windung aufnimmt. Die innersten Umgänge
sind sehr dĂĽnn und schmal; nach aussen nehmen sie sehr langsam
au Rreite zu. Nur die äusserste wird schnell beinahe doppelt so breit
als die vorletzte und stärker involut. Zugleich aber werden die
Windungen nach aussen dicker, wodurch das Gehäuse in der Mitte
beiderseits viel dünner erscheint, als an den Rändern, und eine seichte,
schüsseiförmige Vertiefung darbietet. Die letzte Windung zieht sich
178 n e u s s.
dem Endo zunächst beträchtlich zusammen und die Mündung erscheint
dadurch bedeutend verengert.
Die Schalenoberfläche zeigt gewöhnlich ziemlich regelmässige,
stärkere und schwächere Anwachsringe.
Fundorte: Im westphälischen Kreidegebirge sehr verbreitet.
In den oberen Senonmergeln vom Kurkenberg und Herrensteinberg
bei Hamm, von Dolberg bei Beckum, Hilgenberg bei Hamm; in den
unteren Senonmergeln von UedinghofF bei Hamm, vom Rhynerberg,
Bergeamen, Hamm und von Ostheide bei Hamm; im Pläner von
Opherdieke bei Unna; im Gault von Rheine; im Diluvialsande von
Hamm. Überdies nicht häufig im Bakulitenthon von Luschitz und
Priesen in Böhmen; im Minimusthon von Eilum, im Milletianusthon
von Klein-Lopke bei Hildesheim und im Tardefurcatusmergel von
Quitzen bei Quarum.
B. Polythalamia.
I. Stichostegia d'Orb.
a) Nodosaridae.
Nodosaria d'Orb.
1. N. lepida m. — T. I, F. 2. — Länge = 1-316 Millim.,
Dicke = 0*365 Millim. Das kurze, verhältnissmässig dicke Gehäuse
besteht aus 6 — 7 rosenkranzartig aneinander gereihten, nach oben
langsam an Dicke zunehmenden gewölbten Kammern, welche etwas
breiter als hoch und durch tiefe Näthe getrennt sind. Die erste
Kaminer ist klein, stumpf und ohne Stachel. Die letzte fast kugelig,
etwas höher und dick, mit kurzem centralen Schnabel und gestrahl-
ter Mündung. Die Sehale glasig glänzend.
Sehr selten im oberen Senonmergel des Hilgenberges bei
Hamm und im Diluvialsand von Hamm.
2. N. concinna m. — T. 1 , F. 3. — Länge = 1-536 Millim.,
Dicke = 0-523 Millim. Steht der vorigen Species wohl nahe, unter-
scheidet sich aber durch nur vier gewölbte grössere Kammern, die
höher als breit sind. Die erste trägt einen sehr kurzen Central-
stachel; die letzte ist besonders gross und gewölbt, und zieht sich
rasch zu einer sehr kurzen dicken Spitze zusammen. Die MĂĽndung
ist ebenfalls gestrahlt, die Schaleuobertläche glatt und glänzend.
Die Foraminiferen der westphiilischeii Kreideformatron. 170
Von der sehr ähnlichen N. limbata d'Orb. ans der weissen
Kreide von Meudon (Mein, de la soc. geol. de Fr. IV. I, 1840,
p. 12, T. 1 , F. 1) unterscheidet sie sich durch den Mangel des
Nathsaumes.
Sehr selten in den Obersenonmergeln des Hilgenberges bei
Hamm.
3. N. nana m. — T. I, F. 6. — Eine sehr kleine, kurze, ver-
hältnissmässig dicke Species. Das grösste Exemplar misst nur
0-585 Millim. in der Länge, 0*219 in der Breite. Drei Kammern,
deren unterste am dicksten, fast kugelig ist und in eine kurze Cen-
tralspitze ausläuft. Die zweite längste ist etwas länger als breit und
wird von den beiden Endkammern durch massig tiefe Näthe geson-
dert. Die letzte kleinste läuft in eine kurze Spitze aus. Über das
Gehäuse verlaufen 8 — 9 schmale niedrige Längsrippen , die durch
doppelt breitere flache Zwischenräume geschieden werden.
Sehr selten im obersten Gault von Rheine.
4. N. intercostata m. — T. I, F. 4. — Länge : 1 -373 Millim.,
Breite : 0-329 Millim. Ähnelt einigermassen der mitteltertiären N.
bacillum Defr. (d'Orbigny, Foram. foss. du bass. tert. de Vienne,
p. 40, T. 1, F. 40—47).
Das nicht sehr lange, schlanke Gehäuse nimmt nach aufwärts
nur wenig an Dicke zu, ist beinahe cylindrisch. Die ungleichen, meist
niedrigen Kammern sind nur durch seichte Näthe gesondert. Die
erste, unten mit einer kurzen Stachelspitze bewaffnete ĂĽbertrifft
die nächstfolgende an Grösse nur wenig; die letzte endet in einen
kurzen centralen Schnabel. Über sämmtliche Kammern verlaufen
5 — 6 schmale niedrige Längsrippen, deren je zwei stets eine noch
feinere zwischen sich haben.
Sehr selten in den oberen Senonmergeln des Hilgenberges bei
Hamm.
5. N. duplicicostata m. — T. I, F. 5. — Länge : 0-921 Millim.,
Breite : 0*148 Millim. Eine kleine schlanke Species von spindelför-
miger Gestalt, an beiden Enden beinahe gleichförmig zugespitzt. Es
lassen sich nur drei Kammern unterscheiden. Die erste ist die
längste, — wenigstens vermochte ich selbst bei durchfallendem
Lichte keine weitere Theilung daran wahrzunehmen. — Sie ist
gleich der letzten zugespitzt. Die mittlere kĂĽrzeste ist doch noch
bedeutend höher als breit. Die Näthe sind sehr seicht. Über die
J80 R e u s s.
Schale verlaufen 4 — 5 stärkere und dazwischen eben so viele weit
schwächere Längsrippchen, die bis zur unteren Spitze des Gehäuses
herabreichen, die obere Hälfte der letzten Kammer aber frei lassen.
Sehr selten in den unterhalb des GrĂĽnsandes liegenden Schich-
ten des Gault von Rheine.
6. N. obscora Rss. (Verstein. der böhm. Kreideform. p. 26,
T. 13, F. 7—9.)
Sehr selten in den oberen Senonmergeln des Hilgenberges bei
Hamm und im Grünsande des Gault von Rheine. — Gemein im
Baculitenmergel vonLuschitz, selten in jenem vonKystra in Böhmen,
in der weissen Kreide von Kent und im lower chalk von Dover. Nach
Morris soll sie auch im Gault von Folkstone und im GrĂĽnsand von
Warminster vorkommen.
7. N. prisinatica m. — T. II, F. 2. — Ähnlich der N. Zippei Rss.
aus dem böhmischen Pläner (Reuss, Verstein. d. böhm. Kreideform.
p. 2ö, T. 8, F. 1 — 3) und der N. polygona Rss. aus den Kreide-
schichten von Wichmannsdorf und Basdorf in Mecklenburg (Zeitschr.
d. deutschen geol. Gesellschaft 1855, p. 265, T. 8, F. 7, 8) u. a. m.
Das Gehäuse ist in seiner ganzen Ausdehnung beinahe gleich
dick. Die erste Kammer nur wenig länger und schmäler als die
letzte, von derselben Gestalt und beide in eine kurze Spitze aus-
laufend. Die übrigen Kammern sind kaum gewölbt, wenig breiter als
hoch und nur durch schwache vertiefte Linien gesondert. Ăśber alle
Kammern laufen 6 sehr regelmässige schmale, am Rücken gerun-
dete Längsrippen herab, die durch viel breitere, ebene Zwischen-
räume getrennt sind. Die die Mündung tragende Spitze der letzten
Kammer ist glatt.
Sehr selten in den obersten Gaultschichten von Rheine.
8. N. Zippei Rss. (Verstein. d. böhm. Kreideform. I, p. 25,
T. 8, F. 1 — 3). Selten in den oberen Senonmergeln des Hilgenberges
und Westberges bei Hamm u. a. 0., im Diluvialsande von Hamm.
Sehr häufig im Pläner von Kosstitz u. a. 0. in Böhmen; seltener,
aber ebenfalls weit verbreitet in den böhmischen Bakulitenthonen;
in der weissen Kreide und im lower chalk Englands.
9. N. inflatti Rss. (Verstein. d. böhm. Kreideform. I, p. 25, T. 13,
F. 3, 4 — Zeitschr. d. deutsch, geol. Ges. 1855, p. 263, T. 8,
F. 2 — 4). Sehr selten in den oberen Senonmergeln des Hilgen-
berges bei Hamm. — Sehr selten im Bakulitenthone von Luschitz
Die Foraminiferen der westfälischen Kreideformation. 1 <S 1
in Böhmen; nicht selten in den Kreideschichten von Basdorf und
Wichmannsdorf in Mecklenburg.
10. N. tetragona m. — T. II, F. 1. — Diese Species ist durch ihr
vierkantiges Gehäuse von allen bekannten lebenden und fossilen Arten
verschieden. Das verlängerte Gehäuse nimmt nach oben nur wenig
und langsam an Dicke zu und ist an beiden Enden kurz zugespitzt.
Die Begrenzung der beinahe eben so hohen als breiten Kammern ver-
räth sich äusserlich nur durch sehr feine, undeutliche Linien; im
untersten Tbeile des Gehäuses ist sie gar nicht wahrnehmbar. Die
Kammern sind scharf vierkantig mit eingebogenen Seitenflächen,
so dass vier scharfe Längsrippen über die Seitenkanten des quadra-
tischen Gehäuses herabzulaufen scheinen. Die Schalenoberfläche ist
eben, aber nicht glänzend. Jedoch könnte dies auch durch spätere
Einwirkung lösender Substanzen bedingt sein.
Sehr selten im GrĂĽnsande des Gault von Rheine.
Itentalhia ĂĽ" 0 r b.
Die Arten dieser Gattung sind von Nodosaria keineswegs scharf
abgegrenzt. So sehr sich die exquisiten Formen beider auch von
einander zu unterscheiden scheinen, so werden dieselben doch
durch eine grosse Menge vermittelnder Zwischenformen zu einer
ununterbrochenen Reihe verbunden. Die sehr wechselnde KrĂĽm-
mung des Gehäuses, die grössere oder geringere Excentricität der
die Mündung tragenden Verlängerung der letzten Kammer bringen
die mannigfachsten Modificationen in der Gestalt der Dentalinen
hervor und führen ganz allmählich und unmerklich zu den echten
Nodosarien mit gerade gestreckter Schale und centraler MĂĽndung.
Die westphälischen Kreidegebilde sind sehr reich an Arten der
Gattung Dentalina. Ich kenne ihrer bisher 28, von denen bei wei-
tem die Mehrzahl den glatten meist sehr indifferenten und schwer
unterscheidbaren Formen angehören. Nur drei sind längsgerippt;
zwei Arten tragen Stacheln oder unregelmässige Höcker.
1. D. acuminata m. — T. I, F. 7 — Länge : 3-29 Millim.,
Breite : 0-577 Millim. Lang dolchförmig, gerade, sich nach abwärts
allmählich bis zur Spitze verschmälernd. Die Kammern zahlreich
(bis 16). Die untersten sehr klein und nur undeutlich gesondert.
Nach oben nehmen sie allmählich an Breite zu, bleiben aber immer
breiter als hoch , sehr wenig gewölbt und durch nur schwach
J$2 R e u s s.
eingedrückte Näthe begrenzt. Die letzte Kammer gross und gewölbt,
in eine kurze und dünne excentrische, weit rückwärts stehende
Spitze auslaufend. Eine schmale aber tiefe Nath trennt dieselbe von
der nächstälteren Kammer. Die Schale glasig glänzend. Sehr selten
in den oberen Senonmergeln des Hilgenberges bei Hamm.
2. D. snbrecta m. — T. I, F. 10. — Länge : 1 -39 Millim., grösste
Breite : 0'335 Millim. Der vorigen Species ähnlich, nur durch gerin-
gere Länge des Gehäuses, weniger zahlreiche Kammern, das stum-
pfere untere Ende und tiefere Näthe verschieden.
Die gerade Schale verschmälert sich abwärts allmälig und endigt
mit sehr stumpfer Spitze. Die ältesten Kammern sind äusserlich
nicht von einander geschieden. Die ĂĽbrigen jedoch werden durch
schmale aber ziemlich tiefe Näthe abgegrenzt. Die letzte Kammer
kugelig mit kurzer, beinahe an der RĂĽckenseite stehender Spitze und
gestrahlter Mündung. Schale glasig glänzend.
Sehr selten in den oberen Senonmergeln des Hilgenberges bei
Hamm, im Pläner und im obersten Gault von Rheine.
3. Dcntalina megalopolitana Rss. (Zeitschr. d. deutschen geol.
Ges. 1855, p. 267, T. 8, F. 10). Sehr selten im oberen Senon-
mergel des Hilgenberges bei Hamm. — Sehr selten im Kreidekalke
von Basdorf in Mecklenburg.
4. D. annolata Rss. (Die Kreideverst. Böhm. I, p. 27, T. 8,
F. 4, 67; T. 13, F. 21. — Reuss in Haidinger's naturwiss. Ab-
handl. IV. 1, p. 26, T. 1, F. 13). In den oberen Senonmergeln des
Hilgenberges bei Hamm und im Diluvialsande von Hamm. — Sehr
verbreitet im Bakulitenthone und Pläner Böhmens, in dem Mucronaten-
mergel von Lemberg ; im Ananchytenmergel zwischen Astfeld und
Jenstedt; im obern Pläner aus dem Bohrloche in Liebenburg bei
Salzgitter; im Kreidemergel des tiefen Grabens im Gosauthale.
5. D. tenuicaadata m. — T. II , F. 3. — Länge : 139 Millim.,
Dicke : 0-201 Millim. Ist im Habitus der tertiären D. elegans d'Orb.
(Foram. du bass. tert. de Vienne p. 43, T. 1 , F. 52 — 56) ähnlich,
weicht aber durch den Mangel des unteren Stachels und die Grösse
der letzten Kammer davon ab.
Das gebogene Gehäuse nimmt nach unten sehr regelmässig an
Dicke ab und endigt mit dünner Spitze. Die zahlreichen (11 — 12)
Kammern wenig gewölbt, nicht viel höher als breit, durch seichte
Näthe geschieden. Die erste Kammer sehr klein, die letzte gross,
Die Foraminiferen der westphiilischen Kreideformation. 183
eiförmig, mit stumpfer, beinahe centraler Spitze. Die Mündung
gestrahlt, die Schalenoberfläche glänzend glatt.
Sehr selten in den unteren Senonmergeln von Ostheide bei
Hamm.
6. D. commotata m. — T. II, F. 4. — Länge: 1243 Millim.,
grösste Dicke : 0226 Millim. Der D. plebeja Rss. und D. megalo-
politana R ss. aus der obern Kreide von Rasdorf in Mecklenburg
(Zeitschr. d. deutschen geol. Ges. 1855, p. 267, T. 8, F. 9 und 10)
ähnlich, aber von beiden verschieden.
Das Gehäuse oben ziemlich dick, nach abwärts sich zur scharfen
Spitze verschmälernd, massig gebogen. Dadurch, dass die Kammern
auf der Rauchfläche mehr gewölbt sind als auf der Rückenseite,
wird dasselbe sehr ungleichseitig. Während die Rückenseite eine
beinahe gerade Linie darstellt, ist die Rauchseite viel stärker ge-
bogen.
Die Kammern sind etwas breiter als hoch, nur die letzte ver-
längert, schief eiförmig. Die unteren Näthe erscheinen als kaum
vertiefte Linien, nur die obersten bilden seichte Furchen. Die MĂĽn-
dung sitzt auf einer weit gegen die RĂĽckenseite der Schale gerĂĽckten
Spitze der letzten Kammer und ist mit einem Strahlenkranze umge-
ben. Die Oberfläche der Schale glasig glänzend.
Sehr selten in den obersten Schichten des Gault von Rheine.
7. D. pugiuucalas m. — T. III, F. 9. — Ist der D. fiiiformis
Rss. verwandt, jedoch kürzer, und verschmälert sich nach abwärts
rascher zur Spitze. Die erste Kammer sehr klein, die folgenden
allmählich an Grösse zunehmend, kurz elliptisch, nicht viel höher als
breit, kaum gewölbt. Die Näthe sehr seicht. Die Schalenoberfläche
glatt.
Von dieser Species liegen nur grössere und kleinere Rruck-
stĂĽcke vor, denen allen die letzte Kammer fehlt. Sie stammen aus
den oberen Senonmergeln des Hilgenberges.
8. D. cognata m. — T. I, F. 9. — Verwandt der D. oligostegia
Rss. (Verstein. d. böhm. Kreideform. I,p.27, T. 13, F. 19,20), aber
durch die grössere Anzahl und die Form der Kammern verschieden.
Länge: 2-78 Millim., grösste Dicke: 0-548 Millim. Gehäuse sehr
schwach gebogen und im Vergleiche zur Länge ziemlich dick. 4 — 6
massig gewölbte, durch ziemlich tiefe Einschnürungen gesonderte
Kammern. Die erste ist beinahe kugelig und läuft am untern Ende in
Sitzb. d. mathem.-naturw. Cl. XL. Bd. Nr. 8. 13
184 R e u s s.
eine kurze Spitze aus. Die übrigen sind etwas höher als breit. Ihre
grösste Wölbung fällt in die untere Hälfte; nach oben hin verdünnen
sie sich allmählich etwas. Die letzte Kammer spitzt sich oben schräge
zu und endigt in einer kurzen dicken, etwas excentrischen Spitze.
Die Schalenoberfläche glatt und glasig glänzend.
Selten in Gesellschaft der vorigen Species.
9. D. distincta m. — T. II, F. 5. — Länge : 0-877 Millim. , grösste
Dicke: 0-182 Millim. Ist der vorigen Species wohl verwandt, aber
durch weniger gewölbte Kammern, seichtere Näthe, die schiefere
letzte und die viel längere erste Kammer davon hinreichend ver-
schieden.
Erwachsene Exemplare bestehen aus vier sehr verschieden
gestalteten Kammern, die durch breite, aber wenig tiefe Näthe
geschieden werden. Die erste Kammer ist grösser als die zwei nächst
folgenden, elliptisch, gewölbt, unten sehr schwach zugespitzt. Die
zweite und dritte Kammer sind wenig gewölbt, etwas höher als breit.
Die letzte sehr gross, schief-elliptisch, besonders an der Bauchseite
convex, oben in eine schiefe excentrische Spitze auslaufend, welche
die gestrahlte Mündung trägt. Die Schalenoberfläche glatt, glänzend.
Sehr selten in den obern Gaultschichten von Rheine und (?) in
den unteren Senonmergeln von Ostheide bei Hamm.
10. D. discrepims m. — T. III, F. 7. — Länge: 1-975 Millim.,
grösste Dicke : 0-438 Millim. Diese Species ist durch die auffallende
Ungleichheit der Kammern , die noch bedeutender ist als bei
D. distincta m. und bei D. dispar Rss. aus dem Septarienthoue
von Hermsdorf (Zeitschr. d. deutschen geol. Ges. 1851, 1, p. 61, T. 3,
F. 7) von allen verwandten Arten verschieden.
Das kurze, dicke und sehr wenig gebogene Gehäuse besteht
nur aus drei Kammern. Die erste endigt unten in einen kurzen
Centralstachel, ist aber, gleich der zweiten, die beiläufig eben so
lang als breit ist, cyliudrisch. Die letzte Kammer ist länger als die
beiden andern zusammengenommen, lang eiförmig und zieht sich zu
einer dicken, etwas schief nach rückwärts gerichteten Spitze zusam-
men; die Näthe tief; die Schalenoberfläche glasig glänzend.
Sehr selten in den untern Senonmergeln von Ostheide bei Hamm.
11. D. Ulli Rss. (Reu ss in Hai ding er's naturwiss. Ahhdl.
IV. I. p. 25, T. 1, F. 11.) Sehr selten in den oberen Senonmergeln
des Hilgenberges bei Hamm. — In den Mucronatenmergeln von
Die Fora mini Coro n der westphälischen Kreidefonnation. Iö5
Lemberg in Galizien; im Kreidemergel vor dem Clever Thore von
Hannover.
12. D. marglnuloides Rss. (1. c. IV. p. 25, T. 1, F. 12). Sehr
selten in Gesellschaft der vorigen Species an den vorbezeichneten
Fundorten.
13. D. cvlindroides m. — T. I, F. 8. — Länge: 241 Millim.,
grösste Dicke : 0-497 Millim. Kurz und verhältnissmässig dick,
walzenförmig, wenig gebogen, an beiden Enden zugespitzt. Wenige
(4) beinahe cylindrische, nur durch sehr seichte EinschnĂĽrungen
gesonderte Kammern, von denen die mittleren zwei nur wenig höher
als breit sind. Die MĂĽndung auf einer kurzen excentrischen Spitze.
Die Schale glasig glänzend.
Im oberen Senonmergel des Hilgenbergs bei Hamm, im unteren
Senonien vom Rhynerberg, im Minimusthone von Rheine. — Auch
im Minimusthone aus dem Bohrloch Nr. 2 in der Heininger Ziegelei
bei Salzgitter. Im Diluvialsande von Hamm.
14. D. catenula m. — T. III, F. 6. — Länge: 19 Millim.,
grösste Dicke: 0*38 Millim. Unterscheidet sich von der sehr ähn-
lichen D. cylindroides durch die tiefer eingeschnürten Näthe, so
wie durch die deutlicher zugespitzte erste Kammer. Das nur wenig
gebogene Gehäuse besteht nur aus vier massig und gleichförmig
gewölbten, beinahe elliptischen Kammern, deren erste eine kurze
Centralspitze trägt. Die letzte verschmälert sich zur kurzen , stark
excentrischen Spitze mit gestrahlter Mündung. Die Näthe tief. Die
Schale glasig glänzend.
Sehr selten in den Obersenonmergeln des Hilgenberges bei
Hamm, in dem unteren Senonien von Hamm und von Ostheide, in den
obersten Gaultschichten von Rheine und im Diluvialsande von Hamm.
15. J). strangulata m. — T. II, F. 6. — Der vorigen Species
wohl sehr ähnlich , aber durch die nicht zugespitzte erste Kammer
und die bedeutendere Grösse der schlankeren und längeren Kammer
wesentlich unterschieden. Länge: 1-097 Millim., grösste Breite:
0-182 Millim. Das wenig gebogene Gehäuse besteht aus vier ellip-
tischen , massig gewölbten Kammern , deren erste unten stumpf
gerundet ist, die letzte in eine ziemlich lange, wenig excentrische
Spitze ausläuft. Alle sind höher als breit, durch tiefe Näthe geschie-
den. Ein feiner Strahlenkranz umgibt die MĂĽndung. Die Schalen-
oberfläche glatt, glänzend. Sehr selten im obersten Gault von Rheine
13*
186 R e u s s.
16. D. oligostegia Rss. (Verst. d. böhm. Kreideform. I, p. 27,
T. 13, F. 19, 20. — Haidinger's naturwiss. Abhdl. IV. 1, p. 25,
T. 1, F. 10). Selten in den oberen Senonmergeln des Hilgenberges
bei Hamm und im Diluvialsande bei Hamm. — Nicht selten in den
böhmischen Bakulitenthonen von Luschitz, Brozan u.a.; sehr selten
in den Mucronatenmergeln von Lemberg in Galizien; im Kreide-
detritus von Charing (England).
17. D. Lorneiana d'Orb. (Mem. de la soc. geol. de Fr. IV. 1,
p. 14, T. 1, F. 8, 9). Sehr selten in den oberen Senonmergeln des
Hilgenberges und in den unteren Senonmergeln von Ostheide bei
Hamm. — Ebenso im Pläner von Kosstitz und in den Bakulitenthonen
von Luschitz, Kautz , Kystra, Brozan u. s. w. in Böhmen; in der
weissen Kreide von Sens in Frankreich und der Grafschaft Kent in
England, im lower chalk von Dover.
18. D. intermedia m. — T. II, F. 8. — Länge: 1-829 Millim.;
grösste Dicke: 0-256 Millim. Durch die Schiefheit der Kammern der
D. Rcemeri Neugel). (Denkschr. d. k. Akad. zu Wien. XII. 2, p. 82,
T.2,F. 13— 17) und der D. Orbignyana Neugeb. (I.e. p.82,T.3,
F. 1 — 3) aus dem Tegel von Lapugy ähnlich.
Das Gehäuse ist ziemlich schlank und gebogen, und verdünnt
sich nach unten allmählich zur wenig scharfen Spitze. Die Kammern
sind kaum gewölbt, massig schief, höher als breit. Im unteren Theile
des Gehäuses vermag man nicht ihre Grenzen äusserlich zu unter-
scheiden. Die übrigen Näthe sind nur durch feine Linien angedeutet;
nur die letzte ist schwach vertieft. Die Kammern sind walzenförmig,
die jüngste schief eiförmig, in eine ziemlich lange, stark excen-
trische Spitze ausgezogen. Die Schalenoberfläche glalt und glänzend.
Sehr selten im Minimusthone von Rheine.
19. D. communis d'Orb. (1. c. IV, 1, p. 13, T. 1, F. 4). Selten
im untern Senonmergel von Flierich, vom Rhynerberg und von
Uedinghoff. — Selten in der weissen Kreide von Meudon und von
England, im Mucronatenmergel von Lemberg (Galizien), im Bacu-
litenthone von Luschitz, Brozan und Rannai, im Pläner vom Laurenz-
berge bei Prag (Böhmen), im Kreidemergel vor dem Clever Thore
von Hannover.
D'Orbigny hat später im Prodrome de paleontol. II, p. 280,
den Namen dieser Species in D. subcommunis umgeändert, um
sie von der lebenden und tertiären D. communis d'Orb. (Ann. d.
nie Foraminiferen der westphälischen Kreideformation. 1 ö f
sc. nat. 1826. p. 254. -- Montagu, Test. brit. Suppl. T. 19,
F. 4, 7) zu unterscheiden. Morris hat beide in seinem Cata-
logue of british fossils (2. edit. p. 34) vereinigt. Ich kenne die
tertiäre Species nicht aus eigener Anschauung, kann daher über
ihre Identität mit der Kreidespecies kein entscheidendes Urtheil
fällen.
20. D. gracilis d'Orb. (1. c. IV, 1, p. 14, T. 1, F. 5). Im obern
Senonien des Hilgenbergs bei Hamm, im untern von Ostheide, selten.
— In der weissen Kreide von Sens (Frankreich) und von England,
im Mueronatenmergel von Lemberg (Galizien), imBaculitenthone von
Luschitz, Wollepschitz, Rannai und Brozan (Böhmen); nach Morris
auch im Gault von Folkestone.
21. D. legQinen Rss. (Die Verstein. d. böhm. Kreideform. I, p.28,
T. 13, F. 23, 24. — Haidinger's naturw. Abhdl. IV. 1, p. 26,
T. 1, F. 14.) — T. 3, F. 5. — In der Form und der Schiefheit der
Kammern sehr verwandt der D. inornata d'Orb. aus dem Tegel des
Wiener Beckens (Foram. foss. du bass. tert. de Vienne. p. 44, T. 1,
F. 50, 51). Die Kammern sind nicht so schief wie bei D. communis
d'Orb. aus der französischen Kreide und bei D. badenensis d'Orb.
von Baden bei Wien (1. c. p. 44, T. 1, F. 49). Länge: 1-46 Millim.,
grösste Breite: Ol 82 Millim. Das lineare Gehäuse sehr schlank,
wenig gebogen, gewöhnlich von den Seiten her wenig zusammen-
gedrückt. Die 6 — 9 Kammern nehmen bis zur letzten nur langsam
an Grösse zu und sind etwas schief, so dass ihre Wölbung an der
convexen Seite des Gehäuses stärker hervortritt als an der con-
caven. Die Näthe schmal, aber ziemlich tief. Die erste Kammer klein
und in eine sehr kurze Spitze auslaufend, die letzte gross, schief-
oval, verdĂĽnnt sich zu einer ziemlich langen, beinahe ganz an die
concave Seite des Gehäuses gerückten Spitze, die die schwach
gestrahlte Mündung trägt. Die Sclialenoberfläche matt, ohne deut-
liche Rauhigkeiten zu zeigen.
Fundorte: Die Species scheint in den westphälischen Kreide-
schichten weit verbreitet zu sein. Ich fand sie im obern Senonien
des Westberges, Hilgenberges und Herrnsteinberges bei Hamm, von
Drensteinfurth, von Dolberg und von der Siestwarte bei Beckum;
im unteren Senonien von Hamm und vom Rhynerberge, so wie im
Pläner und oberen Gault von Rheine. — Auch im Baculiten-
thon von Rannai (Röhmen); in den Mucronatenschichten von Lern-
188 R e u s s.
berg (Galizien); im Gault von Folkestone (England); im Kreide-
inergel vor dem Clever Thore von Hannover.
22. D. expausa in. — T. III, F. 4. — Eine lange und schlanke
Species, gleich devB.fi/iformls. Es liegen aber nur BruchstĂĽcke
des wenig gebogenen Gehäuses vor. Die lang-elliptischen Kammern
verschmälern sich gegen beide Enden hin gleichmässig und sind 2 bis
2,/3 Mal so lang als breit. Sie werden durch breite, aber nicht sehr
tiefe Einschnürungen gesondert. Die letzte Kammer verschmälert
sich oben zur kurzen, wenig excentrischen Spitze. Die Gestalt der
ersten Kammer ist mir nicht bekannt. Die Schale glatt , glasig
glänzend.
Sehr selten im obern Senonmergel des Hilgenberges bei Hamm.
23. D. filiformis Rss.? — T. III, F. 8. — Es liegen nur Bruch-
stĂĽcke dieser sehr schlanken und dĂĽnnen Species vor. Es muss dess-
halb auch noch zweifelhaft bleiben, ob die in Rede stehende Art
wirklich mit der B. filiformis aus dem Bakulitenthone von Luschitz
und Rannai in Böhmen (Reuss, die Verst. d. böhm. Kreidef. I, p. 28,
T. 12, F. 28) identisch sei, um so mehr, da bei dieser die Breite
der Kammern von der Länge 4 — 5 Mal übertroffen wird , während
dieselben an den vorliegenden Fragmenten nur 2 — 3 Mal so hoch
als dick sind. Übrigens verschmälert sich das schwach gebogene
Gehäuse nach abwärts nur langsam. Die Kammern sind lang-ellip-
tisch, sehr wenig gewölbt , an den Näthen kaum eingeschnürt. Die
erste Kammer sehr klein , sehr schwach zugespitzt. Die letzte Kam-
mer fehlt an allen gefundenen Exemplaren.
Selten im obern Senonmergel des Hilgenberges bei Hamm.
24. D.lineolata Rss.(Die Verstein. d. böhm. Kreideform. I,p. 27,
T. 8, F. 8.) Sehr selten in den oberen Senonmergeln des Hilgenberges
bei Hamm. — Im Pläner von Kosstitz, im Baculitenthone von Luschitz
und Brozan; im Kreidedetritus von Charing (England).
25. D. Marcki m. — T. II, F. 7. — Das kleinste Exemplar ist
2-56 Millim. lang und am obern Ende 0-36 Millim. dick. Die Species
gehört in die umfassende Gruppe der Dentalinae costatae. Das
Gehäuse ist beinahe gerade und gibt sich fast nur durch die starke
Excentricität der Mündung als Bentalina zu erkennen. 8 — 10 Kam-
mern, von denen die ältesten äusserlich beinahe nicht gesondert
sind. Die jüngeren werden durch seichte Näthe geschieden. Nur die
letzte Nafh ist tief.
Die Foraraiiiiferen der westphälischen Kreideformation. 189
Die erste Kammer elliptisch . wenig grösser als die nächst fol-
genden und unten mit einem kurzen Centralstachel versehen. Die
etzte ist kugelig und in einen schiefen excentrischen kurzen Schna-
bel verlängert, der die gestrahlte Mündung trägt. Über sämmtliche
Kammern, mit Ausnahme der letzten, verlaufen 8 — 11 sehmale,
niedrige Längsrippchen, wodurch das Gehäuse kantig wird.
Sehr selten in den oberen Senonmergeln des Hilgenberges bei
Hamm.
26. D. polypkragiua m. — T. III, F. 1. — Diese Species, die
nur in einem theilweise in ein mergeliges Gestein eingewachsenen
Exemplare ohne letzte Kammer vorliegt, ist eine der grössten der
artenreichen Gattung Bentalina. Unser fragmentäres Exemplar misst
19-8 Millim. Das Gehäuse ist im Verhältnisse zur Länge sehr schlank
und ziemlich stark gebogen. Nach abwärts verschmälert es sich sehr
allmählich und gleiclimässig und endigt in einer wenig scharfen Spitze.
Die Zahl der Kammern beläuft sich auf 23. Die untersten sind nur
durch sehr schwach vertiefte Linien, die oberen durch deutliche Ein-
schnĂĽrungen geschieden. Die letzte Kammer scheint tief abgeschnĂĽrt
gewesen zu sein und war daher dem Abbrechen sehr unterworfen.
Über das ganze Gehäuse verlaufen dicht an einander gedrängte,
durch schmälere Furchen geschiedene , gerundete Längsrippchen,
deren Zahl sich nach oben durch Einsetzen neuer vermehrt.
Sehr selten im GrĂĽnsande von Essen.
27. D. aculeata d*Orb. (1. c. IV. 1 , p. 13, T. 1 , F. 2, 3). Im
obern Senonmergel von Dolberg bei Beckum und vom Hilgenberg bei
Hamm, im untern Senonien von Flierich, im Diluvialsande von Hamm,
wegen der grossen Zerbrechlichkeit des Gehäuses stets nur in
Bruchstücken. — tu der weissen Kreide von Sens und Meudon
(Frankreich) und von England , in den Bakulitenschichten von
Luschitz, Bannai, Brozan und Kystra (Böhmen).
Wenn William son (Manch. Mein. 8, p. 78, F. 73, 74) diese
Species aus dem obern Lias von Ilminster anfĂĽhrt, so ist dies ohne
Zweifel einer Verwechslung mit einer verwandten Species zuzu-
schreiben.
28. D. foedissiina m. — T. III, F. 2, 3. — Gehört ebenfalls unter
die grössten Arten der Gattung; einzelne der zahlreichen vorliegen-
den Exemplare, die aber meistens fragmentär sind, erreichen die
Länge von 7-63 Millim. Die Schale ist massig gebogen und verschmä-
190 R e u s s
lert sich abwärts langsam bis zur Spitze. 10 — 12 Kammern, breiter
als hoch, sonst von sehr unregelmässiger Form durch zahlreiche
grössere und kleinere, mitunter sehr starke, gerundete oder stumpf
zugespitzte Höcker. Sie werden durch tiefe aber schmale Nätlie
geschieden. Die erste Kammer ist sehr klein, die letzte am gross-
ten und in eine kurze, stumpfe, von der runden nackten MĂĽndung
durchbohrte Spitze auslaufend.
Die Oberfläche der Schale ist sehr uneben und mit kleineren
Rauhigkeiten dicht bedeckt, die Schale selbst theilweise kieselig —
das einzige derartige Beispiel innerhalb der Gattung Dentalina.
Ich fand sie nicht in anstehenden Kreidegesteinen , wohl aber
in zahlreichen Exemplaren im Diluvialsande von Hamm. Doch gehört
sie ohne Zweifel gleich den ĂĽbrigen Furainiuiferen dieses Sandes
der Kreideformation an.
b) Glandulinidae.
Glandulina d'Orbigny.
1. Gl. inanifesta Rss. (Haidinger's naturwiss. Abhandl. IV, 1.
p. 22, 23. T. 1, F. 4). Sehr selten in den oberen Senonmergeln des
Hilgenberges bei Hamm. — Ebenso in den Mukronatenschichten von
Lemberg in Galizien.
2. Gl. elongata m. — T. IV, F. 2. - - Länge: 1-915; Breite:
0*877 Millim. Die in Rede stehende Species gehört unter die grössten
ihrer Gattung. Sie ist beinahe cylindrisch, verschmälert sich nach
unten kaum und zieht sich dann rasch zur stumpfen Spitze zusammen.
Sechs Kammern. Die ersten 3 — 4 sind nur in geringer Ausdehnung
sichtbar, sehr niedrig und äusserlich nur durch dunkle Linien ange-
deutet. Die folgenden drei erscheinen höher, etwas gewölbt und
durch deutliche, wenn auch nicht tiefe Näthe geschieden. Die letzte
Kammer läuft in eine sehr kurze centrale Spitze aus, welche die
gestrahlte Mündung trägt. — Die Schalenoberfläche glasig, glänzend.
Demnach bildet die beschriebene Art, die in ihrer Jugend eine
echte Glandulina ist, in ihrer weiteren Entwicklung den Ăśbergang
zu einer Nodosaria.
Sehr selten in Gesellschaft der vorigen Species.
3. Gl. cylindracea Rss. (Verstein. d. böhm. Kreideform. I, p. 2S,
T. 13, F. 1, 2.) — T. IV, F. 1. — Ris 0*84 Millim. lang bei 0*226
Millim. Dicke. Daher im Verhältnisse zur Dicke lang. Cylindrisch,
beiderseits zugespitzt, in der Mitte zuweilen etwas eingeschnĂĽrt. Ein-
Die Foraminiferen der westphälischen Kreideformation. [ t) |
zelne Exemplare sind etwas gekrĂĽmmt; jedoch findet dies bei den Exem-
plaren ans Westphalen seltener Statt, als bei den böhmischen. 3 — 6
cylindrische Kammern, deren Begrenzimg äusserlich kaum sichtbar
ist. Besonders findet dies bei den ältesten Kammern Statt; man unter-
scheidet daher äusserlich gewöhnlich nur drei Kammern. Nur die
oberste Kammer ist bisweilen durch eine etwas deutlichere, aber
stets sehr seichte Nath gesondert. Sie verlängert sich in eine kurze,
nicht selten etwas excentrische Spitze, welche die gestrahlte MĂĽn-
dung trägt. Schalenoberfläche glatt. In den oberen Senonmergeln von
Drensteinfurth und vom Hilgenberg bei Hamm und im untern Senonien
von Hamm. Im Bakulitenthone von Luschitz und Kystra. Ob die
Glandulina in den Mukronatenschichten von Lemberg in Galizien,
die ich unter demselben Namen beschrieb (Haidinger's naturw.
Abhandl. IV. 1, p. 23, T. 1, F. 5), wirklich hieher gehöre, ist zweifel-
haft. Durch ihre stumpfere erste Kammer nähert sie sich mehr der
Gl. cylindrica Alth. (Haidinger's naturw. Abhandl. III. 2. p.
271. T. 13, F. 30).
c) F r o n d i e u 1 a r i d a e.
Frondicularia Defr.
1. Fr. turgida Bss. (1. c. II, p. 107, T. 24, F. 44). Sehr selten
in den oberen Senonmergeln des Hilgenberges bei Hamm. — Eben so
selten in dem Bakulitenthone von Luschitz (Böhmen).
2. Fr. angulata d'Orb. (Mem. de la soc. geol. de France 1840.
IV. 1, p. 22, T. 1, F. 39. — Beuss, Kreideverst. Böhm. I. p. 31,
T. 13, F. 40; II. p. 107, T. 24, F. 42. — Sehr selten mit der
vorigen. — Selten in der weissen Kreide von Meudon; in den Baku-
litenschichten von Luschitz, Brozan und Bannai (Böhmen).
3. Fr. Decheni m. — T. IV, F. 3. — 12 Millim. lang und
0*365 Millim. breit. Das Gehäuse ist von eigentümlicher Form,
kurz und verhältnissmässig breit, und zwar in seiner ganzen Länge
fast gleich breit, so dass die Seitenwände beinahe parallel verlaufen.
Ebenso fällt die nicht unbedeutende Dicke des Gehäuses auf. Die
Bänder sind abgestutzt, breit, jederseits mit einer zarten Leiste ein-
gefasst und daher in der Mitte der Länge nach seicht vertieft. Die
erste Kammer gross , so breit als das übrige Gehäuse, stark gewölbt,
auf jeder Fläche mit zwei ziemlich hohen gekrümmten Längsripp-
chen, zwischen denen sich noch eine kĂĽrzere sehr zarte befindet;
192 R e u s s.
am unteren Ende mit einem kurzen starken Centralstachel. An beiden
Seiten wird sie durch den darüber fortsetzenden Rand des Gehäuses
gesäumt. Über der ersten Kammer folgen höchstens noch vier jün-
gere, deren unterste von der ersten äusserlich undeutlich gesondert
ist. Die ĂĽbrigen sind durch sehr feine gehogene Grenzleistchen
erkennbar, spitzwinklig und ziemlich hoch. Sie tragen jederseits
4 — 10 sehr zarte Längsrippchen, die wenigsten (4) die zweite,
die zahlreichsten (10) die letzte Kammer, welche oben in eine
kurze Spitze ausläuft.
Sehr selten in den oberen Senonmergeln des Hilgenberges bei
Hamm.
4. Fr. Becksi m. — T. 4, F. 4. — Länge 2 Millim., Breite 0-68
Millim. Eiförmig, oben zugespitzt, unten mit einem ziemlich langen,
dĂĽnnen Centralstachel versehen. Der Seitenrand abgestutzt, in der Mitte
im grössten Theile seines Umfanges der Länge nach gefurcht. Stark
zusammengedrĂĽckt, besonders im unteren Theile. Die erste Kammer
klein, eiförmig, gewölbt, mit drei schmalen Längsrippchen auf
jeder Seite. Die vier ĂĽbrigen Kammern sind ziemlich niedrig und
spitzwinklig, von schmalen erhabenen Leistchen eingefasst. Die
letzte Kammer glatt, die dritte und vierte mit entfernten kurzen,
sehr zarten Längsrippchen, während die zweite nur ein solches
Längsrippchen in der Mitte trägt.
Sehr selten in Begleitung der vorigen Art.
5. Fr. apiculata Rss. — T. V, F. 2. — (Reuss, die Verst. d.
böhm. Kreideform. Lp. 30, T. 8, F. 24, ic. mala). Lanzettförmig, unten
stumpf, oben lang und scharf zugespitzt, in der Mitte dicker als an
den Seiten. Wenige (4 — 7) ziemlich breite spitzwinklige Kammern
mit hohen dachförmig abschüssigen Leisten, die in der Mitte durch
eine Längsfurche unterbrochen sind. Die letzte Kammer lang zuge-
spitzt, die erste gross, kugelig, mit centraler Stachelspitze und
5 Längsrippchen auf jeder Seite, von denen zwei längere mit drei
kürzeren abwechseln. Die Seitenränder abgestutzt, längsgefurcht,
oben breiter als unten, sich auch ĂĽber die erste Kammer fortsetzend.
Selten im Diluvialsande von Hamm. — Sehr selten im Pläner
von Kosstitz und im Bakulitenthone von Luschitz (Böhmen).
6. Fr. (ioldfussi m. — T. IV, F. 7. — 23 Millim. lang, 084
Millim. breit, eiförmig oder ei -lanzettförmig, oben sich allmählich
zur ziemlich langen Spitze verschmälernd, unten gerundet und in
Die Foraminiferen der westpliälischen Kreidefoi-mation. 193
der Mitte eine kurze Stachelspitze tragend , sehr stark zusammen-
gedrĂĽckt , mit dĂĽnnem ahgestutzten Rande. Die erste Kammer schmal-
eiförmig, wenig- gewölbt, mit drei schwachen Längsrippchen, deren
mittleres gerades am längsten, die beiden seitlichen kürzer und gebo-
gen sind. Sie wird von den jĂĽngeren Kammern seitlich umfasst. Diese
sind sehr schmal und spitzwinklig, in der Mitte schwach längs-
gefurcht, und werden aussen durch schmale Leistchen von einander
geschieden.
Die beschriebene Species unterscheidet sich von der ähnlichen
Fr. Cordai Rss. (Denkschr. d. k. Akad. d. Wiss. zu Wien. VII. p.
66, T. 25, F. 3) durch das Vorhandensein der unleren Stachel-
spitze, durch die nicht vorragende erste Kammer, die geringere
Breite an der Basis und den Mangel der Radialstreifen auf beiden
Seitenflächen.
Sehr selten in den oberen Senonmergeln des Hilgenberges bei
Hamm und im Diluvialsande von Hamm.
7. Fr. marginata Rss. (I. c. I. p. 30, T. 12, F. 9 ic. mala; II.
p.107, T.24, F. 39, 40) — T. V,F. 3. — Das grösste der vorliegenden
Exemplare misst 3-5 Millim. in der Länge, 0*8 Millim. in der Breite.
Der Umriss der Schale ist sehr veränderlich, verkehrt lanzettförmig,
gewöhnlich jedoch etwas schmäler, als in der hier gegebenen
Abbildung. Am häufigsten sind Formen, die der 1. c. T. 24, F. 39
gegebenen Abbildung gleichen. Die grösste Breite erreicht das
Gehäuse nicht sehr weit vom oberen Ende, und verschmälert sich
nach abwärts sehr allmählich. Sehr oft sind die Seitenränder im
unteren Theile etwas eingebogen. Die Schale ist in der Mitte dicker
als gegen die Ränder hin. 9—15 schmale Kammern, gesondert
durch hohe, dachförmige Leisten, die in der Mitte durch eine Furche
unterbrochen sind und meistens nicht ganz bis an den Seitenrand
reichen. Dieser erscheint daher in ununterbrochenem Zusammen-
hange, ist gerade abgestutzt und hohlkehlenartig vertieft, wird nach
unten allmählich schmäler, setzt auch über die erste Kammer fort und
ragt dort in Gestalt eines schmalen Fl ĂĽgelsaumes vor. Die erste Kammer
stellt eine kleine schwach verlängerte Kugel dar mit kurzer Central-
spitze und einer oder drei Längsrippchen auf jeder Seite. Die mittlere
dieserRippen verlängert sich bis auf die Fläche derzweiten Kammer.
Fundorte: In den oberen Senonschichten des Hilgenberges
bei Hamm, in den unteren von Flierich und im Diluvialsande von
194 l! e u s s
Hamm, überall selten. — Nicht selten in den Bakulitenschichten
von Lnschitz , Rannai und Brozan und im Planer des Laurenzberges
bei Prag (Böhmen).
8. Fr. canaliculata Rss. (1. c. I, p. 30, T. 8, F. 20, 21). —
T. VI, F. 1. — Da die 1. c. gegebene Abbildung zu undeutlich, und
theilweise auch unrichtig ist, so biete ich hier nochmals eine grös-
sere und treuere dar. Die Species wird bis 3-6 Millim. lang bei
0-92 Millim. grösster Breite.
Auch hier ist der Schalenumriss verkehrt-lanzettförmig, bald
breiter, bald schmäler, und erreicht seine grösste Breite weit über
der Mitte der Länge. Die Schale verschmälert sich an beiden Enden,
oben rascher, unten langsamer zur stumpfen Spitze, und ist in der
Mitte nur wenig dicker, als gegen die Seitenränder hin. Diese sind
abgestutzt, durch eine tiefe Längsrinne ausgehöhlt, und setzen auch
ĂĽber die erste Kammer fort. Dieselbe bildet eine sehr kleine Kugel,
trägt am unteren Ende eine kurze Stachelspitze, auf den Seitenflä-
chen aber je zwei sehr kurze und feine Längsrippchen. Die übrigen
Kammern sind nicht sehr spitzwinklig, ziemlich breit, und werden
durch hohe beinahe senkrecht abfallende Leisten, die in der Mitte
unterbrochen sind, gesondert.
Fundorte: Selten im Diluvialsande von Hamm. — Im Pläner von
Kosstitz und vom Laurenzberge bei Prag, und im Bakulitenthone von
Luschitz (Böhmen).
9. Fr. gaultina m. — T. V, F. 5. — Von dieser eigenthümlichen
Species liegt leider nur ein Exemplar vor, dem das untere Ende
fehlt. Es ist 0-877 Millim. lang und 0-248 Millim. breit. Das Gehäuse
ist langgezogen, rhomboidal, an beiden Enden zugespitzt, stark
zusammengedrĂĽckt. Die erste Kammer, von der nur das obere Ende
erhalten ist, scheint spitzig, zusammengedrĂĽckt, und mit einer seichten
centralen Längsfurche versehen gewesen zu sein. Die übrigen (7)
Kammern sind niedrig, sehr spitzwinkelig, flach, äusserlich nicht
durch Leisten, sondern durch schmale, jedoch ziemlich tiefe Furchen
geschieden. Die Seitenränder einfach winklig. Die Schalenober-
fläche glänzend, glatt.
Sehr selten im Minimusthone von Rheine.
10. Fr. inversa Rss. (1. c. I. p. 31, T. 8, F. 15—19; T. 13,
F. 42). Selten in denObersenonmergeln vom Westberge bei Hamm. —
Häufig in den böhmischen Bakulitenthonen (Luschitz, Brozan, Hoch-
Die Foraminiferen der westphälischen Kreideformation. 191)
petsch, Rannai, Kystra u. a.), seltener im Pläner (Kosstitz, Laurenz-
berg bei Prag u. a.); nach Morris im Gault von Folkestone in
England (?).
11. Fr. strigillata m. — T. VI, F. 3. — Eine äusserst zierliche
Form, der Fr. concinna Koch (Palaeontographica I. p. 172, T. 24,
F. 5) aus dem Hils von Grünenplan verwandt. Das dünne Gehäuse
ist beinahe regelmässig eiförmig, nur die ersten Kammern sprin-
gen ĂĽber das zugerundete untere Ende in Gestalt eines kurzen
Zapfens hervor. Das obere Ende ist zugespitzt, die bogenförmigen
Ränder einfach winklig. 8 — 9 spitzwinklige, sehr schmale Kammern,
die äusserlich nur durch sehr schwache rundliche leistenartige
Erhöhungen, zwischen denen sehr seichte breite Depressionen ver-
laufen, angedeutet sind. Dieselben sind von kurzen unterbrochenen,
etwas schräg von unten ausstrahlenden feinen Rippchen bedeckt, die
auf den leistenartigen Erhöhungen am deutlichsten hervortreten. Die
erste Kammer, die von den nächstfolgenden ganz umfasst wird, ist
schmal lanzettförmig und wenig gewölbt.
Seltene Exemplare dieser Species wurden bisher nur im Diluvial-
sande von Hamm gefunden.
12. Fr. gaestphalica m. — T. 6, F. 2. - 1755 Millim. lang,
0-877 Millim. breit, breit-rhomboidal, unten kurz, oben länger zuge-
spitzt, sehr stark zusammengedrĂĽckt. Die erste Kammer lanzettlich,
am untern Ende des Gehäuses in Gestalt einer Spitze vorragend, nur
wenig dicker als die Umgebung, auf beiden Flächen fein längs-
gefurcht; die anderen Kammern flach, durch schmale, aber ziemlich
tiefe Furchen geschieden und mit zerstreuten feinen kurzen Längs-
furchen bedeckt, die auf den jüngeren Kammern allmählich an Zahl
abnehmen. Die Schalenoberfläche glatt, glänzend.
Sehr selten im obersten Gault von Rheine.
13. Fr.microdisca m. — T.V, F. 4. — Das sehr stark zusammen
gedrückte, dünne Gehäuse ist breit-eiförmig, beinahe trapezoidal, mit
beinahe rechtwinkligem oberen und stumpfwinkligem unteren Ende.
Die oberen längeren schwach bogenförmigen Seitenränder stossen
mit den kĂĽrzeren beinahe geraden unteren in einem deutlichen
stumpfen Winkel zusammen. Die erste der zahlreichen Kammern,
welche die benachbarten etwas überragt, ist sehr klein, oval, gewölbt,
mit einer feinen medianen Längsrippe versehen. Die übrigen Kam-
mern sind sehr schmal, wenig spitzwinklig, und durch dĂĽnne scharfe,
106 Rens s.
in der Mitte durch eine Querfurche unterbrochene Leisten gesondert.
Die Seitenränder dünn, abgestutzt.
Sehr selten im Diluvialsande von Hamm.
14. Fr. striatula Rss. (1. c. I. p. 30, T. 8, F. 23— ic. pessima;
II. p. 107, T. 43, F. 11). Im oberen Senonmergel des Hilgen-
berges bei Hamm , im unteren vom Rhynerberg und von Bergeamen,
im Diluvialsande von Hamm. — Im Pläner von Kosstitz und Weiss-
kirchlitz, im Bakulitenlhone von Luschitz (Böhmen), in der weissen
Kreide von Norwich und im Kreidedetritus von Charing (England).
15. Fr. angnsta Nils. (Planularia angusta Nilsso n , Petref.
Suec. p. 11, T. 9, F. 22. — Reuss, 1. c. I. p. 29, T. 8, F. 13, 14. —
Fr. aiigustata Ro ein. , Kreideverst. Deutschlands, p. 96) — T. IV,
F. 5. — Die grössten Exemplare hatten eine Länge von 5-85 Millim.
bei 1-31 grösster Breite.
Eine der ansehnlichsten Formen dieser Gattung. Die grösste
Breite besitzt das verkehrt-lanzettförmige Gehäuse weit über der
Mifte, noch ĂĽber dem Anfange des letzten Drittheiles der Schalen-
länge. Nach abwärts verschmälert es sich zwar sehr langsam, aber
bedeutend. Es ist in der Mitte am dicksten und schärft sich gegen
die winkligen Seitenränder hin allmählich zu.
Die Zahl der Kammern ist sehr bedeutend, und steigt bei gros-
sen Exemplaren bis auf 25 — 30. Dieselben sind sehr niedrig, spitz-
winkelig und durch ziemlich tiefe Furchen geschieden, so dass sie
äusserlich in Gestalt von wenig breiten, dachförmig abschüssigen
Leisten hervortreten. In der Mitte werden sie von einer nach unten
allmählich schmäler werdenden Längsfurche durchzogen, tragen aber
ĂĽberdies jederseits noch eine wechselnde Anzahl kurzer seichter
Furchen, die sich jedoch in die Grenzfurchen der Kammern nicht
fortsetzen. Manchmal bedecken sie, wie an dem abgebildeten Exem-
plare, die ganze Oberfläche der Kammern; gewöhnlich sind sie alter
nur an einzelnen Stellen vorbanden oder treten auch nur ganz ver-
einzelt auf. Die erste Kammer stellt eine sehr kleine Kugel dar,
welche am unteren Ende eine kurze Stachelspitze, auf jeder Seite
aber drei sehr feine Längsrippchen trägt. Der Seitenrand des
Gehäuses setzt sich über die erste Kammer nicht fort.
Die beschriebene Species ist eine der am längsten bekannten
und verbreitetsten Foraminiferen der oberen Kreide. Nur von
Cristelluria rotulata Lam. sp. wird sie darin noch ĂĽbertroffen. Ich
Die Fornminiferen der wesfphiilisclieii Kreideformation. 10/
fand sie in den oberen Senonschichten des Kurkenberges bei Hamm,
und häufig im Diluvialsande von Hamm. Wahrscheinlich kommt sie
noch an vielen anderen Punkten Westphalens vor. — Ausserdem
liegt sie fast überall im Pläner Böhmens und Sachsens, so wie in den
Bakulitenthonen Böhmens, so dass eine nähere Bezeichnung der
einzelnen Fundorte ĂĽberflĂĽssig wird. Selten findet sie sich im Kreide-
mergel des Edelbachgrabens im Gosauthale, im GrĂĽnsande von
Köpinge (Schweden), und der unteren Kreide von Peine.
So sehr Fr. angusta innerhalb der Quadratenkreide und des
Pläners verbreitet ist, so scheint sie doch dagegen der Mukronalen-
kreide beinahe ganz zu fehlen. Wenigstens ist sie bisher mir aus der
Schreibkreide Frankreichs, Englands, Dänemarks, Bügens, aus den
Mukronatenmergeln von Lemberg und anderen analogen Schichten nicht
bekannt geworden. Ehen so scheint sie in den Gault nicht hinab zu
gehen; ja sie ist selbst im Cenomanien noch nicht mit Sicherheit
nachgewiesen.
16. Fr. angastissiina m. — T. IV, F. 6. — 2-78 Millim. lang, bei
045 Millim. Breite. Der Fr. angusta Nils. sp. im Umrisse sehr ähn-
lich, aber im oberen Theile des Gehäuses schmäler und mit grösserer,
nur mit zwei Längsrippchen gezierter Embyonalkammer. Durch
letzteres Merkmal , so wie durch das schlankere Gehäuse weicht sie
auch von Fr. capillaris Bss. aus dem Mukronatenmergel von Nagor-
zani bei Lemberg ab (Haidinger's naturwiss. Äbhandl. IV. I. p. 29,
T. 1, F. 20). Die Schale ist linear, im Verhältnisse zur Länge sehr
schmal, oben zugespitzt, nach unten sich sehr langsam verschmä-
lernd, am Bande stumpfwinklig. Die erste Kammer stellt eine kleine,
jederseits mit zwei sehr schmalen Längsrippchen versehene Kugel
dar, welche unten in einen kurzen Centralstachel ausläuft, und seit-
lich von einer schmalen Fortsetzung des Seitenrandes des Gehäuses
umsäumt wird. Über der ersten Kammer schnürt sich die Schale nur
wenig ein, nimmt aber bald wieder allmählich an Breite zu, und erreicht
erst im Anfange des letzten Fünftheiles der Länge ihre grösste Breite.
Die Kammern, welche der ersten folgen, sind spitzwinklig,
schmal, in der Mitte durch eine seichte Längsfurche halbirt, durch
deutliche Nathfurchen von einander geschieden, und mit Ausnahme
der letzten, an der Oberfläche mit sehr zarten parallelen Längs-
linien geziert.
Sehr selten im oberen Senonmergel des Hilgenberges bei Hamm.
198 H , u s s.
17. Fr. Archiacina cTOrb. (Mem. de la soe. geol. de France 1840.
IV. 1. p. 20, 21; T. 1, F. 34—36. — Reuss, die Verstein. d.
böhm. Kreideform. I. p. 31, T. 13, F. 39). Sehr selten im oberen
Senonmergel des Hilgenberges und Westberges bei Hamm. —
Selten in der weissen Kreide von Meudon und Sens (Frankreich),
in der Schreibkreide Englands, und im Kreidedetritus von Charing.
Sehr selten im Bakulitenthone von Luschitz und im Pläner des
Laurenzberges bei Prag (Böhmen).
18. Fr. lanceola m. — T. V, F. 1. — Steht in der Form eben-
falls der Fr. angusta Nils. sp. und der Fr. angustissima m. nahe.
Das Gehäuse ist sehr lang und schmal lanzettförmig, beinahe linear,
auf 2-377 Millim. Länge nur 0-234 Millim. breit, oben kurz zuge-
spitzt, abwärts sich sehr allmählich verschmälernd und in eine ziem-
lich scharfe Spitze endigend. Die erste Kammer lang-elliptisch, wenig
dicker als die nächstliegenden, an den Seitenflächen eingedrückt und
mit einer schwachen Längsrippe versehen. Ebenso sind ihre Seiten-
ränder breit und bilden eine in der Mitte seicht vertiefte Fläche, so
dass der Querschnitt der Kammer vierseitig wird. Ihr unteres Ende
ist mit einer kurzen Centralspitze bewaffnet.
Die übrigen Kammern sind oben zugespitzt, an den Seitenrän-
dern ziemlich scharfwinklig, und äusserlich durch tiefe Furchen
geschieden. Auf der vorderen und hinteren Fläche werden sie von
einer medianen Längsfurche durchzogen, neben welcher jederseits
noch einige sehr kurze Furchen in derselben Richtung verlaufen.
Nur auf der letzten Kammer, die oben mit einer schmalen Leiste ein-
gesäumt erscheint, fehlen dieselben.
Sehr selten in denunterenSenonmergeln von Ostheide bei Hamm.
Rhnbdogonitim m. nov. gen.
Triplasia Reuss, Denkschr. d. k. Akad. d. Wiss. z. Wien.
1854. VII. p. 65.
Eine Sippe aus der Ordnung der Stichostegier, die, wenn sie
auch gleich den meisten ĂĽbrigen Gattungen dieser Gruppe mit
manchen anderen durch Übergänge verknüpft ist, doch zum Theile
so eigenthümliche Merkmale darbietet, dass man, sie als selbstständig
von den ĂĽbrigen zu trennen, nicht nur berechtigt, sondern selbst
genöthigt ist, wenn man nicht etwa die meisten ein- und geradreihigen
Polythalamien in eine einzige Gattung zusammenzuziehen beabsichtiget.
Die Foraminiferen der westphälischen Kreideformation. 199
Der zuerst in die Augen fallende Charakter von Rhabdogonium
ist das Vorhandensein von mehreren scharfen Längskanten an dem
geraden Gehäuse. Die vier zuerst bekannt gewordenen Formen
besassen sämmtlich nur drei solche Kanten, waren also im Quer-
schnitte dreiseitig, wesshalb ich die Gattung auch mit dem Namen
Triplasia belegte. Hieher gehören : Rh. Murchisoni m. aus den
Gosauschichten des österreichischen Salzkammergutes, Rh. globulife-
rum, Roemeri und anomalumm., welche ich sogleich näher beschrei-
ben werde, aus der Kreideformation Westphalens , und endlich Rh.
acutangulum m., eine noch nicht publicirte Species, die ich in dem
Hils von Berklingen entdeckte.
Später entdeckte ich aber vierkantige Arten, die, abgesehen
von dem tetragonalen Querschnitte, in den ĂĽbrigen Kennzeichen voll-
kommen mit den vorerwähnten übereinstimmen, wie Rh. Strombecki
und Mertensi m., beide ebenfalls aus dem Hils von Berklingen stam-
mend und noch nicht veröffentlicht. Auf diese konnte nun offenbar
der frĂĽhere Name Triplasia nicht angewendet werden, und ich sah
mich desshalb gezwungen, denselben mit einem neuen — Rhabdogo-
nium — zu vertauschen. Durch denselben wird die gekantete stab-
förmige Gestalt des Gehäuses klar bezeichnet.
Die mehr weniger zahlreichen Kaminern liegen wie bei den
ĂĽbrigen Stichostegiern in gerader Reihe ĂĽber einander, doch so
dass sie ohne EinschnĂĽrungen sich in ihrer ganzen Breite decken
und äusserlich nur durch lineare Näthe gesondert erscheinen. Aber
sie decken sich nicht nur, sondern jede Kammer umfasst mit den
tiefer herabreichenden Kanten noch die nächstältere Kammer in ver-
schiedenem Grade. Bei einigen Arten, wie Rh. acutangulum, Strom-
becki und globuliferum findet dieses Umfassen in hohem Grade Statt,
während die Kammern anderer Arten, wie Rh. Murchisoni und beson-
ders Rh. Roemeri und anomalum, nur wenig oder selbst sehr wenig
gebogen sind.
Die Kammern sind daher reitend, wie bei Frondicularia, nur
dass bei dieser die ältere Kammer von der nächst jüngeren nur an
zwei Stellen, nur mit zwei Armen, bei Rhabdogonium aber von
drei bis vier Armen , also gerade an so vielen Stellen als das
Gehäuse Kanten hat, umfasst wird. In dieser Beziehung könnte
man die Rhabdogonium- Arten als mehrkantige Frondicularien be-
trachten.
Sitzb. d. mathem.-nalurw. LI. XI.. Bd. Nr. 8. 14
200 R e u 8 s.
Bei geringer Krümmung der Kammern nähern sich manche
Species auch der Galtung Nodosarla, besonders im oberen Theile
ihres Gehäuses, wo die Krümmung der Näthe immer geringer zu sein
pflegt, als im unteren. Wenn man von der kurzen centralen Zuspitzung
der letzten Kammer, wie man dieselbe bei Rbabdogonium stets
beobachtet, absieht, ist diese Gattung durch den Mangel jeder Ein-
schnĂĽrung zwischen den mit ihrer ganzen Breite aufeinander sitzen-
den Kammern auch der Sippe Orthocerina verwandt. Man wird daher
das Genus Rhabdogonium wohl in die Gruppe der Frondiculariden
unmittelbar neben Frondicularla stellen mĂĽssen, ohne jedoch die
innigen Beziehungen zu Nodosaria und Orthocerina ĂĽbersehen zu
können.
Die erste Kammer ist, wie bei vielen Frondicularien, gewölbt,
selbst kugelig, wie z. B. Rh. globuliferum. Die letzte Kammer ver-
längert sich in einen kurzen mittelstäudigen Schnabel, der die runde
angestrahlte Mündung trägt. Mit Ausnahme des mit unregelmässigen
Läugsrippen versehenen Rh. anomalum zeigen sämmtliche übrige
Arten keine Sculpturverzierungen. Die Schale ist kalkig, theils glasig-
glänzend, theils uneben und rauh.
Es ist ĂĽbrigens sehr wahrscheinlich, dass auch die seltene und
wie es scheint nur unvollständig bekannte Frondicularla tricarinata
d'Orb. von Sens (Mem. de la soc. geol. de France. IV, 1, p. 21,
22, T. 2, F. 1 — 3), so wie die ohnedies ei was fremdartige Fr,
amoena Rss. (Haidinger's naturw. Abhandl. IV. 1, p. 13, T. 1,
F. 21) aus den Mukronatenschichten von Nagorzani bei Leniberg
zur Gattung Rhabdogonium gehören. Sie setzen die nahe Ver-
wandtschaft dieser Sippe mit Frondicularla in ein besonders helles
Licht.
Anders dĂĽrfte es sich aber mit einigen dreikantigen Frondicu-
larien verhalten, die ich äusserst selten in den böhmischen Kreide-
gebilden angetroffen habe, und die ich in meiner Monographie der
Kreideversteinerungen Böhmens als vor. trlbachlata von Fr. Cordal
Rss. und von Fr. turgida Rss. (I. c. II. p. 107, 108, T. 24, F. 38,
41) beschrieben habe. Sie dürften wohl nur als monströse Bildungen
anzusehen sein, wofür schon die völlige Übereinstimmung in allen
wesentlichen Merkmalen mit normal gebildeten Frondlcularla-rAvten
und vor allem der auffallende Mangel an vollkommener Symmetrie in
der Ausbildung des Gehäuses spricht.
Die Foraminiferen der «restphnlischen Kreideformation. 20 l
Die mir bisher bekannt gewordenen Species der Gattung Rhab-
dogonium gehören , mit Ausnahme einer einzigen in den Tertiär-
schichten von Baden bei Wien sehr selten vorkommenden, dreikan-
tigen schmal geflĂĽgelten Species, den Kreidegebilden vom HĂĽs bis
zur Schreibkreide hinauf an; dieselbedĂĽrfte daher Air die Kreidefor-
mation besonders bezeichnend sein. Die vierkantigen Arten habe ich
bisher nur in den tiefsten Kreideschichten, im Hils, angetroffen.
1. Rh. Römeri m. — T. VI, F. 7. — Gehäuse verlängert, 1-97
Miliim. lang bei 0*643 Millim. Breite, mitunter etwas verbogen, in der
gesammten Länge fast gleich breit, am oberen Ende kurz und stumpf
zugespitzt, unten sich rasch abrundend oder zum stumpfen Ende
zusammenziehend; scharf dreikantig, mit beinahe ebenen Seitenflä-
chen. 3 — 6 dreiseitige Kammern, eben, mit seichten sehr schwach
gebogenen Näthen und scharfen Kanten; nur die letzte Kammer zeigt
etwas gewölbtere Flächen und stumpfere Kanten. Sie besitzt die
Gestalt einer dreiseiligen Pyramide, deren stumpfe Spitze die runde
nackte Mündung trägt. Die Schalenoberfläche rauh.
Sehr selten in den oberen Senonmergeln des Hilgenberges bei
Hamm.
2. Rh. globuliferom m. — T. VII, F. 6. — Wahrscheinlich
stellt das abgebildete einzige Exemplar (0*54 Millim. hoch) nur den
Jugendzustand der Species dar. Es besteht blos aus zwei Kammern.
Die erste stellt eine fast vollkommen glatte Kugel dar. Auf ihr liegt,
sie theilweise umfassend, die zweite Kammer. Diese ist stumpf drei-
kantig; die Kanten verlängern sich nach abwärts in drei gekrümmte
Arme, welche die erste Kammer bis zur Hälfte zangenartig von oben
umfassen. Nach oben verschmälert sich die zweite Kammer allmählich
zur kurzen stumpfen Spitze, welche die runde Mündung trägt und
in der die drei Kanten zusammenstossen.
Sehr selten in Gesellschaft der vorigen Species.
3. Rh. anomalum. m. — T. VII, F. 1. — 1463 Miliim. lang,
0*51 breit, verlängert, unten stumpf, oben kurz zugespitzt, im Quer-
schnitte etwas unregelmässig sechskantig, mit stärker hervortretenden
abwechselnden Kanten. Auf jeder der drei flachen Seiten des Gehäu-
ses verläuft nämlich eine starke, unregelmässige, zuweilen etwas
gebogene Längsrippe, die nicht ganz bis zumunteren Ende der Schale
hinabreicht. Die Näthe der zahlreichen (10 — 12), niedrigen, nur
wenig reitenden Kammern, besonders der älteren sehr kleinen,
14*
202 R e » s s.
sind nur sehr undeutlich. Die Schalenobertläche sehr uneben und
rauh.
Sehr selten im Diluvialsande von Hamm.
d) Vaginul i nidae.
Vaginulina d' 0 r b.
1. V. transversalis m. — T. VIII, F. 5. — Länge: 1906 Millim.,
Breite: 0*621 Millim. Das Gehäuse stellt ein langgezogenes, ungleich-
seitiges Dreieck dar, ist unten stumpf, oben schräg abgeschnitten,
sehr stark an den Seiten zusammengedrückt, an den Rändern senk-
recht abgestutzt. Die Seitenflächen sind rings von einer schmalen
erhabenen Leiste umsäumt. Die Kammern zahlreich, sehr niedrig,
fast quer, aussen durch schmale leistenartige Hervorragungen geson-
dert , so dass ihre Flächen , selbst jene der ersten Kammer nicht
ausgenommen, ziemlich stark kastenartig vertieft erscheinen. Die
Oberfläche durch sehr feine Rauhigkeiten matt.
Sehr selten im Minimusthone von Rheine.
2. V. arguta m. — T. VIII, F. 4.— Länge: 1-39 Millim., Breite:
0-409 Millim. Ist in Gestalt des Gehäuses der vorigen Species sehr
ähnlich, ebenfalls verlängert, ungleichseitig — dreieckig, stark zusam-
mengedrückt, an den Rändern senkrecht abgestutzt, unten stumpf, oben
zugespitzt und sehr schräg abgeschnitten. 8 — 9 sehr niedrige und
schiefe, concave, von scharfen ziemlich hohen Leisten eingefasste,
vierseitige Kammern; selbst die erste Kammer ist vertieft und etwas
dünner, als der obere Theil des Gehäuses. Der beinahe gerade
Rückenrand der Länge nach rinnenartig ausgehöhlt.
Sehr selten im Minimusthone von Rheine, sowie in den dem-
selben eingelagerten Grünsandschichten. — Auch im Cenomanien (?)
von Wallmoden.
3. V. bicostnlata m. — T. VIII, F. 5. — Länge: 1-213 Millim.,
Breite: 0-365 Millim. Bei dieser Species ist das Gehäuse dicker,
weniger zusammengedrĂĽckt, als bei den vorher beschriebenen zwei
Arten, undeutlich dreieckig, unten sehr stumpf, zugerundet, oben
zugespitzt und schräg abgeschnitten. Die Ränder senkrecht abgestutzt,
der Rücken seicht rinnenartig ausgehöhlt. Die erste Kammer stellt
eine verhältnismässig grosse Kugel dar, jederseits mit zwei kurzen,
schmalen, etwas gebogenen Rippchen. Die ĂĽbrigen wenig zahlreichen
(4) Kammern schief, niedriger als breit, aber doch weit höher, als bei
I. transversalis und arguta, von einer sehr schmalen Leiste umgeben.
Die Foraminiferen der westphälischen Kreideformation. 203
Sehr selten im Minimusthone von Rheine.
4. V. notata. — T. IX, F. 3. — Seitlich zusammengedrückt,
aber doch ziemlich dick, dreieckig-oval, am RĂĽcken beinahe gerade,
am Bauchrande gebogen, unten stumpf zugespitzt, nach oben sich all-
mählichverbreiternd und schräge gerundet endigend. Die Seitenrän-
der senkrecht abgestutzt. 6 Kammern, die erste kleinste kugelig ge-
wölbt, die anderen viel breiter als hoch, mit sehr seicht vertieften
Näthen. Über ihre Seitenflächen verlaufen zusammenhängende, aber
in den Natheindrücken etwas flachere schmale Längsrippchen, die
sich nach obenhin an Zahl vermehren. Die 3 — 4 auf der zweiten Kam-
mer befindlichen setzen auch auf den oberen Theil der ersten Kam-
mer fort. Die vorderste Rippe der letzten Kammer biegt sich nach
hinten um und verläuft dem oberen Rande parallel flach bogenförmig
rückwärts. Das ganze Gehäuse ist ringsum mit einer schmalen Leiste
eingesäumt.
An dem vorliegenden Exemplare ist das obere Ende abge-
brochen.
Sehr selten im GrĂĽnsande des oberen Gault von Rheine.
e) Pleurost omcllidae.
Eine ganz eigenthĂĽmliehe Gruppe, bisher nur durch die ein-
zige Gattung Pleurostomella vertreten. Es wird daher genĂĽgen,
den Gattungscharakter anzufĂĽhren, der bis jetzt auch fĂĽr die ganze
Familie Geltung hat.
Pleurostomella nov. gen.
Die erste Species dieser Gattung — PI. snbnodosa— hatte ich
früher, die Unregelmässigkeit der Kammern für etwas Zufälliges und
Unwesentliches haltend, mit ähnlichen Bentalina- Arten zusammen-
geworfen und als D. nodosa d'O r b. und D. subnodosa Rs s. unrichtig
abgebildet und beschrieben (Foraminiferen und Entomostraceen von
Lemberg in Haidinger's naturw. Abhandl. IV. I, p. 24. T. 1,
F. 9). Als ich in den westphälischen Kreidegebilden zahlreichere
Exemplare dieser Species und später noch eine zweite Art — PI.
fusiformis — auffand und mich von der constanten Unregelmässigkeit
der Kammern ĂĽberzeugte , wurde ich zur genauem Untersuchung
derselben gefĂĽhrt, wobei ich sodann sogleich die grosse Abweichung
in der Gestalt und Lage der MĂĽndung wahrnahm, aus welcher das
204 >'• e u s >.
üben erwähnte Verhalten der Kammern ungezwungen und nothwendig
hervorgellt. Es war nun unmöglich, diese Formen fernerhin bei Denta-
lina zu belassen.
Bei der grössten Übereinstimmung mit Dentalina in der äusse-
ren Form liegt der hauptsächlichste Unterschied in der Mündung.
Statt dass dieselbe, wie bei Bentalina, rund wäre und an der Spitze
der letzten Kammer läge, stellt sie einen halbmondförmigen oder
selbst halbelliptischen Spalt dar, der sich unterhalb des Gipfels der
Kammer, auf einer Seite derselben, am oberen Ende einer grösseren
oder kleineren , seitlich von einem erhabenen Rande eingefassten
Depression befindet. In Folge dieser von dem höchsten Punkte der
Kammer herabgerĂĽckten Lage der MĂĽndung stehen nun auch die
Kammern nicht mehr gerade auf einander; sondern jede ist gegen
die MĂĽndungsseite der vorhergehenden Kammer mehr weniger
geneigt, so dass die Näthe dadurch eine schiefe Richtung und das
Gehäuse eine schwach wellenförmige Biegung annimmt.
Ăśbrigens ist die Axe der Pleurostomellen entweder beinahe
gerade, wie bei Nodosaria, oder schwach gekrĂĽmmt nach Art der
Dentalinen. Die Schalensubstanz ist compact, glasig glänzend.
Die zwei bisher bekannten Species der Gattung gehören der
Kreideformation an, die eine der weissen Kreide — den Mukronaten-
und Quadratenschichten — -, die andere dem Gault.
1. PI. subnodosa m. (Nodosaria nodosa [d'Orb.] Reuss, Verst.
d. böhm. Kreideform. I. p. 28 z. Tbl. — Dentalina subnodosa Rss.
in Haidinger's naturw. Abhandl. IV. I. p. 24. z. Thl.) — T. VIII,
F. 2. — Länge: 0892 Millim., Breite: 0*219 Millim. Gehäuse gerade,
ziemlich dick, nach unten sich nur wenig zur stumpfen Spitze ver-
dünnend, durch das alternirende Schiefstehen sämmtlicher Kammern
etwas knotig. Alle Näthe etwas schief, besonders jene der ältesten
Kammern, ziemlich tief. Die Kammern gewölbt, besonders auf der der
Biegung entgegengesetzten Seite. Die MĂĽndung liegt am oberen Ende
einer kleinen breit-ovalen tellerförmigen Depression, die nur den
dritten Theil der Seitenfläche der letzten Kammer einnimmt. Sie
ist halbmondförmig, oben und seitlich von einem scharfen Rande
begrenzt.
Selten in den oberen Senoninergelu des Hilgenberges und des
Herrnsteinberges bei Hamm und von der Soestwarte bei Beckum,
im Plänermergel von Luschitz , in den iMukronatenschichten von
Die Foraminiferen der westphälischen Kreideforination. <*0o
Lemberg iti Galizien, im Cenomanien (?) aus der Thongrube im N.
von Wallmoden.
2. PI. fusiforuris m. — T. VIII, F. 1. — Länge: 1*463 Millim.,
Breite: 0*365 Millim. Während die vorige Species in den Umrissen eine
Nodosaria darstellt, ist die hier in Rede stehende ganz einer Den-
talina ähnlich. Denn das lange Gehäuse ist schwach gebogen und
verschmälert sich nach unten langsam zur ziemlich scharfen Spitze.
Die ersten Kammern stehen beinahe gerade ĂĽber einander und wer-
den durch horizontale Näthe geschieden, welche nur durch feine
Linien angedeutet werden. Die jĂĽngeren Kammern sind wie bei PL
subnodosa, abwechselnd etwas bald gegen die eine, bald gegen die
andere Seite geneigt, wodurch das Gehäuse in seinem oberen Theile
schwach knotig und die Richtung der tiefen Näthe schräge wird.
Die letzte Kammer eiförmig, oben stumpf zugespitzt. Eine Seite
derselben erscheint in ihrer ganzen Ausdehnung stark eingedrĂĽckt
und von einem scharfen glatten Rande leistenartig umgeben. Am
obern Ende dieser Depression, hart unter der Spitze der Kammer,
liegt die halbelliptische Mündung grösser als bei PL subnodosa. Die
aridere Seite der letzten Kammer besitzt ihre regelmässige gleich-
förmige Wölbung.
Sehr selten im Minimusthone von Rheine.
II. Helicostegia.
a) Cristellaridae.
Marginulina d' 0 r b.
M. bullata Rss. (I. c. I, p. 29, T. 13, F. 34—38). —
T. VI, F. 6. — Länge: 0-584 Millim., Breite: 0*365 Millim.
Ist der M. comma Rom. (Die Versteinerungen der norddeutschen
Kreideformationen p. 96, Taf. 15, Fig. 15) aus dem Hilsthone des
Hilses sehr ähnlich, unterscheidet sich aber durch die höheren, ge-
wölbteren, mehr kugeligen Kammern. Durch diese zeichnet sie sich
ĂĽberhaupt vor allen anderen Marginulina-Arten aus. Die Zahl der
Kammern wechselt sehr. Bei jugendlichen Exemplaren, bei denen
ihre Kugelform besonders hervortritt, zählt man ihrer nur 2 — 3.
Doch auch bei den grössten übersteigt sie 6 nicht. Das Gehäuse ist
im Querschnitte kreisrund, bald nur sehr wenig gebogen, bald mit
den ersten 2 — 3 Kammern schwach vorwärts gekrümmt , den ersten
206 R e ii s s.
Anfang spiraler Einrollung darstellend. Dabei sind dieselben klein,
und nur durch seichte, kaum erkennbare Näthe gesondert. Die jün-
geren Kammern dagegen sind stark gewölbt, breiter als hoch und
durch tiefe EinschnĂĽrungen getrennt. Die letzte Kammer ist am
grössten , fast vollkommen kugelig. Sie trägt auf der oberen, stark
gewölbten Fläche gegen die Rückenseite hin einen kurzen, dünnen
röhrenförmigen Fortsatz mit etwas verdicktem Randsaume, der mehr
weniger nach rückwärts geneigt und von der kleinen runden Mün-
dung durchbohrt ist. Die Schalenoberfläche glasig glänzend.
In den oberen Senonmergeln des Hilgenberges bei Hamm. — In
den Bakulitenthonen von Luschitz und Brozan (Böhmen), sehr selten
im Kreidemergel vor dem Clever Thore von Hannover.
2. M. soluta m. — T. VII, F. 4. — Länge: 1-097 Millim.,
Breite : 0-248 Millim. — Ausgezeichnet durch die schmale lineare
Form des beinahe geraden Gehäuses. Nur die erste fast kugelige
Kammer tritt aus der Reihe der ĂĽbrigen Kammern etwas nach vorne
heraus. Sechs durch tief eingeschnittene Näthe getrennte, besonders
auf der Bauchseite stark gewölbte Kammern. Die zweite wird von
der kugelig aufgetriebenen ersten Kammer auch seitlich etwas ĂĽber-
ragt. Die letzte Kammer verlängert sich auf der Rückenseite in
eine röhrenförmige Spitze, welche die nackte Mündung trägt. Schale
glatt, glasig glänzend.
Sehr selten im Minimusthone von Rheine.
3. M. lata m. — T. V, F. 7. — Länge: 0892 Millim., Breite:
0-512 Millim. — Diese Species ist ausgezeichnet durch den eiför-
migen Umriss, das kurze und verhältnissmässig breite Gehäuse, denn
die Höhe verhält sich zur Breite wie 3 : 2. Das untere Ende ist
breit gerundet, das obere nur wenig schräge abgeschnitten und am
Rückenwinkel in eine sehr kurze Spitze ausgezogen. 6 — 7 breite,
sehr niedrige Kammern, seitlich zusammengedrĂĽckt, wenig gebogen
mit sehr schwach vertieften linearen, beinahe queren Näthen. Der
Querschnitt stellt eine lange, fast regelmässige Ellipse dar. Die
Mundfläche der letzten Kammer ist nur wenig gewölbt, in der Mitte
mit einer schwachen Längsfurche. Es ist jedoch nicht unwahr-
scheinlich, dass diese nur eine zufällige Erscheinung sei. Um mit
Bestimmtheit darĂĽber abzuurtheilen, liegen noch zu wenig Exem-
plare vor.
Sehr selten im unteren Senonmergel von Ostheide bei Hamm.
Die Foraminiferen der westphälischen Kreideformation. 207
4. M.elongata d'Orb. (Mem. de la soc. geol. de Fr. IV, 1, p. 17,
T. 1 , F. 20 — 22. — Reu ss, Kreideversteinerungen Böhmens I.
p. 29, T. 13, F. 29, 31).
Selten im oberen Senonmergel des Hilgenberges bei Hamm. —
In der weissen Kreide Frankreichs und Englands; in den Bakuliten-
thonen \on Luschitz, Rannai, Kyslra und Brozan (Böhmen), in den
Mukronatenmergeln von Lemberg in Galizien.
5. M. inaeqoalis m. — T. VII, F. 3. — Länge: 0-95 Millim.,
Breite: 0-256 Millim. — Ähnlich der 31. similis d'Orb. (Foram. du
bass. tert. deVienne p. 69, T. 3, F. 15, 16) aus dem Badener Tegel.
Das Gehäuse verlängert, im unteren Theile etwas vorwärts gekrümmt,
an beiden Enden stumpf zugespitzt, im Querschnitte beinahe kreis-
rund. Die Kammern an Grösse und Form sehr ungleich. Die letzte
sehr gross, schief-eiförmig, durch eine tiefe Nath begrenzt. Die
MĂĽndung von einem feinen Strahlenkranze umgeben; die Schale
glatt, glasig glänzend.
Sehr selten im obersten Gault von Rheine.
6. I. modesta m. — T. VII, F. 5. — Länge: 0891 Millim.,
Breite: 0*294 Millim. — Schale verlängert, beinahe gerade, im
untersten Theile sehr schwach gebogen, oben beinahe walzig, in der
unteren Hälfte zusammengedrückt und am Rücken fast schneidig. Das
obere Ende schräge abschüssig, mit gewölbter Mundfläche der letzten
Kammer; das untere Ende stumpf. 7 — 8 fast quere, sehr wenig
gebogene Kammern mit linearen Näthen. Die Mündung mit einem
Strahlenkranze auf einer kurzen Spitze hart am RĂĽckenwinkel des
Gehäuses. Die Schalenoberfläche glatt, glasig glänzend.
Sehr selten im unteren Senonmergel von Ostheide bei Hamm.
7. M. ensis Rss. (Die Versteinerungen der böhmischen Kreide-
formation I. p. 29, T. 13, F. 26, 27. — Haidinger's natur-
wissenschaftliche Abhandlungen IV. 1, p. 27, 28, T. 2, F.
16). — Im oberen Senonmergel vom Westberg bei Hamm, von
Dolberg bei Beckum und yon Drensteinfurth ; im unteren Senonien
des Rhynerberges, von Flierich und Bergeamen; im Diluvialsande
von Hamm. — Im Pläner von Kosstiz, im Bakulitenthon von Lu-
schitz, Kystra, Rannai und Brozan (Böhmen); im Mukronatenmergel
von Nagorzani bei Lemberg; in der weissen Kreide von Kent
und Essex; in der Quadratenkreide vom Lindner Berg bei Han-
nover.
208 R e « s s.
8. M. bacilluni m. — T. VI, F. 8. — In meiner Monographie
der böhmischen Kreideversteinerungen I, p. 29, habe ich unter dem
eben angefĂĽhrten Namen eine besondere Species auf ein einziges
undeutliches BruchstĂĽck gegrĂĽndet, welche ich, da sie durch keinen
späteren Fund bestätigt wurde, wieder fallen zu lassen gezwungen
bin. Den dadurch frei gewordenen Namen lege ich nun der in Rede
stehenden Species bei. Dieselbe ist der 31. ensis Rss. ähnlich,
aber kürzer und verhältnissmässig breiter und stärker zusammen-
gedrĂĽckt.
Das Gehäuse ist 2-633 Millim. lang, bei 0-621 Millim. Breite,
säbelförmig, beinahe in der ganzen Längenausdehnung' gleich breit,
am unteren Ende schwach vorwärts gebogen und abgerundet, am
RĂĽcken wenig zusammengedrĂĽckt und gerundet, am Vorderrande
dagegen mehr winklig, zuweilen sogar beinahe gekantet, daher im
Querschnitte eiförmig. Die niedrigen Kammern sind sehr wenig
schief, ihre Näthe nur durch Linien angedeutet; nur die letzte ist
bisweilen durch eine schwache EinschnĂĽrung gesondert. Die in
gerader Linie ĂĽber einander stehenden jĂĽngeren Kammern erheben
sich in der Mitte ihrer Seitenflächen je zu einer schwachen Quer-
rippe, welche sich jedoch nicht ganz bis zum RĂĽcken- und Bauch-
rande erstreckt. Noch ehe sie ersteren erreicht, endet sie plötzlich;
gegen die Bauchgegend hin verflacht sie sich allmählich. Die letzte
abschĂĽssige Kammer endet am RĂĽckenwinkel in eine kurze, dicke
Spitze, welche die gestrahlte Mündung trägt.
Im oberen Senonmergel des Hilgenberges bei Hamm und im
Diluvialsande bei Hamm.
9. M. seminotata m. — T. V, F. 6. — Länge: 1-17 Millim.,
Breite: 0-347 Millim. — Gehäuse linear, im Querschnitt beinahe
kreisrund. Die ersten Kammern sind aussen nicht deutlich geschieden
und sehr niedrig. Bei den jüngeren werden die Näthe allmählich
deutlicher und zwischen den letzten drei Kammern selbst sehr tief.
Diese Kammern sind auch sehr gewölbt, die letzte beinahe kugelig,
mit einer der Rückenseite genäherten, etwas schräge rückwärts
gerichteten röhrenförmigen Verlängerung, welche die kleine runde
Mündung trägt.
Der unterste Theil des Gehäuses ist sehr wenig vorwärts ge-
bogen, der Rücken rund. Die Oberfläche der unteren Kammern zeigt
sehr feine, schräg vorwärts verlaufende, erhabene Streifen. Spuren
Die Foraraiuiferen der westphälischen Kreideformation. 209
derselben setzen bis auf das untere Drittheil der vorletzten Kammer
fort. Der ĂĽbrige Theil dieser Kammer ist, wie die letzte, voll-
kommen glatt.
Sehr selten in den oberen Senotimergeln des Hilgenberges bei
Hamm.
10. M. armata m' — T. VII, F. 7. — Von dieser, der tertiären
M. hirsuta d'Orb. (Foram. du bass. tert. de Vienne, p. 69, T. 3,
F. 17, 18) ähnlichen Species habe ich bisher nur seltene Bruch-
stĂĽcke gesehen.
Die oberen Kammern sind fast vollkommen kugelig und durch
tiefe Einschnürungen geschieden. Die letzte verläuft in einen kurzen
dünnen excentrisehen Fortsatz, der die Mündung trägt. Die Ober-
fläche der Schale ist mit feinen stacheligen Hervorragungen bedeckt,
die auf der letzten Kammer eine Spur von vertical reihenförmiger
Anordnung verrathen, auf den ĂĽbrigen Kammern aber ganz regellos
stehen. Die ersten Kammern sind an keinem der wenigen vorliegen-
den Exemplare erhalten. Dieselben stammen aus dem Diluvialsande
von Hamm.
11. H. ornatissima m. — T. VII, F. 2. — Länge: 139 Millim.,
Breite: 0*42 Millim. — Das verlängerte Gehäuse ist heinahe in seiner
ganzen Länge gleich dick, im Querschnitte triangulär. Die erste
Kammer bildet eine fast vollkommene Kugel, deren Querdurchmesser
jenem des oberen Theiles der Schale gleichkommt. Unten läuft sie
in eine kurze centrale Stachelspitze aus und trägt auf jeder der zwei
Seitenflächen drei kurze Rippchen, deren seitliche halbmondförmig
gebogen sind, die mittlere aber beinahe gerade ist. Auch die Bauch-
und RĂĽckenseite sind mit solchen Rippchen geziert, aber nur mit zwei
gebogenen, deren Concavität einander zugekehrt ist.
Die ĂĽbrigen Kammern sind im Querschnitte dreiseitig, die beiden
Seitenflächen des Gehäuses sind mit vier schiefen, gebogenen, gegen
die RĂĽckenkante hin aufsteigenden scharfen Rippen versehen, die
am hinteren Ende einen kurzen , gerade aufwärts gerichteten Fort-
satz bilden, ohne mit jenen der entgegengesetzten Seite zusammen-
zustossen. Der Rücken des Gehäuses erscheint dadurch zwischen
den genannten Leisten von einer starken und breiten Längsfurche
durchzogen.
Die Bauchfläche des Gehäuses ist lanzettförmig und so breit
wie die Seitenflächen. Sie wird von zwei scharfen Leisten einge-
210 Reu 83.
fasst, die sich bis auf die erste kugelige Kammer herab erstrecken
und eine tiefe Furche zwischen sich haben. Ăśberdies ist sie mit vier
in der Mitte winklig gebrochenen und durch eine Furche unter-
brochenen, mit dem spitzigen Winkel aufwärts gekehrten Rippen
versehen. Die MĂĽndung steht auf der Spitze der letzten Kammer am
Rückenwinkel des Gehäuses.
Sehr selten in dem oberen Senonmergel des Hilgenberges bei
Hamm.
Cristellaria Lam.
1. C. recta d'Orb. (Mein, de Ia soc. geol. de Fr. IV. J , p. 28,
T. 2, F. 23 — 25). — Sehr selten in den oberen Senonmergeln des
Hilgenberges bei Hamm. — Selten in der weissen Kreide von
Meudon und St. Germain, im Kreidedetritus von Charing (England)';
im Ananchytenmergel von Jenstedt; im Bakulitenthon von Luschitz
(Böhmen).
2. C. angusta Rss. (Haidinger' s naturw. Abhandl. IV. \,
p. 32, T. 3, F. 7). — Selten im Diluvialsande von Hamm. — In den
Mukronatenschichten von Nagorzani bei Lemberg; noch zweifelhaft
in dem Kreidemergel des Edelbachgrabens im Gosau-Thale.
3. C. Hagenowi m. — T. IX, F. 6. — Das nur 0766 Millim.
hohe und 0-44 Millim. breite Gehäuse schief-oval, ohrförmig, unten
stumpf und vorwärts gekrümmt, oben kurz zugespitzt, seitlich zu-
sammengedrückt. 6 — 9 niedrige, schmal- und schief-dreiseitige
Kammern, deren 3 — 4 unterste einen Theil eines spiralen Umganges
bilden, während die übrigen in gerader Reihe über einander stehen.
Sie sind nur sehr wenig gewölbt und durch sehr seichte schmale
Näthe geschieden. Der Rücken des Gehäuses, so wie die Bauchseite
winklig, ersterer sogar gekielt. Die letzte, am oberen Ende schräg
abschüssige Kammer verlängert sich am Riickenwinkel in einen
Höcker, welcher die gestrahlte Mündung trägt. Die Mundfläche
lanzettförmig, sehr wenig gewölbt. Die Schalenoberfläche glatt,
glasig glänzend.
Sehr selten im oberen Senonmergel des Hilgenberges bei
Hamm.
4. C. inepta m. — T. X, F. 4. — Länge: 1-17 Millim., grösste
Breite: 0-67 Millim. — Schief-eiförmig, breit gerundet, oben kurz
zugespitzt, seitlich massig zusammengedrĂĽckt, am RĂĽcken scharf-
Die Foraminifereu der westphälischen Kreideformalion. 2 t
winklig, auf der Bauchseite breiter und tief ausgeschnitten. 8 — 9
niedrige, wenig schiefe Kammern. Die ersten sind hakenförmig nach
vorne umgebogen und wachsen rasch zu bedeutender Grösse an; die
jĂĽngeren stehen in gerader Reihe ĂĽber einander und nehmen nach
oben wieder etwas an Grösse ab, wodurch sich das Gehäuse dort
allmählich zur stumpfen Spitze verschmälert. Sämmtliche Kammern
sind sehr wenig gewölbt und die seichten Näthe zunächst dein
SchalenrĂĽcken am deutlichsten sichtbar. Die letzte Kammer ist am
höchsten, dreiseitig und trägt auf ihrer oberen stumpfen Spitze die
gestrahlte Mündung. Die Bauchfläche derselben kurz-dreieckig, bei-
nahe eben; der darunter liegende Theil der Bauchtläche des übrigen
Gehäuses seicht ausgehöhlt. Schale glatt, glänzend.
Sehr selten in Gesellschaft der vorigen Species.
5. C. lins pa m. — T. X, F. 1, 2. — Eine ziemlich grosse
Species — 1*9 — 2 Millim. hoch — aus der Gruppe der Planularia.
Die Schale stark seitlich zusammengedrĂĽckt, lang- und schief-
eiförmig, oben zugespitzt, am unteren Theile ziemlich stark vorwärts
gekrümmt, so dass die ersten Kammern beiläufig die Hälfte eines
spiralen Umganges bilden. Der RĂĽcken winklig, ohne scharf zu sein,
nur an dem spiralen Theile des Gehäuses wird er kielartig. 10 — 12
sehr schmal-dreieckige Kammern, die durch sehr schwach vertiefte
lineare Näthe geschieden werden. Die Scheidewände scheinen mit
dunkler Farbe durch. Die ersten Kammern haben eine nur wenig
schiefe Richtung. Die jĂĽngeren werden immer schiefer und zuweilen
reicht die letzte Kammer ĂĽber den Vorderrand der ĂĽbrigen bis zur
ersten herab (T. 10, F. 2). Sie ist stark nach vorne abschĂĽssig und
trägt auf der am Rückenwinkel liegenden Spitze die gestrahlte Mün-
dung. Ihre Bauchfläche ist von einer Seite zur anderen wenig ge-
wölbt, in der Mitte selbst schwach eingedrückt.
Sehr selten in Begleitung der vorigen Arten.
6. C. tripleura m. — T. IX, F. 5. — Die zu der Unterabtheilung
Saracenuria gehörige Species ist 0-658 Millim. lang, 0-292 Millim.
breit, verlängert, massig zusammengedrückt, an der Bauchseite be-
deutend breiter als am RĂĽcken, daher im Querschnitte dreiseitig, oben
zugespitzt, unten stumpf und stark vorwärts eingebogen. Die ersten
Kammern lassen sich äusserlich nicht unterscheiden. Sie sind im
Allgemeinen niedrig, wenig gebogen und nehmen nach oben hin
allmählich eine sehr schräge Richtung an. Die Näthe linear, die
212 Rein,
Mundfläche der letzten Kammer sehr abschüssig, schmal- und lang-
dreiseitig, gewölbt; die Bauchfläche des Gehäuses von oben nach
unten ausgehöhlt. Die Mündung gestrahlt.
Sehr selten im obersten Gault von Rheine.
7. C. triaogularis d'Orb. (Mem. de la soc. geol. de Fr. IV, I,
p. 27, T. 2, Fig. 21, 22). Sehr selten in den oberen Senonmergeln
des Hilgenberges bei Hamm. — In der weissen Kreide von Sens und
vonKent; imKreidedetritus von Charing, nach Morris auch im Gault
von Folkestone (?); in den Bakulitenthonen von Luschitz, Rannai
und Brozan (Böhmen).
8. C. navicnla d'Orb. (1. c. IV, 1 , p. 27, T. 2, F. 19, 20). —
Sehr selten in den unteren Senonmergeln von Ostheide bei Hamm.
— In der weissen Kreide Frankreichs und von Kent; im Kreidetuff
von Maestricht; im Bakulitenthon von Luschitz und Brozan und im
Pläner des Laurenzberges bei Prag (Böhmen).
9. C. Marcki m. — T. IX, F. 4. — Gehört unter die grösseren
Formen dieser Gattung, denn einzelne Exemplare erreichen eine
Höhe von 296 Millim. bei einer Breite von 1-609 Millim. Mit Aus-
nahme des untersten Theiles ist das schief- eiförmige Gehäuse sehr
stark seitlich zusammengedrückt, öfters verbogen, oben zugespitzt,
unten breit gerundet.
Die älteren Kammern bilden eine verhältnissmässig grosse,
linsenförmige, in der Mitte buckelartig vorragende Spirale, an der
aber äusserlich gar keine Kammerabtheilung wahrzunehmen ist. Die
jĂĽngeren Kammern sind sehr niedrig, schief und durch seichte Furchen
von einander geschieden. Der RĂĽcken ziemlich scharfwinklig. Die
Mundfläche der letzten Kammer sehr schmal, schwach zugerundet.
Die Schalenoberfläche glatt.
Sehr selten in den oberen Senonmergeln des Hilgenberges bei
Hamm und im Diluvialsande bei Hamm.
10. Cr. inflata m. — T. VIII, F. 6. — Eiförmig, oben sehr kurz
zugespitzt, unten breit gerundet, seitlich stark gewölbt, am Rücken
gekielt. Die unteren 6 — 7 sehr kleinen dreieckigen Kammern bilden
eine vollkommene stark convexe linsenförmige Spirale und werden
nur dem von einem schmalen gekielten Saume umgebenen Rande
zunächst durch kurze seichte Näthe geschieden. Oberhalb dieser
Spirale legen sich noch 2 — 3 niedrige, am Rücken winklige, aber
nicht gesäumte, auf der Bauchseite breitere Kammern an, die tiefere,
Die Foraminiferen der westphälischen Kreideformation. 213
wenn auch schmale Nätlie zwischen sich haben und deren letzte in
eine kurze durchbohrte Spitze ausläuft.
Sehr selten in dem oberen Senonmergel des Hilgenbcrges bei
Hamm.
11. Cr. oligostegiam. — T. VIILF.8. —Durchmesser: 0-8 Millim.
Kreisrund, wenig zusammengedrückt, an den Seiten stark gewölbt,
am Rücken winklig. Fünf gewölbte, durch schmale, aber deutliche
Näthe gesonderte, breit-dreieckige, fast gerade Kammern. Die letzte
läuft in eine sehr kurze, stumpfe, beinahe mittelständige Spitze mit
gestrahlter Mündung aus. Die Bauchfläche derselben quer-halbmond-
förmig, durch den vorhergehenden stumpfwinkligen Umgang tief
ausgeschnitten, gewölbt. Schalenoberfläche glatt.
Sehr selten im Diluvialsande von Hamm.
12. Cr. ovalisRss. (Die Verst. d. böhm. Kreideform. 1, p. 34, 35,
T. 8, F. 49; T. 12, F. 19; T. 13, F. 60 — 63.) — Im oberen Senon-
mergel des Hilgenberges bei Hamm; im unteren von Hamm und von
Oslheide. — Im böhmischen Kreidegebirge ziemlich verbreitet; im
Planer von Kutschlin, Kröndorf, Kosstitz, des Laurenzberges bei
Prag u. s. w. ; im Bakulitenthone von Luschitz , Priesen, Wollenitz,
Rannai, Brozan u. a. 0. — Im Kreidemergel vor dem Clever Thore
von Hannover; im Cuvieri- Planer von Haverlah; im Kreidemergel
von Köpinge auf Schoonen.
13. C. acuta m. — T. X, F. 3. — Höhe: 117 Millim., Breite:
0899 Millim. Im Umrisse breit-oval, scharf gekantet, gewölbt,
oben zugespitzt, unten breit gerundet, vollkommen spiral eingerollt.
Die Mitte der Spirale ragt als eine kleine gewölbte Scheibe stark her-
vor. Zwei Umgänge, von denen nur der zweite durch lineare Näthe
in 10 — 11 niedrige, keilförmige, sehr wenig gebogene, flache Kam-
mern gesondert ist. An dem innern Umgange ist äusserlich keine
Kammerabtheilung wahrnehmbar. Die Mundfläche der letzten, oben
scharf zugespitzten Kammer ist hoch dreieckig, in der Mitte abge-
plattet. Die runde Mündung gestrahlt, die Schalenoberfläche glatt,
glänzend.
Selten im Pläner und im Minimusthone von Rheine. — Auch im
Albien von Wallmoden.
14. C. rotulata Lam. sp. (d'Orbigny, Mein, de la soc. geol.
de Fr. IV. 1, p. 26, T. 2, F. 15—18.) Ohne Zweifel die verbrei-
tetste aller Foraminiferenspecies. Sie findet sich nicht nur beinahe
214 R e i b s.
ĂĽberall, wo Kreidegebilde auftreten, sondern geht auch in verticaler
Richtung beinahe durch alle Kreideetagen bis unter den Gault hinab.
Im westphälischen Kreidegebirge ist sie beinahe überall vorhanden.
Ich fand dieselbe in den Mukronatenschichten des Hilgenberges, des
Kurkenberges, des Westberges u. a.; in der Quadratenkreide voo
Hamm, Flierich, Uedinghoff, Ostheide, vom Rhynerberg u. s. w. ; im
Pläner von Ahaus, Unna, Opherdieke u. s. f.; in der Tourtia von
Essen; im Minimusthone von Rheine; im Diluvialsande von Hamm.
Verbreitet ist sie ĂĽberdies in der weissen Kreide Frankreichs
(Meudon, St. Germain, Sens), Englands, Rügens, Dänemarks; im
Kreidedetritus von Charing (England) ; in den Mukronatenschichten
von Lemförde, von Nagorzani bei Lcmberg ; überall in den Baknliten-
thonen und im Pläner Sachsens und Böhmens; in den Kreidemergeln
des Gosauthales; in den Kreidekalken von Basdorf und Wichmanns-
dorf in Mecklenburg ; in den Quadratenschichten von Ilseburg,
Bochum und vom Lindner Berge bei Hannover; in der untern Kreide
von Peine; in der glaukonitischen Kreide von Köpinge (Schoonen);
im Pläner aus dem Bohrloch von Liebenbach bei Salzgitter; im
Cuvieri-Pläner von Haverlah; im Grünsand von Mans, von Warminster
und Farringdon; im GrĂĽnsand des unteren Quaders von Laun und
Neuschloss (Böhmen); im Cenomanien von Ringelberg-Kothwelle und
vom Fleischerberg bei Salzgitter; im Flammenmergel von Salzgitter;
im Gault von Kent; im Speeton-Clay von Yorkshire: im Minimusthon
von der Heininger Ziegelei, von Eilum und Wallmoden; in den Gargas-
mergeln von Mastbruch bei Braunschweig u. v. a. Jedoch ist das
Vorkommen der C. rotulata in den tieferen Kreideetagen immer ein
weit selteneres; das Hauptlager bilden die Senon- und Turon-
schichten.
Wenn von manchen Seiten C. rotulata in Tertiärgebilden vor-
kommend, ja selbst noch lebend angefĂĽhrt wird, so dĂĽrfte dies wohl
nur auf einer Verwechslung beruhen, die bei den mitunter sehr
indifferenten Cristellarla-Avten leicht möglich ist. Ich habe wenig-
stens bisher die echte C. rotulata in keiner der zahlreichen von mir
untersuchten Tertiärablagerungen aufzufinden vermocht.
1U. C. secans m. — T. IX, F. 7. — Durchmesser: 1-326 Millim.
Gehäuse kreisrund , seitlich zusammengedrückt , im Umfange scharf
gekielt, stark gewölbt, vollkommen spiral eingerollt. Im letzten
Umgange, dem einzigen deutlich sichtbaren, zählt man 12 schmale,
Die Foraminiferen der westphälisehen KreiHeformation. 213
dreieckige, etwas gebogene flache Kammern, die durch radiale Ripp-
chen, welche von einer grossen, convexen, centralen Nabelscheibe
ausgehen, und, sich verdĂĽnnend, nur bis an den Randkiel verlaufen,
von einander geschieden werden. Die Mundfläche der letzten Kam-
mer ist an den wenigen vorliegenden Exemplaren beschädigt.
Selten im Minimusthone von Rheine. — Eben so selten im
Albien von Wallmoden, Eilum und von der Heininger Ziegelei.
16. C. microptera m. — T. VIII, F. 7. — Kreisrund, von den
Seiten stark zusammengedrĂĽckt, in der Mitte selbst etwas ein-
gedrĂĽckt, am Rande mit einem schmalen FlĂĽgelsaume umgeben.
Zehn schmale, dreieckige, etwas gebogene, sehr wenig gewölbte
Kammern. Die Näthe linear, schwach vertieft, nicht bis zum Centrum
des Gehäuses reichend. Die letzte Kammer am oberen Ende zuge-
spitzt. Die Mündung gestrahlt. Die Schalenoberfläche glatt, glänzend.
Sehr selten in den oberen Senonmergeln vom Herrensteinberg
bei Hamm.
Robulina d' Orb.
1. R. lepida Rss. (Verstein. d. böhm. Kreideform. II. p. 109,
T. 24, F. 46). Sehr selten im Obersenonmergel des Hilgenberges
bei Hamm. — Nicht selten im Bakulitenthone von Luschitz (Böh-
men); vereinzelt in den Kreidemergeln des Edelbachgrabens im
Gosauthale.
Flabellina d' 0 r b.
1. Fl.rngosa d'Orb. (Mem. de la soc.geol. de Fr. IV. l,p.23,24,
T. 2, F. 4—7. — Foram. du bass. tert. de Vienne. p. 93, T. 21,
F. 13, 14. — Reuss, Verstein. d. böhm. Kreideform. I. p. 33, T. 8,
F. 31 — 34, 68, T. 13, F. 49—53). Im oberen Senonmergel vom
Hilgenberg bei Hamm, von Dolberg bei Beckum und von Drenstein-
furth; im unteren Senon von Flierich, Ostheide und vom Rhynerberg ;
im Diluvialsande von Hamm. — In der weissen Kreide von Meudon,
Sens (Frankreich) und von Kent; im Kreidedetritus von Charing; im
Kreidemergel des Edelbachgrabens im Gosauthale; im Bakuliten-
thone von Luschitz, Priesen und Rannai, und gemein im Pläner von
Kosstitz (Böhmen).
2. Fl. Baocloniniaiia d'Orb. (1. c. IV. 1, p. 25, T. 2, F. 12).
Sehr selten im Diluvialsande von Hamm. — In der weissen Kreide
Sitzh. (1. mathera.-naturw. Cl. XL. Bd. Nr. 8. iö
216 R e u s s.
von Sens in Frankreich; in der untern Kreide von Dover; im Kreide-
detritus von Charing; sehr selten im Pläner von Kosstitz (Böhmen).
3. Fl. cordata Rss. (Die Verst. d. böhm. Kreideform. I, p. 32,
T. 8, F. 37—46, 78. — Denkschr. d. Wiener Akad. d. Wiss. 1854,
VII. p. 67, T. 25, F. 6 — 8.) — Im untern Senonmergel des Rhyner-
berges und im Diluvialsande von Hamm. — Ist in der böhmischen
und sächsischen Kreide eben so verbreitet wie Cristellaria rotulata.
Beinahe überall und häufig findet sie sich im Bakulitenthone und
Pläner; seltener erscheint sie in den tieferen Kreideschichten, im
Plänersandstein von Triblitz und Hradek, im Grünsand von Neu-
schloss und Laun, im kalkigen Quader von Cencic, im untern Quader-
sandstein von Tyssa; auf secundärer Lagerstätte mit anderen Kreide-
versteinerungen im pyropenführenden Sande von Triblitz (Böhmen).
Ăśberdies in der weichen Kreide von Charlottenlund in Schweden
(Planidaria elliptica Nils.); in der weissen Kreide von Gravesend ;
im lower chalk von Dover; im Kreidedetritus von Charing (England).
Die Angabe des Vorkommens im Gault von Folkestone (Morris,
Catal. of brit. foss. 2d. edit. p. 35) bedarf wohl noch weiterer
Bestätigung.
4. Fl. interponctata v. d. Mck. (Von der M a r c k in den
Verhandl. des naturhist. Ver. d. Rheinlande u. Westph. XV. Separat-
abdruck p. 53, T. 1, F. 5). — T. IX, F. 1. — Länge: 2-08 Millim.;
grösste Breite: 118 Millim. Gehäuse eiförmig oder länglich-herz-
förmig, oben ziemlich lang zugespitzt, während am unteren Ende die
ersten unregelmässig spiral gestellten Kammern in Gestalt eines
kurzen, stumpfen Zapfens aus der breit gerundeten oder selbst etwas
eingebogenen Basis hervorspringen. Die Seitenränder des sehr
dünnen Gehäuses sind gerundet, die oberen viel länger als die unteren,
mit denen sie in einem stark abgerundeten stumpfen Winkel zusam-
menstossen. Die Kammern zahlreich (15 — 16), sehr schmal; die
oberen spitzwinklig, durch schmale, aber scharfe Leistchen, die öfters
unterbrochen oder unregelmässig sind, äusserlich geschieden. Zwi-
schen denselben stehen auf den ebenen Flächen der Kammern, mit
Ausnahme der letzten, sehr kleine rundliche Körnchen, gewöhnlich
nur in einer den Kammerleisten parallel verlaufenden Reihe, doch
stellenweise auch regellos stehend.
Selten in den oberen Senonmergeln (\{>^ llilgenberges, West-
berges und Kurkenbeiges bei Kamm und vom Dolberg bei Beckum;
Die Foraminiferen der westphälischen Kreideformation. 217
im unteren Senonien yon Flierich und vom Rhynerberg; im Diluvial-
sande von Hamm.
5. FI. niacrospira m. — T. IX, F. 2. — Ich erhielt diese
Species, zwischen Glasplatten in Canadabalsam eingeschlossen, von
Herrn von der Marck. Da es ohne Gefahr, die zerbrechliche Schale
zu zerstören, nicht möglich war, dieselbe blosszulegen, so konnte ich
mich nur auf die unzureichende Untersuchung bei durchfallendem
Lichte beschränken. Eine genaue Angabe der Sculpturverhältnisse
der Schale wird dadurch unmöglich. Aber auch die auf diesem Wege
nachweisbaren Kennzeichen geniigen vollkommen, um in dem Fossile
eine besondere von allen ĂĽbrigen verschiedene Art der Gattung Fla-
bellina erkennen zu lassen.
FL macrospira ist nächst der Fl. simple.v Rss. aus den oberen
Senonmergeln von Nagorzani bei Lemberg die einzige Species,
welche durch eine grosse regelmässige Spirale der ältesten Kam-
mern, die von den jĂĽngeren reitenden Kammern nicht umfasst wird,
sich auszeichnet. Das stark zusammengedrückte Gehäuse ist verlän-
gert-eiförmig, über der Mitte am breitesten, oben kurz zugespitzt,
nach unten langsam verschmälert und abgerundet endigend. Beinahe
den dritten Theil der Länge des Gehäuses nimmt die verhältniss-
mässig grosse spirale Scheibe ein, welche von den ersten 5 — 6 klei-
nen Kammern gebildet wird. Im Mittelpunkte dieser Scheibe liegt
die grosse kreisförmige Embryonalkammer; die übrigen sind klein
und dreieckig. Über der Spirale erheben sich 4 — 5 spitzwinklige
reitende Kammern in gerader Reihe ĂĽber einander. Sie werden durch
ziemlich breite, auf der Aussenseite des Gehäuses wahrscheinlich
leistenartig hervorragende Scheidewände geschieden. Die Seiten-
ränder der Schale erscheinen gerade abgestutzt.
Sehr selten im oberen Senonmergel von Dolberg bei Beckum.
b) Pener oplideae.
Haplophragmium Rss.
Die hierher gehörigen Arten wurden früher bald zu Spirolina
Lam., bald zu Lituola Lam. gerechnet, unterscheiden sich aber von
beiden wesentlich. Mit beiden stimmen sie in der Form des Gehäuses
ĂĽbereilt. Dasselbe ist in seinem Anfangstheile spiral eingerollt, wird
IS*
2 I ö 1! e u s s.
über im Verlaufe des Wachsthumes gerade gestreckt, stabförmig,
indem sich die Kammern in gerader Reihe ĂĽber einander legen. Wie
bei Spirolina, zeigen die Kammern eine einfache Höhlung und stehen
durch mehrere kleine Ă–ffnungen mit einander in Verbindung. Aber
abgesehen von der viel geringeren Regelmässigkeit in Gestalt und
Anordnung der Kammern, ist die Schale nicht glatt und durchaus
kalkig, sondern sehr rauh und uneben, grösstenteils aus Kiesel-
köruern zusammengesetzt. Von Lituola dagegen, welche ebenfalls
mit einer vorwiegend kieseligen Schale versehen ist, unterscheidet
sich Haplophragmium durch die einfachen Kammerhöhlungen. Bei
Lituola werden dieselben durch zahlreiche sehr regellose und ana-
stomosirende Scheidewände vielfach unterabgetheilt und erhalten
ein zelliges Ansehen. Es wird dadurch die Errichtung einer selbst-
ständigen Gattung wohl gerechtfertigt. Dieselbe ist bisher nur im
fossilen Zustande — in den Kreide- und Tertiärgebilden — ange-
troffen worden.
1. H. aeqnale Rom. sp. (Spirolina aequalis Rom. Die Verst.
d. nordd. Kreidegeb. p. 98, T. 15, F. 27. — Lituola aeq. d"Or-
bigny, Prodr. de paleont. stratigr. II. p. 95). — T. XI, F. 2, 3.—
Die grössten mir vorliegenden westphälischen Exemplare sind 5-044
Millim. lang1 und im unteren Theile 1*756 Miliim. dick. Das Gehäuse
ist verlängert -keulenförmig, im Verhältniss zur Länge dick ; die
Spirale gewöhnlich sehr unregelmässig, nicht oder nur wenig zusam-
mengedrĂĽckt und ĂĽberragt in der Breite den gerade ausgestreckten
Theil des Gehäuses nur wenig. Die Kammern sind sehr ungleich,
besonders jene des spiralen Schalentheiles, welche gewölbt und sehr
regellos gestaltet sind.
Die Kammern des geraden Theiles des Gehäuses sind zwar fast
durchgehends etwas breiter als hoch, aber sie wechseln in dem Ver-
hältnisse der Höhe zur Breite sehr und nehmen oft eine keilförmige
G estalt an. Die letzte Kammer ist oben gewölbt und der oberste
Theil dieser Wölbung nur in beschränktem Umfange siebartig durch-
löchert von den wenig zahlreichen sehr kleinen rundlichen Mün-
dungen (F. 2 a, 6). An Bruchstücken erscheinen die Scheidewände
der älteren Kammern eben oder sehr schwach eingedrückt, mit zahl-
reichen Mündungen, die nicht selten durch Zerstörung der Zwischen-
wände in eine einzige unregelmässig ästige zusammenfliessen , wie
bei Dendritina (F. 3 b).
nie Foraminiferen der westphälischen Kreideforination. 210
Selten im oberen Senonmergel des Hilgenberges bei Hamm und
im Diluvialsande von Hamm. — Im norddeutschen Hils, z. ß. vom
Spielberg bei Gri'menplan, von Eschershauseu u. s. w.
2. H. irreguläre Rom. sp. (Spirolina irr. Römer 1. c. p. 98,
T. 15, F. 29. — Sp.inaequalis [errore typij Reuss, Verstein. d.
böhm. Kreideform. I. p. 35, T. 8, F. 62 — 6ß, 75. — Sp. lagenalis
Römer I. c. p. 98, T. 15, F. 28). — T. X, F. 9, T. XI, F. 1. —
Die grössten Exemplare der ungemein veränderlichen Species messen
4'6 Millim. in der Länge , 2-41 Millim. in der grössten ßreite. —
Das Gehäuse ist von der Form eines ßischofsstabes oder flaschen-
förmig, wechselt aber in Grösse, Gestalt und im Verhältnisse der ein-
zelnen Theile ausnehmend. Die Kammern zahlreich. Die untersten
8 — 10 eine bald sehr convexe, fast kugelige, bald eine mehr zusam-
mengedrĂĽckte, in der Mitte schwach vertiefte Spirale bildend, sehr
ungleich in Grösse und Form, meist dreiseitig. Die übrigen 5 — 6
Kammern stehen in gerader Reihe ĂĽber einander und bilden einen
auf dem spiralen Theile des Gehäuses aufsitzenden, gewöhnlich
walzenförmigen, selten etwas zusammengedrückten Fortsatz, der
bald aus der Mitte (Sp. lagenalis Rom.), bald aus der Spite der
Spirale entspringt. Dabei sind sie zwar von sehr ungleicher Grösse,
aber fast stets breiter als hoch, oft von sehr unsymmetrischer Form,
auf einer Seite höher als auf der andern oder selbst keilförmig.
Alle sind durch schmale, aber tiefe Näthe gesondert. Die letzte Kam-
mer ist oben etwas verengert, mit wenig gewölbter Mundfläche. Auf
dieser stehen 2 — G sehr kleine rundliche Mündungen, entweder
regellos zerstreut oder bisweilen in ziemlich regelmässigem Kreise
(F. 9 b). Die Schalenoherfläche sehr rauh und uneben.
Im oberen Senon des Hilgenberges bei Hamm, im unteren Senon
des Rhynerherges, im Pläner von Unna, im Diluvialsande von Hamm.
Im Pläner und Bakulitenthone Böhmens, in den Mukronatenschichten
von Lemberg in Galizien und von Lemförde; im Cenomanien von
Peine, des Mahnerberges bei Salzgitter; im Kreidemergel des Edel-
bach- und Wegscheidgrabens im Gosauthale. Auch in der oberen und
unteren Kreide Englands, denn Spirolinites Stokesi, Murchisoni,
Mantelli, Bucklandi N o r th a m p t. und Sp. Comptoni Ma n t., welche
von Mantell in den Wonders of geology p. 297 angefĂĽhrt und mit
Ausnahme des erstgenannten T. 34, F. 1, 2 und T. 35, F. 1, 2 abge-
bildet werden, gehören insgesammt zu Haplophragmium irreguläre.
220 R e u s s.
MAtuola Lam.
1. L. nautiloidca Lam. (Lamarck, Ann. du mus. V. p, 243.
VIII. T. 62, F. 12, 13; Anim. s. vertebres, 2,le edit. XI, p. 282. —
Encyelop. rneth. T. 465, F. 6; T. 466, F. 1. (L. deformis Jugerid-
zustand) — d'Orbigny, Mein, de la soc. geol. de Fr. IV, 1. p. 29,
T. 2, F. 28—31; Foram. du bass. tert. de Vienne p. 138, T. 21,
F. 20, 21. — SpiroUna nautiloidea d'Orb. Ann. des sc. nat. 1826,
p. 287. — Coscinospira naut. Ehrbg. Die Bild, der Kreideform, aus
mikrosk. Organ, p. 75.) — T. X, F. 5 — 8. — Die grössten Exem-
plare haben eine Länge von 9,87Millim. bei der grössten Breite von
3-29 Millim. Das Gehäuse oft stark verlängert, beinahe cylindrisch,
oder nach unten sich zuerst langsam und wenig verschmälernd und
dann am unteren Ende sich rasch ausbreitend, mitunter schwach
zusammengedrückt, oft unregelmässig verbogen; oben abgestutzt,
unten spiral eingerollt. Kammern sehr zahlreich. Die jĂĽngeren stehen
in gerader Reihe ĂĽber einander und sind ungleich, sehr niedrig,
mehrfach breiter als hoch, mitunter schief und nicht die gesammte
Breite des Gehäuses einnehmend, sondern keilförmig zwischen zwei
breitere eingeschoben.
Die älteren, gewöbnlich etwas höheren, dreieckigen Kammern
bilden eine Spirale, meist nur von einem Umgänge, die bald regel-
mässig in der Ebene des ganzen Gehäuses eingerollt, bald schief
gegen eine Seite geneigt ist. Sie ist mehr weniger zusammen-
gedrĂĽckt und zeigt in der Mitte entweder beiderseits oder nur auf
einer Seite eine enge seichte nabelartige Vertiefung.
Alle Kammern sind durch schmale liefe Näthe gesondert. Die
letzte Kammer erscheint oben flach abgestulzt und trägt auf der
dadurch entstandenen beinahe ebenen Fläche zahlreiche kleine
ungleiche, meist rundliche Mündungen, die gewöhnlich ganz regellos
stehen, doch bisweilen auch, wenigstens die äusseren, eine kreis-
förmige Anordnung wahrnehmen lassen. Nicht selten sind die Zwi-
schenwände derselben theilweise zerstört und dann fliessen sie in
eine sehr unregelmässige mehr weniger verästelte Öffnung zu-
sammen.
Häufig im oberen Senonmergel des Hilgenberges bei Hamm und
im Diluvialsande von Hamm. — In der weissen Kreide von Sens,
Meudon, St. Germain (Frankreich) und von England {SpiroluĂĽtes
Die Foraminiferen der westphälischen Kreideformation. 22 1
Lyelli Northampt. in Mantell's Wonders of geology p. 297); im
Kreidedetritus von Charing.
c) Nonioninideae.
Xonionina d'O r b.
1. N. quatcrnaria Rss. (Reuss in Haidinger's naturwiss.
Abhandl. IV. I, p. 35, T. 3, F. 13). Im oberen Senonmergel des Hil-
genberges bei Hamm und in den unteren Senonscbichten von Ueding-
hoff. — In den Mukronatensehichten von Lemberg in Galizien und
in der Schreibkreide von RĂĽgen.
d) R o t a 1 i d e a e.
Rotaliu d'O rb.
1. R. lenticula Rss. (Die Versteiu. d. böhm. Kreideform. I.
p. 35, T. 12, F. 17). — Selten im Planer von Oplierdieke. — Im
Bakulitenthone von Luschitz, Brozan, Rannai.
2. R. polyrrapkes Rss. (Reuss in Haidinger's naturwiss. Ab-
handl. IV. 1, p. 35, T. 3, F. 1). Sehr verbreitet in den Kreide-
schichten Westphalens; in den oberen Senonmergeln des Hilgen-
berges bei Hamm; im unteren Senonien von Hamm, Flierich, Rhyner-
berg, Haustenbeck, Bergeamen, Ostheide; im Pläner von Horde, Unna,
Rheine, Wullen, Opherdieke; selten in der Tourtia von Essen und
im Gault von Rheine; im Diluvialsande von Hamm. — Nicht selten im
Bakulitenthon von Luschitz und Brozan; selten in den Mukronaten-
mergeln von Nagorzani bei Lemberg in Galizien, in der Quadraten-
kreide vom Lindner Berge bei Hannover, im Flammenmergel vom
Mahner Berge bei Salzgitter, im Cenomanien von Ringelberg-Koth-
wellen, u. s. w.
3. R. nuibonella m. — T. XI, F. 5. — Durchmesser : 0365
Milliin. Gehäuse kreisrund , sehr stark niedergedrückt, im Umfange
scharf gekielt. Die Spiralseite zeigt zwei Umgänge und erhebt sich
in der Mitte zu einem flachen Knöpfchen. Der letzte Umgang besteht
aus sechs schiefen, etwas gebogenen schmal-keilförmigen, flachen, durch
lineare Näthe gesonderten Kammern. Auf der Nabelseite, die in
der Mitte einen deutlichen vertieften Nabel darbietet, sind die Kam-
mern weniger schief, mehr gewölbt und triangulär, mit tieferen
TiZ R e u s s.
Näthen. Die Mündung eine Spulte am Innenrande der letzten Kaitimer.
Die Schalenoberfläche sehr fein punktirt.
Sehr selten im Gault von Rheine.
4. R. rxsculpta m. — T. XI, F. 4. — Ei:ie sehr kleine —
04 Millim. grosse — kreisrunde, an der Peripherie scharf gekielte
Form, auf der Nahelseite stark convex, auf der spiralen Seite dagegen
nur sehr flach gewölbt, indem die inneren Umgänge nur wenig über
den ebenen letzten Umgang vorragen. Drei Umgänge, die nicht sehr
schnell an Breite zunehmen. Im letzten Umgange 10 — 11 schmale,
wenig gebogene Kammern, die auf der Spiralseite des Gehäuses fast
eben sind und durch vorstehende schmale leistenartige Scheide-
wände gesondert werden, die oftmals unterbrochen sind und in
unregelmässige Körner zerfallen , sich zuweilen selbst gabelförmig
spalten. Auf den inneren Windungen sind nur einzelne Körner als
Andeutungen dieser Leisten sichtbar. Ebenso werden die Kammern
am äusseren Rande von einer niedrigen Leiste eingefasst, die auf
den inneren Umgängen ebenfalls mehrfach unterbrochen ist. Die
Fläche der Kammern erscheint dadurch vertieft. Die Nabelseite der
Kammern gewölbt und die trennenden Näthe schmal, aber ziemlich
tief. Der Nabel tief und enge. Die MĂĽndung eine kurze Spalte
in der Mitte des Innenrandes der letzten Kammer. Die Schale fein
punktirt.
Im oberen Senonntergel desHilgenberges und Herrensteinberges
bei Hamm; im unteren Senou von Hamm, Flierich, Haustenbeck, Ost-
heide und vom Rhynerberg, in der Quadratenkreide vom Lindner
Berge bei Hannover; im Diluvialsande von Hamm.
5. R. nitida Rss. (Kreideverstein. Böhmens I. p. 35, T. 8,
F. 52; T. 12, F. 20). Ist nur eine kleine Form von R. umbilicata
d'Orb. (Mein, de la Soc. geol. de Fr. IV. 1, p. 32, T. 3, F. 4— 6),
deren typische Form in Böhmen und Westphalen nicht vorkömmt.
Im oberen Senonmergel des Hilgenberges bei Hamm und von
Dolberg bei Beckum; in den unteren Seuonschichten von Hamm,
Flierich, Bergeamen, Ostheide und vom Rhynerberge; im Pläner
von Wullen. — Gemein im Bakulitenthone Böhmens; selten im
Pläner von Kosstitz, häufig in den Mukronatenmergeln von Nagor-
zani bei Leinberg, in der Quadratenkreide vom Lindner Berg bei
Hannover, im Cuvieri-Pläner von Haverlah; im Ananchyteninergel
von Jenstedt und Ahlfeld.
!>ie Foraminiferen der westphälischen Kreideformation. 223
6. R. Micheliniana d'Orb. (Mein, de le soc. geol. de Fr. IV. 1,
p. 31, T. 3, F. 1 — 3). Im oberen Senon vom Herrensteinberg und
von Drensteinfurth; in den unteren Senonscbiehten von Hamm, Berg-
eamen und vom Rhynerberg; im Planer von Unna. — In der weissen
Kreide Frankreichs und Englands, im Bakulitenthone Böhmens; in
der Quadratenkreide vom Lindner Berge bei Hannover.
Valvulina d'Orb.
1. V. allomorphinoidcs m. — T. XI, F. 6. — Durchmesser
0-44 Millim. Die Species ist bei flĂĽchtiger Betrachtung im Umrisse
der Allomorphina trigona Bss. sehr ähnlich. Das Gehäuse ist
niedergedrückt eiförmig, mitunter dem gerundet- dreiseitigen sich
nähernd, im Umfange abgerundet- winklig, auf beiden Flächen
massig und ziemlich gleichförmig gewölbt.
Es sind nur zwei Umgänge sichtbar, deren innerer sehr klein
ist und nur ein sehr flaches Knöpfchen darstellt, an dem nur bis-
weilen eine Theilung durch eine sehr seichte Furche angedeutet ist.
Der äussere Umgang nimmt sehr rasch an Breite zu und bildet den
grössten Theil des Gehäuses. Er besteht nur aus vier rundlichen
Kammern , deren letzte sehr gross ist und mehr als die Hälfte des
ganzen Gehäuses einnimmt. Sie sind massig gewölbt und werden
äusserlich nur durch sehr seichte Näthe geschieden. Am meisten tritt
noch die letzte Kammer hervor. Die MĂĽndung wird durch einen
ziemlich breiten , am Bande entweder abgestutzten oder selbst etwas
eingebogenen lippenartig vortretenden Fortsatz der Schale verdeckt.
Im obern Senonmergel von Soestwarte und Dolberg hei Beckum,
vom Hilgenberg bei Hamm; im unteren Senon von Bergeamen, Ost-
heide. — Auch im Cuvieri-Pläner von Haverlah.
2. V. spicula Bss. (Kreideverstein. Böhm. I. p. 37, T. 13,
F. 69). — Im unteren Senon von Ostheide; im Pläner von Wullen
und Opherdieke und Essen. — Im Bakulitenthon von Luschitz, Patek
und Bannai (Böhmen).
Kosalina d'Orb.
1. R. aininouoides Bss. (Beuss in Haidinger's naturw. Abhaudl.
IV. 1, p. 30, T. 3, F. 2). — In dem oberen Senonmergel des Hilgen-
berges bei Hamm, im Pläner von Horde. — Im Bakulitenthone von
224 n e u s s.
Priesen, Luschitz, Rannai, Kystra und Brozan (Böhmen), im Mukro-
natenmergel von Nagorzani bei Lemberg (Galizien); im Kreide-
mergel vor dem Clever Thore von Hannover; im Kreidetuff von
Maestricht; im Cenomanien vom Mahnerberge bei Salzgitter und vom
Lindner Berge bei Hannover; in der weissen Kreide von England;
in der unteren Kreide von Dover; im Kreidedetritus vonCharing; im
Gault von Folkestone (?).
2. R. marginata Rss. (Denkschr. d. Wiener Akad. d. Wiss.
VII. p. 69, T. 26, F. 1). Eine der gemeinsten und verbreitetsten
Foraminiferen der oberen Kreide. Auch in den Kreidegebilden West-
phalens sehr verbreitet. In dem oberen Senonmergel des llilgen-
berges, Herrensteinberges, Kurkenberges bei Hamm, von Soestwarte
und Dolberg bei Beckum; in den unteren Senonschichten von Hamm,
Flierich, vom Rhynerberg, Haustenbeck, Bergeamen, Uedinghoff,
Ostheide; im Pläner von Horde, Unna, Rheine, Wullen, Opherdieke.
Essen; im Gault von Rheine, im Diluvialsande von Hamm u. s. w. —
Auch im Bakulitenthone und Pläner Böhmens stellenweise sehr häufig;
in den Kreidemergeln der Gosau; im Ananchytenmergel vom Peters-
berg bei Goslar, von Jenstedt und zwischen Astfeld und Jenstedt; im
Cuvieri-Pläner vom Windmühlenberge, von Ohlendorf und Lieben-
burg bei Salzgitter, vom Stoberberg bei Liebenburg und von
Haverlah; in der Quadratenkreide vom Lindner Berge bei Hannover;
in der weissen Kreide von Kent; im Kreidedetritus von Charing.
Anomalina d'O r b.
1. A. coinplanata Bss. (Haidinger's naturwiss. Abhandl. IV.
1, p. 36, T. 3, F. 3). Selten im Pläner von Ahaus und Essen. — Im
Mukronatenmergel von Nagorzani hei Lemberg (Galizien); im Krei-
demergel des Edelbachgrabens in der Gosau; in der weissen Kreide
von BĂĽgen.
2. A. moniliformis Bss. (Kreideverstein. Böhmens I. p. 36,
T. 13, F. 67). Im oberen Senonmergel des Hilgenberges bei Hamm. —
Im Bakulitenthone von Luschitz und Brozan (Böhmen), im Kreide-
mergel vor dem Clever Thore von Hannover.
Truneatulina d'O ib.
1. Tr. convexa Rss. (Haidinger's naturw. Abhandl. IV. I,
p. 36, 37, T. 3, F. 4). — Im unteren Senonien vom Rhynerberg —
In den Mukronatenmergeln von Nagorzani bei Lemberg.
Die Foraminiferen der westfälischen Kreideformation. 225
Glohigerina d' 0 r b.
i. ttl. rretacea d'Orb. (Mem. de la soc. geol. de Fr. IV. 1, p. 34,
T. 3, F. 12 — 14). In den oberen Senonmergeln von Hamm, Flierich,
Haustenbeck , Bergeamen und vom Rhynerberg; im Planer von
Unna, im Ganlt von Rlieine und im Diluvialsande von Hamm. — Sehr
verbreitet im böhmischen Bakulitenthon; seltener im Pläner von
Kosstitz, vom Laurenzberg bei Prag u. s. w.; in der weissen Kreide
Englands, in der unteren Kreide von Dover; im Kreidedetritus von
Charing.
e) Uvellidae.
Kullmina d'O r b.
1. B. \ariabilis d'Orb. (Mem. de la soc. geol. de Fr. 1840, IV. 1,
p. 40, T. 4, F. 7, 8). Im oberen Senon von Drensteinfurth, vom
Hilgenberg bei Hamm und von Dolberg bei Beckum; in den unteren
Senonscbicbten von Hamm, Flierich und vom Bbynerberg; im Pläner
von Unna, Graes; im Diluvialsande von Hamm. — Sebr verbreitet
im Bakulitentbone und Planer Böhmens; in den Mukronatenmergeln
von Nagorzani bei Lemberg; im Kreidemergel vor dem Clever Thore
von Hannover; im Ananchytenmergel von Petersberg bei Goslar;
im Cuvieri - Mergel vom Stoberberg bei Liebenburg; im Pläner von
Liebenburg bei Salzgitter; im Cenomanien vom Fleisclierkamp bei
Salzgitter; in der weissen Kreide Frankreichs (Sens, Meudon, St.
Germain) und Englands.
2. B. ©besä Rss. (Haidinger's naturwiss. Abband!. IV. 1.
p. 40, T. 3, F. 12; T. 4, F. 1). Im oberen Senonmergel des Hilgen-
berges bei Hamm. — Im Mukronatenmergel von Nagorzani bei Lem-
berg (Galizien); in der weissen Kreide von RĂĽgen.
3. B. Murchisoniana d'Orb. (Mem. de la soc. geol. de Fr. IV.
\, p. 41, T.4, F. 15, 16). Im oberen Senon von Dolberg bei Beckum,
im unteren vom Rbynerberg; im Pläner von Ahaus; im Diluvialsande
von Hamm. — Im Bakulitentbon von Luschitz, im Pläner von Kutsclilin
und Kosstitz (Böhmen); im Pläner von Liebenburg bei Salzgitter;
in der weissen Kreide Frankreicbs (St. Germain) und Englands, im
Kreidedetritus von Charing.
4. B. intermedia Rss. (Haidinger's naturwiss. Abhand. IV.
l,p. 39, T. 3, F. 11). Im oberen Senon des Hilgenberges bei
226 B e u s s.
Hamm. — Im Bakulitenthon von Luschitz und Brozan (Böhmen); in
der weissen Kreide von RĂĽgen, von Portsdown (England); in den
Mtikronatenscliichten von Nagorzani (Galizien); im Kreidemergel
vor dem Clever Thore von Hannover.
5. B. Puschi Rss. (Haidinger's naturwiss. Abhandl. IV. I,
p. 37, 38, T. 3, F. 6). Im Diluvialsande von Hamm. — In den
Mnkronatenmergeln von Nagorzani bei Lemberg (Galizien).
6. B. ovulum Rss. (Haidinger's naturwiss. Abhandl. IV. 1,
p. 38, T. 3, F. 9). Im oberen Senonmergel von Drensteinfurth und
vom Herrensteinberg; im unteren Senon von Hamm und Bergeamen;
im Planer von Ahaus; im Diluvialsande von Hamm. — Gemein im
höhmischen Bakulitenthon; in der weissen Kreide von Kent und der
Insel BĂĽgen; im Mukronatenmergel von Nagorzani (Galizien); in den
Kreidemergeln des Edelbachgrabens in der Gosau ; im Kreidekalk
von Carentz (Mecklenburg); im Kreidemergel vor dem Clever Thore
von Hannover; in der Quadratenkreide vom Lindner Berge bei
Hannover.
7. B. Presli Bss. (Beuss 1. c. IV. p. 39, T. 3, F. 10). Im
oberen Senon des Hilgenberges bei Hamm; im unteren von Hamm; im
Pläner von Unna; im Gault von Rheine; im Diluvialsande von
Hamm. — Gemein im böhmischen Bakulitenthone, selten im Pläner;
in der weissen Kreide von RĂĽgen; im Mukronatenmergel von Nagor-
zani (Galizien); im Kreidemergel vor dem Clever Thore von Han-
nover; im Planer von Liebenburg bei Salzgitter, im Cuvieri-Pläner
von Haverlah und von Stolterberg bei Liebenburg; im Cenomanien
von Ringelberg-Kothwelle bei Salzgitter; im Flammenmergel vom
Mahnerberg bei Salzgitter; im Minimusthon von Wallmoden.
8. B. d'Orbiguyi Rss. (Kreide versteh]. Böhm. I. p. 38, T. 15,
F. 74). Im oberen Senonmergel des Hilgenberges bei Hamm; im
unteren von Hamm, Flierich, Bergeamen, Ostheide und vom Rhyner-
berg; im Pläner von Ahaus und Rheine; im Gault von Rheine. — Im
Bakulitenthon von Luschitz, Kystra, Brozan (Böhmen); im Pläner
von Liebenburg bei Salzgitter; im Cenomanien von Ringelberg-
Kothwelle, vom Mahnerberg und Fleischerkamp bei Salzgitter; im
Minimusthon von Eilum, Wallmoden und Heiningen.
9. B. polystropha Rss. (Kreideverstein. Böhm. II, p. 109, T. 24,
F. 1)3). Im Pläner von Rheine. — Im Pläner von Weisskirchlitz
(Böhmen).
Die Foraminifereu der westphälischeu Kreideformation. 22 i
Verneiiilina d'O r b.
1. V. Bronni Rss. (Haidi nger's naturwiss. Abhandl. IV. 1,
p. 40, T. 4, F. 2). Im oberen Senon des Hilgenberges bei Hamm; im
unteren von Fiierich und Haustenbeck. — Im ßakulitentbon von
Lusebitz und Ăźrozan (Bobinen); im Mukronatenmergel von Nagor-
zani bei Lemberg (Galizien) ; im Kreidedetritus von Charing
(England).
2. V. MĂĽnster! Rss. (Denkschr. d. k. Akad. d. Wiss. in Wien
1854, VII. p. 71, T. 26, F. 5. — Textularia triquetra Rss., Kreide-
verstein. Böhm. I, p. 39, T. 13, F. 77). Im oberen Senon des Hilgen-
berges bei Hamm; im unteren von Ostheide; im Pläner von Unna,
Wullen und Rheine; im Minimusthon von Rheine; im Diluvialsaude
von Hamm. — Im Bakulitenthon von Lusebitz (Böhmen); in den
Kreidemergeln des Edelbacbgrabens in der Gosau; im Cenomanien
von Ringelberg -Kothwelle bei Salzgitter.
Tritaxia d'Orb.
Trotz der grossen Individuenzahl, in welcher die T. tricarinaia
an manchen Orten vorkömmt, war ich doch wegen des meist
schlechten Erhaltungszustandes und der sehr undeutlichen Begren-
zung der einzelnen Kammern bisher nicht im Stande gewesen, die
Gattung, welcher dieselbe angehört, mit einiger Zuverlässigkeit zu
bestimmen. Ich zog sie zuerst trotz der dreikantigen Form des
Gehäuses irriger Weise zur Gattung Textilaria, später, der Gestalt
entsprechender , zu Vemeuilina. Durch die etwas verschiedene
Beschaffenheit wurde ich ĂĽberdies verleitet, die Exemplare aus dem
böhmischen Pläner für verschieden von jenen aus dem Kreidemergel
von Nagorzani bei Lemberg zu halten, da erstere kleiner und glatter,
letztere grösser, länger und rauher zu sein pflegen.
Die Senonschichten VVestphalens, in denen das Fossil ebenfalls
häufig angetroffen wird, haben mir zuerst Exemplare mit deut-
licherer Kiimmerabtheilung geliefert, aus deren [Untersuchung sich
ergab, dass dieselben weder zu Textilaria, noch zu Verneuilina ge-
rechnet werden dĂĽrfen, sondern den Typus einer besonderen Gattung
bilden mĂĽssen, der ich wegen der Anordnung der Kammern in drei
parallele gerade Reihen den Namen „Tritaxia" beilege.
Die Kammern stehen nämlich, die einzelne sehr kleine Embryo-
nalkammer abgerechnet, in drei Reihen dicht neben und ĂĽber
228 r e u s s.
einander, und zwar so, dass die Kammern je zweier neben einander
liegender Reihen nach Art der Textilarideen regelmässig mit einander
alterniren, während die Kammern aller drei Reihen zugleich be-
trachtet eine regelmässige aufsteigende Spirale bilden, deren jeder
einzelne Umgang drei Kammern umfasst, welche in so regelmässigem
Grüssenverhältnisse gegen einander stehen und so gesetzmässig
gelagert sind, dass auf die zweite Kammer stets die fĂĽnfte, achte
u. s. w., auf die dritte aber die sechste, neunte u. s. w., auf die
vierte endlich die siebente, zehnte u. s. w. in gerader Reihe zu liegen
kömmt. Das ganze Gehäuse erhält dadurch eine dreikantige Form.
Die letzte, gewöhnlich etwas gewölbtere Kammer verlängert sich in
eine sehr kurze Spitze, welche die runde Mundung trägt.
Die Tritaxien sind daher eigentlich Uvigerinen , deren Kam-
mern regelmässig mit einander alterniren und vereinigen in sich
zugleich die Charaktere der turbinoiden Helicostegier und jene der
Textilarideen. Die Uvigerinen unterscheiden sich von denselben
leicht und genĂĽgend durch die sehr ungleiche Form und unregel-
mässige Stellung der wohl spiral angeordneten, aber nicht alterni-
renden Kammern; durch die stärkere röhrenförmige Verlängerung der
letzten Kammer und die glasige Reschaffenheit der glatten, nur
äusserst fein punktirten Schale, die bei Tritaxia stets mehr oder
weniger rauh erscheint.
Es ist sehr wahrscheinlich, das? die von d'O r b i g n y beschriebene
und abgebildete Uvigerina tricarinata aus der weissen Kreide von
Sens (Mem. de la soc. geol. de Fr. IV. 1, p. 42, T. 4, F. 16, 17)
ebenfalls der Gattung Tritaxia angehöre. Ich kenne dieselbe jedoch
nicht aus eigener Anschauung. — Zwei andere Species ( Tr. pyra-
midalis und sulcata Rss. habe ich im Cenomanien vom Mahnerberg
und vom Fleischerkamp bei Salzgitter entdeckt.
1. Tr. tricarinata Rss. — T. XII, F. 1, 2 — (Textularia trica-
rinata Reuss, Kreideverstein. Böhm. I, p. 39, T. 8, F. 60. — Ver-
neuilina dubia Rss. in Haidinger's naturw. Abhandl. IV. 1, p. 24,
T. 4, F. 3). Im Mittel 0-951 Millim. lang und im breitesten Theile
0-585 Millim. breit. In der Seitenansicht ist das Gehäuse mehr
weniger verlängert- elliptisch, an beiden Enden fast gleichmässig
abgerundet oder stumpf zugespitzt, sehr oft unregelmässig verbogen,
scharf dreikantig, die Seitenflächen scieht ausgehöhlt. In jeder Ver-
ticalreihe 4 — 6 ebene, am Rande scharfkantige, niedrige, massig
Die Foraminiferen der westfälischen Kreideformation. 229
schiefe Kammern. Die Näthe sehr fein linear, meist undeutlich, etwas
gebogen. Die letzte Kammer schwach gewölbt, oft mützenförmig die
anderen Kammern deckend , und sich am oberen Ende zur kurzen
centralen, von der feinen runden MĂĽndung durchbohrten Spitze
verdünnend. Die Schalenoberfläche rauh.
Im oberen Senonmergel desHilgenberges bei Hamm, im unteren
von Ostheide und Hamm; im Planer von Opherdieke und Essen, im
Gault von Rheine; im Diluvialsande von Hamm. — Ist überdies
noch bekannt aus dem Bakulitenthon von Rannai und Kystm , im
Pläner von Kosstitz u. s. w. (Böhmen); im Mukronatenmergel von
Lemberg; im Cenomanien vom Mahnerberge bei Salzgitter; im
Albien von Wallmoden.
Gaiulryina d'Orb.
1. Cr. pupoides d'Orb. (Mein, de la soc. geol. de Fr. 1840, IV.
I, p. 44, T. 4, F. 22—24). Sehr selten im Pläner von Ahaus, im
Gault von Rheine; im Diluvialsande von Hamm. — In der weissen
Kreide Frankreichs (St. Germain) und Englands, im Kreidedetritus
von Charing; im Gault von Folkestone.
2. G. oxycona m. — T. XII, F. 3 — Länge : 0-86—1-68 Millim.,
Breite 0-54 — 0-86 Millim. Verkehrt kegelförmig, im Querschnitt fast
kreisrund, oben abgestutzt, unten ziemlich scharf zugespitzt. Der
untere spirale Theil des Gehäuses ist sehr kurz, mit sehr kleinen
Kammern und undeutlichen linearen Näthen. Im grössten Theile des
Gehäuses stehen die Kammern alternireHd in zwei geraden Reihen; sie
sind sehr niedrig, quer, am RĂĽcken breit gerundet und durch breite
aber sehr seichte Vertiefungen geschieden. Die letzten zwei Kammern
werden oben von ebenen oder selbst schwach eingedrĂĽckten, etwas
gegen einander geneigten Flächen begrenzt. Die Mündung eine
kurze und enge Querspalte am inneren Rande der letzten Kammer. —
DieSchalenohertläche rauh. In den oberen Senonmergeln des Hilgen-
berges bei Hamm und von Drensteinfurth; im unteren Senonien von
Hamm, Ostheide, und vom Rhynerberg, im Pläner von Bergeamen
Wulleii, Opherdieke, Ahaus; im Gault vom Rheine. — Auch
im Cenomanien von Haverlah und von Fleischerkamp bei Salzgitter.
3. G. mgosa d'Orb. (Mem. de la soc. geol. de. Fr. IV. 1. p. 44,
T. 4, F. 20, 21). Im oberen Senon des Hilgeuberges und West-
berges bei Hamm, von Dolberg hei Beckum und von Drensteinfurth,
230 Reu« s.
im unteren von Hamm, Flierich, Uedinghoff, Ostheide und vom Rhy-
nerberg; im Diluvialsande von Hamm. — Sehr gemein im böh-
mischen Ăźakulitenthon; im Mukronatenmergel von Nagorzani bei
Leinberg; in der weissen Kreide Frankreichs (Sens, Meudon, St.
Germain) und Englands; im Kreidedetritus von Charing; im Fläner-
mergel vor dem Clever Thore von Hannover; im Ananchytenmergel
zwischen Ahlfeld und Jenstedt.
f) Polymorphinideae.
Pyvtilinu d'Orb.
1. P. acuminata d'Orb. (Mein, de la soc. geol. de Fr. IV. 1,
p. 43, T. 4, F. 18, 19). Sehr selten im oberen Senonmergel des
Hilgenberges bei Hamm. — In der weissen Kreide von Sens, Meudon,
St. Germain; im Kreidedetritus von Charing; sehr selten im Mukro-
natenmergel von Nagorzani bei Lemberg.
Guttulina d'O r b.
1. Cr. elliptica Rss. (Kreideverstein. Böhmens II. p. 110, T. 24,
F. 55). Sehr selten im oberen Senonmergel des Hilgenberges bei
Hamm. — Ebenso im ßakulitenthon von Luschitz (Böhmen).
Globulina d'O r b.
1. Gl. globosa v. M. sp. (Römer in Bronn's u. Leonh. Jahrb.
1838, p. 386, T. 3, F. 33. — Reu ss, Kreideverstein. Böhm. I.
p. 40, T. 13, F. 82). Im oberen Senonieu des Hilgenberges bei
Hamm. — Im ßakulitenthon von Luschitz und Brozan (Böhmen). In
den Tertiärschichten von Osnabrück, Nussdorf u. s. w. kommt eine
Species von Globulina vor, die ich von der in Rede stehenden nicht
zu unterscheiden vermag.
2. Gl. porrecta m. — T. XII, F. 4. — Das grösste Exemplar
misst 1 53 Millim. in der Länge, 0-62 Millim. in der Breite. Gehäuse
schmal elliptisch, beiderseits ziemlich scharf zugespitzt, von vorne
nach hinten massig zusammengedrĂĽckt. Die sichtbaren drei Kammern
gross, wenig gewölbt, dachziegelförmig sich theil weise deckend ; ihre
Näthe linienförmig, nur bei stärkerer Vergrösser ung erkennbar. Die
letzte Kammer zugespitzt, mit gestrahlter MĂĽndung.
Die Foraminiferen der westphalischen Kreideformation. 231
Die beschriebene Art unterscheidet sich von Guttulina elliptica
Rss. durch die stärkere Zuspitzung des weniger zusammenge-
drückten Gehäuses, so wie durch die geringere Anzahl der sichtbaren
Kammern.
Sehr selten im oberen Senonmergel des Hilgenberges bei Hamm,
im unteren Senon von Hamm; im Diluvialsande derselben Localität.
III. Textilarideae (Enallostegia d'Orb.^.
Proroporns E h r b.
1. Pr. complanatns m. — T. XII, F. 5. — 13 16 Millim. lang,
0-402 Millim. breit, lanzettförmig, im oberen Theile mit beinahe
parallelen Seitenrändern, in der unteren Hälfte sich allmählich zur
Spitze zusammenziehend, blattförmig zusammengedrückt. Kammern
sehr zahlreich; jederseits 23 — 25, sehr niedrig, wenig schief.
Näthe durch seichte schmale Furchen angedeutet. Mündung rund,
auf der stumpfen Spitze der letzten Kammer. Schalenoberfläche
rauh, glanzlos.
Selten im Gault von Rheine.
Textilaria D e fr.
1. T. turris d'Orb. (Mem. de la soc. geol. de Fr. 1840, IV. \,
p. 46, T. 4, F. 27, 28). Im oberen Senonmergel von Drensteinfurth,
im Pläner von Unna. — In der weissen Kreide Frankreichs (Sens,
Meudon , St. Germain) und Englands ; im Bakulitenthon von Lu-
schitz, im Pläner der Schillinge bei Bilin, in den Kreidemergeln des
Edelbachgrabens und Wegscheidgrabens in der Gosau.
2. T. conolas Rss. (Denkschr. d. k. Akad. d. Wiss. in Wien VII.
p. 72, T. 26, F. 7).— T. XIII, F. 3. — Bis 0-65 Millim. lang und
0-438 Millim. breit. Gehäuse verkehrt kegelförmig, kurz, im Verhält-
nisse zur Länge breit, unten stumpf zugespitzt, oben abgestutzt,
wenig gewölbt, mit sehr breit-elliptischem, mitunter beinahe kreis-
förmigem Querschnitte. Jederseits 6 — 7 niedrige , quere , massig
gewölbte, auf den Seiten breit-gerundete Kammern, die durch schmale,
aber ziemlich tiefe Näthe gesondert sind. Die letzten Kammern oben
schwach gewölbt, die vorletzte sogar etwas niedergedrückt. Die
Mündung kurz, aber ziemlich breit-halbmondförmig. Die Schalenober-
fläche mit feinen Rauhigkeiten bedeckt.
Sitzb. d. mathem.-naturw. Cl. XL. Bd. Nr. 8. 10
232 Kens 8.
Im oberen Senonmergel des Hilgenberges bei Hamm; im unteren
Senon von Flierich und vom Rhynerberg; im Diluvialsande von
Hamm. — Im Bakulitenthon von Luschitz, Kautz, Kystra und Brozan
(Böhmen); in den Kreidemergeln des Edelbachgrabens in der Gosau ;
zweifelhaft in den Gargasmergeln von Mastbruch bei Braunschweig.
3. T. pupa m. T. XIII, F. 4, 5. — Die grössten Exemplare
messen 1-2 Millim. in der Länge, 0*62 Millim. in der Breite. Sie ist
der T. conulus Rss. sehr ähnlich, fast walzig, im Querschnitte sehr
breit- elliptisch, mit breit gerundeten Seiten, unten sich rasch zur
stumpfen Spitze zusammenziehend. Auf jeder Seite 4 — 6 wenig ge-
wölbte Kammern, breiter als hoch, quer, durch massig tiefe Näthe
getrennt. Das hauptsächlichste Unterscheidungsmerkmal liegt in der
Beschaffenheit der letzten zwei Kammern. Dieselben sind nicht, wie
bei T. conulus, oben niedergedrückt, sondern gewölbt, erheben sich
vielmehr selbst zu einem niedrigen zusammengedrĂĽckten Kegel mit
gerundeter Spitze. Die Oberfläche der Schale sehr fein rauh.
Im oberen Senon des Hilgenberges und Herrnsteinberges bei
Hamm, im unteren Senon von Hamm, Ostheide und Uedinghoff. —
Auch in der Quadratenkreide des Lindner Berges bei Hannover.
4. T. globifera Rss. (T. globulosa Bss. [non Ehrbg.], Kreide-
verstein. Böhm. I. p. 39, T.12, F. 23). — T. XIII, F. 7, 8. — Eine
der kleinsten Species , denn die grössten Exemplare sind nur 0*438
Millim. lang bei 027 Millim. Breite. Das keilförmige Gehäuse wech-
selt in dem Verhältnisse der Länge zur Breite sehr; das untere
Ende ist daher auch bald mehr, bald weniger spitzwinklig. Auf jeder
Seite desselben zählt man 5 — 8 gewölbte, durch tiefe schmale Ein-
schnĂĽrungen gesonderte, perlenschnurartig an einander gereihte
Kammern, deren unterste sehr klein sind. Alle sind nur wenig breiter
als hoch, die letzte besonders stark gewölbt, beinahe kugelig. Die
Mündung eine kurze und enge Querspalte. Die Schalenoberfläche
mit äusserst feinen Rauhigkeiten bedeckt. Bei starker Vergrösserung
bemerkt man in den Näthen eine einfache Beihe von Grübchen.
Ist in den Kreidegebilden Westphalens sehr verbreitet. Ich
fand dieselbe in den oberen Senonmergeln des Hilgenberges, Herren-
steinberges und Kurkenberges bei Hamm und von Dolberg bei
Beckum; in den unteren Senongebilden von Hamm, vom Rhynerberg,
von Ostheide, Flierich, Haustenbeck, Bergeamen, Uedinghoff; im
Pläner von Unna und Rheine. Gewiss kömmt sie noch an vielen Orten
Die Foraminiferen der westphälischen Kreideformation. 233
vor. — Ebenso entdeckte ich sie schon früher in den Bakuliten-
thonen von Luschitz, Brozan u. a. 0., so wie im Pläner Böhmens;
in dem Kreidemergel vor dem Clever Thore von Hannover.
5. T. coii ein n ii Rss. (Denkschr. d. k. Akad. d.Wiss. in Wien VII.
p. 71, T. 26, F. 6) — T. XIII, F. 1.— Selten messen die Exem-
plare 1-24 Millim. in der Länge, 0-58 Millim. in der Breite; gewöhn-
lich sind sie beträchtlich kleiner. Das Gehäuse ist mehr weniger
lang -lanzettförmig und daher im Verhältniss der Länge zur Breite
sehr wechselnd. Oben ist es abgestutzt, an den Seiten zugerundet;
unten verschmälert es sich langsam zur stumpfen Spitze. Jederseits
6 — 10 ziemlich hohe, quere, gewölbte, durch schmale tiefe Näthe
gesonderte Kammern. Die letzten zwei Kammern sind auf der oberen
Seite flach gewölbt. Die Mündung, eine breit-halbmondförmige Spalte,
liegt in einer hufeisenförmigen Einbiegung der letzten Kammer. Die
Schalenoberfläche sehr rauh.
Im oberen Senonien des Hilgenberges und Westberges bei
Hamm; im Pläner von Wullen; im Diluvialsande von Hamm. — Im
Pläner von Weisskirchlitz (Böhmen); im Kreidemergel des Edel-
bachgrabens in der Gosau.
6. T. parallela m. — T. XII, F. 7. — 0-731 Millim. lang,
0-285 Millim. breit. Sehr ähnlich der T. concinna Rss., aber durch
das kleinere und schmälere, nach unten noch weniger an Breite
abnehmende Gehäuse mit breit gerundeten beinahe parallelen Seiten-
rändern verschieden. Das untere Ende zieht sich rasch zur stumpfen
Spitze zusammen. Jederseits 5 — 7 fast quere gewölbte Kammern,
wenig breiter als hoch, durch tiefe Näthe geschieden; die letzte
Kammer aber hoch gewölbt. Das Gehäuse nur wenig zusammen-
gedrückt. Die Mündung eine kurze halbmondförmige Querspalte. Die
Schalenoberfläche rauh.
Sehr selten im Gault von Rheine.
7. T. foeda Rss. (Kreideverstein. Böhm. II. p. 109—110,
T. 43, F. 12, 13). Im oberen Senon des Hilgenberges und Herren-
steinberges bei Hamm und von Soestwarte bei Beckum ; im unteren
Senon von Flierich und Bergeamen; im Pläner von Unna. — Im
Bakulitenthone von Luschitz (Böhmen).
8. T. Partschi Rss. — T. XIII, F. 6. — Die in meiner Mono-
graphie der böhmischen Kreideversteinerungen (I. p. 39, T. 13,
F. 80) gegebene Beschreibung und nicht ganz treue Abbildung
IG»
234 Reuss.
bezieht sich auf T. Baudouiniana d'Orb. (Mem. de la soc. geol. de
Fr. IV. 1, p. 46, T. 4, F. 29, 30), die wiewohl sehr selten im böh-
mischen ßakulitenthone vorkömmt. Es findet sich dort aber auch
noch eine andere Species, der ich in den westphälischen Kreide-
gebilden wieder begegnete. Ich lege ihr den erledigten Namen T.
Partschi bei. Sie ist 0-493 Millim. lang bei 0-292 Millim. Breite;
lanzettlich-keilförmig, zusammengedrückt, an den Seiten abgerundet
winklig, nicht gekantet; nur im unteren Theile tritt das Winklige etwas
deutlicher hervor. Das obere Ende beinahe abgestutzt, das untere
zugespitzt. Jederseits 6 — 9 niedrige Kammern, deren untere wenig
schief, die oberen vollkommen transversal sind. Die untersten Näthe
undeutlich, die oberen nur vertiefte Linien darstellend. Die obere
Fläche der letzten Kammer wenig gewölbt, beinahe abgestutzt. Die
Schalenoberfläche fein rauh.
Im oberen Senonmergel des Hilgenberges bei Hamm. — Selten
auch im böhmischen ßakulitenthone.
9. T. anceps Rss. (Kreideverstein. Böhm. I. p. 39, T. 8, F. 79;
T. 13, F. 78) — T. XIII, F. 2. — Länge 0-548 Millim. Gehäuse
lanzett- keilförmig, stark zusammengedrückt, mit schmalem rhom-
boidalem Querschnitt und scharfkantigen Seitenrändern; nach unten
sich allmählich zur stumpfen Spitze verschmälernd. DiebeidenFlächen
schwach gewölbt, in der Mitte der Länge nach schwach und stumpf
gekielt und sich gegen die beinahe schneidigen Ränder allmählich
abdachend. Jederseits 7 — 10 niedrige, wenig schiefe, flache, durch
feine lineare Näthe gesonderte Kammern. Die zwei obersten schräg
nach aussen abgestutzt. Die MĂĽndung eine kurze enge Querspalte.
Die Schalenoberfläche mit sehr feinen Rauhigkeiten bedeckt.
In den unteren Senonmergeln von Flierich; im Pläner von
Unna; im Diluvialsande von Hamm. — Irn ßakulitenthone von
Luschitz und Brozan (Böhmen); im Plänermergel vor dem Clever
Thore von Hannover; im Auanchytenmergel vom Petersberge bei
Goslar.
10. T. praelonga Rss. (Kreideverstein. Böhm. I. p. 39, T. 12,
F. 14. — Denkschr. d. k. Akad. d. Wiss. in Wien VII. p. 72, T. 26,
F. 8). In den unteren Senonmergeln von Ostheide, im Pläner von
Rheine. — Im ßakulitenthone von Luschitz, Brozan, Kystra, Rannai
u. a. 0. (Böhmen); in den Kreidemergeln des Wegscheidgrabens
in der Gosau ; im Kreidedetritus von Charing (England).
Die Foraminiferen der westphälischen Kreideformation. 23i>
11. T. bolivinoides m. — T.X11, F. 6. — Lange: 0599 Millim.,
Breite: 0#248 Millim. Das lanzettförmige, nach unten sich allmählich
zur stumpfen Spitze verschmälernde, stark zusammengedrückte Ge-
häuse ähnelt in der Physiognomie einer Bolivina. Die Kammern
zahlreich (jederseits 10), kaum gewölbt, viel breiter als hoch,
und durch schmale, nicht sehr tiefe, vollkommen quere Näthe ge-
schieden. Die letzte Kammer oben stark gewölbt. Die Seitenränder
schmal, aber gerundet. Die MĂĽndung sehr klein. Die Schalenober-
fläche nur mit sehr feinen Rauhigkeiten bedeckt.
Sehr selten im Gault von Rheine und in dem zugehörigen Grün-
sande. — Auch im Minimusthon von der Heininger Ziegelei bei Wall-
moden und im Tardefurcatus-Thon von Quitzem bei Quarum.
12. T. flexuosa m. (T. articulata Rss. in Haidinger's natur-
vviss. Abhandl. IV. 1, p. 45, T. 4, F. 14). Ich habe den Namen ge-
ändert, weil d'Orbigny beinahe zu derselben Zeit eine T. articulata
aus den miocänen Tertiärschichten von Baden bei Wien beschrieben
und abgebildet hat (Foram. du bass. tert. de Vienne p. 250, T. 15,
F. 16 — 18). Die in der Rede stehende Species findet sich immer
nur in BruchstĂĽcken im oberen Senon des Hilgenberges bei Hamm
und von Dolberg bei Beckum; im unteren Senon von Hamm und
Flierich. — In den Mukronatenschichten von Nagorzani bei Leinberg
in Galizien.
Erklärung der Abbildungen.
Tafel I.
Fig. 1. Cornuspira cretacea Rss. a Fliichenansicht, h Contouren des Vertical-
durchschnittes.
„ 2. Nodosaria lepida m.
„ 3. „ coneinna m.
„ 4. „ intercostata m.
„ S. „ duplicicostata in.
,. 6. „ nana m. a Seitenansicht, b Contouren des Querschnittes
einer Kammer.
„ 7. Dcntalina acuminata m.
„8. „ cylindroides m.
„ 9. „ cognata m.
„ 10. „ subrecta m.
236 Reu s.s.
Tafel II.
Fig. i. Nodosaria tetragona in. a Seitenansicht, b Contouren des Quer-
schnittes.
„ 3.
Dentalina tenuicaudata in.
„ 4-
n
commutata m.
„ ä-
distineta in.
„ 6.
strangulata m.
. 7.
Marcki m.
n 8-
intermedia m.
Tafel III.
Fig. i. Dentalina polyphragma in. b zwei Kammern stärker vergrössert.
„ 2, 3. „ foedissima m.
„4. „ expansa m. Bruchstück.
„ 5. „ legumen R s s.
„ 6. „ catenula m.
„ 7. „ diserepans m.
„ 8. „ filiformis R ss. Bruchstück.
„9. „ pugiunculus m. „
Tafel IV.
Fig. \. Glandulina cylindraeea Rss.
„ 2. „ elongata m.
„ 3. Frondicularia Decheni m. a vordere, b seitliche Ansicht.
„ 4. „ Becksi m. a „ b „ „
„ J{. „ angustata Nilss.
„ 6. „ angustissima m.
„ 7. „ Goldfussi in. a vordere, b seitliche Ansicht.
Tafel V.
Fig. \. Frondicularia lanceola m. a vordere, b seitliche Ansicht.
„ 2. „ apiculata R s s. a „ b „ „
„ 3. „ marginata Rss. a „ b „ „
„ 4. „ microdisca in.
„ 5. Frondicularia gaultina in. Bruchstück.
„ 6. Marginulina seminotata m.
„ 7. „ lata in. a seitliche, b obere Ansicht.
Tafel VI.
Fig. 1. Frondicularia canaliculata in. a vordere, b seitliche Ansicht.
„ 2. „ guestphalica in. a „ b „ „
„ 3. „ strigillata in.
„ 4-6. Marginulina bullata Rss.
„ 7. Rhabdogonium Rö'meri m. a .Seitenansicht, b Bauchansicht, c obere
Ansicht.
„ 8. Marginulina bacillum Rss. b Querschnitt.
Die Foraminiferen der westphälischen Kreideformation. 2t>7
Tafel VII.
Fig. 1. Rhabdogunium anomalutn in. a RĂĽcken-, b Bauehansicht, c obere
Ansicht.
„ 2. Mürginulina ornatissima m. a Seiten-, b Bauch- , c Bückenansieht,
d obere Ansicht.
„ 3. Marginulina inaequalis in.
„ 4. „ soluta m.
„ 5. „ mudesta m . a seilliche, b obere Ansicht.
„ 6. Rhdbdogonium globuliferum. a Rücken-, b Bauehansicht, c obere
Ansicht.
„ 7. Marginulina armata in. Bruchstück.
Tafel VIII.
Fig. 1. Pleurostomella pisiformis in. Vordere Ansicht.
„ 2. „ subnodosa m. a hintere, b vordere Ansicht.
„ 3. Vaginulina transversalis in.
„ 4. „ arguta m. a Seiten-, b Bückenansieht.
„ 5. „ bicostulata m. a Seiten-, b Bückenansicht.
„ 6. Cristellaria inflata m. a seitliche, b vordere Ansicht.
„ 7. „ microptera in. a seitliche, b Rückenansicht.
„ 8. „ oligostegia m. a seitliche, b Bauchansicht.
Tafel IX.
Fig. i. Flabellina interpunctata v. d. Mck.
„ 2. „ macrospira in.
„ 3. Vaginulina notata in. Bruchstück.
„ 4. Cristellaria Marcki m. a seitliche, b Bauehansicht.
„ 5. „ tripleura in. a „ b „ ,
„ 6. „ Hagenowi m. a „ b „
„ 7. „ secans m. a ,, b „
Tafel X.
Fig. i,1.Cristrllaria harpa in. a seitliche, h Bauehansicht.
„ 3. „ acuta m. a „ b „
„ 4. „ inepta m. a „ b „
„ 5,6. Lituola nautiloideaL&m. a Seitenansichten, b obere Ansicht.
„ 7, 8. „ „ „ Obere Ansichten.
„ 9. Haplophragmium irreguläre Böm. sp. «Seiten-, b obere Ansieht.
Tafel XI.
Fig. i. Haplophragmium irreguläre Böm. sp. Bückenansicht.
„ 2, 3. „ aequale „ „ a seitliche Ansichten, b obere
Ansichten.
„ 4. Rotalia exsculpta m. a Spiral-, b Nabelansicht, c Seitenansicht.
„ ö. „ umbonella m. a „ b „ c „
„ 6. Valvulina allomorpbinuides m. a Spiral- , b Nabel- , c Seitenansicht.
238 Ken ss. Die Foraminiferen der vvesf phänischen Kreideformation.
Tafel XII.
Tritaxia tricarinata m. a Bauch-, b RĂĽckenansicht
„ „ a „ b obere Ansieht.
Gaudryina oxycona m. a vordere, b seitliehe, c obere Ansicht.
Globulina porrecta m. a seitliche, b obere Ansicht.
Proroporus eomplanatus m. a vordere, b seitliehe Ansicht.
Textilaria bolivinoides m. a „ b obere Ansicht.
„ parallela m. a „ b „ „
Tafel XIII.
Fig. 1. Textilaria eoncinna Rss. a vordere, b seitliche Ansicht.
Fig.
1.
«
2.
»
3.
»
4.
»
5.
5)
6.
7.
2.
»»
aneeps Rss. a
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b ,
3.
„
com/Ins „ a
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b „
4,5.
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b „
6.
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Partsehi Rss. a
?5
b „
7,8.
»
globifera m. a
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b »
Reufs.Die FoTAininifereÄ der westpliälischeii Kreideformation.
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Tai
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/'///./'. Com n.t/i im irefueeo ffjs. ~Fig. ?. Arodö-tarCa lepidiim. Fig.<?. .V. concirtnn '"
Cii/ '/. X tii/irrostntti /// /•'it/.S.Jf.duplicico/Yatum.Fig. ßjf/to/ia m /'ry Z-Deniaiüia acuminata w
f'tr/.tl /) cyfiiitlroif/es 1/1 Fig.ÂŁ D.cogiiuta m FĂĽ/./O.D.Jt'ubrectaTn..
.S.i/,nii'jsl).il.k Ak.idil.U in.iili .iiatiirvv O. XL l'.d.X'"». IKiiO.
Eieufs. Die Foraminiferen i!<'r vrestpliälisolteji Ivreidelbrmatioii
Taf.lL
Za
Fin. f. Sodosarüt tetragonam- /•'/</ '! .Vprunniiirn m Fiff. ■!. Dentalirui tehuicuiidala r,i
/>'ty. f. /). roiti/inUuta /// Fig. •>' D. dijtfineta m /'/>/ 6. /). slranguUttn >» Fig. 7. D Wtirckt /"
Fiu. &. D. intermedia m
Sitzun£sl (I k Akad.d.W in.ilh n.iiniw CL XI. Bd X" » IKliO
Reul's. Dir (Toramiiufereii der weslpjiälisflien Krcideftnrmation.
I
Fig. f. I>i/i/ti /in« polg/ihrogma ///. /'/// Z,3 D. foedlssüna m Fi«.'/. /) t.r/mn\« w
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V Usail.d WimatJi n»t«n» Cl XI. Bd H» * 1860.
Schneider. Ăśber d. ehem. u. elektrol. Verhalten d. Quecksilbers etc. 239
Ăśber das chemische und elektrotytische Verhalten des Queck-
silbers bezĂĽglich dessen Nachweisbarkeit im Allgemeinen
und in thierischen Substanzen insbesondere.
Von Dr. F. C. Schneider,
k. k. Professor.
I.
Die Frage, auf welchen Wegen die Ausscheidung des Quecksilbers
nach dessen arzneilicher Anwendung aus dem Organismus erfolge,
und insbesondere, ob dieses Metall durch den Harn entleert werde,
hat seit jeher die Aufmerksamkeit der Ärzte undChemikerbeschäftiget.
Die hierauf bezĂĽglichen Untersuchungen haben jedoch zu sehr
verschiedenen , sich zum Theile geradezu widersprechenden Ergeb-
nissen gefĂĽhrt.
Während Petronius1), iBreger, Valvasor, Guidot,
Vercelloni, Burghardt, Didier, Cantu2) Land er er, Audou-
ards), Miahle*), Orfila5), Van der Brock6) Quecksilber
*) Petronius de morbo gallico libr. VI, c. 1 will Quecksilber im Harne eines an
Mercurialsalivation leidenden Mannes gesehen haben. Er berichtet: Cum urina
quando spumosa bullas argento vivo obductas et quod mirum est, supernatantes,
has quidem milio majores, has vero minores reddehat. Ubi vero urina sine spuma
fuerat , tales bullae non apparuere, sed illud postremo dubium omne dissolvit, quod
aureus nummus ab illis albo colore inliceretur.
aJ Cantu, Annal. de Chim. et de Phys. T. 27, p. 335 will aus dem Bodensatze von
60 Pfund Harn , der von mehreren die Schmierern- gebrauchenden Personen gesam-
melt wurde, durch die Destillation ĂĽber 20 Grane Quecksilber, ungerechnet der im
Retortenhalse zurĂĽckgebliebenen Menge, abgeschieden haben.
8) Audouard, Journ. de Chim. med. 843, mars, p. 137 fand Quecksilber im Harne
Syphilitischer, die mit Atzsublimat behandelt wurden.
*) Miahl e, Annal. d.Cbim. et de Phys., serie 3, 1842, t. 5, nahm 06 Gramm Calomel
und fand, dass nach 12 Stunden in seinem Harne eingelegte Kupferstäbchen sich
mit Quecksilber bedeckten.
5) Orfila, Journ. de Chem. med. 1842, konnte in 32 Pfund Harn nach Cantu's Ver-
fahren kein Quecksilber nachweisen, dagegen fand er nach seiner eigener. Methode
Quecksilber im Harne von Individuen, die mit Mercur behandelt wurden.
6) Van den Brock konnte nach massigen Gaben von Sublimat im Kaninchenharne
Quecksilber nachweisen. Donders Physiol. Bd. 1, p. 475.
240 Schneider.
im Harne gefunden haben wollen, konnten Tie dem an n undGmelin *)
weder im Harne eines Hundes, noch in dem eines Pferdes dasselbe
entdecken, ungeachtet sie jenem drei Drachmen essigsaures-, diesem
eine halbe Unze Cyanquecksilber beigebracht hatten. Eben so ver-
geblich suchte Wo hl er2) im Harne eines die Schiniercur gebrau-
chenden Mannes nach Quecksilber und auch in Liebig's Labora-
torium 3) konnte dasselbe im Harne Syphilitischer, die mit Mercu-
rialien behandelt wurden, nicht nachgewiesen werden. Melsens
und Hannon glaubten beobachtet zu haben, dass bei Hydrargyrose
durch die innerliche Anwendung von Jodkalium die Ausscheidung
des Quecksilbers durch den Harn befördert werde.
Im Zusammenhange mit dieser, durch die Erfahrung bei weitem
noch nicht jedem Zweifel entrĂĽckten, Wahrnehmung steht die Behaup-
tung einiger Ärzte, dass es keine secundäre Syphilis gebe, und dass
die sogenannten secundären syphilitischen Leiden Wirkungen des
Mercurialgebrauches seien. — Für diese Behauptung hat man che-
mische Beweismittel angestrengt. Der Harn Syphilitischer, welche
vordem mit Mercur und hierauf erfolgreich mit Jodkalium behandelt
wurden, soll Quecksilber enthalten.
Die schon frĂĽher nicht unwichtige Frage erlangt durch diese
Doctrin eine erhöhte, unmittelbar praktischeBedeutung, sie war dess-
halb in jüngster Zeit Veranlassung zu näheren Untersuchungen4).
Insoweit die, bis nun bekannt gewordenen , Ergebnisse sich
auf den chemischen Theil der Frage beziehen , scheinen dieselben
noch mancher PrĂĽfung bedĂĽrftig. Eigene Untersuchungen fĂĽhrten
mich zur Wahrnehmung, dass die ĂĽblichen Methoden, nach welchen
thierische Substanzen auf Quecksilber geprüft werden, unzulänglich
sind, den entschiedenen Nachweis zu liefern, ob dieses Metall in dem
Untersuchungsobjecte vorhanden sei oder fehle.
') Tiedemann und ĂĽraelin, Versuche ĂĽher die Wege, aufweichen Substanzen aus
dem Magen undDarmcanal in's Blut gelangen. 820. Vers. 8, p. 17 und Vers. 12, p. 32.
Der Nachweis war durch Einleiten von Schwefelwasserstoffgas in die Untersuchungs-
ohjecte versucht.
2j Tiedemann und Treviranus, Zeitschrift fĂĽr Physiologie, Bd. I. (>â– 303.
3) Voit, Physiologisch-chemische Untersuchungen 1837, pag. 50.
4J Virchov, Ăśber die Natur der constitutionellen syphilitischen Affectionen. Dessen
Archiv 1859, Bd. 15. — Waller, Beiträge zur Lösung einiger Streitfragen
in der Syphilidologie. Prager Vierleljahressohrift fĂĽr praktische Heilkunde. 1839.
Bd. 16, p. 133.
Ăśber das chemische und elektrolytische Verhalten des Quecksilbers etc. ^41
Wie geringe die Menge von Quecksilber sein könne, um sie
noch mit Bestimmtheit in thierischen Substanzen nachzuweisen , ist
bisher unerörtert geblieben, und doch muss dies vor allem bekannt
sein , weil , wenn ĂĽberhaupt eine Ausscheidung des Quecksilbers
durch den Harn stattfindet, nur sehr geringe Mengen davon vor-
kommen können, da von den wirksameren Mercurialpräparaten nur
kleine arzneiliche Gaben , die sich innerhalb den Bruchtheilen eines
Grans bewegen, Tag ĂĽber gereicht werden.
Es ist also vorerst zu untersuchen, ob der analytischen Chemie
hinreichend empfindliche Fällungsmittel zu Gebote stehen, um selbst
so kleine Mengen zu entdecken, ob es durch BenĂĽtzung bestimmter
Lösungsmittel gelinge, aus einer grösseren Menge von organischer
Substanz und anorganischen Salzen das Quecksilber abzuscheiden
und so seinen Fallungsmitteln zugänglicher zu machen, durch welche
Beactionen endlich selbst die kleinsten Mengen von Quecksilber in
Formen übergeführt werden können, welche die Vornahme weiterer
bestätigender Versuche ermöglichen.
Wenn in solcher Art die Leistungsfähigkeit der Methoden ermit-
telt und die Bedingungen festgestellt sind, unter welchen es gelingt
die Anwesenheit des Quecksilbers in thierischen Substanzen auf
eine Irrthum und Täuschung ausschliessende Weise zu erkennen,
dann lassen sich die WidersprĂĽche in den Angaben der frĂĽheren For-
scher einer unbefangenen WĂĽrdigung unterziehen, der Werth und
die Tragweite der bis nun bekannt gewordenen Untersuchungen
bemessen.
II.
Ăśber die Beactionsgrenzen, bis zu welchen das Quecksilber aus
Lösungen fällbar ist, liegen nur wenige Bestimmungen vor, und
diese Hessen es gänzlich unbeachtet, ob und welchen Einfluss die
absolute Menge des vorhandenen Quecksilbers bei gleichen VerdĂĽn-
nungsgraden ĂĽbe, ob durch dieselbe die Beactionsgrenze verrĂĽckt
werde.
Nach Pfaff werden Auflösungen des Quecksilberoxyduls durch
Chlorwasserstoff und durch Chlormetalle bis zur SO.OOOfachen Ver-
dünnung gefällt, die Oxydverbindungen und das ihnen correspondi-
rende Chlorid geben nach Lassaigne in 20.000 Theilen Lösungs-
mittel noch Niederschläge mit Schwefelkalium, mit Ammoniak, und nach
242 Schneider.
Geiger auch mit Zinnchlorür; wogegen bei 40.000fächer Verdün-
nung nur mehr eine opalisirende Trübung in der Lösung stattfinde.
Nach Reinsch darf die Wassermenge nicht ĂĽber 15.000 Theile
betragen , wenn die regulinische Fällung des Quecksilbers durch
Kupfer dem unbewaffneten Auge noch wahrnehmbar sein soll ; bei
50.000 Theilen Wasser ist längeres Kochen unter Zusatz von Salz-
säure nöthig, damit mikroskopisch erkennbare Queeksilberkügelchen
auf Kupfer sich fixiren können. Ein Goldplättchen, das mit einem
Stückchen Zinn in Berührung gebracht ist, färbt sich nach Lassai-
gne in einer Sublimatlösung erkennbar weiss, wenn die Menge des
Lösungsmittels nicht über 5.000 Theile beträgt.
Nach diesen Bestimmungen mĂĽsste man auf den Nachweis des
Quecksilbers verzichten , sobald dessen Menge weniger als den
20.000— 40. 0009ten Theil des Untersuchungsobjectes beträgt. —
Meine Versuche ĂĽber die Reactionsgrenzen haben zu anderen Ergeb-
nissen gefĂĽhrt.
Bei der Untersuchung thierischer Substanzen mĂĽssen vor allem
die organischen Stoffe durch Oxydationsmittel — am gewöhnlichsten
durch chlorsaures Kali und Chlorwasserstoffsäure — zerstört werden.
Dadurch wird das in welch immer fĂĽr einer Form im Probeobjecte
enthaltene Quecksilber in Einfach-Chlorquecksilber oder in das cor-
respondirende Oxyd verwandelt. Desshalb habe ich zu meinen Ver-
suchen nur Lösungen dieser Verbindung benützt; als Fällungsmittel
wählte ich Schwefelwasserstoff, Schwefel -Ammonium, Ammoniak
und ZinnchlorĂĽr, weil ich mich ĂĽberzeugte, dass fĂĽr alle ĂĽbrigen
Reagentien auf Einfach-Chlorquecksilber die Fällungsgrenze schon
innerhalb der lO.OOOfachen VerdĂĽnnung gelegen ist.
Seh we fei Wasserstoff ga s erzeugt in Auflösungen des Ein-
fach - Chlorquecksilbers noch sammelbare Niederschläge , wenn
0-002 Grm. HgCl in 100 CC.
0-005 „ „ „ 500 „
0-010 „ „ „1500 „
0-016 „ „ „2000 „
0-020 „ „ „4000 „
Wasser gelöst der Einwirkung dieses Gases bis zur Sättigung der
Flüssigkeit ausgesetzt werden. Die Niederschläge kommen jedoch
erst nach längerem Stehen zum Vorscheine. Die Lösungen färben
sich allmählich in dem Verhältnisse stärker dunkelbraun, je mehr
Ăśber das chemische und eleklrolytische Verhalten des Quecksilbers etc. 243
Quecksilber , unabhängig vom Verdünnungsgrade vorhanden ist.
Erhebt sich letzteres auf 0*050 Grm. in 100. OOOfacher VerdĂĽnnung,
so wird die Färbung schon bei den ersten Gasblasen merklich , bei
0-005 Grm. dagegen in 1 Liter Wasser kann sie selbst nach Sät-
tigung der Lösung mit Schwefelwasserstoff nur auf einem weissen
Hintergrunde deutlich wahrgenommen werden und 0002 Grm. HgCl
in 500 CC. Wasser gelöst, bringen gar keine bestimmt erkennbare
Veränderung mit Schwefelwasserstoff hervor, es setzt sich selbst
nach langem Stehen kein Niederschlag ab.
Schwefelwasserstoff- Schwefelammonium verhält
sich gegen Quecksilberlösungen im Allgemeinen wie der Schwefel-
wasserstoff; die Reaction verliert jedoch an Empfindlichkeit und
Schärfe. 0005 Grm. HgCl in !/a Liter Wasser gelöst, geben keinen
sammelbaren Niederschlag und in 1 Liter Wasser erzeugen sie nur
mehr eine undeutliche dunkle Färbung. 0-010 Grm. HgCl in 2 Litres
Wasser erzeugen allerdings mit Schwefel -Ammonium eine dunkle
Färbung, aber es scheidet sich selbst nach längerem Stehen kein
Niederschlag aus. Miahle gibt an, das Schwefelquecksilber sei in
Schwefel-Ammonium löslich; man fühlt sich versucht dieser Angabe
beizustimmen , da in Lösungen , welche nur wenige Milligrammes
Quecksilberchlorid enthalten , nach Zusatz von Schwefel-Ammonium
sehr oft nur dunkelbraune Färbungen erzeugt werden, ohne dass
es selbst nach mehrtägigem Stehen zur Abscheidung eines Nieder-
schlages käme. Zuweilen erscheinen diese unter vollständiger Ent-
färbung der Lösung, wenn man neuerdings Schwefel-Ammonium oder
Schwefelwasserstoff zusetzt , und dann findet sich in der wasser-
hell gewordenen FlĂĽssigkeit keine Spur von Quecksilber.
Solche braun gefärbte Lösungen werden immer erhalten, wenn
0010— 0-020 Grm. HgCl in mindestens 10. OOOfacher Verdünnung
entweder mitSchwefehvasserstoffwasser vermischt, oder wenn wenige
Tropfen Schwefel-Ammonium mittelst eines Glasstabes rasch in der
FlĂĽssigkeit vertheilt werden. Ist die Menge des HgCl bedeutender,
so treten aber immer Niederschläge durch die beiden Fällungs-
mittel auf, deren Färbung jedoch nach der Menge des zugesetzten
Reagens verschieden ist.
Vieles ungünstiger gestalten sich die Reaetionsverhältnisse,
wenn das HgCl statt in Wasser im Harne gelöst wird. Man erhält
allerdings selbst bei 100. OOOfacher VerdĂĽnnung durch Schwefel-
244 Schneider.
wasserstoffgas eine sammelbare Fällung, wenn frieh gelassener
Harn mit 0010 — 0020 Grm. HgCl vermischt, sogleich mit diesem
Gase gesättiget wird. Lässt man aber mit HgCl versetzten Harn
mehrere Tage stehen, oder dampft man solchen Harn unter Zusatz
von chlorsaurem Kali und Chlorwasserstoffsäure ein und nimmt den
RĂĽckstand in Wasser auf, so entsteht durch Schwefelwasserstoff,
selbst wenn 0020, 030, 0-50 Grm. HgCl vorhanden sind, nur eine
lehmartige TrĂĽbung, aus der sich allerdings schmutziggelbe Flocken,
aber kein schwär z es Schwefelquecksilber abscheiden. Die Flüssig-
keit wird nicht klar , sie mag an einen warmen oder kalten Ort
gestellt werden und lässt sich auch nicht klar filtriren. Untersucht
man Filtrat und Filterrückstand nach vorgängiger Oxydation, so lässt
sich durch Elektrolyse auf die bald zu erörternde Weise in beiden
Quecksilber nachweisen. Es konnte selbst bei 0- 100 Grm. HgCl,
die in 4 Litres Harn gelöst waren, nach der eben erwähnten Weise
behandelt, keine Fällung von schwarzem Schwefelquecksilber erhalten
werden, es schied sich auch in diesem Falle aus der trĂĽben FlĂĽssig-
keit erst nach längerem Stehen ein schmutzig gelber Niederschlag
aus, der organische Substanz, ausgeschiedenen Schwefel, phosphor-
saure alkalische Erden und Schwefelquecksilber enthält. Wird dieser
Niederschlag mit Ammoniak und schwefelammoniumhältigem Was-
ser gewaschen, dann in einer Lösung von Schwefelnatrium digerirt,
so geht das Schwefelquecksilber in letztere Lösung über und kann
daraus durch Chlorwasserstoffsäure wieder abgeschieden werden.
Die Menge des Niederschlages entspricht aber nicht jener, die aus
0-100 Grm. HgCl erhalten werden sollte.
Mehrfache Versuche mit quecksilberhaltigem Harne fĂĽhrten zu
dem Ergebnisse, dass dieses Metall durch Schwefelwasserstoff und
Schwefel-Ammonium nicht sicher nachweisbar ist, wenn dessen Menge
unter 0100 Grm. beträgt
Die Fällbarkeit der Quecksilberlösungen durch Ammoniak
bewegt sich in weit engeren Grenzen. Es werden 0-005 Grm. HgCl
in 45.000facher VerdĂĽnnung und 0-001 Grm. in 3o.000facher Ver-
dünnung allerdings noch gefällt, der Niederschlag wird aber von
Chlorammonium gelöst und er kommt in salmiakhältigen Flüssigkeiten
gar nicht zum Vorschein. Schon dieses Umstandes wegen kann dieses
Reagens bei Untersuchung thierischer Substanzen auf Quecksilber
keine vorteilhafte Anwendung linden.
Über das chemische und elektrolytische Verhalten des Quecksilbers etc. 24«)
ZinnchlopĂĽr erzeugt mit 0-002 Grm. HgCl in SO.OOOfacher
Verdünnung' eine graue Färbung, die sich allmählich zu einem Nieder-
schlag ausbildet. Dieses Reagens fällt aber in thierischen Flüssig-
keiten und insbesondere im Harne auch die färbenden Substanzen,
den Harnstoff, die Harnsäure und Phosphorsäure. Man erhält daher
einen sehr voluminösen Niederschlag. Um zu ermitteln, ob mit diesem
Reagens Quecksilber im Harn nachweisbar sei, wurden 0010 Grm.
HgCl mit 500 CC. Harn vermischt und dann mit ZinnchlorĂĽr ge-
fällt. Der erhaltene Niederschlag wurde auf einem Filter gesammelt,
gewaschen, getrocknet, dann mit coucentrirter Schwefelsäure unter
Zusatz von Salpetersäure oxydirt, endlich vorsichtig bis zum Trock-
nen der Masse erhitzt. Der trockene RĂĽckstand wurde mit Natron-
kalk innig gemengt in einem Kugelröhrchen bis zum Glühen erhitzt.
Im verengten Theile des Glühröhrchens setzte sich ein grauer
Anflug an, der sich in einer Atmosphäre von Joddampf gelb färbte,
sodann beim Erhitzen verflüchtigte und an kälteren Stellen als rothes
Quecksilberjodid wieder absetzte.
Ich habe mich durch wiederholte Versuche ĂĽberzeugt , dass
der aus quecksilberhaltigem Harn durch ZinnchlorĂĽr erzeugte Nieder-
schlag mit concentrirter Schwefelsäure bis zur Verflüchtigung dieser
Säure erhitzt werden kann, ohne dass dadurch ein Verlust von Queck-
silber bedingt würde. Demungeachtet möchte diese Probe für die
subtilen Untersuchungen des Harns von Individuen, die eine Mer-
curialcur passirten, kaum zu empfehlen sein. Die geringe Menge des
Quecksilbers, die in solchen Harnen vorkommt und die grosse Masse
des Niederschlages der aus mehreren Litres eingedampften Harns
erhalten wird, benimmt der Methode wesentliche Vortheile. Die
Reduction des quecksilberhaltigen Niederschlages durch GlĂĽhen mit
Natronkalk erfordert Gefässe von grösseren Dimensionen; dadurch
vertheilt sich das Quecksilber auf eine grössere Oberfläche, es kann
sich der Wahrnehmung und der Controlprobe, wie sie eben erwähnt
wurde, entziehen.
III.
Da bei der Untersuchung thierischer Substanzen auf Queck-
silber , die weitaus grössere Masse des Objectes aus organischer
Substanz besteht, so hat man empfohlen diese vorerst mit chlor-
saurem Kali und Chlorwasserstoffsäure zu zerstören , darauf die
246 Schneider.
flüssige Masse zur Trockne zu bringen und den Rückstand mitÄther
auszuziehen, in der Voraussetzung, dass es solcher Art gelinge das
Quecksilber , welches nach dieser Behandlung nur als lösliche
Chlorverbindung in der eingedampften Masse enthalten sein kann,
von der grösseren Menge der Salze zu isoliren , innerhalb seiner
Reactionsgrenzen zu bringen und in einer Lösung darzustellen , in
welcher die charakteristischen Reactionen bestimmter und deutlicher
hervortreten.
So plausibel fĂĽr den ersten Anschein dieser Vorgang ist, da
bekanntlich das Einfach- Chlorquecksilber sich in Äther leichter als
in Wasser löst, so wenig bewährt er sich bei der praktischen Aus-
fĂĽhrung. Ich habe mich durch mehrere Versuche ĂĽberzeugt, dass bei
diesem Vorgange Quecksilber der Entdeckung entgeht, selbst wenn
namhafte Mengen davon vorhanden sind :
Es wurden
0-005 Grm. HgCl in 500 CC. Harn,
0-007 „ „ „ 100 „ „
0-100 „ „ „1500 „ „
1-000 „ „ „1000 „ „
unter Zusatz von HCl und KCI06 im Wasserbade zur Trockne ver-
dunstet ; der chlorsäurefreie Rückstand zerrieben in einem Kolben mit
Äther vom specifischen Gewicht 0-725 wiederholt geschüttelt; nach
24 Stunden die ätherische Lösung vom Salzrückstande mit der Vorsicht
getrennt, dass von der ungelösten Masse nichts in dieselbe gelangen
konnte, sodann zur Trockne verdampft. Der gelbliche etwas zähe
harzartige Rückstand löste sich in Wasser selbst beim Erwärmen
nur unvollkommen auf, und die harzige Substanz Hess sich auch bei
erneuerter Behandlung mit HCl und KC106 nicht völlig zerstören,
Quecksilber konnte in demselben bei allen vier Versuchen nicht
nachgewiesen werden.
Der in Äther ungelöst gebliebene Rückstand dagegen gab an
90 p rocentigen Alkohol die Quecksilberverbindung ab, und derselbe
konnte durch wiederholtes Ausziehen mit Alkohol seines ganzen
Quecksilbergehaltes beraubt werden.
Bei der probeweisen Anwendung von Äther von 0*745 speci-
tischem Gewicht wurden allerdings Spuren von HgCl in die ätherische
Lösung übergeführt, die Hauptmasse blieb jedoch auch bei diesen
Ăśber das chemische und elektrolytische Verhalten des Quecksilbers etc. 247
Versuchen ungelöst, selbst nachdem mehrere Extractionen mit Äther
vorgenommen wurden.
Ich muss hierbei eines Umstandes erwähnen , der wenn er
unbeachtet bleibt, sehr leicht zu einer irrthĂĽmlichen Angabe Ver-
anlassung werden kann. Sind die eingedampften Rückstände nicht
völlig trocken, oder ist der Äther wasserhaltig, so scheidet sich eine
specifisch schwerere Flüssigkeit bei derExtraction unter der ätheri-
schen Lösung ab, wird letztere aufs Filter gebracht, so sinkt die
wässerige Lösung in die Spitze des Filters und fliesst neben der
ätherischen Lösung ab. In solchen Fällen untersucht man selbstver-
ständlich nicht die reinen ätherischen Auszüge, sondern gemengte
Lösungen. — Wenn selbst neuere Forschungen in dem Ätherextracte
des Harns Quecksilber auffanden , so geschah es nur , weil die
ätherische Lösung nicht völlig unvermengt von der wässerigen zur
Untersuchung verwendet wurde. Es ist eben keine schwere Aufgabe
für diese , den gewöhnlichen Voraussetzungen geradezu wieder-
streitenden Ergebnisse die richtige Erklärung zu finden. In unseren
Untersuchungsobjecten ist das HgCl immer neben Alkalichloriden
vorhanden, mit diesen ist jenes zu Doppelchloriden vereiniget, letz-
tere sind in Äther so viel wie unlöslich und desshalb kann auch aus
eingedampften Harnrückständen durch Äther kein Quecksilberchlorid
gelöst werden. Diese Doppelchloride sind in wenig Wasser ohne
Zersetzung löslich, durch grössere Wassermengen aber werden sie
in ihre Componenten zerlegt. Aus reinen wässerigen Lösungen lässt
sich durch wiederholtes Schütteln mit Äther alles HgCl, das jene
enthalten, in diesen ĂĽberfĂĽhren, bei gleichzeitiger Anwesenheit von
Alkalichloriden findet dies jedoch um so schwieriger Statt, je con-
centrirter die wässerigen Lösungen sind , derart, dass aus völlig
gesättigten Lösungen Äther vom HgCl nur mehr Spuren aufzuneh-
men vermag ; aus völlig getrockneten Salzmassen zieht Äther auch
nicht einmal Spuren von HgCl aus, der Äther hat also die Fähigkeit
allerdings unter Mitwirkung von Wasser die Doppelverbindungen,
welche das HgCl mit den Alkalichloriden eingeht, zu zerlegen, fĂĽr
sich allein aber hat er weder die Fähigkeit diese Verbindungen zu
lösen, noch sie zu zersetzen.
Wollte man also Äther zur Isolirung des HgCl aus einer grösse-
ren Masse von Salzen benutzen, so muss gerade das entgegen-
gesetzte Verfahren eingeschlagen werden, als man bisher empfohlen
SiUb. d. matheua.-naturw. CI. XL. Bd. Nr. 8. 17
248 Schneider.
hat. Nicht die trockenen Salze, sondern ihre verdünnten wässerigen
Lösungen müssten mit Äther extrahirt werden. Um die Extraction
vollständig zu machen, müssten aber beträchtliche Mengen von Äther
nach und nach in Anwendung kommen.
Die den vorstehenden Angaben zu Grunde liegenden Versuche
wurden mit je 0-100 Grm. HgCl in 10 CC. einer gesättigten Lösung
von Chlorkalium, von Chlornatrium und von einem Gemische beider
dieser Chloride und sodann mit 1 Grm. HgCl in denselben Mengen
der Alkalichloridlösungen vorgenommen.
Ich habe mich bei meinen Untersuchungen nicht ĂĽberzeugen
können, dass die Anwendung von Äther, als Extractionsmittel, für die
Auffindung des Quecksilbers in thierischen Substanzen, wesentliche
Vortheile brächte. Zum qualitativen Nachweis gelangt man auf
elektrolyfischem Wege, wie bald erörtert werden wird, auch ohne
dieser vorgängigen Scheidung, und die für die quantitative Bestim-
mung nöthige vorläufige Fällung des Quecksilbers lässt sich mit
Schwefelwasserstoff oder Zinnchlonir vollständiger und leichter be-
werkstelligen als dieExtraction initÄther, wenn diese, wiediesnach-
gewiesen ist, nur aus wässerigen Lösungen geschehen kann. Ergibt
sich aus den bisher angefĂĽhrten Versuchen , dass jede Harnprobe
auf einen Quecksilbergehalt, die mittelst Äther in der bisher em-
pfohlenen Weise angestellt wird , in ihren Ergebnissen jeden-
falls ungenĂĽgend, meist aber falsch ist, so bliebe nur noch zu er-
mitteln, ob sich nicht die beim Äther vergeblich angestrebten Vor-
theile durch Anwendung von Weingeist erreichen lassen?
Werden HgCl hältige wässerige Lösungen der Alkalichloride zur
Trockne verdunstet und hierauf die Rückstände mit 90 procentigen
Alkohol ausgezogen, so bekommt man weingeistigeLösungen, welche
neben dem Alkalichlorid alles HgCl enthalten , das man den wässe-
rigen Lösungen der erstem zugesetzt hat. Bei Anwendung von Chlor-
kalium ist die Extraction des Salzriickstandes rascher ausfĂĽhrbar als
bei Chlornatrium, doch lässt sich auch dieses durch öftere Behand-
lung mit 90 procentigen Alkohol von allem HgCl so vollkommen tren-
nen, dass der ungelöste Rückstand in Wasser aufgenommen und mit
Schwefelwasserstoff versetzt keine dunkle Färbung von gebildetem
Schwefelquecksilber annimmt. Wiewohl in die weingeistige Lösung
eine grössere Menge von Alkalichlorid übergeht , als zur Bildung
der Doppelchloride nöthig ist , so bleibt doch die Hauptmasse
Ăśber das chemische tmd elektrolytische Verhalten des Quecksilbers etc. 249
derselben ungelöst , so dass es immerhin von Vortheil wäre , diese
Extractionsmethode anzuwenden, um kleine Mengen von Queck-
silber aus einer grösseren Masse von Salzen zu isoliren. Selbst die
Anwesenheit von phosphorsauren Alkalien scheint auf diese Löslich-
keitsverhältnisse nur einen sehr untergeordneten Einfluss zu üben.
Aus einer HgCl hältigen Salzmasse, die neben HCl und NaCl auch
phosphorsaures Natron enthielt, Hess sich das HgCl mit Alkohol so
weit extrahiren, dass in dem ungelöst gebliebenen Rückstände sich
durch Schwefelwasserstoff nur mehr Spuren von Quecksilber nach-
weisen Hessen.
Um zu erfahren, ob sich dieses Scheidungsmittel auch auf thie-
rische Untersuchungsobjecte anwenden lasse, wurden 2000 CC. Harn
mit 0-020 Grm. HgCl versetzt, dann nach HinzufĂĽgung von KC106
und HCl zur Trockne verdunstet. Der eingedampfte völlig weisse,
von organischer Substanz anscheinend freie RĂĽckstand wurde mit
Alkohol ausgezogen. Die alkoholischen AuszĂĽge lieferten einen gelb-
lich weissen AbdampfrĂĽckstand, der in Wasser aufgenommen mit
Schwefelwasserstoffgas einen gelblichen Niederschlag lieferte, aus
welchem, nachdem er durch Waschen mit ammoniakhältigem Wasser
von der organischen Substanz befreit und in Natronlauge gelöst war,
nach Zusatz von HCl schwarzes Schwefelquecksilber abgeschieden
werden konnte. Der von Alkohol ungelöst gebliebene Harnrückstand
aber enthielt ebenfalls noch Quecksilber , das auf elektrolytischem
Wege nachgewiesen wurde. Rei einem anderen Versuche, bei wel-
chem 1500 CC. Harn mit 0100 Grm. HgCl verwendet wurden,
konnte allerdings durch Schwefelammonium im Alkoholextracte
Quecksilber als schwarze Schwefelverbindung gefällt werden , aber
der von Alkohol ungelöste Harnrückstand enthielt gleichfalls noch fäll-
bare Mengen von Quecksilber. — In dem Harne eines Syphilitischen,
der eine Sublimatcur passirte , konnte ich im Wasserextracte durch
Elektrolyse Quecksilber entdecken, während der alkoholische Auszug
keine nachweisbare Menge dieses Metalles enthielt.
Wollte man auch die umständliche Arbeit , welche das Aus-
ziehen einer grösseren Menge von Salzen mittelst Alkohol erfordert,
nicht scheuen und sich den Verlust an Alkohol gefallen lassen, —
auf eine Wiedergewinnung desselben durch Destillation muss man
des heftigen durch keinen Kunstgriff zu beseitigenden Stossens und
Schäumens wegen verzichten — die Ergebnisse der vorstehenden
i7»
250 Schneide r.
Versuche lassen auch die Anwendung von Weingeist zur Trennung
des Quecksilbers aus einer Masse verschiedener Salze und organi-
scher Substanz weder vorteilhaft noch räthlich erscheinen; ich
könnte noch hinzufügen, dass selbst die Reactionen auf Quecksilber
in den wässerigen Lösungen des Alkoholextractes weder reiner
noch schärfer hervortreten, als wenn sie unmittelbar in dem Unter-
suchungsobjecte vorgenommen werden. Die organischen Substanzen
welche sich der zerstörenden Wirkung des KC106 entzogen haben,
gehen in die alkoholischen Lösungen über, ertheilen diesen dunkle
Färbungen und verunreinigen alle Niederschläge, welche in solchen
Lösungen auf welch immer für eine Art erzeugt werden.
IV.
Schon in älterer Zeit wurde die Fähigkeit des Quecksilbers,
sich mit anderen Metallen insbesondere mit Kupfer und Gold zu ver-
quicken, zum Nachweise dieses Elementes benĂĽtzt.
Damals herrschte die allgemeine Meinung, dass das Queck-
silber nur im regulinischen Zustande im Organismus vorkommen
könne, dass alle Quecksilberverbindungen, wenn sie in den Körper
gelangen, zu Metall reducirt und sodann durch die verschiedenen
Excretionsorgane insbesondere durch die SpeicheldrĂĽsen, durch die
Nieren, ja selbst durch die Haut ausgeschieden wĂĽrden.
So versichert Fallopius bei der Mercurialsalivation fixire sich
das Quecksilber auf GoldstĂĽcke, die der Kranke in den Mund nehme.
Schelarius erzählt, dass Ducaten im Munde eines Mannes weiss
wurden, sobald derselbe seine grosse Zehe in ein Quecksilberbad
tauchte; Pope berichtet von einem Bergmanne, der KupferstĂĽcke
durch Reiben zwischen seinen Fingern amalgamirte, etc.
Entsprechend diesen Ansichten hatte man den Nachweis des
Quecksilbers durch sehr einfache Manipulationen geliefert. Wo die
Sehkraft zur Entdeckung des Quecksilbers in tbierischen Stoffen
nicht ausreichte, suchte man es durch den Verquickungsprocess der
Wahrnehmung zugänglich zu machen.
FlĂĽssige Untersuchungsobjecte wurden ohne jeder weiteren
Vorbereitung in Näpfchen von Gold, Kupfer oder Messing oder in
Glasgefässen gesammelt, in welche man Stäbchen der genannten
Metalle einstellte.
Ăśber das chemische und elektrolytische Verhalten des Quecksilbers etc. 2H I
Feste Substanzen wurden destillirt, der Destillatschlamm ohne
oder nach vorläufiger Entfernung der theerigen Bestandteile mit-
telst Alkohol, derselben PrĂĽfungsweise, wie die flĂĽssigen Stoffe,
unterzogen.
Zeigten sich die Metallgefässe oder die eingelegten Stäbchen
mit einem weissen, beim Reiben spiegelnden Beschläge überzogen,
so war man von Anwesenheit des Quecksilbers ĂĽberzeugt.
Gegen die Beweiskraft dieses Verfahrens erheben sich mehr-
fache Bedenken; es mag allerdings ausreichen, wenn die Unter-
suchungsobjecte namhafte Mengen von Quecksilber enthalten, in
allen anderen Fällen kann es nur zu Täuschungen Anlass geben.
Abgesehen davon, dass Goldstäbe aus Quecksilberverbindungen kein
Metall fällen und daher dasselbe nicht ersichtlich machen können,
selbst wenn es in grosser Menge vorhanden ist; es erleidet auch
die Farbe des Kupfers, Messings und selbst des Goldes bei längerer
BerĂĽhrung mit thierischen FlĂĽssigkeiten, besonders wenn sie Chlor-
metalle enthalten, mannigfache Änderungen, wodurch die Erkennung
der etwa erfolgten Amalgamation sehr erschwert wird. Kupfer-
stäbchen bedecken sich mit einem dunkelgrauen Überzug, der beim
Reiben lichter glänzend wird; wenn man gerade noch Quecksilber
sucht, kann man sich veranlasst finden, dasselbe fĂĽr vorhanden
anzunehmen. Kupferstäbchen von2Millim. Breite und 3Centim. Länge
verlieren in einer Lösung von 0*002 Grm. HgCl in 40 CC. ange-
säuerten Wassers nach 24 Stunden kaum ihre rothe Färbung, es
lässt sich durch Reiben keine Versilberung erzeugen; eben so wenig
kann bei 0*005 Grm. HgCl in 20.000 facher VerdĂĽnnung das unbe-
fangene Auge die Spur einer Verquickung erkennen. Bei Ver-
suchen mit
0*010 Grm. HgCl in 300 CC.
0*010 „ „ „ 100 „
0*020 „ „ „ 250 „
angesäuerten Wassers erschienen die Kupferstäbchen nach 24 Stun-
den matt, glanzlos, sie färbten das Papier, mit dem sie gerieben
wurden, schwarz ohne darnach verquickt zu erscheinen.
Beim Erhitzen in einem ausgezogenen Glasröhrchen aber gaben
sie Quecksilber ab, welches nach der Umwandlung in Quecksilber-
jodid ganz sicher erkannt werden konnte. Um das Quecksilber auch
252 Schneider.
noch bei grösseren Verdiinnungen zu fällen, wurde die chemische
Wirkung galvanischer Ströme benützt.
Längere Zeit hindurch war die Smithson'sche Säule zu diesem
Zwecke gebraucht, noch Rose empfiehlt dieselbe in seiner analy-
tischen Chemie als empfindliches qualitatives Erkennungsmittel fĂĽr
Quecksilberlösungen. Diese Säule hat eine sehr primitive Construc-
tion; es wird um ein Goldstäbchen spiralförmig ein Staniolstreifen
so lose gewunden, dass die Flüssigkeit, in welche die Säule gesenkt
wird, das Goldstäbchen umspülen kann. Rose empfiehlt statt Staniol
Eisendrath zu nehmen. Man schreibt dieser Vorrichtung einen
hohen Grad von Wirksamkeit zu, aber, wie es scheint, wird ihre
Leistung gänzlich verkannt. Nicht durch die elektromotorische Kraft
dieser Säule werden die Quecksilberverbindungen zerlegt, son-
dern einfach in Folge der chemischen Anziehung, welche das Zinn
oder Eisen auf den negativen Bestandteil der Quecksilberverbin-
dung ausĂĽbt. Man kann sich davon in der einfachsten Weise ĂĽber-
zeugen. Construirt man die Säule aus Platin und Gold, so ist ihre
Wirkung gerade zu Null. Werden dagegen neben Gold als zweites
Element Metalle gewählt, die im Stande sind das Quecksilber in
seinen Verbindungen zu substituiren, so erfolgt die Abscheidung des
letzteren und zwar zunächst auf das substituirende Metall, von
diesem gelangt es an das Gold , wenn es anders die Verhältnisse
gestatten. Es erscheint auch das Goldstäbchen nur an jenen Stellen
verquickt, welche von den Spiralwindungen frei bleiben, die davon
verhüllten Stellen dagegen sind vollkommen unverändert, ungeachtet
sie von der Quecksilberlösung bespült sind.
Wird das umhüllende Metall nach vorläufigem Abwaschen und
Trocknen in einem Glasröhrchen erhitzt, so gibt es Quecksilber ab,
zum unzweifelhaften Beleg dass die erfolgte Reduction nicht durch
den elektrischen Strom bewirkt sein konnte. Hat man Eisendrath
zum Versuche gewählt, so findet sich meist am Boden des Gefässes
reducirtes Quecksilber, der Eisendrath ist von einem grauen Anflug
wie bereift, das Goldplättchen vieles stärker verquickt als dies bei
Zinn oder Zinkdrathspiralen der Fall ist.
Demnach kann der Smith son'schen Säule kein höherer Grad
von Wirksamkeit zukommen, als die unedlen Metalle, mit welchen
dieselbe construirt wird, in Quecksilberlösungen zu äussern vermö-
gen; es knĂĽpft sich aber an sie der weitere Nachtheil, dass das
Ăśber dns chemische und elektrolytische Verhalten des Quecksilbers etc. 2H3
Goldstäbchen um so weniger verquickt wird , um so fester die um-
hĂĽllende Metallspirale das Quecksilber fixirt, ja es kann bei dieser
PrĂĽfungsweise letzteres gar nicht entdeckt werden, selbst wenn
es nicht in der kleinsten Menge vorhanden war, da nur auf die Ver-
quickung des Goldblättchens gesehen wird.
In jĂĽngster Zeit wurde die Untersuchung thierischer Substanzen
auf Quecksilber durch die Elektrolyse mittelst constanter galva-
nischer Ströme vorgenommen. — In Folge der einleitenden Opera-
tionen ist in diesen Stoffen das Quecksilber als HgCl enthalten und
mit den anwesenden Alkalichloriden verbunden, wenn anders nicht
durch grössere Mengen von Wasser die Doppelchloride wieder in
ihre Componenten zerfallen sind.
Das HgCl, Hg J etc. setzten dem elektrischen Strome fast einen
so grossen Widerstand wie das reine Wasser entgegen. Die Alkali-
verbindungen dagegen sind die bestleitenden und darum am leich-
testen spaltbaren Verbindungen. Nach Hittdorf J) wĂĽrden gleiche
Volumina destillirtes Wasser und geschmolzenes KCl demselben
elektrischen Strom ausgesetzt neben einer Million Äquivalente Cl
und K in derselben Zeit nur 1 Äquivalent H und 0 abscheiden.
Ich habe nicht gefunden, dass man dieses Verhalten des HgCl
bei der Untersuchung von FlĂĽssigkeiten durch den elektrischen
Strom beachtet hat. Bevor ich mich daher entschloss diese Unter-
suchungsmethode an thierischen Substanzen auszufĂĽhren, erachtete
ich es für nöthig, durch Versuche mich über sämmtliche Erschei-
nungen zu belehren, welche bei der Elektrolyse salzreicher orga-
nische Substanzen enthaltender Flüssigkeiten eintreten können, und
insbesondere zu erforschen, bis zu welchen VerdĂĽnnungen es noch
gelinge, sehr kleine Quecksilbermengen durch die Elektrolyse abzu-
scheiden.
Zu sämmtlichen Versuchen diente eine Smeesche Säule von
6 Elementen, deren Anode aus einem 4 Centim. langen und 1 Centim.
breiten Platinblech, deren Kathode aus einem Golddrath von i Millim.
Dicke bestand, welcher in ein keulenförmig verdicktes Ende von 2 Millim.
Durchmesser ausläuft. Um auch an dem in die Flüssigkeit tauchenden
StĂĽcke des Leitungsdrathes die etwa erfolgte Amalgamation sicherer
') Hittdorf, Über die Wanderung' der Jonen während der Elektrolyse. Poggendorfl's
Aunalen, Bd. 106, jj. 344.
254 Schneider.
erkennen zu können, wurde derselbe von Gold gewählt, und um die
Vertheilung des Quecksilbers auf eine möglichst kleine Oberfläche
zu beschränken, wurde nebst der Form der Kathode die Elektrolyse
in einem mehr breiten als hohen Gefässe vorgenommen. Nur für
einige Versuche habe ich die Kathode von Kupfer angewendet, um
deren Einfluss auf die leichtere Abscheidung des Quecksilbers und
auf die Deutlichkeit der Verquickung kennen zu lernen. Bei so feinen
Untersuchungen, wo es sich um die Entdeckung der letzten fass-
baren Spuren eines Körpers handelt, ist es von Wichtigkeit, dass
der Wahrnehmung mehre und verschiedenartige Anhaltspunkte ge-
boten werden. Ich habe mich daher bei allen Versuchen nie damit
begnĂĽgt, die scheinbare Versilberung der Kathode als endgil-
tigen Beweis fĂĽr die Anwesenheit von Quecksilber gelten zu las-
sen. Ich benĂĽtze die Elektrolyse nur dazu, das Quecksilber aus
Flüssigkeiten in eine fassbare Form zu bringen, in der es möglich
wird durch einige Controlversuche und insbesondere durch eine
chemische Reaction dessen Natur zu constatiren.
Allerdings haben schon ältere Forscher die Verquickungs-
probe fĂĽr sich allein nicht als zureichend erkannt, um die Gegen-
wart des Quecksilbers in allen Fällen für erwiesen anzusehen. Sie
unterzogen das verquickte Metall der GlĂĽhprobe , um an der Ver-
flĂĽchtigung des Ăśberzuges, und an dem Wiedererscheinen der ur-
sprĂĽnglichen Metallfarbe sich zu versichern, dass der Farbenwandel
vom Quecksilber verursacht worden sei.
Auch gegenwärtig wird diese Glühprobe, jedoch in einer Glas-
röhre vorgenommen, in der Absicht, das vom Metall abgetriebene
Quecksilber in den kälteren Theil der Glühröhre zu fixiren, um es
so, wenn nicht dem unbewaffneten Auge, doch mittelst der Loupe
oder dem Mikroskope der Wahrnehmung zugänglich zu machen. Es
ist jedoch nicht möglich sehr geringe Mengen von Quecksilber
durch dieses Verfahren zu erkennen. Schon Voit *) macht auf die
Täuschungen aufmerksam, die bei der mikroskopischen Prüfung der
grauen Salbe und des Calomels auf Quecksilber vorkommen können
und bemerkt, dass es oft schwer sei, eine Luftblase von einem Queck-
silberkĂĽgelchen mit Bestimmtheit zu unterscheiden. Werden ver-
quickte Goldblätteben (die nach der Gewichtsabnahme die sie beim
Glühen erleiden, zu schliessen, nicht mehr als 2 — 3 Milligramme
l) A. a. 0. pag. 80 u. ff.
Ăśber das chemische und eleklrolylische Verhalten des Quecksilbers etc. 255
Quecksilber fixirt hatten), in engen zu Capillaren ausgezogenen Glas-
röhren erhitzt, so setzt sich an den kälteren Stellen ein allerdings
durch das unbewaffnete Auge erkennbarer Hauch ab, der beim Er-
hitzen sich verflüchtigen lässt, dessen metallische Beschaffenheit aber
selbst mit Hilfe des Mikroskopes nicht wahrnehmbar wird, weil die
Lichtreflexion, welche Quecksilberkiigelehen erzeugen, auch in den
zu Capillaren ausgezogenen Glasröhrchen durch die Uneinigkeiten
des Glases insbesondere durch eingesprengte Quarzkörnchen, durch
Staubtheilchen, durch eingebrannte Kohle und Luftbläschen u. s. w.
bewirkt sein kann.
Diese Unsicherheit bei der mikroskopischen PrĂĽfung veran-
lasste mich nach einem minder zweideutigen Erkennungsmittel zu
suchen. Das Einfach - Jodquecksil her ist durch seine FlĂĽch-
tigkeit, seine Farbe und seine Krystallform eine so charakterisirte
Verbindung, dass es geradezu unmöglich ist, dasselbe zu verkennen,
dabei begünstiget die Intensität seiner Farbe dessen deutliche Wahr-
nehmung selbst bei den geringsten Mengen. Die Probe ist auch bei
wenig Gewandtheit leicht ausfĂĽhrbar. Ich verfahre dabei in folgender
Weise :
Der verquickte Metallstab wird sammt dem zusammengebogenen
Leitungsdrath in eine sorgfältig gereinigte Glasröhre gesteckt, die
an einem Ende zu einer Capillare ausgezogen ist und darauf an dem
weiteren Ende zugeschmolzen wird. Man erhitzt den weiteren das
Metall enthaltenden Theil der Röhre der ganzen Länge nach zum Glü-
hen; hat sich nach etwa 5 Minuten an dem kälteren Theil der Glüh-
röhre ein Anflug abgelagert, so treibt man denselben durch Erhitzen
in den capillaren Röhrentheil, und erhitzt hierauf nochmals das Me-
tall, um zu erfahren, ob ein neues Sublimat zum Vorschein komme;
ist dies nicht mehr der Fall, so schmilzt man den das Metall ent-
haltenden Röhrentheil von dem capillaren Theile so ab , dass an
letzteren ein kurzes Stück des weiteren Röhrentheils als kolbenartige
Auftreibung zurĂĽckbleibt.
Nach dem Erkalten wird die kolbige Auftreibung durch Abknei-
pen des spitz ausgezogeneu Endes geöffnet, sodann mittelst eines
Glasfadens etwas Jod in dieselbe gebracht und wieder zugeschmol-
zen. Der Joddampf zieht sich hierbei in den capillaren Theil der
Röhre und verschwindet dort wo das Quecksilber sitzt, es erscheinen
je nach der Menge des eingefĂĽhrten Jod braune, rothe oder gelbe
256 S c h n e i d e r.
Ringe. Werden die braunen Ringe sehr vorsichtig erwärmt , so
dampft das Jod von denselben ab und es bleiben rothe Ringe von Hg.1
zurĂĽck. Die rothen so wie die gelben Ringe verflĂĽchtigen sich beim
stärkeren Erwärmen , setzen sich aber an den kälteren Stellen
sogleich wieder ab, und zwar mit rother Farbe, die aber unter Um-
ständen beim Erkalten in Gelb umschlagen kann. Die gelben Ringe
bestehen aus QuecksilberjodĂĽrjodid Hg4J3 ; sie entstehen, wenn
die in den kolbigen Röhrentheil eingeführte Jodmenge ungenügend
war HgJ zu bilden. Lässt man auch nur eine sehr kleine Menge
Jod auf dieselben wirken, so werden sie durch Umwandlung in
HgJ bleibend roth. Unter dem Mikroskope erscheinen die rothen
Krystalle als Quadratoktaeder, die oft mit ihren Flächen sich an
einander lagern, so dass sie dem Salmiak ähnliche, gezähnte Fasern
darstellen.
Bei der Vornahme dieser Probe ist nur darauf zu sehen, dass
beim Einschmelzen der verquickten Metallstäbchen kein Quecksilber
von letzteren in die Luft verflĂĽchtiget werde. Es ist dies leicht ver-
mieden, wenn man die Glühröhre etwas länger wählt, so dass das
offene breitere Ende derselben zugeschmolzen werden kann, ohne
dass die Hitze bis zu jener Stelle wirkt, wo die Metallstäbchen
liegen. Die Darstellung des HgJ gelingt nicht so leicht, wenn man
einen zu grossen Überschuss von Jod in die Glühröhre gebracht hat,
weil es schwer hält , eine scharfe Trennung von J und HgJ durch
Erwärmen zu erzielen. Führt man nicht mehr als ein Paar Kryställ-
chen von Jod, wie sie an einem Glasfaden hängen bleiben, in die
Röhre ein, so gelingt die Darstellung des Quecksilberjodids in der
Regel, sollten gelbe Ringe erscheinen, so lassen sich dieselben leicht
in rothe verwandeln, es genügt in die Capillarröhre ein Jodkryställ-
chen zu bringen und durch Erhitzen an die Stelle zu treiben, wo das
Hg4J3 liegt.
Ich erachte diese Probe als entscheidend, selbst dann wenn das
Gold- oder Kupferstäbchen, welches als Kathode bei der Elektrolyse
gedient hat, keine deutliche Verquickung mehr erkennen lässt, denn
wenn beim Erhitzen dieser Stäbchen ein flüchtiger Körper abge-
sondert wird, der im Joddampfe sich gelb oder roth färbt, und in
deutlich erkennbare Krystalle verwandelt, die beim Erhitzen ohne
Zersetzung sich verflüchtigen , aber an kälteren Stellen unverändert
wieder zum Vorschein kommen, so kann wohl mit Grund ange-
Ăśber das chemische und elektrolytische Verhalten des Quecksilbers etc. 257
nommen werden, dass die Gesammtheit dieser Erscheinungen durch
keine andere Substanz als durch Quecksilber verursacht sein
konnte.
Unter Zuziehung dieser GlĂĽhprobe habe ich nachfolgende Ver-
suche ĂĽber das elektrolytische Verhalten des Einfach -Chlorqueck-
silbers angestellt.
1. 0-001 Grm. HgCI in 500 CC. destillirtem Wasser. Als Kathode
wurde ein Kupferstäbchen angewendet. Innerhalb 3 Stunden ist
nicht die geringste Spur einer Zersetzungs-Erseheinung wahr-
nehmbar. Das Kupferstäbchen bleibt vollkommen blank. Hierauf
wird 1 CC. verdünnte Schwefelsäure (1 Theil Säure, 5 Theile
Wasser) zugesetzt; es findet an den Polen lebhafte Gasentwicke-
lung Statt; nach 6 Stunden lässt sich aber eine Veränderung des
Kupferstäbchens noch nicht erkennen, nach 24 Stunden erscheint
dasselbe stellenweise dunkel, fast schwarz gefärbt; es wird
mit Wasser abgespĂĽlt, darauf mit Filterpapier abgerieben;
eine Verquickuug wird dabei nicht sichtlich; bei der GlĂĽhprobe
kommen jedoch die deutlichsten Krystalle von Hg.T zum Vor-
schein.
2. 0-005 Grm. HgCI in 2 Litres destillirtem Wasser. Kathode ein
Goldstäbchen. Auch bei diesem Versuche treten erst nach
Zusatz von Schwefelsäure die elektrolytischen Erscheinungen
hervor. Nach 24 Stunden erscheint das Goldstäbchen stellen-
weise mit schwarzen Flecken besetzt, eine Verquickung lässt
sich mit Sicherheit nicht erkennen, dagegen im Glühröhrchen
Hg4,T3 deutlich darstellen.
3. 0-003 Grm. HgCI in 2 Litres destillirtem Wasser, das mit 10 CC.
Chlorwasserstoffsäure zuvor versetzt wurde. Amalgam an der
Kathode zweifelhaft, die Reaction im Glühröhrchen entschieden.
4. 0-010 Grm. HgCI in 500 CC. mit HCl angesäuertem Wasser.
Nach 12 Stunden ist das Goldstäbchen vollkommen amalgamirt.
5. 0-010 Grm. HgCI in 1 Liter mit HCl angesäuertem Wasser.
Nach 12 Stunden ist das Goldstäbchen schwach verquickt; es
wurde entfernt und durch ein Kupferstäbehen ersetzt, dieses
ist nach weiteren 12 Stunden silberweiss geworden.
6. 0-010 Grm. HgCI in 2 Litres angesäuertem Wasser bewirkten
nach 12 Stunden ebenfalls eine deutliche Verquickung der
Kathode.
2o8 Schneider.
7. 0005 Grm. HgCl in 1500 CC. mit HCl angesäuertem Wasser
erzeugen nach 36 Stunden eine deutlich wahrnehmbare Ver-
quickung.
8. 0-0 10 Grm. HgCl in 2 Litres destillirtem Wasser und 10 CC.
einer gesättigten Kochsalzlösung wurden 64 Stunden lang
dem elektrischen Strome ausgesetzt. Das Goldstäbchen zeigte
eine Gewichtszunahme von 2 Milligr.
9. 0*020 Grm. HgCl in 2 Litres angesäuertem Wasser bewirkten
nach 5 Tagen eine Gewichtszunahme von 0003 Grm. In bei-
den Versuchen war die Amalgamation des Goldstäbchens deut-
lich erkennbar.
10. 0-050 Grm. HgCl in 2 Litres Brunnenwasser gelöst, ohne
Zusatz von Säure. Mit der Schliessung der Säule tritt auch
Gasentwickelung an den Elektroden auf, an die Kathode setzt
sich ein graulichweisser dichter Beschlag ab, der sich auf den
in die FlĂĽssigkeit tauchenden Leitungsdrath erstreckt. Nach
24 Stunden wird die Kathode in Wasser abgespĂĽlt, zwischen
Filterpapier getrocknet und der GlĂĽhprobe unterzogen. Der im
verengten Röhrentheile gebildete Anflug lässt sich mit unbe-
waffnetem Auge zwar nicht als Quecksilberspiegel erkennen,
wird aber durch Jod in rothes krystallisirtes HgJ verwandelt.
Die Kathode ist nach dem GlĂĽhen mit einer dichten weissen
Kruste bedeckt, welche in HCl aufgelöst mit kleesaurem
Ammoniak keinen, mit phosphorsaurem Natron aber nach Zusatz
von Ammoniak einen reichlichen Niederschlag abscheidet.
11. 0050 Grm. HgCl mit 50 CC. einer gesättigten Bittersalz-
lösung und 1950 CC. destillirtem Wasser vermischt, zeigten
ganz dasselbe Verhalten, nur war an der Kathode der Magnesia-
Überzug stärker und selbst am Boden des Gefässes waren
Flocken von Magnesiumoxydhydrat angesammelt. Eine Ver-
quickung Hess sich an der Kathode eben so wenig wie beim
vorigen Versuche wahrnehmen, bei der GlĂĽhprobe aber Queck-
silber leicht nachweisen. 0-020 Grm. HgCl in 200 CC. einer
gesättigten Lösung von KCl und 100 CC. Bittersalzlösung
verhielten sich eben so und der Effect war nicht geändert als
die Mischung aufs vierfache Volum verdĂĽnnt wurde.
12. 0*500 Grm. HgCl in 1 Liter destillirtem Wasser ohne Säure-
zusatz der Einwirkung des galvanischen Stromes ausgesetzt,
Ăśber das chemische und elektrolytische Verhalten des Quecksilbers etc. 2i)9
erzeugen schon nach einer Stunde eine vollständige Verquickung
der Kathode.
13. 0-100 Grm. HgCl in 400 CC. Alkohol vom specifischen Gewicht
0*833 erzeugen gleichfalls nach kurzer Einwirkung eine deutlich
wahrnehmbare Verquickung. Dagegen konnte mit 0*005 Grm.
HerCl in 500 CC. desselben Alkohols seihst nach 24 Stunden
keine Fällung des Hg durch Elektrolyse bewirkt, nach Zusatz von
5 CC. einer gesättigten Lösung von KCl jedoch durch die
GlĂĽhprobe nach 12stĂĽndiger Einwirkung des Stromes Queck-
silber nachgewiesen werden.
14. Als 1 Grm. HgCl in 500 CC. Alkohol gelöst und mit 10 Grm.
KCl vermischt dem elektrischen Strome ausgesetzt wurden,
war eine sehr lebhafte Gasentwickelung an der Kathode bemerk-
bar, dieselbe erschien bald versilbert, zugleich zogen sich
Striemen eines weissen Niederschlages gegen den Boden des
Gefässes. Nach 24 Stunden war daselbst ein schwerer grün-
lich gelber Niederschlag angesammelt, der sich in Salzsäure
rasch löste — Quecksilberoxychlorid. —
15. 1 Grm. HgCl in 4 Litres destillirtem Wasser (ohne Säurezusatz)
erlitt eine so bedeutende Spaltung, dass nach 24 Stunden nicht
blos die Kathode vollständig versilbert schien, sondern am Boden
des Gefässes auch Quecksilberkügelchen abgelagert waren.
Ein ganz eigentĂĽmliches Verhalten zeigt das HgJ vor dem
galvanischen Strome, die dabei auftretenden Erscheinungen machen
die Wanderuugsweise der Jonen während der Elektrolyse geradezu
ersichtlich.
16. Werden Lösungen von ganz reinem (alkalifreien) Quecksilber-
jodid in Alkohol von 0*833 specifischen Gewicht in Kölbchen, die
zur Verhinderung der Verdunstung des Alkohols mit Pfropfen,
durch welche die Elektroden gehen, verstopft sind, der Einwir-
kung des galvanischen Stromes ausgesetzt, so kommt es während
18 Stunden allerdings zur Ausscheidung rother Krystalle von
HgJ selbst dann, wenn nicht gesättigte Lösungen zum Versuche
dienen, aber eine Spaltung der Verbindung und folgeweise
eine Abscheidung von Quecksilber an der Kathode ist selbst
mit der GlĂĽhprobe nicht nachzuweisen. Sobald aber einige
Tropfen einer alkoholischen Lösung von KCl zugesetzt wer-
den, färben sich die Kanten des als Kathode dienenden Platin-
2Ăź0 Schneider.
hleches gelb, und diese gelbe Färbung breitet sieb allmählich
ĂĽber die Katbode aus; gleichzeitig kommen an der Anode rothe
Krystalle von HgJ zum Vorschein. Der gelbe Ansatz auf der
Katbode ist in der Hitze flüchtig in jodkaliumhältigem Wasser
löslich, er besteht aus Hg4J3.
17. Wird derselbe Versuch nur mit der Änderung, dass statt KCl
eine Lösung von KJ zugesetzt wird, angestellt, so bemerkt
man in der Umgebung der Anode, dass sich die FlĂĽssigkeit durch
ausgeschiedenes Jod bräunt, während auf der Kathode derselbe
gelbe Anflug erscheint, und gleichzeitig Quecksilbertröpfchen
sich abscheiden.
18. Auflösungen des HgJ in KJ-hältigem Wasser zeigen in der
augenfälligsten Weise, welche Wege die Jonen während der
Elektrolyse durchwandern. An der Kathode erlangt die FlĂĽs-
sigkeit eine alkalische Reaction, sie wird allmählich verquickt.
An der Anode scheidet sich ein braun färbender Körper
— freies Jod — ab, gleichzeitig fallen rothe Krystalle von
HgJ zu Boden. Ist die Menge des KJ gerade nur ausreichend,
um mit dem HgJ die lösliche Doppelverbindung zu bilden, so
begrenzt sich im Verlaufe der Elektrolyse die braune Färbung
der FlĂĽssigkeit um die Anode um so enger, je mehr bereits HgJ
gespalten wurde. Endlich erscheint die Anode geradezu wie
von einem braunem Pelze umhĂĽllt, und die FlĂĽssigkeit voll-
kommen farblos. Am Boden des Gefässes liegen braune Flocken
von ausgeschiedenem Jod und rothe Krystalle von HgJ.
19. Die Spaltung des HgJ findet in Lösungen, welche Alkalisalze
enthalten, selbst dann noch Statt, wenn sehr geringe Mengen
von demselben zugegen sind. 0-002 Grm. HgCl mit KJ bis zur
erfolgten Lösung vermischt und in 200 CC. Wasser, welches ein
Grm. NaCl enthält, aufgenommen, bewirkten nach löstündiger
Einwirkung des galvanischen Stromes zwar keine wahrnehm-
bare Amalgamation des Goldstäbchens, es konnte jedoch im
Glühröhrchen die Anwesenheit von Hg durch Bildung von HgJ
nachgewiesen werden.
Vorstehende Versuche lehren:
1. Dass 0-001 Grm. HgCl in 500.000facher VerdĂĽnnung durch
die Elektrolyse in fassbarer Form abgeschieden und durch die GlĂĽb-
probe noch unzweifelhaft erkannt werden kann (Vers. 1).
Ăśber das chemische und elektrolytische Verhalten des Quecksilbers etc. 261
2. Dass 0-005 Grm. HgCl in 400.000facher VerdĂĽnnung noch
nicht ausreichen, um an der Kathode eine deutlich wahrnehmbare Ver-
quickung zu erzeugen, dagegen bereits im Stande sind, bei 300.000
facher VerdĂĽnnung nach 36 Stunden dieselbe zu bewirken (Vers. 2
und 7).
3. Der Grund fĂĽr diese unscheinbare Verquickung der Kathode
liegt nicht blos in der geringen Menge von Hg, welche in der FlĂĽs-
sigkeit enthalten ist, sondern vorzĂĽglich in der sehr unvollkommenen
und langsamen Spaltung des HgCl unter dem EinflĂĽsse des galva-
nischen Stromes (Vers. 8 und 9).
4. Das HgCl leitet den galvanischen Strom schlecht, das HgJ
(Vers. 16) gar nicht. Wenn daher destillirtes Wasser von ersterer
Verbindung nur sehr geringe Mengen enthalt, so reicht der Wider-
stand des Lösungsmittels aus, den Übergang des Stromes in die
FlĂĽssigkeit so sehr zu hemmen, dass es zu keiner Zersetzung des
HgCl kommt, diese findet erst dann Statt, wenn die absolute und
relative Menge des HgCl im Verhältniss zum Lösungsmittel bedeu-
tender wird (Vers. 11 und 14). In solchen Fällen ist die Fällung
des Hg auf der Kathode die unmittelbare Wirkung des galvanischen
Stromes. Wo dagegen die Leitung des galvanischen Stromes durch
zugesetzte Säure oder Alkalisalze vermittelt wird, erfolgt die Amal-
gamation der Kathode auf dem Wege der chemischen Substitution,
die sich zwischen der in der umspĂĽlenden FlĂĽssigkeit enthaltenen
Quecksilberverbindung und dem freigewordenen Kation entwickelt.
Das (Vers. 14) abgeschiedene Quecksilberoxychlorid, das (Vers.
16, 17, 18) gebildete QuecksilberjodĂĽrjodid verdanken diesen secun-
dären Wirkungen ihre Entstehung. Auch der grau gefärbte der
Kathode fest anhängende Beschlag (Vers. 10, 11) von Magnesium-
oxydhydrat ist augenscheinlich nur durch die Wirkung des Magne-
siums auf die umgebende FlĂĽssigkeit quecksilberhaltig geworden.
5. Die Elektrolyse kann nur als Mittel zum Nachweise des
Quecksilbers benĂĽtzt werden, zur quantitativen Fallung eignet sie
sich nicht, weil einerseits die Kathode das abgeschiedene Quecksilber
nicht vollständig festhält (Vers. 15) andererseits nach den verschie-
denen Formen, in welchen dieses Metall in den zu elektrolysirenden
FlĂĽssigkeiten enthalten ist, und nach Beschaffenheit der gleich-
zeitig vorhandenen Salze die Spaltungsweise der Quecksilberverbin-
dungen verschieden ausfällt. Zur qualitativen Entdeckung dagegen
262 Schneider.
ist der elektrolytische Weg verlässlicher als jede chemische Fällung
und es ist möglich auf demselben noch dieses Metall in Verdünnun-
gen nachzuweisen, in welchen alle chemischen Scheidungsmittel
unzulänglich sind.
Bei der Elektrolyse von FlĂĽssigkeiten, die thierische Substanzen
enthalten, können Störungen eintreten, die, wenn sie nicht von vorne
herein vermieden werden, das Ergebniss der Elektrolyse in Frage stellen.
Tauchen die Elektroden in stärker gefärbte Lösungen , so
bedecken sich dieselben mit einem fest anhaftenden braunen Ăśber-
zug, der entweder den galvanischen Strom geradezu isoliren oder
doch das Anhaften des gefällten Quecksilbers an der Kathode hem-
men kann. Man pflegt derlei dunkel gefärbte Flüssigkeiten durch
Zusatz von chlorsaurem Kali und Salzsäure zu entfärben. Dieses
Verfahren erweist sich jedoch in FlĂĽssigkeiten, die durch Eindam-
pfen eine dunkle Färbung angenommen haben, meistens unzulänglich;
denn die nach Zusatz des Oxydationsmittels eintretende hellere Fär-
bung ist nur vorübergehend; beim weiteren Erwärmen der Flüssig-
keit wird diese wieder so dunkel gefärbt, als sie früher war. Das
nachfolgende Erwärmen ist aber unerlässlich, damit das Oxydations-
mittel aus der Lösung geschafft werde, denn eine Flüssigkeit, welche
eine Sauerstoffsäure des Chlors oder letzteres Element selbst ent-
hält, lässt es zu einer dauernden Fällung des Quecksilbers in elek-
trolysirten FlĂĽssigkeiten nicht kommen.
Nach meinen Erfahrungen ist es leichter in organischen FlĂĽssig-
keiten die färbenden Stoffe sogleich beim Beginne des Eindampfens
zu zerstören, als die während des Eindampfens erzeugten dunkel
gefärbten Zersetzungsproducte der organischen Substanzen zu ent-
färben. Soll z. B. Harn elektrolytisch auf Quecksilber geprüft wer-
den, so ist es räthlich, in demselben eine entsprechende Menge
(ungefähr 5 Grm. auf 1 Liter Harn) chlorsaures Kali zu lösen,
dann allmählich verdünnte Chlorwasserstoffsäure bis zur stark sauren
Reaction zuzusetzen; sollte sich während des Eindampfens eine
dunkle Färbung einstellen, so ist eine neue Menge des Oxydations-
mittels einzutragen, jedenfalls aber so lange zu erwärmen, bis eine
Probe nach Zusatz von Chlorwasserstoffsäure keine bleibende Wir-
kung auf Farbstoffe äussert. Dagegen bietet es keinen Vortheil, das
Eindampfen des Harns bis zum Auskrystallisiren der Salze fortzu-
setzen, denn es färbt sich, wenn bis zu diesem Punkte concentrirt
Ăśber das chemische und elektrolytische Verhallen des Quecksilbers etc. 2()3
wird, die FlĂĽssigkeit selbst im Wasserbade dunkel, und gibt dadurch
zum Ansätze des besprochenen Beschlages an den Elektroden Anlass.
Überdies eignen sich so stark concentrirte Lösungen nicht gut zur
Elektrolyse. Es bedecken sich in salzreichen FlĂĽssigkeiten die Lei-
tungsdräthe mit einer dichten Krystallkruste, welche gleichfalls wenn
nicht den Strom unterbrechen, so doch dieFixiruug des Quecksilbers
an der Kathode erschweret.
In stark concentrirten Lösungen ist das HgCl mit den gleich-
falls anwesenden Alkalichloriden zu einer Doppelverbindung ver-
einigt. Diese Doppelverbindungen zerlegen sich aber (wie Vers. 16 und
folgende lehren) in das Alkalimetall, welches mit der positiven Elek-
tricität beladen der Kathode zuwandert, und in den Rest der Verbin-
dung Cl und Hg, welche zusammen als Träger der negativen Elek-
tricität, zur Anode ziehen. Das in solchen Lösungen gefällte Hg ist
ein secundäres Product, erzeugt durch die Reaction , welche das
abgeschiedene Alkalimetall in der umspĂĽlenden FlĂĽssigkeit bewirkte.
Da jedoch die elektrische Strömung das HgCl von der Kathode
wegtreibt, so begreift es sich, dass daselbst die Ausscheidung von Hg
in sehr beschränkter Art nur stattfinden kann.
In verdünnteren Lösungen zerfallen die Doppelchloride des Hg
mit den Alkalimetallen in ihre Componenten, dadurch werden die
Folgen des elektrolytischen Processes andere. Der galvanische Strom
theilt sich in die anwesenden Salze im Verhältnisse ihrer Leitungs-
fähigkeit, es wird neben dem Alkalichlorid auch das HgCl durch die
Elektrolyse zerlegt, das an der Kathode abgeschiedene Hg kann
in reichlicherer Menge auftreten, weil seiner Ausscheidung keine
widrigen Strömungen entgegen stehen. — Ich habe wiederholt die
Beobachtung gemacht, dass in verdünnteren Lösungen die Verquickung
der Kathode leichter bewirkt wird, als wenn sehr concentrirte
Lösungen der Elektrolyse unterzogen werden.
Die alkoholischen Lösungen leiten den elektrischen Strom
schlechter als die wässerigen, auch zerfallen die Doppelchloride in
diesen Lösungen nicht so leicht, wie dies in den wässerigen der
Fall ist. Wenn nun gleich durch den galvanischen Strom auch in
derartigen FlĂĽssigkeiten die Spaltung chemischer Verbindungen
bewirkt wird, so geht doch dieselbe langsamer vor sich und da das
HgCl mit dem Cl der Alkali Verbindung der Anode zuwandert, so
kommt es an der Kathode nur zu einer secundären Abscheidung des
Sitzb. d. mathem.-naturw. Cl. XL. Bd. Nr. 8. 18
2(>4 Schneide r.
Hg in unerheblicher Menge. Es ist desshalb ein alkoholischer Auszug
der Harnsalze fĂĽr den Nachweis des Hg eben nicht zu empfehlen.
Das Verdunsten des Alkoholextractes aber behufs der Gewinnung
einer wässerigen Lösung hat keinen Sinn, da etwas mehr oder weni-
ger Salz in der zu elektrolysirenden FlĂĽssigkeit bei der Fallung des
Hg insoferne ausser Betracht kommt, als gerade die Alkalichloride in
die weingeistige Lösung eben so übergehen, wie in die wässerige.
Bei der Elektrolyse von KJ reichen Harnen, die unter Zusatz
von KC10e und HCl auf i/i0 des ursprĂĽnglichen Volums eingedampft
wurden, konnte in drei Fällen kein Quecksilber entdeckt werden.
Nachdem jedoch diese Harne mit Schwefelsäure, welche salpetrige
Säure enthielt, versetzt und im Wasserbade bis zur völligen Entfer-
nung des Jod abgedunstet wurden, zeigte die Kathode bei der noch-
mals vorgenommenen Elektrolyse deutliche Spuren der Verquiekung
und die nachfolgende GlĂĽhprobe die entschiedenste Quecksilber-
Reaction.
Es erscheint demnach räthlich, Untersuchungsobjecte, die .Tod-
metalle enthalten, vorerst ihres Jodgehaltes zu befreien. Es ist dies
leicht möglich, wenn die Untersuchungsobjecte im Wasserbade unter
allmählichem Zusatz von Schwefelsäure, die mit salpetriger Säure
gesättigt ist, erwärmt werden.
V.
Nachdem ich mich durch eine längere Reihe von Vorversu-
chen über die wichtigsten Umstände, welche bei der Analyse thie-
rischer Substanzen auf Quecksilber beachtet werden mĂĽssen, belehrt
hatte, ging ich daran, den Harn von Individuen zu untersuchen, wel-
che eine Mercurialcur passirten. Bei der Wahl des Untersuchungs-
Materiales Hess ich mich zunächst von jenen Rücksichten leiten, die
gegenwärtig in Folge der Eingangs dieses Aufsatzes erwähnten Be-
hauptungen ĂĽber die Natur der constitutionellen Syphilis, das prak-
tische Interesse des Arztes fĂĽr sich in Anspruch nehmen.
Ich untersuchte Harn
1. von Individuen, die mit secundärer Syphilis behaftet, angeb-
lich niemals mit Quecksilber behandelt wurden.
2. Harn von Individuen, die vor längerer Zeit eine Mercurial-
cur passirten.
Ober das chemische und elektrolytische Verhalten des Quecksilbers etc. 2()ti
3. Harn von Syphilitischen, welche zur Zeit als der Harn gesam-
melt wurde, eine Mercurialcur bestanden.
4. Harn von Kranken, die nach beendeter Mercurialcur mit Jod-
kalium behandelt wurden.
Ein glĂĽcklicher Zufall verschallte mir den Harn von zwei Indi-
viduen — Vater und Sohn — die seit drei Jahren an Hydrargyrose
litten und auf der Klinik des Herrn Prof. Dr. Skoda in Behandlung
standen.
Die zur Untersuchung verwendete Harnmenge war stets beträcht-
lich, nur in einem falle wurde der innerhalb 24 Stunden entleerte
Harn zur Untersuchung benutzt, bei allen anderen Fällen wurde der
Gesammtharn von 3 — 6 Tagen dazu verwendet. Die Dauer der Ein-
wirkung des galvanischen Stromes war meistens 18 — 24 Stunden.
Herr Professor Dr. Sigmund sandte mir den Harn von 6 Individuen;
das weitere Untersuchungsmateriale lieferte mir der Vorstand der
syphilitischen Abtheilung des h iesi^en Garnisonsspitals Herr Docent
Dr. Red er, welcher persönlich dafür sorgte, dass die Individuen,
deren Harn gesammelt wurde, die verordneten Arzneien pĂĽnktlich
einnahmen, und dass die Sammlung und Aufbewahrung des Harns in
einer Weise geschah, durch welche jede zufällige oder absichtliche
Versudelung ausgeschlossen wurde. —
Die Ergebnisse meiner Untersuchungen waren folgende:
Im Harne von Syphilitischen, die nie einer Mercurialcur unter-
zogen waren, Hess sich durch Elektrolyse kein Quecksilber nach-
weisen.
Dasselbe negative Ergebniss stellte sich bei der PrĂĽfung des
Harns von Individuen heraus, die vor längerer Zeit eine Mercurialcur
passirten. — Ein Individuum hatte im Jahre i858 während einer
längeren Cur im Ganzen 25 Gran Sublimat innerlich genommen,
9 Einreibungen, wahrscheinlich von je 2 Scrupel stärkerer und eben
so viel schwächerer Quecksilbersalbe gemacht, 16 Flaschen Decoctum
Zittmanni, dann 25 Flaschen Jodkalium ä 1 Scrupel verbraucht,
endlich in Gräfenberg sich 3 Monate lang der Wassercur unterzogen.
Im folgenden Jahre kamen die seeundären Atfectionen abermals zum
Ausbruch, anderthalb Jahre nach der Quecksilbercur wurde der Harn
untersucht.
Ein zweites Individuum hatte mit Ende December 1858 die
Sublimat cur beendet, wurde im Mai 1859 syphilisirt, während dieser
18*
1iU) S <• h u e i «I e r.
Behandlung' der von vier aufeinander folgenden Tagen entleerte Harn
mit negativem Resultate auf Quecksilber geprĂĽft.
Bei einem dritten Individuum, welches vor 5 Monaten mit
Sublimatpillen und Quecksilbereinreibungen behandelt wurde, war
gleichfalls der Harn vom Quecksilber frei.
Ein weibliches Individuum hatte 45 Einreibungen mit grauer
Salbe gemacht, dann einige Tage hindurch Jodkalium, endlich 3 Gran
Sublimat erhalten. 14 Tage nach Beendigung der Cur, als Patientin
genesen war, wurde der Harn 3 Tage lang gesammelt; in demselben
konnte kein Quecksilber entdeckt werden.
Während des innerlichen Gebrauches von Mercurialpräparaten
enthält der Harn constant Quecksilber. Ich habe 5 Fälle dieser Art
untersucht, und bin bei jedem zu einem positiven Ergebnisse gelangt.
In dem einen Falle bekam der Kranke in getheilten Gaben täg-
lich J/5 Gran QuecksilberjodĂĽr (Hg3J). Der innerhalb 3 Tagen
gesammelte Harn, in der Menge von nicht ganz 7 Litres, wurde unter
Zusatz von KC106 und HCl auf 1 Liter concentrirt , dann der Elektro-
lyse unterzogen. Die Kathode zeigte sich deutlich verquickt und durch
die GlĂĽhprobe war die Anwesenheit von Hg unzweifelhaft nachgewiesen.
Um zu erfahren , ob in diesem Harne nicht auch durch chemische
Fällungsmittel das Quecksilber entdeckbar sei, habe ich den Harn
von weiteren 6 Tagen in der Gesammtmenge von 15 Litres nach
der Zerstörung der organischen Substanz mittelst KCI06 und HCl.
auf 2 Litres eingedampft, dann Schwefelwasserstoffgas 12 Stunden
lang in denselben eingeleitet. Nachdem sich die trĂĽbe FlĂĽssigkeit
durch gelindes Erwärmen innerhalb 24 Stunden nicht klärte, so
wurde sie vorsichtig abgegossen und der aus gelblichen Flocken
und einem schwarzen pulverigen Niederschlag bestehende Boden-
satz auf einein Filter gesammelt, mit heissem Wasser gewaschen,
dann getrocknet, endlich so viel sich vom Filter durch Abreiben und
Schaben mit einer Messerklinge gewinnen Hess, mit trockener Soda
gemengt, in einem Kugelröhrchen geglüht. In dem verengten Röhren-
theile war ein graulicher nicht deutlich erkennbarer Anflug, der in
einer Jodatmosphäre ganz deutliche Krystalle von HgJ bildete. In
einem zweiten Falle hatte Patient durch 20 Tage eine Sublimatpille
ä i/b Gran genommen. Der Harn, von den letzten 2 Tagen zur Unter-
suchung verwendet, ergab sehr starke Quecksilber -Beaction bei
der Elektrolyse.
Ăśber das chemische und elektrolytische Verhalten des Quecksilbers etc. 2(l7
In einem dritten Falle hatte Patient 20 Einreibungen mit je
1 Scrupel Unguentum mereuriale fortius gemacht und 21/. Gran
Sublimat innerlich genommen. Zur Zeit des Sublimatgebrauches
wurde der Harn gesammelt, und nach dem Eindampfen elektrolytisch
geprĂĽft. Die Kathode zeigte sich sehr stark verquickt.
In einem vierten Falle wurden 8 Gran Sublimat innerlich
genommen, 28 Einreibungen mit je 30 Gran ĂĽng. cinereum gemacht
und Gargarismen mit Sublimatlösungen angewendet. Der Harn war
im Verlaufe der Sublimalcur gesammelt. Es konnte in dem innerhalb
24 Stunden entleerten Harne Quecksilber, jedoch nur in Spuren ent-
deckt werden.
In einem fĂĽnften Falle konnten gleichfalls nur Spuren von
Quecksilber gefunden werden. Patientin hatte kein Qnecksilber-
präparat innerlich genommen, sondern Mos 38 Einreibungen ä
30 Gran mit ĂĽng. cinereum gemacht. Ob in diesem Falle nicht eine
Verunreinigung des Harns mit Quecksilbersalle staltfand, inuss ich
dahin gestellt sein lassen.
Den gegenwärtig ziemlich allgemein verbreiteten Ansichten
ĂĽber die Wirkungsweise des Jodkaliums auf Metalle, die im Orga-
nismus zurĂĽckgehalten werden, sind die Ergebnisse meiner Unter-
suchungen des Harns von Individuen, welche unmittelbar nach der
Sublimatcur mit KJ behandelt werden, keineswegs gĂĽnstig.
In den eben angeführten Fällen habe ich mich überzeugt, dass
der Harn einige Tage hindurch nach beendeter Mercurialcur noch
quecksilberhaltig bleibt. Wird unmittelbar nach der Mercurialcur KJ
gereicht, so erscheint der Quecksilbergehalt des Harns nicht ver-
mehrt, eher vermindert und zwar um so beträchtlicher, ein je länge-
rer Zeitraum nach beendeter Mercurialcur verstrichen war. Im dritten
der vorerwähnten Fälle wurde sogleich Tags darauf nach beendeter
Quecksilberbehandlung dem Kranken KJ (10 Gran täglich) gereicht.
Es konnte im Harne allerdings noch Quecksilber nachgewiesen wer-
den, die Stärke der Reaction stand aber der während der mercu-
riellen Behandlung erhaltenen weit nach. Im zweiten Falle wurde
8 Tage nach dem letzten Gebrauche von Quecksilber täglich 10 Gran
Jodkalium dem Kranken gegeben. In dem von 4 Tagen gesammelten
Harne konnte erst nach vollständiger Entfernung des Jod durch sal-
petrige Säure haltende Schwefelsäure eine kaum mehr wahrnehm-
bare Verquickung der Kathode bewirkt werden. Auch in einem
268 Schneide r.
dritten Falle erwies sich der Quecksilbergehalt des Harnes wahrend
des Gebrauchs von Jodkaliurn geringer, als er während der mercu-
riellen Behandlung war. — Wenn gleich drei Versuche nicht hin-
reichen, die Frage, welchen Einfluss der Gebrauch des .Jodkaliums
auf die Ausscheidung des Quecksilbers durch den Harn ĂĽbe, zu
lösen, so lässt sich doch, ohne den Thatsachen Zwang anzuthun, so
viel folgern, dass dieses Mittel nicht in allen Fällen diese Ausscheidung
befördere.
Von den zwei Fällen von Hydrorgyrose standen mir nur geringe
Harnmengen zu Gebote; sie betrugen bei dem einen lethal enden-
den Falle kaum 1200 CC. , bei dem anderen gegen 2 Litres. Dem-
ungeachtet waren die Quecksilber -Reactionen unvergleichlich stär-
ker als in allen anderen Fällen. Die 1200 CC. Harn waren 2 Tage
vor dem tödtlichen Ausgange gesammelt. Der Harn war trübe, reich
an Eiweissstoffen und Eiterkörperchen ; auf dem sechsten Theile
seines Volums unter Zusatz von KC10fi und HCl eingedampft der
elektrolytischen PrĂĽfung unterzogen , war schon nach einstĂĽndiger
Wirkung des elektrischen Stromes die ganze Kathode verquickt. Im
Gehirne und in der Leber des Verstorbenen war gleichfalls Queck-
silber mit Leichtigkeit nach der Zerstörung der organischen Substanz
durch KC106 und HCl auf elektrolytischem Wege nachzuweisen. Die
Leber gab viel stärkere Quecksilber-Reactionen, als das Gehirn.
Nach dem Tode des Vaters hatte sich der Sohn der weiteren
klinischen Behandlung entzogen, es konnte daher der Harn des-
selben nicht mehr zur Untersuchung gelangen. So war es unmöglich,
die Beziehungen festzustellen , welche etwa zwischen der Ausschei-
dung des Quecksilbers und den weiteren Krankheits- Erscheinungen
bestehen.
Die Ergebnisse der angefĂĽhrten Untersuchungen dĂĽrften auf die
Frage: „ob nach der Anwendung von Mercurial -Präparaten diese
durch den Harn ausgeschieden werden" eine unzweideutige Antwort
sein , und da ich die auf elektrolytischem Wege erhaltene Fällung
durch eine chemische Keaction einer bestätigenden Prüfung unter-
zog, so dĂĽrften die Bedenken, welche nicht ohne Grund gegen alle
bisher bekannt gewordenen Angaben ĂĽber das Vorkommen des Queck-
Ăśber das chemische und elektronische Verhalten des Quecksilbers etc. 269
silbers in den thierischen Excreten erhoben werden können, beitoben
sein. — Es wäre nun die weitere Aufgabe, die quantitativen Aus-
scheidungs -Verhältnisse zu ermitteln, um zu erfahren, ob — wie
dies der allgemeine Glaube ist — das Quecksilber nach dessen
innerlichem oder äusserlichem Gebrauche in dem Organismus längere
Zeit zurĂĽckbleibe, oder ob es theils durch den Harn, theils durch die
Oarmenlleerungen während und kurz nach dem Gebrauche wieder
ausgefĂĽhrt werde.
Nach den Erfahrungen die ich bisher gewonnen, sind die nötbi-
gen Vorarbeiten für die Lösung dieser Aufgabe erst zumachen. Die
Elektrolyse ist allerdings das empfindlichste qualitative Reagens auf
Quecksilber, zur quantitativen Bestimmung aber nicht ausreichend.
Mit Schwefelwasserstoff gelänge es allerdings das Quecksilber voll-
ständig zu fällen, die organischen Beimengungen des Niederschlages
erschweren aber die Reinigung des Schwefelquecksilbers so sehr,
dass sie ohne Verlust nicht durchzufĂĽhren ist. KCI06 und HCl sind
unzulängliche Zerstörungsmittel der organischen Substanzen. Ich
glaube für den Harn in der Schwefelsäure, welche mit salpetriger
Säure gesättiget wird, ein wirksameres Spaltungsmittel gefunden zu
haben. Ich muss aber damit noch weitere Erfahrungen sammeln, und
desshalb vor der Hand die aufgeworfene Frage fĂĽr eine oftene
erklären.
270 Schreiben des Herrn A. A g u i I a r an das w. M. K. v. L i 1 1 r o w.
Schreiben des Herrn A. Aguilar, Director der
Sternwarte zu Madrid an das iv. 31. Karl v. Littrow ').
(Aus dem Spanischen ĂĽbersetzt.)
Unter dem Datum vom 25. des jĂĽngst verflossenen Februar hatte
ich die Ehre Ihnen mitzutheilen, dass die spanische Regierung auf
Ansuchen dieser Sternwarte den fremden Astronomen, die nach der
Halbinsel kommen werden, um die nächste Sonnenfinsterniss zu
beobachten, das Zugeständniss gemacht habe, von ihnen keine Ein-
trittsgebĂĽhr oder Zoll fĂĽr die wissenschaftlichen Instrumente zu ver-
langen, die sie zum Zwecke ihrer Beobachtungen mitbringen, wobei
sie sich dessenungeachtet vorbehält, alle nothwendigen Vorkehrun-
gen zu treffen, damit die Einkünfte des Ärars durch diese Massregel
nicht zu Schaden kommen.
Heute befinde ich mich nach neuen Unterhandlungen , welche
unsere Regierung gĂĽtig aufgenommen bat, in der Lage, Ihnen neuer-
dings mitzutheilen, dass in Beziehung auf den letzten Theil jener
Massregel alle jene Astronomen , welche mir einen ausfĂĽhrlichen
Brief zugehen lassen, in dem ihre Namen und der Ort, von welchem
sie kommen, der Ort von welchem aus sie die Halbinsel zu betreten
wĂĽnschen, und die Zahl und Classe der Instrumente, welche sie mit
sich bringen werden, angegeben sind, ohne weiteres von jeder Zah-
lung an den KĂĽsten und Grenzpunkten befreit bleiben , denn dieses
Observatorium wird sich alsdann fĂĽr ihren BĂĽrger oder verantwortli-
chen Agenten erklären.
Ich ersuche daher alle gelehrten Reisenden, die sich dieses
Vortheils bedienen wollen, mir ihre Instructionen ohne Zeitverlust
längstens bis 15. Juni einsenden zu wollen, denn nach diesem Ter-
mine dĂĽrfte sich keiner mehr ĂĽber die Unbequemlichkeiten an der
Grenze oder über unnöthige Auslagen beklagen, wenn er aus Fahr-
lässigkeit oder Gleichgültigkeit die hier angegebene Vorsichts-
massregel versäumt hätte.
Alle ĂĽbrigen Entschliessungen der Regierung in Beziehung auf
dieses wissenschaftliche Unternehmen, deren ich in meinem ersten
Briefe erwähnte, bleiben unverändert.
Madrid 9. Mai 1860.
*) Vorgelegt in der Sitzung vom IS. Mai [860, der Dringlichkeil wegen hier mitgetheilt,
SITZUNGSBERICHTE
DER
KAISERLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN,
MATHEMATISCH -NATURWISSENSCHAFTLICHE CLASSE.
XL. IUX».
SITZUNG VOM 22. MÄRZ 1860.
N°= 9.
19
271
IX. SITZUNG VOM 22. MÄRZ 1860.
Herr Regierungsrath Hyrtl ĂĽbersendet eine fĂĽr die Denk-
schriften bestimmte Abhandlung: „Über Wirbels ynostosen und
Wirbelsuturen".
Von Herrn Prof. Dr. A. Win ekler in Graz ist eine Abhandlung
eingelangt: ..Ăśber einige neue Eigenschaften der Kugelfunctionen
einer Veränderlichen und der Coefficienten von Reihen, welche nach
Kugelfunctionen entwickelt sind".
Die Herren Dr. A. Weiss und Jul. Wiesner legen eine vor-
läufige Notiz vor über ihre Versuche, das Eisen direct in den Zellen
der Pflanzen nachzuweisen.
Herr Prof. Dr. Molin liest: „Primitiae musei archigymnasii
Patavini".
Herr F. Stein dachner erläutert den Hauptinhalt der dritten
Folge seiner „Beiträge zur Kenntniss der fossilen Fisch -Fauna
Ă–sterreichs".
Herr Starke junior, WerkfĂĽhrer im k. k. polytechnischen
Institute, zeigt die von ihm construirte Kreistheilungsmaschine.
An Druckschriften wurden vorgelegt :
Akademie, königl. preussische. Monatsberichte, Jänner, 1860; 80,
— kaiserliche Leopoldinisch- Carolinische deutsche, der Naturfor-
scher. Verhandlungen, Bd. XXVII mit 47 Tafeln. Jena, 1860; 4°-
Annales des Minos, redigees par les ingenieurs des mines et
publiees sous Kauterisation du ministre des trauvaux publics.
Ciuquieme seiie. Tome XIV. livr. 5 et 6; tome XV, livr. 1,*2.
Paris, 1858; 8°-
19*
272
Astronomische Nachrichten, red. von Dr. C. A. F. Peters.
Nr. 1240, 1241. Altona, 1860; 4°-
Beobachtungen, maguetische und meteorologische, zu Prag, redi-
girt von Dr. J. G. Böhm und F. Karlinski. Zwanzigster
Jahrgang. Vom 1. Janner bis 31. December 1859. Prag, 1860; 40>
Bericht, neunzehnter, ĂĽber das Museum Francisco -Carolinum.
Linz, 1859; 8«-
Chri stiania, Universität. Akademische Gelegenheitsschriften für
das Jahr 1859.
Cosmos, IX. annee, 16e vol., 11. livraison, 16e Mars 1860.
Gazette medicale d'Orient. III. annee, 1860, No. 11. Constan-
tinople; 4°-
Greifswald, Universität. Akademische Gelegenheitsschriften für
das Jahr 1859.
Jahrbuch des naturhistorischen Landesmuseums von Kärnten,
redigirt von J. L. Canaval. Heft IV. Klagenfurt, 1860; So-
Rostock, Universität. Akademische Gelegenheitsschriften für das
Jahr 1859.
Secchi, P. Angelo, Memorie delF osservatorio del collegio romano
d.C. d.G.Nuova serie dall1 anno 1857 al 1859. Roma, 1859; 4<>- —
Escursione scientifica fatta a Norcia ad occasione dei terremoti
del 22 agosto 1859. Roma, 1860; 4». — Misura della base
trigonometrica eseguita sulla via Appia per ordine del governo
pontificio nel 1854—1855. Roma, 1858; 4<>-
Verein, physikalischer, zu Frankfurt a. M. Jahresbericht, 1858
bis 1859; 8°-
— Nieder-österreichischer Gewerbe-, Verhandlungen und Mitthei-
lungen, redigirt von Dr. E. Hornig. Jahrgang 1859, Heft 11,
12. Wien, 1860; 8<>-
— Österreichischer Ingenieur-, Zeitschrift, redigirt von J. Herr.
Jabrgang XII, Heft 1. Wien, 1860; 4» und fol.
Wiener medizinische Wochenschrift, redigirt von Dr. Witteis-
höfer. Jahrgang X, Nr. 11. Wien, 1860; 4°-
Wolf, Rud., Mittheilungen über die Sonnenflecken, I — X. Zürich,
1856—1859; 8»-
273
ABHANDLUNGEN UND MITTHEILUNGEN.
Ăśber Wirbelsynostosen und Wirbelsuturen bei Fischen.
Von dem w. M. Prof. Hyrtl.
(Auszug- aus einer fĂĽr die Denkschriften bestimmten Abhandlung. )
In keiner Classe der Wirbelthiere war das Vorkommen von
Wirbelsynostosen und Wirbelsuturen weniger zu erwarten, als in
jener der Fische, deren Wirbelsäule, als vermittelndes Organ der
Locomotion, einen hohen Grad von Beweglichkeit, besonders von
seitlicher Biegsamkeit benöthigt. Und dennoch sind Wirbelsynostosen
in der Fischwelt so häufig, dass nur die geringe Anzahl von Fisch-
skeleten, welche sich gewöhnlich in den Sammlungen für verglei-
chende Anatomie vorfindet, die Ursache des bisherigen Ignorirens
eines gewiss nicht zu den Seltenheiten gehörenden Vorkommens
sein kann.
In meiner sehr reichen Privatsammlung von Fischskeleten,
welche bereits nahe 600 Nummern zählt, fällt die Wirbelsynostose
ihrer Häufigkeit wegen auf, und da diese Sammlung von mehreren
Species, Skelete aus verschiedenen Altersperioden enthält, so war
es möglich zu entscheiden, ob die Verschmelzung der Wirbel Alters-
metamorphosen, oder in der primitiven Entwickelung der Wirbel-
säule gegebene Anomalien seien, so wie ferner, ob sie bei gewissen
Arten constant und an demselben Orte auftreten, oder ein zufäl-
liges Accidens bilden.
Als Altersmetamorphose kommt die Wirbelsynostose sehr
selten vor. Dagegen sind Verschmelzungen mehrerer Wirbel, von
2 — 5, als in der ersten Entwickelung der Wirbelsäule begründet,
bei mehreren Geschlechtern aufgefunden worden. Wollte man eine
274 « J '• * '
Theorie dieser unerwarteten Beobachtung wagen, so dĂĽrfte sie also
lauten: Das Wachsthum der primitiven Ossificationspunkte zweier
oder mehrerer Wirbel kann durch zufällige Bedingungen so zurück-
gehalten werden, dass die betreffenden fertigen Wirbel gegen die
übrigen an Grösse und Stärke bedeutend zurückstehen. Würden nun
solche Wirbel, deren Länge nur das Drittel oder Viertel eines nor-
malen Wirbels beträgt, unverschmolzen bleiben, so würde das Seg-
ment der Wirbelsäule, welches sie zusammensetzen, einen viel
höheren Grad von Beweglichkeit besitzen, als ein gleichlanges mit
unverwachsenen Wirbeln. Zur Ausgleichung dieses Missverhältnisses
tritt Synostose der verkĂĽmmerten Wirbel ein. Ein solcher Verwach-
sunffswirbel, selbst wenn er aus dem bisher beobachteten Maximum
von Wirbeln besteht, ist nur um die Hälfte länger als sein nächster
Vorder- und Hintermann, und da diese Verwachsungen gewöhnlich
(nicht immer) an Stellen der Wirbelsäule auftreten , welche Flossen
tragen, und somit eines höheren Grades von Festigkeit bedürfen, so
wird die Synostose fĂĽr die Beweglichkeit der gesammten Wirbel-
säule weit weniger Nachtheil bringen, als mit Getrenntbleiben der
verkĂĽmmerten Wirbel gegeben sein wĂĽrde.
Die Fische, an denen die Synostose beobachtet wurde, sind:
Polypterus Bichir, Amia calva, Thynnus vulgaris. Stromateas
griseus, Rhynchobdella ocellata, Catla Buchanani, Butirinus
macrocephalus, Heterotis Ehrenbergii, Chirocentras dentex, Alausa
finta, Catostomus Suerii (Altersmetamorphose), Hydrocion Forskai,
mehrere Arten von Mormyrus, Gymnärchus nilotias, Ciarias Hassel-
qaistii, Ciarotes Heuglini (als Altersmetamorphose), Zoarces vivipa-
rus, Ophiosternon bengalense,Gymnotns electrica s.Ga das morrhua
und Gadus callarias , Ostracion triqueter (Altersmetamorphose).
Bemerkenswert!) ist es, dass bei mehreren Individuen derselben
Art die Synostose nicht dieselben Wirbel befällt, ja dass ein Indivi-
duum verwachsene, ein zweites dagegen getrennte Wirbel besitzt.
Zählt man den Verwachsungswirbel als einen einfachen, so erscheint
die Gesammtzahl der Wirbel gewöhnlich geringer , jedoch nicht um
so viel, als die Zahl der verwachsenen Wirbel beträgt.
Wirbelsuturen kommen nur in der Familie der Ostracionten
vor. Sie betreffen die sieben Wirbel des Stammes, und die Verbin-
dung des ersten Wirbels mit dem Hinterhauptbeine. Die Suturen
präsentiren sich am besten bei seitlicher Ansicht der Wirbelsäule.
Ăśber Wirbelsynostosen und Wirbelsuluren bei Fischen. 275
Bei unterer Ansicht sind die Verbindungsstellen der Wirbel wie
gewöhnlich lineare Querfugen. Auch die Bogen der Wirbel, welche
so breit sind als der Wirbel lang ist, greifen an ihren einander zuge-
kehrten Rändern durch Nathzacken zusammen. Der aus dicken, festen,
mosaikartig zusammengefĂĽgten Platten bestehende Panzer dieser
Familie macht die Bewegungen der Wirbelsäule unmöglich. Es fehlt
also, nebst den hinzu gewöhnlich verwendeten Muskeln, auch die
gelenkige Verbindung je zweier Wirbel , und die sie vertretende
Sutur steht im innigsten Zusammenhange mit der Unbeweglichkeit
der Wirbelsäule.
Am SchlĂĽsse der Abhandlung folgt eine Charakteristik der fal-
schen oder scheinbaren Synostosen.
*>76 Weiss und Wiesner. Vorläufige Notiz
Vorläufige Notiz über die directe Nachweisimg des Eisens
in den Zellen der Pflanze.
Von Adolf J. Weiss und Julius W i e s n e r.
(Vorgelegt in der Sitzung vom 22. März 1860.)
Durch Aschenanalysen ist das Vorhandensein von Eisen im
Pflanzenkörper bekannt, allein sein örtliches Vorkommen und die Art
der Verbindung noch unermittelt. Es gelang uns beides aufzuklären,
indem wir das Eisen durch Anwendung von Rhodankalium (Schwe-
felcyankalium) direct in den mikroskopischen Präparaten ersichtlich
machten. Aus nahe liegenden GrĂĽnden wurde die wein geistige
Lösung des Reagens gewählt.
Der mit einem Silber- oder Piatinamesser gefĂĽhrte Schnitt
wurde zuerst mit Rhodankalium allein behandelt, hierauf, wenn keine
Reaction entstand, mit einem Tropfen Salzsäure1) versetzt. Hierdurch
wurde die Anwesenheit des Eisens in dem Schnitte als lösliche oder
unlösliche Oxyd Verbindung ersichtlich gemacht. Andere Schnitte
wurden mit Chlorwasser und Rhodankalium, ferner mit Salpetersäure
und Rhodankalium behandelt, wodurch es ermöglicht wurde, das Eisen
in löslicher oder in unlöslicher Oxydul Verbindung zu erkennen2).
Auf diese Weise kann man das Eisen im Pflanzenkörper sehr
häufig und oft in nicht unbeträchtlicher Menge auffinden, es
erscheint in der Wurzel so gut als im Stamme und den Blättern, in
dem Marke, der Oberhaut u. s. w. Gewisse Zellschichten scheinen
indess doch vorzüglich die Träger dieses Stoffes zu sein, während er
*) Dieselbe färbt verdickte Zellen sehr häufig {Aesculus, Tili« Pnpii/us, Lari.v etc.)
intensiv violet oder ultramarin (Vinco), wodurch man sich nicht täuschen lassen
darf, wie ĂĽberhaupt nicht durch versteckte FarbstofFe, von deren etwaigem Dasein
man sich vorher durch Säuren oder andere Hilfsmittel zu überzeugen, und erst nach
Entfärbung derselben auf Eisen zu prüfen hat (Reyonia, Piper, Calla u. s. w.).
2) Die Ueagentien verhielten sich bei der von uns angewendeten VerdĂĽnnung und Rein-
heit vollkommen indifferent gegen Schwefelcyan-Kaliura, weder Hydrothiocyansiure
noch Pseudosehwefelcyan bildend.
ĂĽber die directe ISachw eisung des Eisens in den Zellen der Pflanze. 2/7
in anderen z. B. den zartwandigen , parenchymatösen Zellen in so
geringer Menge auftritt, dass er sich jeder Untersuchung entzieht.
Das Eisen lässt sich im Pflanzenkörper, so weit wir bis jetzt
angeben können, immer nur in zwei Formen nachweisen, als im
Wasser unlösliche Oxyd Verbindung oder als unlösliche
Oxydul Verbindung. Das Vorkommen desselben ist aber keines-
wegs ein durchaus geregeltes, es erscheint in einer und derselben
Pflanze nicht selten in beiden Formen (Sambueus), niemals jedoch
kann man es im jugendlichen Zustande der Zelle durch die Reaction
ersichtlich machen. Man kann dies aus dem Umstände schliessen, dass
beim Fortschreiten gegen die Vegetationsspitze zu , die Eisenreaction
immer undeutlicher wird und endlich ganz verschwindet, dass ferner
bei Pflanzen, in deren Holzzellen es vorkommt, die ältesten Schichten
(gegen das Mark zu) stets den grössten Eisengehalt zeigen, so zwar,
dass es in den jĂĽngeren Holzzellen oft gar nicht sich zu erkennen gibt,
während es in den älteren ganz entschieden wahrgenommen wird und
dass endlich die Ablagerung desselben in den Verdickungsschichten
ja doch von dem Entstehen und Fortschreiten derselben abhängig ist.
Es ist dies auch ganz wohl begreiflich. Bei der geringen Menge, in
der das Eisen doch immer nur im pflanzlichen Organismus gefunden
wird, kann es nur durchSummir ung in Erscheinung treten, es kann
nur durch successive Ablagerung in den Verdickungsschichten, durch
beständiges Addiren kleiner Mengen nach längerer Zeit so viel austra-
gen, dass man es durch geeignete Agentien nachzuweisen imStande ist.
Man kann wohl im Allgemeinen behaupten, dass das Eisen mei-
stens als Infiltrationsproduct der secundären und tertiären Zellschich-
ten sich kundgibt und also hauptsächlich der Verdickung der
Membran der Zellen dient, indess haben wir es auch im Inhalte
der Zellen aufgefunden.
In beiden Fällen kommt es in verschiedenen Formen vor.
So erscheint es z. B. als unlösliche Oxyd-Verbindung in der
Membran der Holzzellen von Juglans regia L., Fraxinus excelsior
L., Platanus orientaUs L. v. aurea u. s. w., während es bei Betula
alba L., F. r. grandis Sehr ad., Querem Cerris L., Cladrastis
tinetoria Rat'., Salisburia adiantifolia Sin., Negundo fraxhĂĽ-
folium Nutt. v. crispum, Crataegus monogyna Jacq., Robinia
Pseudacacia L. I. sophoraefolia, Prunus Padus L. Ăź. rubra, Pru-
nus cerasifera L. y. xanthocarpa (schwach), Monis tatarica Pal I.
278 Weiss und Wiesner. Vorläufige Notiz etc.
Taxus baccata L., Crataegus crusgalli L. a. splendens u. s. w. in
der Membran der Holzzellen als unlösliche Oxydul-Verbindung auf-
tritt.
Im Marke von Sambucus nigra L., Negundo fraxinifolium
Nutt. v. crispum u. s. w. erscheint das Eisen in den Zellwänden als
unlösliche Oxydul- Verbindung, bei Platanus orientalis L. ebenfalls
im Marke als unlösliche Oxyd-Verbindung.
Im Baste der Gefässbündel kommt es bei Robinia viscosa 7.
dubia V., Verbesina gigantea Jacq. u. s. w. als unlösliche Oxydul-
Verbindung vor, als unlösliche Oxyd-Verbindung in den Bastzellen von
Viscum album L. in den Gefässbündeln von Lemna anirhiza u.s. w.
Im Inhalte der Haare erscheint Eisen bei Verbesina gigantea
Jacq., Eranthemum leuconeurum Fab., Goldfussia glommerata
u. s. w., ebenso im Zellsafte des Stengels von Regonia hydrocotyli-
fulia Graham., Tropaeslum majus L.; in den Zellen des Markes von
Aesculus neglecta Li ndl., im Inhalte der Beeren von Viscum album
L. 11. s. w. Im Pollen haben wir Eisen bei Cheiranthus C/ieiri L.,
Anemone Pulsatilla L., Primula vulgaris Huds. a. acaulis, Gagea
lutea Schult., Tropaealum majus L., Hgoscyamus niger L. 11. s. w.
aufgefunden, jedoch überall in sehr geringen Quantitäten.
In einer weiteren Arbeit werden wir die Frage zu erörtern
suchen, in welcher Form das Eisen von den Pflanzenzellen aufge-
nommen wird und wie es in denselben als unlösliche Oxydul- oder als
unlösliche Oxyd Verbindung umgewandelt erscheint, in welcher
Lebensperiode des Gewächses ferner sein erstes Auftreten datirt und
welche Rolle es ĂĽberhaupt im Leben der Zelle spielt; fĂĽr's Erste
genügt es, das Eisen im Pflanzenkörper direct nachge-
wiesen und gezeigt zu haben, dass es daselbst als
unlösliche Oxydul- und als unlösliche Oxydverbindung
sowohl in der Membran als im Inhalte der Zellen
sich zu erkennen gibt, obwohl es von der W u r z e 1
ursprünglich als lösliche Verbindung aufgenommen
werden m u s s t e.
Schob I. Typhloniscus. 279
T y p h l o n i s c u s.
Eine neue blinde Gattung der Crustacea Isopoda.
Monographiseli bearbeitet
von Joseph Schöbt,
Caudldat der Medicin in Prag-.
(Vorgelegt in der Sitzung vom S.Jänner 1860 durch das c. M. Herrn Prof. Stein.)
(Mit 10 Tafeln.)
Die in den vorliegenden Blättern von mir zn schildernde
Gattung bietet, sowohl in Beziehung auf äussere Körpergestalt, als
auch auf Anatomie und Lebensweise, so viel Interessantes und von
allen bis jetzt bekannten Gattungen der Oniscoiden Abweichendes
dar, dass es wohl gerechtfertigt sein dĂĽrfte, wenn ich sie zum
Gegenstande der vorliegenden monographischen Arbeit mache.
Bei der genauen anatomischen Untersuchung, der ich diese
blinde Gattung unterwarf, und wobei ich nicht unterliess die ver-
wandten Gattungen der Oniscoiden zu berĂĽcksichtigen, ergab sich
mir zunächst, dass die Theorie der Mundtheile, wie sie bis jetzt bei
dieser Familie gang und gebe war, durchaus unhaltbar sei. Ich habe
mich daher bestrebt in der vorliegenden Arbeit eine naturgemässere
Deutung der Mundtheile zu geben.
Was den Kaumagen anbelangt, der bei den Isopoden einen so
hohen Grad der Entwicklung erreicht, und von dem es bis jetzt keine
auch nur im entferntesten richtige Darstellung oder Beschreibung
gab; so habe ich denselben ebenfalls auf's genaueste untersucht und
die Bedeutung so wie den feineren Bau des ganzen Organes und
seiner einzelnen Bestandteile nachgewiesen. In Bezug auf das
Nervensystem und die Kreislaufsorgane haben meine Untersuchungen
zu keinen genaueren Besultaten gefĂĽhrt als sie schon von Brandt
und Anderen veröffentlicht worden sind. Ich habe desshalb von den
eben erwähnten Organen keine Zeichnungen entworfen, dafür aber
um so genauer die Respirationsorgane abgebildet und beschrieben,
280 s c h ö b i.
die nur unvollständig und ungenau bekannt waren. Auch die männ-
lichen Geschlechtsorgane, namentlich die Begattungsorgane, fand ich
bei allen Autoren irrig beschrieben und gedeutet. Ich habe von den
Organen, die man allgemein als Ruthen beschrieben hatte, nachge-
wiesen, dass sie keine Ruthen sein können, und ihnen eine ganz
andere Bedeutung zugewiesen, und sie Organa ejaculatoria seminis
genannt. Die sogenannten Leiter der Ruthe hingegen, die man fĂĽr
Hilfsorgane bei der Begattung hielt, als wahre Ruthen hingestellt.
Die gänzlich unbekannt gewesenen weiblichen äusseren Geschlechts-
öffnungen endlich, und Receptacula seminis habe ich entdeckt.
Alle diese anatomischen Untersuchungen haben , obzwar sie
sich zunächst auf die Gattung Typhloniscus beziehen , im Allgemei-
nen Geltung fĂĽr die ganze Familie der Oniscoiden. Der Raum ge-
stattete es mir nicht, die mitunter interessanten Abweichungen der
einzelnen Gattungen zu beschreiben und abzubilden.
Den Gattungsnamen entnahm ich von dem hervorstechendsten
Merkmale dieses Thieres, von dem gänzlichen Mangel der Augen.
Die einzige Species habe ich nach meinem hochverehrten Lehrer
Herrn Professor Dr. Stein, dem ich meine ganze wissenschaftliche
Richtung verdanke, benannt.
So übergebe ich denn meine erste Leistung den Männern der
Wissenschaft mit der Bitte, die etwa von mir begangenen Fehler mit
Nachsicht beurtheilen zu wollen, und mit dem aufrichtigen Wunsche,
man möge in der wenngleich unbedeutenden Arbeit des Schülers den
Wirkungskreis seines grossen Lehrers erkennen.
Diagnose und Beschreibung- der Gattung Typhloniscus S c h ö b 1.
Antennae externae sexarticulatae ; articulo pcnultimo maximo,
conico, obsolete triquetro, apice tereti, basi subtus incras-
sato; articulo ultimo conico, apice setigero (Taf. R, Fig. 2).
Antennae internae triarticulatae , articulo basali maximo;
apicali minima, oblique truncato , et stylis tribits hyalinis
terminato; omnibus conum parva htm efficientibus.
Oculi nulli.
Apendicum caudalium par externton maximum , postabdominis
cingula valde superans; articulo basali subcylindrico tereti;
Typhloniscus. 281
apicali antecedentis apici inserto , conico, apice setigero ;
ambobus aeque fere longis (Taf. II, Fig. 3).
Appendicum caudaĂĽum par intemum cylindricum, teres, ex-
ternorum articulum basalem haud longitudine superans
(Taf. II, Fig. 3).
Die Augen fehlen gänzlich. Am Kopfe findet man nicht einmal
von Augenrudimenten die geringste Andeutung, und die Stelle, wo bei
den ĂĽbrigen Gattungen der Oniscoiden die Augen zu sitzen pflegen,
ist durch nichts ausgezeichnet und von derselben Beschaffenheit wie
die ĂĽbrige Kopfbedeckung.
Die äusseren Fühler sind verhältnissmässig sehr stark ent-
wickelt und in einer becherförmigen Vertiefung an derUnterseite der
seitlichen Stirnfortsätze eingefügt. Das erste Glied ist das kürzeste
von allen, von Gestalt cylindrisch, in der Mitte etwas bauchig.
Das zweite Glied ist länger und stärker als das erste und besitzt
am verengerten Grunde nach aussen einen rundlichen Höcker, nach
oben zu verschmälert es sich Mieder und endigt schief abgestutzt.
Das dritte Glied ist wenig länger als das erste, gekrümmt, becher-
förmig. Es endigt mit einem weiten, etwas nach der Mitte hin zuge-
schärften Rande. Das vierte Glied besitzt ungefähr die Grösse des
zweiten, nach innen und oben zu erscheint es stark convex fast
stumpfkantig, nach aussen und unten concav, rinnenförmig ausge-
höhlt. Die Basis ist etwas verengt, die Spitze breit, unverengt,
ziemlich gerade abgestutzt. Das fünfte Glied ist das stärkste von
allen, es ist mehr als zweimal so lang und viel stärker als das voran-
gehende, von Gestalt abgerundet dreikantig. Zwei Flächen sind breiter
und stossen nach oben oder innen in eine stumpfe abgerundete Kante
zusammen. Die dritte Fläche ist etwas schmäler, sieht nach unten oder
aussen und ist in der Mitte durch eine Furche in zwei Hälften getheilt.
Gegen die etwas verschmälerte Spitze des Gliedes verschwindet
jedoch allmählich diese kantige Beschaffenheit desselben und es wird
fast drehrund. Seine Basis ist durch eine gleichsam stielförmige
starke Verengerung dem vorigen Gliede eingelenkt. Gleich hinter
dieser stielförmigen Stelle befindet sich nach unten zu eine weite,
buckeiförmige Auftreibung, die durch die früher beschriebene Furche
der unteren Fläche in zwei Hälften getheilt wird.
Das sechste und letzte FĂĽhlerglied ist etwas kĂĽrzer als das
vorige, etwa 3/3 der Länge desselben betragend. Seine Gestalt ist
282 s « h s b i.
kegelförmig und es endigt an der Spitze mit einem durchsichtigen
Griffel.
Die inneren FĂĽhler sind sehr klein, mit blossem Auge nicht
sichtbar, dreigliedrig. Das erste Glied ist das grösste, das mittlere
kleiner, das Endglied, welches 3 — 4 kleine Chitingriffel trägt, ist
das kleinste. Alle zusammen stellen einen kleinen aufrechten Kegel dar.
Die äusseren Schwanzanhänge sind zweigliedrig, verhältniss-
mässig zur Grösse des Thieres sehr gross, überragen weithin die
GĂĽrtel des Postabdomen. Das Grundglied ist fast cylindrisch, das
Endglied, welches an der Spitze des Vorigen sitzt, ist kegelförmig
mit 2 — 3 kurzen Endborsten. Die inneren Schwanzanhänge sind
viel kürzer und schwächer, stielförmig, cylindrisch, und überragen
kaum das Grundglied der äusseren Anhänge. An ihrer Spitze stehen
gleichfalls drei Borsten.
Diagnose und Beschreibung der Species Typhloniscus
Steinii Schob].
Taf. I.
T. Candidas; corpore oblonge elĂĽptico ; processibus capitis
lateralibns rotundato trigonis, processu frontali medio
nullo; antennarum articulis omnibus dense squamosis,
squamidis carinatis; capite squamulis antice papiUifor-
mibus , postice subtrigonis, carinatis tecto ; cingulis
omnibus, et appendicibus caudalibus squamidis rotundato
trigonis, carinatis, versus latera subtrilobis tectis; margine
postico cingulorum omnium serie squamularum quadran-
gularium carinatarum instructo.
Longitudo %'"—%%"', Latitudo maxima 3/4'"— 1'" '.
Die Farbe des Thieres ist schneeweiss, nur bisweilen schimmert
in der Mittellinie der Darmcanal als ein bräunlicher Streifen durch.
Von Gestalt ist das Thier länglich elliptisch. Manche Exemplare
jedoch sind etwas hinter der Mitte am breitesten und erscheinen
somit oval. Der erste Körpergürtel oder Mesothorax erweitert sich
zu beiden Seiten in einen flachen beilförmigen Seitenfortsatz. Der
Hinterrand dieses Segmentes verläuft geradlinig bis zur Gegend der
flachen seitlichen Fortsätze, woselbst er nach vorne hin bogenförmig
ausgeschweift ist. Die seitlichen Fortsätze des zweiten Segmentes
sind nur wenig nach hinten gerichtet, der vordere Winkel ist stumpf,
TypMomseus. 283
stark abgerundet, der hintere fast recht, etwa 85°. Der Hinterrand
dieses Segmentes ist in der Gegend der Fortsätze nur wenig
geschweift.
Die folgenden fĂĽnf Segmente unterscheiden sich nur dadurch von
dem eben beschriebenen zweiten, dass ihre vorderen Winkel, je weiter
das Segment nach hinten liegt, beständig stumpfer werden, während
die hinteren Winkel in demselben Verhältnisse an Schärfe zunehmen.
Die ersten zwei Segmente des Postabdomen sind sehr schmal und
besitzen keine seitlichen Fortsätze, ihre Hinterränder sind schwach
bogenförmig gekrümmt, die folgenden drei Segmente sind breiter und
besitzen an den Seiten sichelförmig nach hinten gekrümmte Fortsätze.
Das letzte Segment ist dreieckig. Die Basis des Dreieckes ĂĽbertrifft
um ein Drittel die Höhe desselben. Die beiden gleichen Seiten
sind etwas concav ausgeschweift, die Spitze etwas hervorgezogen.
Das ganze Segment ist gleichmässig gewölbt, zeigt durchaus keine
Furche oder Eindruck.
Die Sculptur ist sehr ausgezeichnet.
Zunächst besitzt die ganze Körperoberfläche eine feine, rund-
lich zellige Zeichnung, die, wie ich mich durch das Studium der
Entwicklungsgeschichte ĂĽberzeugt habe, den Zellen, aus denen
ursprünglich die ganze Körperbedeckung zusammengesetzt ist, ent-
spricht. Die fünf ersten Fühlerglieder sind mit unregelmässig
gestellten Schuppen bedeckt, die eine breite Basis besitzen und
slachelspitzig endigen.
Am letzten Fühlergliede sind die Schuppen viel schmäler und
länger, fast borstenförmig. An der stark convexen Stirne befinden
sich an der Spitze kopfförmig angeschwollene Papillen, die allmählich
gegen die seitlichen Stirnfortsätze zu in dreieckige, und gegen den
hintern Kopfrand zu in abgerundete gekielte Schuppen ĂĽbergehen.
Die Bückenfläche des Thorax und der Proabdominalsegmente ist mit
rundlich dreieckigen, gekielten, ziemlich dicht und fast reihenweise
gestellten, etwas ungleichen SchĂĽppchen bedeckt. Der Hinterrand
dieser Segmente ist in der Mitte, so weit er geradlinig verläuft, mit
einer Beihe grösserer, abgerundet rechteckiger, gekielter Schuppen
verseben. Die Postabdominalsegmente sind an ihrer vordem Hälfte
glatt und glänzend.
Das erste und zweite Segment besitzt blos vor dem hintern
Bande eine Beihe von SchĂĽppchen. An den folgenden drei Segmenten
284 s c h ö b i.
sind die Schuppen gegen den Hinterrand zu fast dreireihig, am letzten
Segmente zerstreut gestellt, alle sind gekielt.
Die Hinterränder aller Segmente besitzen eine Reihe recht-
eckiger, viel grösserer gekielter Schuppen.
Die Grundglieder der äussern Schwanzanhänge sind mit rund-
lich dreieckigen, gekielten, fast reihenweise gestellten Schuppen
bedeckt.
Die Endglieder dagegen besitzen viel schmälere, gekrümmte,
sparsamere, borstenförmige Schüppchen.
An den inneren Schwanzanhängen sind die Schüppchen noch
sparsamer, schmäler und borstenförmiger.
An der Spitze eines jeden Schwanzanhanges stehen 2 — 3
Chitinborsten.
Die Weibchen sind stets grösser und auch verhältnissmässig
breiter als die Männchen.
Lebensweise und Torkommen.
Typhloniscus Steinii lebt stets unterirdisch in den Colonien
der Ameisen und zieht sich bei der geringsten Beunruhigung flĂĽchtig
in die Tiefe der Nester zurĂĽck. Kleine junge Exemplare werden
häufig von den Ameisen selbst fortgeschleppt. Am häufigsten leben
sie in den Colonien der Formiert flava Latr. , jedoch findet man
sie auch, wenngleich seltener und nur sporadisch, bei Formica nigra
Latr., aliena Förster und umbrata Nylander. Ihre Antennen
befinden sich stets in vibrirend tastender Bewegung (wahrscheinlich
eine Folge der Blindheit). Auch scheinen sie die Tageszeiten nicht
unterscheiden zu können, denn während die übrigen Asseln sich
während des Tages in ihre feuchten Schlupfwinkel zurückziehen und
daselbst ruhen, fand ich diese Art zu den verschiedensten Tagszeiten
in einer kĂĽnstlichen Ameisencolonie, die ich mir in einem Glase
errichtet habe , munter umherlaufen.
Andere Ameisenarten, als bei welchen sie in der Natur vor-
kommen, dulden sie nicht nur nicht unter sich, sondern fallen mit-
unter raubgierig über sie her und tödten sie. Ich habe dies im Freien
bei Formica ligniperda Latr., zu Hause bei F. rufa L. und fuligi-
nosa Latr. beobachtet, ja einmal gingen mir sogar einige Exemplare
Typhloniseus. 285
in kĂĽrzester Zeit zu Grunde, zu denen ich zwar Formica flava L.,
jedoch aus einem Neste, welches keine Asseln enthielt, gethan hatte.
Im Darmcanal fand ich stets nur Reste vegetabilischer Sub-
stanzen, unter denen man sehr schöne, wie präparirte, Mooszellen
findet. Einzelne davon erkannte ich als von der Lophocolca tomen-
tella stammend, andere schienen Phascumarten anzugehören. Ob sie
von den Ameisen mit Nahrung versorgt werden oder sich selbe selbst
aufsuchen, weiss ich zur Zeit noch nicht. Ich traf sie jedoch nie
ausserhalb der Ameisencolonien, was wohl vorkommen mĂĽsste, wenn
sie allein ihrer Nahrung nachgehen sollten.
Die Männchen sind viel seltener als die Weibchen und es
kostete mir viele Mühe, die nöthigen Exemplare zur Untersuchung
der männlichen Geschlechtsorgane aufzutreiben. Sie sind beständig
kleiner und schmäler als die Weibchen.
Die Weibchen legen im Monate Mai nur wenige, blassgelbe
Eier unter ihre Brustplatten, woselbst sie bis Ende Juni verweilen,
um welche Zeit die Jungen die Mutter zu verlassen pflegen.
Ich fand diese Art zuerst im Monate August 1857 an einer alten
Gartenmauer des Dorfes Radlitz, etwa eine Stunde Weges von Prag,
bei Formica flava L. Im folgenden Jahre im FrĂĽhjahr fand ich sie in
der Scharka, einer ebenfalls nicht weit von Prag entfernten, wilden,
felsigen Gegend, dann an zwei Punkten in den Schanzgräben der
Stadt Prag selbst. In der Scharka bei F. nigra, an den beiden
ĂĽbrigen Standorten bei F. flava.
Im heurigen Jahre wurde ein sehr ausgiebiger Fundort bei
dem Dorfe Kosif von einem fleissigen Entomologen Herrn Lokaj
aufgefunden, und mir gefälligst mitgetheilt. Hier lebte sie sowohl bei
F. flava L., als auch bei F. aliena För. und umbrata Nyland.
Systematische Stellung der Gattung Typhloniseus.
Dass vorliegende Gattung in der Unterclasse der Hedrio-
phthalmen zur Ordnung der Isopoden, und in dieser zur Familie der
Oniscoiden gehöre, braucht wohl kaum erwähnt zu werden.
Nach Brand t's Eintheilung in seiner Monographia Crustaceo-
rnm Oniscoidorum gehört sie zur Tribus Oniscinea, die sich durch
(i — Sgliedrige äussere Antennen , so wie durch zwei Paare von
Schwanzanhängen auszeichnet.
Sil/.li .1 mathein. -naturw. Cl. XL. Bd. Nr. 9. 20
280 s c h ö b i.
In dieser Tribus gehört sie zur Brandt'schen Abtheilung Por-
ccllionea, welche durch Schwanzanhäuge, die die Körpergürtel über-
ragen, und zweigliedrig sind, charakterisirt ist. In der ebenerwähn-
ren Abtheilung gehört sie endlich zur Gruppe Hexarthrica nach
Brandt. Brandt beschreibt in dieser Gruppe zwei Gattungen Tricho-
niscus und Platyarthrus. Die Gattung Trichoniscus muss, meiner
Ansicht nach , in eine ganz andere Gruppe gebracht werden. Ich
fand wenigstens bei allen Exemplaren, die ich als zur Brandt'sehen
Gattung Trichoniscus gehörig hielt , das borstenförmige Endglied
der äusseren Antennen aus 5 — 6 Gliedern zusammengesetzt.
Auch in Bezug auf Lebensweise und Anatomie stehen diese
schnellen lebhaften Thierchen den Ligien viel näher, als den Gat-
tungen Ouiscus und Porcellio, neben welche sie von Brandt ge-
stellt wurden. Unterschiede zwischen diesen Gattungen und meiner
Gattung Typhloniscus anzuführen, wäre überflüssig.
Die zweite Gattung Platyarthrus kenne ich nicht , und muss
mich daher blos an die sehr kurzen und dĂĽrftigen, aus acht Worten
bestehenden Gattungsdiaguosen wie sie Brandt gibt, halten, und
selbe wörtlich anführen:
„Ultimus antenarum articnlus couicus, penultimus oblougus
dilatatus compressus."
Diese Gattung unterscheidet sich, wie schon aus diesen wenigen
Worten ersichtlich ist , von der Gattung Thyphloniscus durch die
Beschaffenheit des fĂĽnften oder vorletzten FĂĽlllergliedes, welches
jedenfalls in einem ausgezeichneten Grade zusammengedrĂĽckt, und
flach sein muss, da sonst Brandt dieses Merkmal gewiss nicht als
fast alleiniges Moment seiner kurzen Diagnose hervorgehoben und
auch wohl den Gattungsnamen nicht darnach gewählt hätte.
Analyse der Mundt heile.
Da bis jetzt in keinem zoologischen Werke, weder eine natur-
getreue Darstellung noch eine richtige Deutung der Mundtheile der
Oniscoiden ĂĽberhaupt existirt; ja dieselben vielmehr in vieler Hin-
sicht verkannt, und gänzlich missgedeutet wurden, theilweise auch
noch gar nicht bekannt waren ; so habe ich mich bestrebt diese
Partie mit möglichster Genauigkeit und Umsicht zu bearbeiten, um die
bei der vorliegenden Gattung erzielten Resultate in den Hauptsachen
für die ganze Gruppe der Oniscoiden gelten lassen zu können.
Typhloniscus. 287
Die Mundtheile bestehen aus einer Oberlippe, einer Zunge,
vier Kieferpaaren, und einem bis jetzt unbekannt gewesenen sehr
complicirten System vonChitinplättchen und Stäbchen, die unter sich
sowohl, als mit den Kieferpaaren, und der Zunge durch eine äusserst
feine Chitinmembran verbunden sind.
Ich nenne diese festen, der Zunge und den zwei mittleren
Kieferpaaren zur Stütze dienenden Stäbchen: Kieferzungengerüste,
und die feine Membran, die sie verbindet, und welche dieselbe
Bedeutung hat, wie die Bänder der Wirbelthiere, Bandhäutchen.
Das KieferzungengerĂĽste.
Tafel III, Fig. 1—4.
Das KieferzungengerĂĽste besteht aus drei grossen, mit Fort-
sätzen versehenen Chitinplatten und zwei kleinen unbedeutenden
Stäbchenpaareu. Die mittlere, einem Vogelzungenbein mit doppelten
Hörnern nicht unähnlich sehende Platte dient hauptsächlich der
Zunge zur Unterstützung; ich nenne sie Zungenstütze, während die
beiden seitlichen den Muskeln des zweiten Kieferpaares zur Anhaf-
timg dienen, und KieferstĂĽtzen heissen.
Die mittlere unpaare Platte des KieferzungengerĂĽstes oder die ZungenstĂĽtze.
Taf. IM, Fig. 1.
Diese Platte liegt vorne in der Mittellinie des Kopfes, unmittel-
bar unter dem vierten Kieferpaare, und erstreckt sich von der Basis
des Kopfes bis zum Grunde der Zunge.
Sie stellt im Ganzen ein, in der Mittellinie gelegenes, an meh-
reren Stellen aufgetriebenes, vorn und oben aufgeschlitztes, hohles
Chitinstäbchen dar, von dem zwei paar Fortsätze nach unten, oder
wenn man das Thier in natĂĽrlicher Lage betrachtet, nach hinten
abgehen.
Am oberen Ende der Platte ist der Grund der Zunge eingelenkt,
und überdies geht von hieraus ein kleines Chitinstäbchen zur inneren
Lade des zweiten Kieferpaares. Etwas unterhalb der Zungeninsertion
erweitert sie sich bauchig, um sich vor der Abgangsstelle des ersten
Fortsatzpaares wieder zu verengern. Eine ähnliche Auftreibung be-
findet sich zwischen dem ersten und zweiten Fortsatzpaare. In der
oberen Hälfte vorne in der Medianlinie ist diese Hohlplatte aufge-
schlitzt, und zwar ist der Schlitz oben am weitesten, verengert sich
20*
288 S c h 8 b 1.
dann in der Gegend der oberen Auftreibung und erweitert sieb hier-
auf wieder zwischen dem oberen Fortsatzpaare.
Das erste Fortsalzpaar (a) entspringt ungefähr in der Hälfte
der Hohlplatte und ist den Hörnern eines Vogelzungenbeines nicht
unähnlich, krümmt sich anfangs bogenförmig nach unten oder hinten,
hierauf verlaufen die sich allmählich verschmälernden Enden der
Medianplatte fast parallel. An die Spitzen dieser Fortsätze stützen
sich gleichfalls Fortsätze der beiden grossen seitlichen Platten des
Kieferzungengerüstes. Das zweite Paar Fortsätze (6) geht unter
einem sehr flachen Bogen im unteren Viertheil von der Mittelplatte
ab, und nimmt im weiteren Verlaufe eine auf diese Platte fast senk-
rechte Richtung an.
An diese Fortsätze befestigt sich das dritte Kieferpaar.
Die beiden seitlichen Platten des KieferzungengerĂĽstes oder die KieferstĂĽtzen.
Taf. III, Fig. 2.
Diese Platten liegen zu beiden Seiten der frĂĽher beschriebenen,
zugleich aber tiefer in der Mundhöhle eingesenkt. Jede dieser
Platten besitzt drei Fortsätze und eine dütenformig nach hinten
gekrĂĽmmte flache Ausbreitung.
Der längste Fortsatz (a) begibt sich nach oben, oder in natür-
licher Lage des Thieres nach vorne, und senkt sich tief in die Kopf-
höhle hinein, um sich mit seinem flach ausgebreiteten Ende an die
Innenfläche der oberen harten Kopfbedeckung, zwischen den Muskeln
des ersten Kieferpaares festzuhaften. Nach innen zu ĂĽbergeht dieser
Fortsatz fast seiner ganzen Länge nach in die schon erwähnte flache
Ausbreitung, welche den Muskeln des zweiten Kieferpaares zum
Ansatzpunkte dient. Der zweite Fortsatz (b) ist bedeutend kĂĽrzer,
begibt sich nach unten und innen, und lehnt sich daselbst an das
erste Fortsatzpaar der ZungenstĂĽtze.
Der dritte Fortsatz (c) ist der kĂĽrzeste von allen, und lehnt
sich an einen ähnlichen Fortsatz des Grundstückes, des zweiten
Kieferpaares. Die ganze Platte dient vor allem andern den zahl-
reichen Muskeln des zweiten Kieferpaares zur Insertion.
Das erste Paar der zum Kieferzungengerüste gehörigen kleinen
Chitinstäbchen (Taf. III, Fig. 3) liegt unmittelbar unter dem Grunde
der Zunge. Es verbindet das obere Ende der ZungenstĂĽtze mit
der inneren Lade des zweiten Kieferpaares.
Typ klon ist- us. 280
Das zweite Paar (Taf. III, Fig. 4) verbindet die Enden der
unteren Zungenstützen-Fortsätze mit dem Grundstücke des zweiten
Kieferpaares.
Das Bandhäutchen Membrana colligatrix.
Taf. III.
Diese äusserst feine Membran entspringt aus der im unteren
Drittheil der äusseren Lade des zweiten Kieferpaares befindlichen
spaltförmigen Öffnung, welche den Muskeln der betreffenden Lade
den Durchtritt gestattet.
Von dieser, etwa ein Drittel der Länge der ganzen Lade betra-
genden Insertionsstelle, begibt sich dieses Häutchen , zahlreiche
Falten bildend, schief nach innen und oben, um daselbst in den
verbreiterten Theil der inneren Lade desselben Kieferpaares zu
übergehen; weiter nach unten verläuft es weniger schief zum unteren
stielförmigen Theil der inneren Lade, umkleidet das Grundstück des
zweiten Kieferpaares und schlägt sich dann auf die beiden Fortsatz-
paare und die Medianplatte der ZungenstĂĽtze, ĂĽbergeht auf das obere
kleine Stäbchenpaar des Kieferzungengerüstes, und auf den Zungen-
grund. Während es seillich in die Zunge übergeht, und daselbst
unter zahlreichen Faltungen frei halbkreisförmig zu beiden Seiten
endigt, schlägt sich eine Partie vom unteren leistenförmig verdickten
Grunde der Zunge auf die zwischen den beiden Zungenlappen
befindliche dreieckige Falte und ĂĽbergeht mit dieser in die , den
Ă–sophagus auskleidende innerste Chitinmembran.
Ich habe das KieferzungengerĂĽste schon vor Jahren bei den
grösseren Arten der Oniscoiden, namentlich bei Porcellio und Onis-
cus, theilweise gekannt, wusste es jedoch bei der verwirrten Deutung
der Kieferpaare, wie sie sich in den HandbĂĽchern der Zoologie findet,
nicht recht irgendwo unterzubringen, bis sich mir, nachem ich die
Kieferpaare naturgemäss festgestellt hatte, seine Bedeutung von
selbst ergab.
Meines Wissens ist ein solches GerĂĽste weder bei einer andern
Ordnung der Crustaceen, noch bei einer andern Classe der Arthro-
poden vorhanden, es bildet somit eine EigenthĂĽmlichkeit derlsopoden.
Treviranus sowie auch Brandt haben das KieferzungengerĂĽste
entweder gar nicht gesehen, oder einzelne Bestandtheile fĂĽr Kiefer-
290 s c b ö i, i.
bestandtheile gehalten , was bei der mangelhaften Darstellung der
Kiefer schwer zu entscheiden ist.
Das erste Kieferpaar.
Taf. IV, Fig. 2, 3, 4.
Das erste Kieferpaar stellt ein hohles, sehr festes Chitingebilde
dar, welches von vorne angesehen abgerundet rechteckig erscheint
und an der Stelle des inneren obern Winkels einen bedeutenden
nach innen gerichteten zahntragenden Fortsatz besitzt, welcher sich
zugleich, sich allmählich verschmälernd, und zuschärfend, tief in die
Mundhöhle einsenkt. Dieses Kieferpaar ist mit seiner unteren Kante
an einem, nach unten umgeschlagenen Lappen der allgemeinen festen
äusseren Kopfbedeckung charnierartig eingelenkt.
Die Bezahnung ist an den Kiefern beider Seiten etwas ver-
schieden. Der rechte Kiefer in der natĂĽrlichen Lage des Thieres
oder der linke, wenn man das Thier von unten betrachtet (Taf. IV,
Fig. 3) besitzt an dem zahntragenden Fortsatze vier dunkel roth-
braun emaillirte Zähne, die je zwei und zwei einander genähert
sind. Das erste Zahnpaar ist bei natĂĽrlicher Lage des Kiefers allein
sichtbar (Fig. 2). Das zweite Zahnpaar ist etwas kĂĽrzer als das
erste, liegt weiter nach hinten oder in natĂĽrlicher Lage tiefer in die
Mundhöhle eingesenkt.
Die Zähne dieses Paares sind etwas stumpfer und kürzer als
die des ersten, und von den letzteren durch eine tiefe Kluft getrennt.
Hierauf folgt noch weiter nach hinten ein weisser Zahn, der mit zwei
Zahnspitzen versehen ist. Von da aus verläuft die innere Kante des
zahntragenden Fortsatzes schief nach abwärts, und trägt , unmittel-
bar neben dem Grunde des weissen Zahnes , ein schmales pinsel-
förmiges, biegsames und bewegliches Chitingebilde, welches mit
einigen äusserst feinen Härchen versehen ist. Hierauf folgt ein klei-
nes, äusserst spitzes, nach hinten gerichtetes, weisses Zähnchen,
und endlich am hintersten, etwas hervorgezogenen Winkel am tiefsten
in der Mundhöhle, vier starke, ungleich lange Chitinborsten.
Der linke Kiefer oder von unten betrachtet der rechte (Fig. 3),
besitzt vorne fünf rothbraun emaillirte Zähne, welche in verschiede-
nen Ebenen liegen, und nicht paarweise einander genähert sind.
Drei davon sind dunkler, zwei blässer emaillirt. Hierauf folgen nach
hinten zu, auf einer Hervorragung, zwei von den frĂĽher beschrie-
Typkloniscus. 291
henen pinselförmigen Gebilden, dann das kleine scharfe weisse Zähn-
chen und endlich das Ende mit den vier Borsten.
Es unterscheidet sich somit dieser Kiefer von dem der andern
Seite durch Zahl und Lage der rothemaillirten Zähne, durch den
Mangel des weissen zweispitzigen Zahnes unmittelbar hinter den-
selben, und durch den Besitz zweier pinselförmigen Gebilde.
Betrachtet man diese Kiefer von hinten, so findet man in der
inneren Partie eine abgerundet pentagonale Ă–ffnung, welche den
Bündeln des überaus kräftigen Kaumuskels dieses Kieferpaares den
Durchtritt in die innere Höhlung gestattet.
Was die Deutung dieses Kieferpaares anbelangt, so kann hier-
ĂĽber auch nicht der geringste Zweifel entstehen.
Als erster paariger, gelenkig eingefĂĽgter Anhang des Kopfes,
die Gruppe der FĂĽhler ungerechnet, entspricht dieses Kieferpaar
offenbar dem ersten Kieferpaare aller ĂĽbrigen Crustaceen, so wie den
Mandibeln der Hexapoden, und in der Classe der Arachniden sowohl
dem haarigen tastertragenden Lappen der Araneiden, als auch den
Scheeren der Scorpioniden.
Es ist aber auch dieses Kieferpaar das einzige, in Bezug auf
dessen Deutung ich mit den ĂĽbrigen Schriftstellern ĂĽberhaupt und
mit Brandt insbesondere ĂĽbereinstimme, obzwar auch dieses noch
nirgends naturgetreu abgebildet und richtig beschrieben worden ist.
Das zweite Kieferpaar.
Taf. IV, Fig-. 5.
Das zweite Kieferpaar besteht aus zwei Laden und einem
GrundstĂĽck.
Die äussere Lade (Taf. IV, Fig. 5 «).
Diese Lade stellt eine lange, schmale, hohle Chitinplatte dar,
welche am oberen zahntragenden Ende etwas, am unteren stark
zugespitzt ist und an der hinteren Fläche gegen die äussere Kante
zu eine längliche, spaltförmige Öffnung zum Durchtritt des betref-
fenden Kaumuskels besitzt.
In der Mitte verlaufen beide Kanten dieser Lade so ziemlich
parallel. Die äussere verläuft im oberen Drittheil schief nach innen
zu und ist an dieser Stelle mit einer dichten Reihe von Chitinborsten
besetzt. Die innere Kante dagegen läuft im unteren Drittheil schief
nach aussen, so dass dieLade nach unten zu sich allmählich zuspitzt.
292 S c h ö b I.
Am oberen, etwas schief nach innen und unten abgestutzten Ende
der Lade befindet sich eine Reihe dunkel rothbraun emaillirter,
schmaler, nach innen gekrümmter Zähne. Solcher Zähne gibt es sieben
und sie nehmen von aussen nach innen an Stärke und Länge ab.
Die innere Lade (Taf. IV, Fig. 55).
Die innere Lade ist viel schwächer als die äussere. In der
unteren Hälfte ihrer Länge ist sie stielrund, in der oberen Hälfte
wird sie flach und ĂĽbergeht daselbst nach aussen zu unmittelbar in
das Bandhäutchen , mittelst welchem sie nach aussen hin an die
äussere Lade und nach innen zu durch das obere Stäbchen des Kie-
ferzungengerĂĽstes an die ZungenstĂĽtze locker festgeheftet wird.
Das obere Ende dieser Lade ist schief nach innen und unten
abgestutzt und trägt daselbst zwei pinselartige, dicht behaarte
Gebilde.
Das GrundstĂĽck des zweiten Kieferpaares.
Taf. IV, Fig. 5 c.
Das GrundstĂĽck ist eine ziemlich flache, am Vorderrande etwas
eingerollte Chitinplatte, an der man vier Fortsätze wahrnimmt. Der
erste Fortsatz liegt nach aussen und unten, endet unter einem abge-
rundeten, fast rechten Winkel und articulirt mit der daselbst einge-
fügten äusseren Lade.
Der zweite oder innere untere Fortsatz ist mehr stielförmig und
trägt die innere Lade.
Der dritte oder innere hintere Fortsatz erweitert sich gegen
das Ende zu beilförmig und lehnt sich an den inneren langen Fort-
satz der KieferstĂĽtze der betreffenden Seite.
Der letzte Fortsatz ist unbedeutend und legt sich an den kĂĽr-
zesten äusseren Fortsatz der eben erwähnten Kieferstütze.
Als zweiter, abgegliederter, paariger Anhang des Kopfes ent-
spricht dieses Kieferpaar dem zweiten Kieferpaare der Decapoden,
sowie den Maxillen der Hexapoden.
Brandt (in der medizinischen Zoologie) beschreibt sein zwei-
tes Kieferpaar als einen länglichen, zahnlosen, knorpeligen Theil.
Diese Brandt'sche Beschreibung passt auch nicht im Entferntesten
auf eines der vier von mir aufgestellten Kieferpaare. Welches Ge-
bilde, ob einen Theil meines KieferzungengerĂĽsfes oder sonst etwas
Typh loniscus. 293
Anderes Brandt für Kiefer gehalten hat, lässt sich bei der kurzen
Beschreibung und mangelhaften Abbildung nicht entscheiden.
Dass von einem Knorpel keine Rede sein kann, brauche ich , da
alle Mundtheile aus Chitin bestehen und nur der Kaumagen einige
mit kohlensaurem Kalk imprägnirte Bestandteile besitzt, kaum zu
erwähnen. Die Abbildung des zweiten Kieferpaares bei Trevi-
ranus (in dessen vermischten Schriften) ist gleichfalls unkenntlich.
Das dritte Kieferpaar.
Taf. IV, Fig. 6.
Das dritte Kieferpaar stellt eine lange, ziemlich breite, abge-
rundet rechteckige Platte dar, welche auf der äusseren Kante unten
einen Einschnitt besitzt und theils an die Medianleiste, theils an die
unteren Fortsätze der Zungenstütze sich festheftet.
Auch diese Kieferplatte ist ein hohles Organ, nur ist die sie
bildende Chitinmembran im Vergleich zu den ĂĽbrigen drei Kiefer-
paaren äusserst zart zu nennen, und die ganze Kieferplatte erscheint
dessbalb dem flĂĽchtigen Beobachter als eine einfache scharf begrenzte
Platte. Das obere Ende dieser Kieferplatten ist zweilappig , der
Innenlappen ist viel breiter und trägt einen Bündel kräftiger, am
obern Ende hakig nach innen gekrümmter Chitinborsten oder Zähn-
chen. Die die beiden Lappen trennende Spalte ist kurz und verläuft
senkrecht.
Unterhalb des Innenlappens von der innern Kante aus läuft im
Innern des Kiefers eine feste, dem ganzen Kiefer mehr Steifheit
gewährende Chitinleiste, welche sich zunächst unter einem flachen
Bogen nach aussen krĂĽmmt, dann aber gegen die Basis des Kiefers
zu eine, einem lateinischen S ähnliche Krümmung beschreibt und
sich dann am untern Fortsatz der ZungenstĂĽtze festheftet.
Der äussere Lappen sowohl als der innere tragen ein Paar
unbedeutende Chitinborsten.
Dieses Kieferpaar bildet den letzten paarigen Anhang des eigent-
lichen Kopfes, da das folgende schon ein metamorphosirtes Fusspaar
ist und eigentlich dem mit dem Kopfe verschmolzenen Prothorax
angehört. Es entspricht somit einem Theile der Unterlippe der Hexa-
potlen, den Tasterstämmen mit den Lippentastern.
Brandt's drittes Kieferpaar soll länglich-viereckig sein und am
emaillirten Ende 4 — 5 Zähnchen tragen.
294 schö b i.
Mit meinem dritten Kieferpaar stimmt diese Beschreibung durch-
aus nicht überein; vielleicht dürfte darunter die äussere Lade meines
zweiten Kieferpaares gemeint sein. Die T r e v i r a n u s'sc h e Abbildung
ist unkenntlich.
Das vierte Kieferpaar.
Taf. IV, Fig. 7.
Das vierte Kieferpaar bildet das Schlussstück der Kopfhöhle
nach unten. Es besteht, im weiteren Sinne genommen, aus drei
Paaren gesonderter und unter einander abgegliederter Platten, von
denen das bedeutendste und grösste die eigentlichen Kiefern dar-
stellt, während die beiden andern, meiner, auf entwicklungsgeschicht-
liche Studien gestützten Ansicht nach, den rudimentären, mit dem
Kopfe verschmolzenen , dem Prothorax der Hexapoden entsprechen-
den ersten Körpergürtel darstellen.
1. Das eigentliche vierte Kieferpaar.
Taf. IV, Fig. 7 a, b.
Theils vergleichend anatomische, theils entwickelungsgeschicht-
liche Untersuchungen dieses Organs bei den verschiedenen Gattun-
gen der Oniscoiden haben mich zu der Ăśberzeugung gefĂĽhrt, dass
nur das grosse mittlere Plattenpaar als viertes Kieferpaar betrachtet
werden kann, während die übrigen zwei Plattenpaare, die man sonst
mit jenem zusammenzuwürfeln pflegte, wie ich schon vorhin erwähnt
habe, ganz anderen Gebilden angehören.
Jeder Kiefer ist hohl und besteht aus einer abgerundet recht-
eckigen Grundplatte und einem bezahnten und beweglich eingelenk-
ten KaustĂĽcke.
q) Die Grundplatte (Taf. IV, Fig. 7«).
Die Grundplatte ist ein flaches hohles Gebilde von beträcht-
licher Grösse und bedeckt von unten den grössten Theil der Kopf-
höhle. Ihre Gestalt ist, im Ganzen genommen, rechteckig. Die bei-
den äusseren Winkel sind jedoch sehr stark abgerundet; der innere
untere bildet dagegen einen rechten Winkel und der innere obere
ist zu einem rechteckigen Fortsatz vorgezogen.
Die Grundplatte besteht aus einer vorderen harten, festen Chi-
tinla melle und einem hinteren zarten Chitinhäutchen, zwischen denen
Typhloniscua. ü»95
Chitinleiste», sowie die das Kaustück bewegende» Muskeln einge-
schlossen sind.
Die zwei vorhandenen Chitinleisten sind dazu bestimmt, das
unmittelbare Anlegen der hinteren feinen Membran an die Muscula-
tur des Kaustückes zu verhindern. Die eine Leiste verläuft am Innen-
rande der Platte , die zweite vom äusseren untern Winkel bogen-
förmig, mit der Convexität nach aussen, gegen die Mitte der vorigen
Leiste, woselbst sie durch eine breite Commissur mit derselben ver-
bunden ist und dann fast geradlinig zum inneren obern Winkel ver-
läuft. An der vorderen Lamelle bemerkt man eine zellenartige regel-
mässige Structur, die der Entstehung aus den Furchungskugeln im
Embryoleben zu entsprechen scheint. Auch ist nicht selten die vor-
dere Fläche derselben mit feinen Härchen besetzt, und am äusseren
obern Winkel verläuft eine Reihe äusserst zarter Wimpern.
b) Das KaustĂĽck (Taf. IV, Fig. 76).
Das KaustĂĽck stellt ein ungleichseitig dreieckiges, etwas
gekrĂĽmmtes, scharf zugespitztes hohles Gebilde dar, welches am
oberen Ende zwischen den beiden oberen Winkeln der Grundplatte
mittelst eines Winkelgelenkes eingefĂĽgt ist.
Die Basis des KaustĂĽckes ist die kĂĽrzeste seiner Seiten, und
am inneren Basalwinkel befestigt sich die Sehne des Beugemuskels,
am äusseren die des Streckmuskels.
Die innere Seite ist die längste , sie ist in der unteren Hälfte
convex, in der oberen concav und besitzt ungefähr in der Mitte zwei
sehr spitzige Zähne. Die äussere Seite ist ein Segment eines sehr
tlachen, sich einer Geraden nähernden Bogens. Die Spitze des Kau-
stückes ist zahnartig verlängert.
Meinen Untersuchungen zufolge ist das eben beschriebene Kie-
ferpaar nichts anderes, als das metamorphosirte Fusspaar des Protho-
rax, und es entspricht die Grundplatte dem ersten langen Fussgliede,
das KaustĂĽck den ĂĽbrigen Gliedern.
Schon Gestalt und Gliederung dieser Kieferplatten ist von der
der eigentlichen drei Kieferpaare durchaus verschieden. An keinem
eigentlichen Kiefer finden wir eine bewegliche Gliederung desselben
in ein, zwei oder mehrere ĂĽber einander liegende Theile wie hier in
die Grundplatte und das KaustĂĽck, welch' letzteres selbst sogar noch
296 s c h ö l i.
Spuren einer weitern Gliederung zeigt, die bei anderen Gattungen
der Oniscoiden, z. B. Ligidium, viel deutlicher ausgeprägt ist.
Überdies enthält kein Kieferpaar Muskeln ganz in seinem
Innern eingeschlossen, wie das bei der Musculatur des KaustĂĽckes
der Fall ist, sondern die Kaumuskeln aller echten Kieferpaare drin-
gen von aussen in die Höhlung des Kiefers.
Ferner beweist auch die Entwickelungsgeschichte die Analogie
dieser Kieferplatte mit Fusspaaren, indem man bei einem Embryo
von zwei bis drei Wochen noch nicht im Stande ist, sie von den
Letzteren zu unterscheiden.
Gleich in den ersten Tagen des Embryolebens, nachdem sich
Ăźildungs- und Nahrungsdotter gesondert haben, bilden sich am vor-
dem Ende des Embryo aus den Furchungskugeln fĂĽnf Paare von
Lappen und ein eingeschnittener Lappen, hierauf folgen sieben län-
gere Lappenpaare, und endlich fĂĽnf ganz kleine Doppellappenpaare.
Die ersten zwei Lappenpaare gliedern sich frĂĽhzeitig und sind
von sehr verschiedener Grösse; aus dem ersteren entwickeln sich
die äusseren, aus dem letzteren die inneren Fühler, der zweispaltige
Lappen wird zur Zunge, die folgenden drei Lappenpaare bleiben
ungegliedert und liefern die drei eigentlichen Kieferpaare; die sieben
längeren Lappenpaare gliedern sich allmählich, sind anfangs voll-
kommen gleich und später modificirt sich das erste zum vierten Kie-
ferpaare, die folgenden liefern sechs Fusspaare. (Bekanntlich ent-
steht das siebente Fusspaar erst lange nachdem die Embryonen die
Eischale und die Bruthöhle der Mutter verlassen haben.) Die letzten
Lappen endlich liefern Respirationsorgane und männlicheBegattungs-
organe.
Ich glaube, dass schon diese äusserst flüchtige Skizzirung der
Entwicklung , der gegliederlen paarigen Anhänge der Oniscoiden
genĂĽgen wird, meine Ansicht ĂĽber die Bedeutung des vierten Kiefer-
paares hinreichend zu unterstĂĽtzen, und ich brauche kaum eines
Falles von Missbildung zu erwähnen, den ich unter den vielen Tau-
send Asseln, die ich untersuchte, fand, wo nämlich auf der nur in
der untern Hälfte entwickelten Grundplatte des vierten Kieferpaares
noch vier, ganz normale, unveränderte Fussglieder sassen.
Dasselbe Resultat, zu dem ich durch objective Untersuchung
und Vergleichung gelangte , Hess sich schon auch a priori durch
Vergleichung der Zahlenverhältnisse, auf deren Wichtigkeit im Plane
Typhtonisuts. 297
der Arthropoden Herr Professor Dr. Stein mich durch seine Vor-
lesungen aufmerksam machte, zuerst hingewiesen hat, erwarten.
Zieht man nämlich von den sieben Körpergürteln der Isopoden,
von hinten angefangen, fĂĽnf fĂĽr das bei den Crustaceen fast stets
fĂĽnfgliederige Proabdomen ab, so bleiben nach vorne zu noch zwei
GĂĽrtel ĂĽbrig, die unstreitig nur dein Meso- und Metathorax der Hexa-
poden entsprechen können. Der Gürtel des Prothorax fehlt. Am Kopfe
hingegen findet man ausser den FĂĽhlern vier Paare gegliederter
Anhänge, von denen die drei ersteren denen der Hexapoden ent-
sprechen , der letzte bleibt übrig. Es muss also der am Körper feh-
lende Prothoraxgürtel rudimentär geworden und mit dem Kopfe
verschmolzen sein, und sein Fusspaar sich zum vierten Kieferpaare
metamorphosirt haben.
2. Die Prosternalplatten.
Taf. IV, Fig. 7 d.
Die Prosternalplatten sind klein, länglich rechteckig, in der
Mitte durch eine Nath vereinigt und an der untern Kante unter
einem rechten Winkel nach innen umgeknickt und hängen nach
abwärts durch eine feine Chitinmembran mit den Bauchplatten des
ersten Körpergürtels zusammen, während ihre obere Kante die Grund-
platten des vierten Kieferpaares trägt. Die Prosternalplatten gehören
dem rudimentären Prothorax an und entsprechen den beiden durch
Nath vereinigten BauchgĂĽrteln der ĂĽbrigen entwickelten Segmente.
Die Lateralplatten.
Taf. IV, Fig. 7 e.
Diese Platten sind schmal abgerundet dreieckig und endigen
mit einem feinen zipfelförmigen Chitinhäutchen. Sie sind mittelst
ihres inneren abgestutzten Winkels an die äussere Kante der Pro-
sternalplatten geheftet, während ihre untere Seite gleichfalls mittelst
jenes früher erwähnten Chitinhäutchens mit dem Baucbgürtel des
folgenden Segmentes zusammenhängt.
Die Lateralplatten sind gleichfalls Gebilde des Prothorax und
entsprechen den Seitenfortsätzen, vielleicht auch einem Theile der
RĂĽckengĂĽrtel der ĂĽbrigen Segmente.
Brandt (in der mediz. Zoologie, pag. 72, II. Band, Taf. XV,
Fig. 30 g und h, beschreibt mein viertes Kieferpaar als untere,
298 s c h ö b i.
eigentliche, getheilte Unterlippe und hält meine Kaustücke des vierten
Kieferpaares fĂĽr zweigliederige Palpen und die Lateralplatten fĂĽr die
obere, getheilte Unterlippe. Die Prosternalplatten hat er ĂĽbersehen.
Dass diese Brand tsclie Deutung meines vierten Kieferpaares
als Unterlippe durchaus unnatĂĽrlich ist, ergibt sich schon aus dem
frĂĽher Gesagten , und ĂĽberdies widerlegt sich diese Ansicht durch
sich selbst. Brandt beschreibt ausser dieser seiner Unterlippe noch
eine Zunge und vier Kieferpaare. Es könnte somit dieses Organ, da
es weder mit der Zunge, noch mit den rudimentären Kiefern (Taster-
stämmen der Hexapoden) vereiniget ist, einzig und allein dem Men-
tum der Hexapoden entsprechen; und wie könnte es als solches
Palpen tragen, die ihm Brandt zuschreibt, und die nur an Kiefern
(wenn auch an rudimentären) vorkommen. Auch hat das Kaustück
mit einer Palpe nicht die geringste Ähnlichkeit. Mir wenigstens ist
kein Fall bekannt, wo sich Palpen in dieser Weise inseriren wĂĽrden,
kräftige Beug- und Streckmuskeln besässen, mit Zähnen versehen
wären und wirklich zum Kauen verwendet würden.
Die Bezeichnung der Lateralplatten als weit auseinandergerĂĽckte
Hälften einerobern getheilten Unterlippe scheint mir ebenso gezwun-
gen und unnatĂĽrlich , als es aller Analogie im ganzen Plane der
Arthropoden entbehrt. Man kann ĂĽberhaupt bei den Isopoden von
einer Unterlippe im Sinne der Hexapoden nicht sprechen, da diese
das SchlussstĂĽck der eigentlichen Mundtheile und des eigentlichen
Kopfes nach unten bildet; bei den Isopoden aber der Prothorax mit
dem Kopfe verschmolzen ist und also das unterste Gebilde nicht dem
eigentlichen Kopfe, sondern nothwendigerweise dem Prothorax ange-
hören muss.
Wie es Brandt angestellt hat, dass er, trotzdem er das Organ,
von dem ich nachgewiesen habe, dass es nothwendigerweise das
vierte Kieferpaar sein muss , für eine Unterlippe hält, dennoch
ausserdem unter den Mundtheilen noch vier andere Kieferpaare auf-
findet und beschreibt, ist mir ein Bäthsel. Eines seiner Kieferpaare
muss nothwendigerweise durchfallen , mit grösster Wahrscheinlich-
keit sein zweites, das dritte durfte dann der äusseren Lade meines
zweiten, sein viertes meinem dritten entsprechen können. Trevi-
ranus (in dessen vermischten Schriften, I. Band, V. Abhandlung)
beschreibt dieses Organ, wie Brandt, als vierlappige Unter-
lippe.
Typhloniscvs. 299
Die Oberlippe.
Taf. IV, Fi-, i; Taf. V, Fig. 1.
Die Oberlippe ist ein unpaariges, deekelartiges Gebilde, wel-
ches die Mundtheile von oben theihveise bedeckt, und durch eine
verdĂĽnnte Chitinhaut, welche eine k lappenartige Beweglichkeit des
ganzen Gebildes gestattet, mit der vorderen Kopfbedeckung zusam-
menhängt. Von Gestalt ist die Oberlippe fast halbkreisförmig. Die
vordere bogenförmige Kante ist an den Seiten und neben der Mitte
ausgeschweift. Die Linie, in welcher die Oberlippe durch das schon
erwähnte feine Chitiuhäutcheu mit der Kopfbedeckung in Verbindung
steht, stellt gleichfalls einen Bogen dar, der jedoch viel flacher, und
dessen Convexität nach hinten gerichtet ist.
Die Oberlippe ist jedoch keine einfache Platte, sondern gleich-
falls ein hohles Organ , welches aus einer oberen festen und steifen
Lamelle und einem unteren feinen , zarten Chitinhäutehen besteht.
Die obere Lamelle ist an vier Stellen von verschiedener Ausdehnung
und Gestalt bedeutend verdickt, wodurch sie aus vier verschiedenen
Platten, die von einer feineren Membran ĂĽberzogen werden, zu bestehen
scheint.
Die bedeutendste dieser Verdickungslamellen verläuft dem
Hinterrande parallel, die hintere Begrenzungslinie ist convex , die
vordere concav , die seitlichen verlaufen schief bogenförmig von
innen und vorne nach hinten und aussen.
Die zweite unpaare Verdickungslamelle ist rechteckig und liegt
vor dem Vorderrande der ersterwähnten Lamelle.
Die letzten zwei Lamellen sind einander gleich und liegen zu
beiden Seiten der rechteckigen. Ihre Gestalt ist mehr weniger drei-
eckig, mit theihveise bogenförmig gekrümmten Seiten. Am Vorder-
raude der steifen Kopfdecke , wo dieselbe in das Verbindungshäut-
chen der Oberlippe übergeht, steht eine Reihe mächtiger steifer
Chitiuborsten. Ferner steht auch am Vorderrande der rechteckigen
Verdickungslamelle eine Reihe gerader! Chitingriffel, und ĂĽberdies
ist die vordere bogenförmige Kante der Oberlippe an vier Stellen
mit wimperartigen Chitinborsten besetzt.
An der eben erwähnten Kante verdünnt sich die obere Lamelle
plötzlich und übergeht so, indem sie sich nach unten umschlägt,
in die untere zarte Chitinmembran, welche wieder in die hintere
300 8 o h 8 b I.
in natĂĽrlicher Lage des Thieres obere) Wand des Ă–sophagus ĂĽber-
geht. Diese Membran ist mit ĂĽberaus zahlreichen Chitinborsten und
Griffeln besetzt. Am (lichtesten stehen die Chitingriffeln an zwei
Stellen neben der Mittellinie zusammengedrängt; ihre Richtung ist
strahlig, die oberen sind nach innen und oben , die mittleren nach
innen, die unteren nach abwärts gekehrt. Gegen die Mittellinie und
nach abwärts übergehen diese Chitingriffel in beständig feinere
Chitinborsten, die sämmtlich nach innen und abwärts gerichtet sind.
Ähnliche Borsten mit ähnlicher Richtung befinden sich gleichfalls
oberhalb der Griffel.
Man könnte diese zwei einander gegenüber gestellten Gruppen
von Griffeln, mit den dazu gehörigen Borsten, da sie gewissennassen
sebstständige Wülste der Chitinmembran bilden , Nebenzungen
nennen.
Zwischen der obern Lamelle und der Membran liegt unmittel-
bar vor der vordem Kante eine kurze quere Chitinleiste , von wel-
cher aus zwei feine Chitinleistchen nach hinten verlaufen, die wahr-
scheinlich Sehnen von Beugemuskeln der Oberlippe sind.
Die Zange.
Taf. II, Fig. 5 ; Taf. V, Fig. 2.
Die Zunge , welche durch eine Verlängerung der unteren
Wand der Intima Oesophagi gebildet wird, besteht aus zwei Hälften,
die an dem oberen Ende der ZungenstĂĽtze gelenkig eingefĂĽgt sind,
und in der Mitte bis über die Hälfte zusammenhängen.
Beide Zungenhälften sind kieferartig gegen einander beweglich,
Jede Hälfte besteht aus einem äusseren festeren und einem
inneren zarteren Lappen.
Der äussere Lappen a ist am Grunde , wo er mit der Zungen-
stütze articulirt, am stärksten, hierauf wird er beständig breiter,
aber auch schwächer, und ist in den obersten Partien fein radiär
gefältelt und besitzt gegen den Innenrand zu an der hintern Fläche
zahlreiche, äusserst feine Borsten. Die obere Hälfte seines Aussen-
randes ist mit einer Chitinborstenreihe versehen, während die untere
Hälfte in einer äusserst feinen und vielfach gefalteten Chitinmembran
endet. An diese gefaltete Membran grenzt nach innen zu ein stei-
ferer, stärkerer Theil des Lappens, der nach oben allmählich in den
breiten Lappen übergeht, nach unten zu sich beständig verengt,
Typhloniscus. o 0 1
dann unter einem rechten Winkel umbiegt und sich nach innen zur
ZungenstĂĽtze begibt, um sich daselbst zu inseriren. Ein nach aussen
gekehrter Fortsatz an diesem verdeckten Theile dient Muskeln zum
Ansatzpunkte.
Der innere Lappen b ist viel schwächer und kleiner als der
äussere und nur in seinem oberen Drittheile frei , wo selbst er auch
mit zahlreichen, mitunter ziemlich starken Chitinborsten besetzt ist.
Diese beiden Lappen werden durch eine dreieckige kapuzen-
förmige Falte d, welche durch zwei Chitinstäbchen unterstützt
wird und unmittelbar in die Intima Oesophagi ĂĽbergeht, vereinigt.
Diese bedeutend erweiterbare kapuzenförmige Falte verhindert
das Ausgleiten der Nahrungsgegenstände zwischen beiden Zungen-
hälften nach abwärts.
Die Speiseröhre.
Taf. V, Fig. 3.
Die Speiseröhre besteht aus einer äusserst feinen Serosa , die
kaum darstellbar ist, einer Muscularis, die aus deutlichen Längs-
und Kreismuskeln besteht, und einer innersten feinen Chitinmembran
der Intima Oesophagi.
Die Intima Oesophagi ĂĽbergeht oben, oder in natĂĽrlicher Lage
des Thieres, vorne unmittelbar in die Oberlippe und die Zunge, so
zwar, dass die untere, feine, mit Chitinborsten versehene Membran
der Oberlippe spurlos in die obere Wand der Intima ĂĽbergeht, ohne
dass man im Stande wäre anzugeben, wo die Oberlippe aufhört und
der Ösophagus beginnt. Ein ähnliches Verhältniss findet zwischen
der Zunge und der vordem oder untern Wand der Intima Statt.
Diese Intima wird durch fĂĽnf Chitinleistenpaare gesteift. Drei
von diesen Leistenpaaren liegen unten oder vorne, zwei oben oder
hinten.
Das mittlere von den drei vorderen Leistenpaaren beginnt
unter der kapuzenförmigen Falte und verläuft bis zum Kaumagen , es
liegt weit mehr nach vorne als die beiden anderen, und es bildet also
hier die Intima eine Kante und senkt sich dachförmig zu den beiden
anderen Leistenpaaren. Zwischen diesen und den zwei hinteren
Leistenpaaren bildet die Intima eine tiefe Falte nach innen.
Auf diese Weise erscheint der Querschnitt der Intima als ein
Siebeneck mit zwei mittleren, tiefen einspringenden Winkeln.
Sitzl>. (1. mfithem.-naturw. Cl. XL. Bd. Nr. 9. 21
302 s c h ö i. i.
Nach unten ĂĽbergeht die Intima in das GerĂĽste des Kau-
magens.
Der Kaumagen.
Taf. V, Fig. 4 ; Taf. VI, Taf. VII.
Der Kaumagen ist ein äusserst complicirtes, aus verschieden-
artigen Chitinhautfaltungen, Duplicaturen, Zipfeln und deckelartigen
Plättchen, dann aus einem verdickten Chitingerüste und Chitin-
leiste, und aus mit Kalk imprägnirfen Platten bestehendes Organ;
welches nach oben. unmittelbar in die Intima Oesophagi, nach unten
oder hinten in die Intima des Darmcanals ĂĽbergeht, mit zahlreichen
Chitinborsten und Reibplatten versehen ist, und zur Zerkleinerung
der, von den Kiefern grob gekauten, vegetabilischen Nahrung dient.
Ich muss in vorhinein bemerken, dass es eine schwere Aufgabe ist,
ein so complicirtes und so verwickeltes Organ genau, und zugleich
leichtfasslich zu beschreiben. Auch hätte ein genaues Verständnis s
des feinsten Details, und des Zusammenhanges der einzelnen Theile
mehr Zeichnungen der einzelnen Bestandteile in verschiedenen
Lagen erfordert, als es mir die ohnehin schon grosse Zahl der Tafeln
gestattet hat.
Ich habe mich trotzdem bestrebt, die Resultate, wie sie sich
nach Monate langer Untersuchung zahlloser Präparate ergaben, so
naturgetreu wie möglich aufzuzeichnen, und werde mich auch in der
Beschreibung genau an diese Abbildung halten, ohne die bei anderen
Gattungen der Isopoden gewonnenen Resultate, die zwar in den
Hauptsachen ĂĽbereinstimmen, in der Form aber oft bedeutend ab-
weichen, zu benĂĽtzen. Die Gattungen Porcelllo, Oniscus und Arma-
dillo stimmen in Beziehung auf den Kaumagen fast ganz mit meiner
Gattung Typhloniscus ĂĽberein; Trichoniscus und Ligidium weichen
jedoch sehr ab.
Der Kaumagen hat eine fast rundlich-elliptische, zusammen-
gedrĂĽckte Gestalt, und liegt hinten an der Basis des Kopfes, zwi-
schen den beiden Kieferstützen und den kräftigen pyramidalen
Muskeln des ersten Kieferpaares. Er besteht im wesentlichen aus
denselben Schichten, wie der Ösophagus, nämlich aus einer äusseren
zarten Membran, aus einer Längs- und Kreismuskelfasern enthal-
tenden Muskelhaut, und aus dem schon erwähnten so complicirten
ChitingerĂĽste, welches der Intima entspricht.
Typhloniscus. ovo
Betrachtet man, nachdem man die vorerwähnten zwei äusseren
Membranen wegpräparirt hat, den Kaumagen von vorne, oder in
natĂĽrlicher Lage des Thieres von unten (Taf. VI), so bemerkt man
zumeist nach oben ein festes ChitingerĂĽste, welches nach oben ein
Paar dreieckiger, und ein Paar fast rechteckiger Fortsätze trägt, und
weiter nach unten sich einschnĂĽrt , um sich wieder zu einem zahn-
förmigen Fortsatze zu erweitern.
Von diesem Vorsprung aus bemerkt man eine, von aussen und
oben nach innen und unten bogenförmig verlaufende dunkle Leiste,
welche an ihrer Ursprungsstelle eine schmälere Leiste, unter einem
stumpfen Winkel, nach innen und hinten abschickt, die sich in der
Medianlinie abermals unter einem stumpfen Winkel umbiegt, nach auf-
wärts läuft, sich verflacht und in Form eines umgeschlagenen Randes,
unter einem spitzen Winkel zu ihrer Ursprungsstelle zurĂĽckkehrt.
Nach unten spaltet sich die bogenförmige Leiste. Der obere
Schenkel übergeht in eine Kalkplatte, die siebförmig durchbrochen
erscheint, der untere Schenkel verschmälert sich beständig bis er
in der Chitinmembran, welche mit dieser Leiste zusammenhängt,
verschwindet.
Zwischen den bogenförmigen Leisten, und den beiden erwähnten
sieb- oder netzförmigen Kalkplatten liegt ein dunkler pfeilförmiger
Körper, mit der Spitze nach aufwärts gekehrt, und von einer Chitin-
hautfaltung eingehĂĽllt. Ăśberdies bemerkt man um diese Gebilde
eine feine Chitinmembran, die an verschiedenen Stellen mit ihnen
zusammenhängt, und nach abwärts entweder frei zipfelförmig endet,
oder in die Intima des Darmes ĂĽbergeht.
Betrachtet man hingegen den Kaumagen von hinten, so findet
man zunächst eine feine Chitinmemhran, welche im untern Drittel
des Organs mit scharfem horizontalen Rande endigt. Unter dieser
Membran, und etwas weiter nach unten, liegt ein tief ausgebuch-
teter zweilappiger steifer Deckel. Oben befindet sich jederseits
ein kugelig dreieckiger, hohler Lappen, der nach aussen an einer
festen, mit stumpfen zahnförmigen Fortsätzen versehenen, Chitin-
leiste festgesetzt ist, und gleichsam eine feine, nach innen umge-
schlagene, vom festen ChitingerĂĽste ausgehende, Chitinhautfalte
darstellt, die im innern eine feste bogenförmig gekrümmte Leiste
enthält, und noch oben unmittelbar in die dunklen bogenförmig
verlaufenden Leisten ĂĽbergeht.
21*
304 s c h ö b i.
In der Mittellinie, etwas weiter nach abwärts, sieht man den
pfeilförmigen Körper, ihm zur Seite, aus Chitinstäbchen zusammen-
gesetzte Platten, und dann die netzförmigen Kalkplatten.
Am tiefsten nach abwärts bemerkt man fünf freie zipfelförmige
Endigungen der Chitinmembran.
Ich werde zuerst die einzelnen Bestandteile des Kaumagens,
Yon denen ich einigen, theils ihrer Abgegrenztheit und Selbststän-
digkeit halber, theils wegen den, sonst unvermeidlichen, langen Um-
schreibungen, eigene Namen gegeben habe, anfĂĽhren und beschrei-
ben, und dann erst eine Schilderung des Zusammenhanges aller
Gebilde zu einem Ganzen geben, und ihre Bedeutung so wie ihren
Zweck hervorheben.
Bestandtheile des Rauniagens.
1. Das obere feste ChitingerĂĽste des Kaumagens.
Taf. VI, Fig. 1 ; Taf. VII, Fig. 1 a.
Dieses GerĂĽste ist der festeste und solideste Theil des ganzen
Kaumagens, und bildet gewissermassen die Grundlage desselben, mit
der die meisten übrigen Bestandtheile unmittelbar zusammenhängen.
Es ist eine starke, aus Chitin bestehende, ausgebuchtete, nach
vorn hervorgewölbte Platte, die nach oben zu eine stumpfe, ein
sehr flaches Ăźogensegment darstellende Kante besitzt, welche fast
die ganze Breite des Kaumagens einnimmt. Die äusseren Seiten-
ränder dieser Platte sind in der obern Partie convex und übergehen
unmerklich in die obere bogenförmige Kante. Nach innen und theil-
weise auch nach unten werden die Seitenpartien dieser Platte durch
einen umgeschlagenen Rand begrenzt und hängen mittelst desselben
mit dem mit Kalk impräguirten, später zu beschreibenden Leisten-
systeme zusammen.
Die obere bogenförmige Kante trägt zwei Paare nach oben
gerichteter Fortsätze, die theils Muskeln, theils der Intima Oeso-
phagi zum Anhaltspunkte dienen.
Das innere Fortsatzpaar (Taf. VII, Fig. 1 a) befindet sich
beiderseits ungefähr im äusseren Drittheil der Kante, und jeder
Fortsatz stellt ein gleichschenkliges Dreieck von bedeutender
Höhe dar.
Das äussere Fortsatzpaar (Taf. VII, Fig. 1 ß) liegt noch
weiter nach aussen; es ist fast rechteckig, aber nicht flach, sondern
Typhhniscus. uUO
etwas gekrĂĽmmt. Etwas unterhalb der obern Kante, zu beiden Seiten
der Mittellinie am obern ChitingerĂĽste des Magens befinden sich
länglich elliptische, schief von oben und innen nach unten und aussen
verlaufende Stellen, welche mit feinen Chitinleisten besetzt sind.
Ich nenne diese prachtvoll irisirenden, der unter dem Namen
Herpetolitha bekannten Koralle sehr ähnlich sehenden Gebilde
Planities horpetolithaeformes, und werde sie später im Zusammen-
hange mit den verschiedenartigen ĂĽbrigen, zum Zerkleinern der
Nahrung dienenden Reibplatten beschreiben.
Unter diesen Platten befindet sich beiderseits eine ebenfalls
längliche Stelle, welche aus dicht gedrängten niedrigen pentagonalen
Säulchen zu bestehen scheint, und deren Oberfläche wie ein pen-
tagonales Netzwerk aussieht; ich nenne sie Planities reticulata.
Nach hinten zu wird das feste ChitingerĂĽst zu beiden Seiten von
kugelig dreikantigen, hohlen Chitinhautlappen bedeckt, welche sich
ganz frei vom GerĂĽste abheben lassen, und nur an seiner Aussen-
kante mit demselben durch eine feine Chitinmembran zusammen-
hängen, so wie sie auch durch eine Leiste mit dem inneren dreiecki-
gen Fortsatz verbunden sind.
Nach oben ĂĽbergeht die obere Kante und das dreieckige Fort-
satzpaar unmittelbar in die vordere Wand der äusserst zarten In-
tima Oesophagi.
2. Die beiden Hohllappen des Kaumagens.
Taf. VI, Fig. 2; Taf- VII, Fig. 1 6.
Diese Lappen liegen, wie schon erwähnt wurde, an der hin-
tern Seite des Kaumagens, und bedecken dort die beiden Seiten-
theile des festen KaumagengerĂĽstes, mit dem sie unmittelbar zusam-
menhängen. Ihre Gestalt ist kolbig dreikantig. Zumeist nach oben sind
sie am weitesten, und verschmälern sich nach abwärts zu beständig,
und übergehen dann in die äussere bogenförmige mit Kalk impräg-
nirte Leiste des Kaumagens.
An der äussern Kante eines jeden Lappens befindet sich eine
starke Chitinleiste (Taf. VI, Fig. 1 «) welche zwei stumpfwinklige
zahnartige VorsprĂĽnge nach aussen und eine nach innen besitzt; nach
abwärts aber sich an die vordere, dem festen Gerüste zugekehrte
Fläche des Lappens begibt, und daselbst sich tellerförmg erweitert.
306 s c h ö b i.
Ich nenne diese mit äusserst feinen Chitinrippen versehene
runde Ausbreitung Discus coshdatus.
An der inneren hintern Kante der Lappen verlauft eine schwache
bogenförmig gekrümmte Leiste, und die Kante selber ist längs des
ganzen Verlaufes der Leiste mit einer Reihe vergrösserter Chitin-
borsten versehen (Taf. VI, Fig. 2 b). Die innere vordere Kante liegt
in Ruhe auf dem festen GerĂĽste.
Die vordere, dem festen Kaumagengerüste zugekehrte Fläche
ist mit schief nach unten und innen gerichteten Chitinborsten dicht
besetzt. Die hintere innere Fläche ist ebenfalls mit Borsten besetzt,
die jedoch nicht so dicht stehen, und an der hinteren äussern Fläche
fast ganz mangeln.
Vom obern Ende der an der Aussenkante gelegenen Leiste geht
eine verbindende Leiste zum innern dreieckigen Forsatze des obern
Randes des GerĂĽstes, und eine andere etwas gekrĂĽmmte Leiste
begibt sich nach aufwärts, und dient dort der Chitinmembran zur
StĂĽtze.
3. Die festen mit Kalk imprägnirten Leisten des Kaumagens.
Taf. VI, Fig. 3; Taf. VIII, Fig. i c.
Man kann jederseits eine äussere untere bogenförmige, und
eine innere obere, winklig geknickte Leiste unterscheiden. Die äus-
sere Leiste entsteht dort, wo das untere Ende des Aussenrandes des
festen GerĂĽstes, und das untere Ende des Lappens der betreffenden
Seite zusammenstossen, und läuft, sich beständig verschmälernd,
nach unten und innen. Die innere obere Leiste entsteht an derselben
Stelle, wie die vorige, verschmälert sich gleichfalls, indem sie zunächst
nach innen, dann nach oben verläuft, dann unten einen spitzigen
Winkel in den umgeschlagenen, mit Borsten versehenen Rand am
GerĂĽste ĂĽbergeht, und durch diesen wieder zur Ursprungsstelle ge-
langt, so zwar, dass sie einen unregelmässig länglichen , fast ellip-
tischen Raum einschliesst. Vom untern Ende der äusseren Leiste
verläuft zur Mitte der inneren eine kalkige siebförmige Platte, die ich
Lamina cribriformis nenne, und deren ich noch später erwähnen
werde.
Diese Leisten sind wie auch die frĂĽher beschriebenen Theile des
Kaumagens durchaus nicht selbstständige, in sich abgegrenzte Theile,
Typhloniscus. 307
sondern ĂĽbergehen in Chitinmembranen, durch welche sie mit den
übrigen Theilen des Kaumagens zusammenhängen, so zwar, dass
man sie als verdickte mit Kalk imprägnirte Stellen der Chitin-
membran auffassen kann. Die Chitinmembran verläuft vom umge-
schlagenen innern Rande des festen GerĂĽstes nach unten und innen,
schlägt sich an den innern Theil der obern Leiste, und an die
Lamina cribviformis, von welcher sie, nachdem sie dieselbe umhĂĽllt
hat, zu weiter nach innen gelegenen Theilen verläuft.
Nach aussen geht die Membran zur bogenförmigen Leiste,
bildet hier eine scharfe Faltung nach hinten, und endet mit einem
scharfen Rande nach innen, welcher vom inneren obern Ende der
obern Leiste beginnt, und bis zur untern zipfelförmigen freien
Endigung der Membran verläuft.
Die Centralgebilde des Kaumagens.
In der Mittellinie des Kaumagens zwischen den siebförmigen
Platten beider Seiten befindet sich ein pfeilförmiges Kalkconcrement,
zu beiden Seiten von Lamellen umgeben, die aus sehr feinen Chitin-
stäbchen bestehen, und von der Chitinmembran umhüllt, die nach ab-
wärts zipfelförmig endigt, nach oben sich verdickt und in einen flachen
knieförmig nach vorne geknickten, mit einer scharfen Spitze endi-
genden Fortsatz ĂĽbergeht, der so wie alle ĂĽbrigen eben beschrie-
benen Gebilde leicht beweglich ist, und besonderen Muskeln zum
Ansatzpunkte dient.
Ich nenne das kalkige Concrement Lapis Oniscorum und die
Chitinstäbchenlamelle Lamina bacillaris.
4. Der Kaumagendeckel.
Taf. VI, Fig. 4.
So nenne ich eine ziemlich steife Duplicatur der Chitinmem-
bran, die sich in der unteren hintern Hälfte des Kaumagens befindet,
und daselbst die Centralgebilde, sowie die Kalkleisten bedeckt, nach
oben und aussen aber in die äussere feine Chitinmembran übergeht.
5. Lapis Oniscorum sagittaeformis.
Taf. VI, Fig. 5 ; Taf. VII, Fig. 1 d.
Der Asselstein bildet den Hauptbestandteil der centralen Gebilde
des Kauinagens. Seine Gestalt ist die einer Pfeilspitze, und er liegt
308 s c h rt b i
mit der Spitze nach aufwärts in einer Chitinhautfaltung eingebettet.
In der Mitte der hintern Fläche befindet sich eine kielförmige erha-
bene Kante. Bei durchfallendem Lichte erscheint er unter dem
Mikroskope wegen seiner Undurchsichtigkeit schwarz , bei auffal-
lendem Lichte kreideweiss.
An den Kanten ist er viel schwächer von Masse , und desshalb
etwas durchscheinend. Er hat ein rundlich feinkörniges Gefüge, und
besteht aus kohlensaurem Kalke. Von organischen Bestandteilen,
so wie von Chitin , konnte ich an demselben keine Spuren wahr-
nehmen; er bestĂĽnde demnach aus reinem kohlensauren Kalk, ohne
ein organisches Gerüste, in welches er abgelagert wäre.
Die Seitenränder dieses Asselsteines stützen sich an die hin-
teren Kanten der Stäbchenlamellen , mit denen sie einen rechten
Winkel bilden.
6. Laminae bacillares.
Tat. VI, b; Taf. VII, Fig. 1 e und Fig. 3.
Die S täbchenlamellen liegen zu beiden Seiten des Asselsteines,
mit dem sie rechte Winkel bilden und den sie nach auf- und abwärts
ĂĽberragen. Sie stellen schmale, lange, parallele Platten dar, deren
obere und untere Enden abgerundet sind. Ihrer ganzen Masse nach
sind sie aus äusserst feinen Chitinstäbchen von horngelber Farbe,
die senkrecht auf dem Längsdurchmesser der Platten stehen, zusammen-
gesetzt. Bei schief auffallendem Lichte irisiren die Platten. Durch
Druck mittelst des Deckgläschens, oder mit der Spitze der Präparir-
nadel gelingt es sehr leicht die Stäbchen aus ihrer Verbindung zu
trennen, die nur sehr lose ist. Die Stäbchen endigen nach hinten
gegen den Asselstein zu äusserst fein, stachelspitzig, nach vorne
scheinen sie allmählich stärker zu werden und übergehen daselbst,
wiewohl mit scharfer Grenzlinie, in die tiefe Chitinmembran, welche
nach vorne verläuft, dann eine Falte bildet, eine Strecke wieder
zurückläuft, um sich auf die siebförmigen Platten umzuschlagen und
selbe einzuhĂĽllen.
7. Laminae cribriformes calcareae.
Taf. VI, Fig. 7; Taf. VII, Fig. 1 /' und Fig. 2.
Die siebförmigen Platten liegen in natürlicher Lage parallel mit
den Stäbchenplatten , deren äussere Fläche sie bedecken. Sie sind
Typhloniscus, 309
viel breiter und länger als die Stäbchenplatten , jedoch von mehr
weniger ähnlicher Gestalt.
Ihre ganze Fläche ist mit kleinen rundlichen Vertiefungen dicht
besäet, so dass die Platten ein siebförmiges Aussehen besitzen.
Unten hängen sie mit dem unteren innern Ende der untern
bogenförmigen Kalkleiste, oben mit dem Innenschenkel der obern
Leiste zusammen.
Ihrer Masse nach bestehen sie aus reinem kohlensauren Kalk,
ohne organische Grundlage. Sie sind wie der Asselstein sehr spröde,
erscheinen aber wegen ihrer Schwäche bei durchfallendem Lichte
nicht schwarz wie jener.
8. Planities herpetolithaeformes.
Taf. VI, Fig. 8; Taf. VII, Fig. 1 y.
Diese Flächen liegen im festen Kaumagengerüste. Sie sind läng-
lich zungenförmig an beiden Enden zugespitzt. Sie verlaufen schief
von innen und oben nach aussen und unten. Ihrer ganzen Ausdehnung
nach bestehen sie aus feinen Querrippen , oder eigentlich Querleist-
chen, die an den Rändern der Flächen in die Substanz des festen
KaumagengerĂĽstes ĂĽbergehen.
In der Mitte besitzen diese Flächen ihrer ganzen Länge nach
eine kielförmige Erhabenheit.
Fast in jeder Lage zeigen sie ein prachtvolles , irisirendes
Farbenspiel. Die Leistchen bestehen , so wie die Masse des festen
Gerüstes mit der sie zusammenhängen, aus Chitin.
9. Planities reticulatae.
Taf. VII, Fig. 1 //.
Die netzförmigen Flächen liegen am festen Gerüste des Kau-
magens, nach unten und aussen von den eben beschriebenen Reib-
flächen. Sie haben eine unregelmässig längliche Gestalt und besitzen
ein netzförmiges Aussehen.
10. Discus costulatus.
Taf. VII, Fig. 1 i.
So nenne ich die scheibenförmige Erweiterung der an der
äussern Kante der kolbenförmigen Hohllappen gelegenen Chitinleiste.
310 Sei. 8 I. 1.
Dieses Scheibehen bildet am untern Ende der eben erwähnten
Leiste eine fast kreisförmige Erweiterung nach innen und kommt
genau auf die Planities reticulata zu liegen. Auf der ganzen Fläche
ist es mit feinen radiär verlaufenden Rippen versehen, die nach innen
zu einen schmalen Rand am Scheibchen übrig lassen, während sie
nach aussen und oben in den schmälern Theil der Leiste verlaufen.
Nachdem ich eine ziemlich genaue Beschreibung der einzelnen
Theile des Kaumagens vorausgesandt habe , so wollen wir den
Zusammenhang derselben und den Kaumagen als Ganzes in KĂĽrze
betrachten.
Die vordere (in natĂĽrlicher Lage des Thieres untere) Wand
der Intima Oesophago welche, wie ich erwähnt habe, durch drei
Doppelleisten gesteift wird, ĂĽbergeht unmittelbar in die obere Kante
des festen KaumagengerĂĽstes (Taf. V), so zwar, dass die mittlere
vorspringende Leiste die Mitte des obern Randes trifft , während die
beiden seitlichen nach innen von dem dreieckigen Fortsatzpaare des
Oberrandes endigen.
Die hintere Wand der Intima Oesophagi , die durch zwei
Doppelleisten gesteift wird (Taf. VI), schlägt sich, nachdem sie den
Kaumagen erreicht hat, unter einer bogenförmigen Kante nach vorne
um, verläuft wieder eine kleine Strecke nach aufwärts, um sich dann
abermals nach vorne und abwärts umzubiegen und sich seitlich an
die zwei beweglichen Leisten, die vom äusseren obern Winkel der
Lappen nach oben und innen verlaufen, zu inseriren.
Die übrige, die Seitenwände bildende Membran, befestigt sich
theils an die eben beschriebenen Leisten, theils an jenes Leisten-
paar, welches die dreieckigen Fortsätze des Kaumagengerüstes mit
den äusseren Leisten der Lappen verbindet.
Das feste KaumagengerĂĽste bildet zu beiden Seiten einen Umschlag
nach hinten, wodurch die beiden kolbenförmigen Lappen des Kau-
magens entstehen.
Von den äusseren Leisten dieser Lappen verlauft eine feine
Chitinmembran noch weiter nach hinten, an die hintere (in natĂĽr-
licher Lage obere) Fläche des Kaumagens. Diese Membran bildet
nach abwärts einen zweilappigen , von freien Rändern begrenzten
Fortsatz, den Kaumagendeckel, welcher aus einer Duplicatur der-
selben Membran besteht, und dessen äussere oder eigentlich hintere
Lamelle nach oben in die äusserste hintere Membran übergeht; die
Typhloniscus. 311
den Deckel zum grossen Theile bedeckt, an der ganzen hinteren
Fläche des Kaumagens mit einem scharfen ziemlich horizontalen
Rande endiget, nach aussen und unten sich aber wieder gegen vorne
wendet , mit der bogenförmigen Kalkleiste zusammenhangt, dann
noch weiter nach unten beiderseits einen stumpfen Zipfel bildet, um
nach innen und unten in die Intima des Darmes zu ĂĽbergehen.
Nach unten und innen ĂĽbergeht das feste KaumagengerĂĽste bei-
derseits in einen nach hinten umgeschlagenen Rand (Taf. VII, Fig. 1 k),
welcher von innen und oben nach aussen und unten verläuft und
mit einer Reihe von Chitinborsten besetzt ist. Dieser umgeschlagene
Rand übergeht an seinem äusseren untern Ende nach aussen in den
kolbigen Lappen, nach oben in die bogenförmige, mit Kalk impräg-
nirte Leiste, nach innen in die obere innere Kalkleiste.
Von dem eben beschriebenen umgeschlagenen Rande verläuft
eine Chitinmembran zur inneren obern winklig geknickten Leiste
und von dieser zur äusseren untern bogenförmigen mit Kalk impräg-
nirten Leiste , von da aus schlägt sich diese Membran am Aussen-
rande der Leiste nach hinten und endet daselbst nach innen zu in
einen freien Rand, der sich bis zum obern Ende der inneren
winkligen Kalkleiste erstreckt, nach unten aber mit einem freien
zipfelförmigen Ende.
Von der bogenförmigen Leiste verläuft die Membran nach innen
zur Lumina cribriformis, umkleidet dieselbe, bildet dann, nachdem
sie sich an der vorderen Kante der Lumina cribriformis unter einem
rechten Winkel umgebogen hat und eine Strecke nach vorne und
aussen verlaufen ist, abermals eine scharfe Knickung nach innen und
hinten, und schlägt sich dann an die innersten Gebilde des Kau-
magens, indem sie die Lamina bacillaris in sich einschliesst, dann
eine wulstförmige Faltung bildet und den Lapis Oniscorum umhüllt ;
nach oben aber in den knieförmig geknickten stielförmigen Furtsatz
übergeht, nach unten frei zipfelförmig endigt.
Was den Zweck des Organes anbelangt, welches ich als Kau-
magen beschrieben habe, so ist er durchaus kein anderer, als die
feinere Zerreibung der von den Kieferpaaren grob zerkleinerten
Nahrungsgegenstände zu bewerkstelligen.
Gelangt ein Nahrungsgegenstand durch den Ă–sophagus in den
Kaumagen , so kömmt er zunächst an die hintere Wand des festen
KaumagengerĂĽstes zwischen die Planities herpetolithaeformis
312 schob i.
und die vordere mit Chitinborsten besetzte Fläche des kolbigen
Hohllappens.
Diese beiden Gebilde bilden den ersten Reibapparat, indem sich
die beborstete Fläche des Lappens parallel zur Planities herpeto-
lithaeformis verschiebt und auf diese Weise dazwischen gelegene
zarte Gegenstände zerreibt.
Ein zweiter Reibapparat wird durch die Planities reticulata
und den Discus coshdatns gebildet, die sich auf ähnliche Weise
gegen einander reiben und die weiter nach aussen und unten gelangten
Nahrungsgegenstände zwischen sich aufnehmen.
Den dritten Reibapparat bildet die Lamina cribriformis mit der
Lamina bacillaris, welche in natĂĽrlicher Lage parallel zu einander
liegen und zwischen sich den Nahrungsmitteln den Durchgang
gestatten. Die Reibung geschieht indem sich die am leicht beweg-
lichen Centralgebilde befestigte Lamina bacillaris gegen die unbe-
weglich mit den Kalkleisten und somit auch mit dem GerĂĽste ver-
bundene Lamina cribriformis bewegt.
Einen vierten und letzten Reibapparat bildet der Lapis Onis-
corum sagittaeformis mit dem ihn berĂĽhrenden steifen Kaumagen-
deckel.
Ich habe zwischen den Platten der einzelnen Reibapparate häufig
vegetabilische Substanzen, besonders Moosblätter und zarte Wurzeln
angetroffen und auch bei lebendig geöffneten Thieren eine fast stete
Reweglichkeit des Centralgebildes des Kaumagens, die durch beson-
dere Muskeln, welche sich am oberen, stielförmigen, geknickten
Ende desselben inseriren , bewirkt wird , wahrgenommen. Von
einer Aufsaugung der Nahrungssäfte in diesem Organe kann wegen
der Stärke und Starrheit der Chitinhautwandungen nicht die Rede sein.
Treviranus scheint das ganze Organ ĂĽbersehen zu haben,
und erwähnt es gar nicht.
Brandt (in der medizin. Zool. II. Band, pag. 74 , Taf. XV,
Fig. 41 und 42) nennt dieses Organ ersten Magen und hält es für
knorpelig häutig.
Leydig (in MĂĽller's Archiv , J. 1855, Heft 5 , pag. 444 :
„Zum feinern Bau der Arthropoden") erwähnt dieses Organes
gleichfalls ohne es zu beschreiben. Er erwähnt nur, es bestehe aus
zwei seitlichen Bogen und einem stilettförmigen Zahn, welcher letz-
tere ohne Zweifel mit meinem Lapis Oniscorum identisch sein dĂĽrfte.
Typhloniscus. 313
Topographische Anatomie der landhöhle.
Hat man das Thier mit dem RĂĽcken an das Secirbrettchen fest-
geheftet, und betrachtet den Kopf, dessen Unterseite nun nach auf-
wärts gekehrt ist, so findet man bei der äussern Besichtigung den
grössten Theil der Mund- oder Kopfhöhle durch das vierte Kiefer-
paar verschlossen.
Dasselbe erstreckt sich von der Basis des Kopfes bis in das
obere Drittheil desselben, und grenzt seitlich an die beiden umge-
schlagenen Lappen der äusseren harten Kopfbedeckung. In gleicher
Ebene mit dem vierten, und ohne alle Präparation gleich sichtbar,
liegt auch das erste Kieferpaar.
Dieses grenzt nach unten an die vorerwähnten Lappen der
Kopfbedeckung, nach aussen an die Insertionsstelle der FĂĽhler, nach
oben an die Oberlippe und nach innen theils an das vierte Kiefer-
paar, theils bleibt zwischen diesem und jenem ein kleiner Raum,
durch den man die oberen bezahnten Enden der beiden anderen
Kieferpaare erblickt.
Am weitesten nach oben liegt die Oberlippe, unmittelbar in die
betreffende äussere Kopfbedeckung übergehend. Hebt man das vierte
Kieferpaar ab, und exarticulirt das erste, so kömmt die zweite Lage
der Mundwerkzeuge zum Vorschein. Diese besteht aus dem breiten,
flachen dritten Kieferpaare und dessen Insertionsstellen.
Schneidet man dieses Kieferpaar mit einem feinen Scalpell an
seiner Insertionsstelle ab, so kömmt die dritte Lage zum Vorschein.
Diese besteht aus den beiden Laden des zweiten Kieferpaares, aus
der Zungenstütze, den beiden Stäbchenpaaren des Kieferzungen-
gerüstes, und der vordem Fläche des Grundstückes des zweiten
Kieferpaares. Auch liegt das , die ebengenannten Organe ver-
knüpfende Bandhäutchen zum grössten Theile in dieser Lage. Exar-
ticulirt man die äussere Lade des zweiten Kieferpaares aus ihrem
Grundstück, zerreisst das Bandhäutchen, trennt die innere Lade vom
obern Stäbchen, exarticulirt dann den Grund der Zunge, um auch
die ZungenstĂĽtze mit ZurĂĽcklassung der eigentlichen Zunge weg-
nehmen zu können, so kömmt man auf die vierte Lage. Diese besteht
aus der Zunge, den GrundstĂĽcken des zweiten Kieferpaares und
314 Schöbt.
dem untern Theile der KieferstĂĽtzen. Nimmt man endlich noch die
Zunge weg, so kommt man auf die fĂĽnfte und letzte Lage, in welcher
die langen Fortsätze der Kieferstützen , zwischen und unter ihnen
der Ösophagus, weiter nach abwärts der Kaumagen und seitlich die
kräftigen Kaumuskeln des ersten Kieferpaares liegen.
Verdauungs - Organe.
Der Darmcanal oder richtiger gesprochen der Verdauungscanal,
der dem Magen und DĂĽnndarm entspricht, ist vorne unmittelbar
hinter dem Kaumagen etwas eingeschnĂĽrt, hierauf erweitert er sich,
um sich gegen das Ende wieder zu verschmälern und allmählich in
den Mastdarm zu ĂĽbergehen.
In der verdickten Partie befindet sich oben eine Furche, in
welcher der vordere Theil des Herzschlauches liegt.
Die zu meist nach innen gelegene homogene Intima des Darmes
hängt mit dem Chitingerüste des Kaumagens, und durch dieses mit
der Intima der Speiseröhre zusammen.
Auf diese folgt die Epithelialzellenschichte, dann die aus Kreis-
und Längsmuskeln bestehende Muskelhaut. Eine Serosa konnte ich
nicht frei abpräpariren, wovon die Schuld theils auf die Kleinheit des
Objectes, theils auf dieUnvollkommenheit der Instrumente fallen mag.
Jedenfalls wird sie vorhanden sein, wie sie Leydig bei anderen
Gattungen der Crustaceen angibt.
Da Brandt in der medizinischen Zoologie (Bd. II, Taf. XV,
Fig. 39) eine gute Abbildung des Darmcanals von Oniscus bei gerin-
ger Vergrösserung gegeben hat, und die histologischen Elemente von
Leydig in seinem Lehrbuch der Histologie (pag. 332, Fig. 177)
von derselben Gattung dargestellt worden sind und meine Gattung
von dem ebenerwähnten in nichts Wesentlichem abweicht, so habe
ich hievon keine Zeichnung entworfen, um nicht durch unnĂĽtzes
Reproduciren von schon bekannten Thatsachen die Zahl der Tafeln
unnĂĽtz zu vermehren.
Die Lcberschlänche.
Von den vier Leberschläuchen sind die beiden äusseren viel
länger. Sie reichen von ihrer Insertionsstelle unterhalb des Kau-
magens bis zum Postabdomen. Die beiden inneren Schläuche sind
Typhlontscus. 315
viel schwächer und um ein Drittheil kürzer. Alle sind einfach walzen-
förmig und zeigen keine Spur von den spiraligen Windungen, wie
sie an der Leber von Oniscus, Porcellio und Armadillidium vor-
kommen. Auch von Farbe ist die Leber viel blasser, als bei den
ebenerwähnten Gattungen.
Das Nervensystem.
Das Nervensystem besteht aus zwei ziemlich grossen Ober-
schlundganglien, von denen mächtige Nerven in die äusseren Füh-
ler, und feine Nervenstämmchen nach der Gegend der inneren
FĂĽhler abgehen. Von den Oberschlundganglien gehen zu beiden
Seiten des Ösophagus Commissuren nach abwärts, woselbst ich an
der Basis des Kopfes ein aus zwei vorderen kleineren und zwei
hinteren grösseren Knoten verschmolzenes Ganglion gesehen habe.
Von diesem Ganglion sah ich keine Nerven ausgehen.
Hierauf folgen sechs ziemlich gleiche stets durch zwei parallele
Nervenstränge verbundene Doppelganglien, von denen sowohl, wie
auch von den dazwischen liegenden Nervensträngen, Nervenfäden
ausstrahlen.
Das letzte Ganglion ist grösser und scheint aus dreien ver-
schmolzen zu sein, und sendet zahlreiche Nervenfäden nach den
Seiten und nach hinten.
Das von Brandt entdeckte Eingeweide -Nervensystem konnte
ich bei dieser Gattung nicht präpariren. Ohne Zweifel wird es vor-
handen sein wie bei den ĂĽbrigen Gattungen der Oniscoiden.
Circulationsorgane.
Das Herz bildet einen schmalen Schlauch, welcher unmittelbar
unter den Bückengürteln, in der Mittellinie des Körpers liegt, und
sich vom Kopfe bis zum hintern Körperende erstreckt.
Unmittelbar vor dem sechsten Körpergürtel entspringt aus dem
Herzschlauche beiderseits ein Blutgefässstamm, welcher sich bald in
einen vordem, und einen hintern Zweig theilt. Der vordere Zweig
fĂĽhrt das Blut zu den vorderen und seitlichen Organen, dem vordem
Theil des Nahrungscanais und der Musculatur. Der hintere zum
Hintertheil des Nahrungscanais und zu den Genitalien.
316 Schob I.
Überdies entspringen noch aus dem Herzschlauche drei schwä-
chere Blutgefässpaare , die sich fast gerade nach der Richtung der
Kiemen zu senken scheinen.
Ich habe das Herz und die eben beschriebenen Anfänge der
Blutgefässe weder weiter verfolgt, noch genauere Resultate ermit-
telt, als es schon von Brandt und Anderen geschehen ist, ich ver-
weise desshalb auch auf Ăźrandt's Abbildung (in der Med. Zoologie,
Theil II, Taf. XV).
Respirationsorgane.
Taf. VIII.
Die paarigen Anhänge der Postabdominal -Segmente, mit Aus-
nahme des letzten, sind theils zu Respirationsorganen, theils zu äus-
seren Begattungsorganen umgewandelt.
In den ersten Stadien des Embryolebens unterscheiden sich die
Anhänge des Postabdomens durch nichts von den übrigen paarigen
Anhängen, welche später die Fuss- und Kieferpaare liefern.
Sie bilden cylindrische Fortsätze, welche jedoch nicht einreihig
wie die Fusspaare, sondern beiderseits in zwei Reihen angeordnet
stehen, so zwar dass die inneren etwas kleineren von den äusseren
bedeckt werden.
Bei Behandlung mit verdünnter Essigsäure zerfallen sie in einen
Haufen von Zellen oder Furchungskugeln.
Nach aussen werden sie von einem äusserst feinen, structurlosen
ausgeschwitzten Häutchen begrenzt
Aus der äussern Reihe der Fortsätze entwickeln sich beiderseits
und in beiden Geschlechtern die sogenannten Kiemendeckel. Die inne-
ren Fortsätze liefern im männlichen Geschlechte am ersten Post-
abdominalring die Organae jacnlatoria , die ich später beschreiben
werde, am zweiten die eigentlichen Ruthen nach meiner Deutung,
und an den drei folgenden die zarten Kiemen.
Im weiblichen Geschlechte bleiben die inneren Fortsätze der
zwei ersten Postabdominal -Segmente rudimentär, und liefern die
Paraclitorides und Clitorides. Die der folgenden drei Segmente sind,
wie im männlichen Geschlechte, zu Kiemen umgewandelt.
Was die Kiemendeckel anbelangt, so werden sie als luftath-
inende Organe bezeichnet, und bestehen aus zwei selbstständigeu
Typhloniscus. 3 1 T
StĂĽcken aus den eigentlichen Kiemendeckeln, und dann aus schmalen
queren Platten, an denen die ersteren festgeheftet sind, und die man
bis jetzt ĂĽbersehen zu haben scheint.
Ich nenne diese Gebilde Basalplatten.
Die Basalplatteu.
Taf. VIII, Fig. 1 und 6 a, Fig. 2 — 5 und 7 — 10 b.
Am ersten Postabdominal-Segmente im männlichen Geschlechte
sind die Basalplatten zu einer einzigen Platte verschmolzen, die an
den Seiten zweilappig erscheint, und nebst den Kiemendeckeln die
Organa ejaculatoria , aber keine Kiemen trägt.
Am zweiten männlichen Postabdominal-Segmente sind die beiden
Basalplatten von einander getrennt, und umfassen mit ihrem innern
Ende gabelförmig den Grund der eigentlichen Buthen.
Am ersten weiblichen Postabdominal-Segmente sind sie gleich-
falls getrennt, nach aussen fast zweilappig, am innern Ende besitzen
sie einen rudimentären Fortsatz, der das Äquivalent der männlichen
Organa ejaculatoria bildet und den ich Paraclitoris nenne.
Am zweiten weiblichen Postabdominal-Segmente sind sie eben-
falls getrennt und umfassen mit ihrem innern Ende einen zapfen-
fbrmigen, zusammengedrückten Körper, das rudimentäre Analogon
der eigentlichen Buthe des männlichen Geschlechts , oder die Clitoris
nach meiner Deutung.
Alle bis jetzt beschriebenen Basalplatten tragen zwar Kiemen-
deckel, unter denselben jedoch keine Kiemen.
An den folgenden drei Postabdominal - Segmenten beider
Geschlechter sind die Basalplatten zwar von einander getrennt, hän-
gen aber sowohl mit ihrem äussern, als mit dem innern Ende, mit
den Bauchschienen zusammen. Das äussere Ende ist rhomboidal
erweitert , das innere besitzt einen zapfenförmigen 'Fortsatz nach
abwärts.
Die äussere rhomboidale Erweiterung theilt sich nach abwärts
in zwei Lamellen , welche den Kiemendeckel umfassen. Ausser den
Kieniendeckeln sind an jeder von diesen Basalplatten auch noch wahre
Kiemenblätter befestigt, welche von den früher erwähnten Deckeln
bedeckt, und geschĂĽtzt werden.
Sil/.b. d. matheni.-natiuw. CI. XL. Bd. Nr. 9. 22
318 S c h ö b I.
Am äussern erweiterten Ende dieser Basalplatten gewahrt man
einen hellen Fleck , der einer Öffnung täuschend ähnlich sieht.
Genauere Untersuchungen haben mich jedoch bestimmt, ihn fĂĽr die
Insertionsstelle eines Muskels zu halten, welcher von hier schief
nach unten und aussen, zum Rande des Kiemendeckels verläuft.
Sämmtliche Basalplatten sind hohl, und man trifft in ihnen so wie in
den Kiemendeckeln Blutkörperchen an.
Die eigentlichen Kiemendeckel.
Taf. VIII, Fig. 1 und 6 b, Fig. 2 — 5 und 7 - 10 c.
Die Kiemendeckel bilden bald mehr in die Länge, bald mehr in
die Breite entwickelte, rundlich dreieckige Platten, deren obere
Kante nur wenig gekrĂĽmmt und den Basalplatten zugekehrt ist. Die
innere Kante ist geradlinig, die äussere ist am meisten bogenförmig
gekrümmt und mit 2 — 7 Chitinborsten besetzt.
Eine Ă–ffnung, welche Leydig an der Unterseite gesehen zu
haben glaubt (dessen Histologie, pag. 397 und zum feinern Bau der
Arthropoden in MĂĽller's Archiv, 1855, Heft V, pag. 458), habe ich
mit voller Bestimmtheit gesehen. Sie liegt an der hintern Fläche in
der Mitte, unterhalb der obern Kante, mĂĽndet jedoch meiner Ansicht
nach nicht nach aussen, wie Leydig meint, sondern sie vermittelt
eine Communication des Kiemendeckels mit der betreffenden Basal-
plalte.
Mir ist es nie gelungen bei unverletztem Präparate und vor-
sichtiger Behandlung ein Luftbläschen aus dem Kiemendeckel durch
die obenerwähnte Öffnung direct nach aussen zu treiben, wohl aber
in die Basalplatte. Was den Bau der Kiemendeckel anbelangt, so
bestehen sie aus zwei Lamellen. Die hintere dem Körper zugekehrte
Lamelle ist, besonders nach innen zu, mit polygonalen Gruppen klei-
ner Kalkconcremente besetzt, zwischen denen ein feines, helles,
polygonales Netzwerk ĂĽbrig bleibt. Die ganze Lamelle ist durch diese
abgelagerten Kalksalze starr und zerbrechlich, fast spröde. Die vor-
dere Lamelle ist äusserst fein und zart, zeigt nie eine Spur von
Kalkablagerung, sondern stellt immer ein homogenes Chitinhäutchen
dar, welches jedoch bei manchen Gattungen z. B. Oniscus radiär
gefaltet ist , und dadurch den BlutkĂĽgelchen bestimmte Bahnen
vorschreibt.
Typhloniscus. 319
Bei einigen Gattungen der Oniscoiden, Porcellio nämlich, und
Armadillidium , kommen an der obern Kante zwischen den beiden
Lamellen der Kiemendeckel eigenthümlich verzweigte Röhren vor,
welche dem blossen Auge als kreideweisser Fleck erscheinen.
Duvernoy und Lereboullet haben diese kreideweissen
Flecke für schwammige Apparate erklärt, welche die Feuchtigkeit
der Luft absorbiren sollten. Von Siebold hat jedoch schon nachge-
wiesen (MĂĽller's Archiv 1842, CXLI. Anm.I), dass die kreideweisse
Färbung jener Flecken von fein zertheilter Luft herrührt.
Ich halte diese Röhren nicht für zur Athmung wesentliche
Organe, weil sie nur bei den obenerwähnten Gattungen vorkommen,
und den Gattungen Oniscus, Ligidium, Trichoniscus , Typhlo-
niscus gänzlich mangeln; ja selbst bei den zwei Gattungen, bei
denen sie vorkommen, blos auf die ersten zwei Kiemendeckelpaare
beschränkt sind.
Was die Formverschiedenheiten der einzelnen Kiemendeckel-
paare unter einander, so wie der männlichen und weiblichen anbe-
langt, so will ich mich nicht in eine langweilige Beschreibung der-
selben einlassen, und verweise lieber auf die Abbildungen (Taf. VIII).
Die Kiemen.
Taf. VIII, Fig. 3—5 und 8—10 d.
Die Kiemen bilden zusammengedrĂĽckte rundlich viereckige
Taschen, deren Wandungen von einem äusserst zarten, homogenen
Häutchen gebildet werden.
Sie sind an den frĂĽher beschriebenen Basalplatten angeheftet,
und erreichen bei weitem nicht die Grösse der Kiemendeckel, von
denen sie bedeckt werden.
Bei Behandlung mit verdünnter Essigsäure treten scharfbegrenzte
dunkle Zellkerne hervor. Zwischen diesen Zellkernen , an deren
Stelle die beiden Lamellen verbunden zu sein scheinen, bleibt ein
weites Lückenwerk übrig, in dem die Blutkörperchen kreisen.
320 s c h ö b
Nännliche Geschlechtsorgane.
Die Hoden.
Die Hoden liegen zu beiden Seiten des Darmcanals, und
erstrecken sich vom ersten Postabdominal- Segmente fast bis zum
Kopfe.
Die Hauptmasse eines jeden Hodens besteht aus einem kreide-
weissen, oben und unten zusammengeschnĂĽrten Schlauche, in den
oben und innen drei kleinere spindelförmige Schlauche einmünden,
und der unten hinter der eingeschnĂĽrten Stelle in das Vas deferens
ĂĽbergeht.
Das Vas deferens ist ein dickwandiger, spindelfĂĽrmigerSchlauch,
der sich nach abwärts beständig verschmälert. Die Vasa deferentia
beider Seiten mĂĽnden in die Vesicula seminalis.
Im FrĂĽhjahre findet man das Lumen des Hodenschlauches sowohl
als des Vas deferens mit langen haarförmigenSpermatozoiden ange-
füllt, während man um die Spermatozoidenmasse herum im Hoden-
schlauche grosse kernhaltige Zellen wahrnimmt, die, je weiter sie
nach abwärts gelangen, eine um so grössere Neigung zum Zerfallen
besitzen, so zwar, dass man in den Partien des Hodenschlauches und
im obern Theile des Vas deferens nur mehr Kerne oder Kernrudi-
mente wahrnimmt, die in einer körnigen Grundsubstanz herum-
schwimmen.
Die spindelförmigen Nebenschläuche des Hodens sind mit klei-
nen Zellen vollgepfropft.
Die männlichen Begattungsorganc.
Taf. IX.
Die Vasa deferentia beider Seiten nähern sich einander in der
Gegend des ersten Postabdominal-GĂĽrtels, durchbohren denselben und
münden in einen spindelförmigen Chitinschlauch, welcher nach vorne
von einem steiferen Chitinplättchen bedeckt wird, und den ich für
das Samenbläschen halte. Zur Begattungszeit, am Ende des Monates
April und im Mai fand ich diesen Schlauch mit Spermatozoiden und
dem schon frĂĽher beschriebenen Zellendetritus angefĂĽllt. Etwas von
Typhloniscus. 321
dem untern Ende besitzt das Samenbläschen beiderseits eine spalt-
förmige Öffnung.
Zu beiden Seiten des Samenbläschens befinden sich an der
Basalplatte des ersten männlichen Postabdominal-Segmentes längliche,
plattgedrĂĽckte Organe, die mit breiter Basis an der Basalplatte fest-
geheftet sind, und sich gegen die etwas nach aussen gekrĂĽmmte
Spitze beständig verschmälern.
Diese Organe wurden bis jetzt von allen Autoren als Ruthen
beschrieben. Ich will vorerst diese Gebilde etwas genauer beschrei-
ben, und dann die GrĂĽnde auseinandersetzen, die mich bewogen
haben, sie, im Gegensatze zu allen meinen Vorgängern, nicht
fĂĽr Ruthen zu halten , und ihnen eine andere Bedeutung zuzu-
weisen.
Wie schon erwähnt wurde, sind diese Organe (Taf. VIII,
Fig. 1 d und Tafel IX, Fig. 1 d) mit breiter Basis an die betref-
fenden Basalplatten festgewachsen, und werden in den oberen
Partien von den in diesem Segmente uneigentlich so genannten
Kiemendeckeln bedeckt (Taf. VIII, Fig. 1).
Ein ziemlich kräftiger Muskel verläuft von der obern Kante
der Basalkante schief nach unten und aussen zum Grunde des Orga-
nes der betreffenden Seite, und bewirkt durch seine Zusammenzie-
hung eine Annäherung dieser beiden Organe in der Mittellinie gegen
das Samenbläschen. Die Innenkante eines jeden dieser Organe ver-
läuft in den oberen zwei Drittheilen flach bogenförmig, mit der Con-
cavität gegen das Samenbläschen gekehrt, im untern Drittheile
bildet sie einen stumpfen Winkel und verläuft geradlinig nach unten
und aussen. Die Aussenkante bildet eine leicht geschweifte Wellen-
linie, ist oben convex, unten concav. Die Spitze des Organes ist
schief von innen und oben, nach aussen und unten abgestutzt, und
mit zwei bis drei sehr kleinen Chitingriffeln besetzt.
Auf der Innenkante im mittleren Drittheile glaube ich eine spalt-
förmige Öffnung (Taf. IX, Fig. 1 k} gesehen zu haben, welche in
natürlicher Lage des Organes auf die Öffnung des Samenbläschens
zu liegen kömmt und sie gleichsam umfasst. An der hintern, dem
Körper zugewandten Wandung dieser Organe befindet sich eine
feste Chitinleiste, welche oben vom Aussenrande entspringt, bogen-
förmig bis gegen die Mitte zu zum Innenrande verläuft, daselbst
plötzlich anschwillt, hierauf noch eine kleine Strecke gegen den
322 s c h ö 1. i.
Innenrand zu fortläuft, um dann unter einem stumpfen Winkel sich
beständig verschmälernd bis zur Spitze der Organe zu verlaufen
(Taf. IX, Fig. 1 h).
In der vorderen Wand dagegen befindet sich eine Region,
welche oben mit breiter Basis beginnt, sich nach abwärts beständig
verschmälert und im untern Drittheil spiralförmig von oben und
aussen, nach unten und innen verläuft, und welche von einem viel
zarteren und nachgiebigeren Chitinhäutchen gebildet wird, als die
ĂĽbrige Wand der Organe (Taf. IX, Fig. 1 i).
Bei dem Zuge gewisser Muskeln faltet sich durch den Druck der
Präparirnadel das feine Häutchen dieser Region so, dass die Ränder
der festeren Wandungen sich berühren, und die ebenerwähnte Region,
namentlich in den unteren Partien , gänzlich verschwindet, wodurch
das Lumen des ganzen Organes bedeutend verengert wird, und
etwa darin befindliche Gegenstände auf diese Weise heraus getrie-
ben werden können.
Im Innern der Organe befindet sich ein kräftiger fächerför-
miger Muskel , der vom innern Basalwinkel entspringt, und sich mit
seiner fächerförmigen Ausbreitung im obern Drittheile der Aussen-
kante inserirt (Taf. IX, Fig. 1 /).
Die Contractionen dieses Muskels bewirken das frĂĽher beschrie-
bene Manöver mit der zarteren Region der vordem Wand. Man
könnte ihn Musculus ejaculator senrinis nennen. Noch ein Längs-
muskel verläuft von der Basis bis ungefähr zur Mitte , und bewirkt,
meiner Ansicht nach, eine schwache Beugung der Spitze des Orga-
nes nach vorne, oder in natürlicher Lage des Thieres nach abwärts
(Taf. IX, Fig. 1 g).
Was nun die GrĂĽnde anbelangt, die mich bestimmen, diese
Organe nicht fĂĽr Ruthen zu halten, so sind sie folgende: Die weib-
lichen Geschlechtsöffnungen, welche ich entdeckt habe, sind so
beschaffen, dass diese Gebilde durchaus nicht in dieselben eingefĂĽhrt
werden können, indem sie selbst an der Spitze einen grössern
Durchmesser besitzen, als die sehr feine weibliche Geschlechtsöff-
nung selbst. Aus der Lage der weiblichen Geschlechtsöffnung geht
ferner hervor, dass besagte Organe denselben nicht einmal ange-
nähert werden können. Die weiblichen Geschlechtsöffnungen liegen
an den Seiten des fĂĽnften BauchgĂĽrtels neben der Einlenkungsstelle
der Füsse. Nun ist man aber durchaus nicht im Stande, diese söge-
Typhloniscus. 323
nannten Ruthen ohne Anwendung von Gewalt und Continuitätsstörung
so weit auseinander zu bringen, als die weiblichen Geschlechtsöff-
nungen von einander entfernt liegen. Es wäre sinnlos anzunehmen,
dass beide Ruthen zugleich erst der einen, und hierauf der zweiten
Geschlechtsöffnung genähert würden. Wäre dies der Fall, so würde
die Natur gewiss den einfacheren Weg eingeschlagen haben, und
hätte blos eine Ruthe in der Medianlinie gebildet. Da sich enlichd
im männlichen Geschlechte am zweiten Gürtel des Postabdomen
Organe befinden, die alle diese Mängel nicht besitzen, und allen
Anforderungen als Ruthen völlig entsprechen, so wäre es im höchsten
Grade naturwidrig, jene Organe am ersten Postabdominalring gewalt-
samer Weise gegen jede naturgemässe Einsicht zu Ruthen stempeln
zu wollen.
Da nun diese Organe meiner Theorie nach keine Ruthen sind,
dennoch aber Spermatozoiden enthalten, und selbe durch einen
eigenen Muskel nach aussen zu befördern im Stande sind; so ent-
sprechen sie offenbar dem Ductus ejaculatorius anderer Thiere.
Nur besitzen sie einen viel complicirteren Rau , als es beim Ductus
ejaculatorius gewöhnlich der Fall ist, und sind zu selbstständigen
Organen umgewandelt worden; desshalb glaube ich auch, sie fĂĽglich
nicht Ductus ejaculatorii nennen zu können, sondern lege ihnen
den Namen Organa ejaculatoria seminis bei.
Die wesentlichen Bestandtheile dieser Organe stimmen bei den
ĂĽbrigen Gattungen mit den hier abgebildeten und beschriebenen des
Typhloniscus vollkommen ĂĽberein.
Einige Modifikationen in Bezug auf Form und relative Längen-
verhältnisse will ich gegenwärtig unberücksichtigt lassen. Tre-
viranus (in seinen vermischten Schriften, I. Band , 5. Abtheilung)
beschreibt diese Organe als Ruthen und sagt von ihnen, sie wären
kurz, und zwischen dem ersten dreiseitigen Schuppenpaare gelagert.
Rrandt (in der medizinischen Zoologie) so wie alle anderen
Schriftsteller beschreiben diese Organe gleichfalls als wahre Ruthen,
wie ich schon früher erwähnt habe.
Die eigentliche Ruthe nach meiner Deutung.
(Leiter der Ruthe nach Treyiranus, secundäre oder Neben-
ruthe, oder Hilfsorgan bei der Begattung, nach Brandt und den
324
8 c h ö b I.
ĂĽbrigen Schriftstellern.) Die eigentliche Ruthe zeigt einen nicht
minder complicirten Bau, als die eben beschriebenen Samenaus-
spritzungsorgane. Ein ganzes System eigener Muskeln vermittelt
ihre sehr freie Beweglichkeit. Die Basalplatte, mittelst derer die
Ruthe am zweiten Postabdominalring befestigt ist, unterschiedet sich
von denen des ersten Ringes schon dadurch, dass sie in der Mitte
nicht verschmolzen sind. Sie tragen gleichfalls Kiemendeckel, unter
deren je einem sich eine Ruthe befindet.
Diese Platten besitzen an ihrem innern Ende einen nach ab-
wärts gerichteten Fortsatz, welcher das Grundstück der Ruthe um-
fasst, so dass sich dieses wie in einem Winkelgelenke bewegen
kann.
An einem zahnförmigen Vorsprung (Fig. 2 c) des inneren
obern Winkels dieser Platte befestigt sich ein Muskel, dessen Zug
die eben beschriebenen unteren Fortsätze beider Seiten einander
nähert. Ein anderer Muskel verläuft schief zur Insertionsstelle des
DeckelstĂĽckes, und ein dritter, weniger schiefer, von demselben
Ursprung zum untern Rande der Platte.
Das Grund- oder BasilarstĂĽck der Ruthe bildet einen ab-
gestutzten Kegel, an dessen abgestutzter Spitze der eigentliche
Ruthenkörper gelenkig eingefügt ist. Das obere Ende wird zum
Theile von dem Fortsatz der Basalplatte umfasst, zum Theile liegt
es hinter der Platte selbst. Fig. 2 d.
An der äussern Kante inserirt sich ein kräftiger, von innen
schief nach aussen verlaufender Muskel, der den obern Theil des
GrundstĂĽckes nach innen bewegt, und da sich derDrehungspunkt des
GrundstĂĽckes unterhalb der Insertion befindet, so muss der untere
Theil des Grundstückes, so wie der damit verbundene Ruthenkörper
nach aussen bewegt werden. Ich nenne diese Muskeln Musculi
directores penis, Fig. 2 f. Man kann diese Bewegung auch kĂĽnstlich
mit der Präparirnadel hervorbringen, und sie erfolgt oft schon nach
dem geringsten Reize von selbst, und zwar in dem Grade, dass die
Spitzen der Ruthenkörper eben so weit von einander entfernt wer-
den, als die Distanz der beiden weiblichen Geschlechtsöffnungen
beträgt.
Ein anderer Muskel liegt im GrundstĂĽcke der Penis ein-
geschlossen, entspringt am obern Theil der äussern Kante und
befestigt sich an die Basis des Ruthenkörpers. Er hat wahrscheinlich
Typ/ilonisc US, 325
den Zweck , den gegen das Grundstück gebeugten Ruthenkörper
zu strecken. Der Ruthenkörper besteht aus einer lang- und feinzu-
gespitzten, nach aussen offenen Hohlrinne (Fig. 2 e).
Es wird nun offenbar die Samenmasse aus den Samenaus-
spritzungsorganen in diese Hohlrinne gelangen, und durch diese in
die weiblichen Geschlechtsöffnungen eingeführt werden.
Es ist auch dieser rinnenförmige Ruthenkörper, sowohl ver-
möge seiner feinen Endigung, als auch wegen des Umstand.es, dass
er mit Leichtigkeit aus seiner Lage gebracht, und in die weiblichen
Organe eingefĂĽhrt werden kann, vollkommen zu diesem Zwecke
der Ăśbertragung des Samens geeignet.
Auch wäre es unbegreiflich , wie diese Organe der altern Auf-
fassung zu Folge als Hilfsorgane bei der Regattung dienen. Etwa
um das Weibchen festzuhalten? oder um die viel stärkere und un-
beweglichere sogenannte Ruthe zu leiten?
Und wozu endlich wäre die Rinne? Denselben Zweck hätte die
Natur mit einem soliden Körper erreicht.
Ich glaube aus dem Bau dieser Organe so wie aus der Be-
schaffenheit und Lage der weiblichen Geschlechtsöffnungen genug
deutlich nachgewiesen zu haben, dass meine Deutung dieser Organe
die richtige sei. Eine weitere Ausbreitung ĂĽber diesen Gegenstand
halte ich fĂĽr ĂĽberflĂĽssig.
Weibliche Geschlechtsorgane.
Tafel X.
Die Ovarien (Taf. X, Fig. 1 o).
Die Ovarien bilden zu beiden Seiten des Darmcanals liegende
Schläuche, welche sich vom Postabdomen bis zum Kopfe erstrecken.
Ausser schon fertigen, von einer homogenen Cuticula begrenzten
Eichen, findet man in denselben auch Keimbläschen , erst von einem
Hofe von DottermolecĂĽlen umgeben. Die ganzen Ovarien besitzen
von den Eichen eine blassgelbe Farbe.
Etwas hinter der Hälfte bildet die Hülle eines jeden Eierstockes
an der Aussenseite eine Verlängerung, die sich nach abwärts begibt
und an die Innenfläche des fünften Bauchgürtels festheftet; so zwar
dass ein schmaler zartwandiger Canal von der Bauchschiene bis in
326 s c h ö i, i.
den Eierstock gebildet wird. Am Grunde dieses Ganges liegt die
weibliche Geschlechtsöffnung und in demselben ein Chitinschlauch,
das Receptaculum seminis.
Die äussere weibliehe Geschlechtsöffnung (Taf. X, Fig. 2 a).
Ich habe die weibliche Geschlechtsöffnung erst im heurigen
Jahre entdeckt, obzwar ich schon seit Jahren ihre beiläufige Lage
vermuthet habe. Die weibliche Geschlechtsöffnung ist doppelt, und
liegt am fünften Körpergürtel von der Einlenkungsstelle des Fusses
etwas nach innen. Die Öffnung selbst ist äusserst fein, länglich ellip-
tisch, und oft unter der bogenförmigen Kante, die sich in dieser
Gegend an der Bauchschiene befindet, versteckt.
Durch die weibliche Geschlechtsöffnung gelangt man in einen
Chitinschlauch. Dieser ist
Das Receptaculum seminis (Taf. X, Fig. i f; Fig. 3).
Das Receptaculum bildet eine EinstĂĽlpung der allgemeinen
Körperbedeckung in die Leibeshöhle. An der Basis unmittelbar hinter
der Geschlechtsöffnung ist das Receptaculum sehr dickwandig,
weiterhin ĂĽbergeht es in einen zartwandigen homogenen Chitin-
schlauch, an dem sich zur Zeit der Begattung keine Ă–ffnung nach-
weisen lässt. Im Monate April fand ich das Receptaculum bei einigen,
im Monate Mai bei allen Weibchen mit Spermatozoiden gefĂĽllt.
Typhloniscut, 327
Erklärung der Tafeln.
Tafel I.
Schwach vergrösserte Abbildung des Typhloniscus, um die Körperumrisse,
Farbe und Sculptur des Thieres zu zeigen. Vergrösserung 25 Mal lin.
Tafel II.
Bedeutend vergrösserte Darstellung der charakteristischen Gattungs-
merkmale von Typhloniscus.
Fig. 1. Der Kopf von unten bei auffallendem Lichte betrachtet, um die bei-
den seitlichen Stirnfortsätze, an denen die ersten zwei Fehlerglieder
gelassen sind, dann die mittlere convexe Stirnpartie mit ihrer eigen-
tümlichen papillösenBekleidung; dann die inneren Fehler, und end-
lich die Mundtheile in völlig natürlicher Lage zu zeigen, 100 Mal lin.
vergrössert.
„ 2. Rechte äussere Artenne iOO Mal lin. vergrössert.
„ 3. Hinteres Körperende, von oben die beiden letzten Segmente des
Postabdomen und die beiden Paare der sogenannten Schwanzanhänge
in ihrem relativen Grössenverhältnisse und mit ihrer Sculptur oder
Bekleidung 100 Mal lin. vergrössert.
Tafel III.
Mundtheile von Typhloniscus nach Wegnahme der Oberlippe und des
ersten Kieferpaares. Das vierte Kieferpaar ist nach abwärts zurückgeschla-
gen, das zweite und dritte Kieferpaar sind etwas weniges auseinander präparirt.
Vergrösserung 180 Mal lin.
1. Die ZungenstĂĽtze (Fulcrum ligulare). Der wichtigste in der Mittel-
linie gelegene Theil des KieferzungengerĂĽstes.
a das erste oder obere Fortsatzpaar und b das zweite oder untere
Fortsatzpaar der ZungenstĂĽtze.
2. Die KieferstĂĽtzen oder die beiden seitlichen Platten des Kieferzungen-
gerĂĽstes.
a der längste, b der mittlere, c der kürzeste Fortsatz derselben.
3. Das erste Paar der zum Kieferzungengerüste gehörigen kleinen Chitin-
stäbchen.
4. Das zweite Stäbchenpaar.
5. Die Zunge.
6. Die äussere Lade.
328 seh ö h i.
7. Die innere Lade und
8. das GrundstĂĽck des zweiten Kieferpaares.
9. Das dritte Kieferpaar.
10. Das vierte Kieferpaar.
Tafel IV.
Die vier Kieferpaare und die Oberlippe isolirt dargestellt. Vergrösserung
180 Mal lin.
Fig. J. Die Oberlippe.
„ 2. Das erste Kieferpaar. Rechter Kiefer (in natürlicher Lage des
Thieres) von unten betrachtet.
„ 3. Derselbe Kiefer von innen betrachtet, um die Bezahnung zu zeigen.
„ 4. Linker erster Kiefer, von innen gesehen.
„ 5. Das zweite Kieferpaar. Die rechte Hälfte desselben.
a die äussere, b die innere Lade, c das Grundstück, d die
KieferstĂĽtze.
„ 6. Das dritte Kieferpaar. Rechte Hälfte.
„ 7. Das vierte Kieferpaar. Rechte Hälfte.
a Grundplatte, b KaustĂĽck, c Lateralplatte, d Prosternalplatte.
Tafel V.
Die Oberlippe, die Zunge, die Chitinmembran des Oesophagus (Intima) und
der Kaumagen'von vorne oder unten betrachtet. Vergrösserung 250 Mal lin.
1. Die Oberlippe.
2. Die Zunge.
3. Intima Oesophagi.
4. Der Kauinagen.
Tafel VI.
Der Kaumagen nach Wegpräparirung der Serosa und Mnscularis von
hinten oder oben betrachtet. Vergrösserung 30 Mal lin.
1. Das feste KaumagengerĂĽste.
2. Die seitlichen Lappen des Kaumagens.
a die äussere starke, b die bogenförmig gekrümmte Leiste.
3. Die mit Kalk unpräparirten bogenförmigen Leisten des Kaumagens.
4. Der Kaumagendeckel.
5. Lapis Oniseorum sagitlaeformis.
6. Lumina bacillaris.
7. Lamina cribriformis.
8. Planities herpetolithaeformis.
9. Ein Theil der Intima Oesophagi nach oben schief durchschnitten, imi
ihren Querschnitt zu zeigen.
Tafel VII.
Bestandtheile des Kaumagens, 350 Mal vergrössert.
Fig. 1. Ein Theil des Kaumagens von oben betrachtet nach Wegnahme des
Kaumagendeckels und der ihn bedeckenden Chitinmembran und nach
ZurĂĽckschlagung des seitlichen Lappens (bj.
Typhloniscus. 329
a festes Kaumagengerüste, a. innerer, ß äusserer Fortsatz des-
selben, b seitlicher Lappen des Kauinagens, c mit Kalk im-
prägnirfe Leisten des Kauniagens, d Lapis Oniseorum sagittae-
formis, e Lainina bacillaris, f Lamina cribriformis, g Planities
herpetolithaeformis, h Planities reticulata, i Discus costulatus,
k umgeschlagener mit Chitinborsien besetzter Rand des festen
KaumagengerĂĽstes.
Fig. 2. Planities cribriformis. Aus der sie umhĂĽllenden Chitinhaut-Dupli-
catur herauspriiparirt.
„ 3. Lamina bacillaris isolirt.
„ 4. Lapis oniseorum isolirt und bei durchfallendem Lichte betrachtet.
Tafel VIII.
Anhänge der fünf Poslabdominal-Segmente beider Geschlechter, 30 Mal
vergrössert. 1 — 5 die männlichen, 6 — 10 die weiblichen zu Respirations- und
theihveise zu Begattungsorganen modificirten Anhänge der oben genannten
Ringe.
Fig. 1. Anhänge des ersten Postabdominal-Segmentes.
a Basilarplatte, b Deckplatte, c Vesicula seminales, d Organa
ejaculatoria seminis.
„ 2. Anhänge des zweiten Postabdominal-Ringes beim Männchen.
a Theile der Bauchschiene, b Basilarplatten , c Deckplatten,
d Grundstück der Ruthe, e Ruthenkörper.
„ 3. Anhänge des dritten männlichen Postabdominal-Ringes.
a Bauchschiene, b Basilarplatte, c Deckplatte, d Kieme.
„ 4. Anhänge des vierten und
„ li. Anhänge des fünften männlichen Postabdominal-Segmentes. Bedeu-
tung der Buchstaben wie bei Fig. 3.
„ 6. Anhänge des ersten weiblichen Segmentes.
a Basilarplatte, b Deckplatte.
„ 7. Anhänge des zweiten weiblichen Postabdominal-Segmentes.
a Bauchschiene, b Basilarplatte, c Clitoris, d Deckplatte.
„ 8. Anhäne des dritten weiblichen Segmentes.
a Bauchschiene, b Basilarplatte, e Deckplatte, d Kieme.
„ 9. Anhänge des vierten und
„ 10. Anhänge des fünften weiblichen Postabdominal-Segmentes.
Bedeutung der Buchstaben wie bei Fig. 8.
Tafel IX.
Die männlichen Begattungsorgane 1U0 Mal vergrössert.
Fig. i. Die Organa ejaculatoria sammt dem Samenbläschen.
a Basalplatten des ersten Postabdominal-Segmentes, /; abge-
schnittene Enden der Vasa deferentia, c das Samenbläs-
chen, d Organa ejaculatoria, e ein Muskel, der schief von
der Basalplatte zum Grunde der betreifenden Organe verläuft.
330 Schöbl. Typhloniscus.
f ein fächerförmiger Muskel, der die Verengerung des Lumens
dieser Organe bewirkt, g ein dritter Muskel, h eine spiralig
verlaufende zartwand igere Region.
Fig. 2. Die eigentlichen Ruthen sammt ihren Muskeln.
a Ein Theil der Bauchschiene, 6 die Basalplatten des zweiten
Poslabdominalsegmentes, c ein das GrundstĂĽck der Ruthe
umfassender Fortsatz der Basalplatte , d GrundstĂĽck der
Ruthe, e Ruthenkörper, f ein Muskel der die Abduction
der Ruthe bewirkt, g ein von der Basalplatte schief zur
Insertionsstelle des Kiemendeckels verlaufender Muskel, h ein
am GrundstĂĽck der Ruthe eingeschlossener, zum Ruthen-
körper verlaufender Muskel, i ein von der Bauchschiene
zur Basalplatte verlaufender Muskel.
Tafel X.
Weibliche Geschlechtsorgane.
Fig. 1. Die beiden Ovarien mit den Eileitern und Receptacula seminis im
Zusammenhange mit dem fünften Körpergürtel, von oben betrachtet.
a Ovarien, b eine ligamentartige Fortsetzung der Membran,
c die Bauchschiene des fünften Körpergürtels, d Eileiter,
e Receptacuhtm seminis, f unterer dickwandiger Theil des-
selben.
„ 2. Die halbe Bauchschiene des fünften Körpergürtels.
a äussere weibliche Geschlechtsöffnung , b Öffnung für den Fuss,
c eine bogenförmig verlaufende Kante.
„ 3. Receptaeulum seminis.
a oberer dĂĽnnwandiger, b unterer dickwandiger Theil desselben.
Im inneren Spermatozoiden.
Schöbl. Tvphlontscus
Taf.l.
Sil/.uiiLfsl) il.k .\kH(ld W. in.itli .naturw.Cl.XL. Bri.X" 9.1860.
Scholil . lypliloiuscii
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Schöbl. Typhlonixrus.
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Taf.UI.
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Sitfcungsb.dk Ak.-.d.d Vinalh iiatiirw.CI. XL Bd.X" 1) IftfiO
Schob! TvphloiĂĽ.scus.
Taf IV.
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Siiy..iii«isl. ,1 k Akn.l .d.W .math.naturvr.Cl <\. Bd.N" -9 1860.
SchcYbl. TypliloiĂĽseus.
Taf.V.
Hackl.lIaA.250maJ:I- â– Iruckere
Sitz.un>>sb (I.k.Ak-ad.dAV.m.-itlt.untHi-w.l'I. XL. BcLÂĄ?9.1860.
Scliobl. Tv|i]iIoiiiscus.
TnlWI.
SitETinösb.d,k.Akal.d.W.matli.Tiatxu:w.Cl. XL. TAX" 9.1860.
Schobl . TypJiLcmiscus.
Inf vn.
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Sii/jurisl. ,1 k.\ki'i(l.(l.AV.imitli.n.atur-w.CL XL. V><\ . X" II 1860.
SrlĂĽthL . Tv ph [oniscus.
Tflf.Vra.
Isjp'
s. jg-
b
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H&chlN-.' r.gea.v. Jos.ScKöbl.
hu 1. lc.lt Hof. u. Sta,aAsiruckerei.
Silir,uiij!sb.J.kAkad.ilT.ni:ith.iui1urw.t'l. XIi.Bd.X?- 9. 1860.
Schob] . Typhloiiiscug.
r-»rix.
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Sitz.uno-sW.k.Akn.l.iUY. matknalurwr.Cl. XTi.BOf-!
Schob!. TypMoniscus.
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Siu.imusli ..I k.AL.<l (1 W rnaih.naturw.Cl. XL. BOT^9.18G0.
Mol in. Trenta sppoie di Nematoidi. 331
Trenta specie di Nematoidi
determinate
dal Dr. Raffaele Mol in,
jadrense,
r. professore p. o. <Ii iniueralogia e zoologia presso la c. r. universitä «I i Pailinj.
(Vorgelegt in der Sitzung vom 1. December 1859.)
Introduzione.
Scrivendo le monografie dei generi Ilystrichis, Spiroptera, Dis-
pharagus, Histiocephalus e Physaloptera, hodovuto non solo esclu-
dere dall' uno ovvero dalf altro di questi generi alcune specie, le quali
erano state erroneamente classificate da altri elmintologi , ma oltre
a ciö ho avuto l'opportunitä di esaminare alcuni Nematoidi, i quali
mescolati insieme a un gran numero di esemplari di una specie esatta-
mente determinata appartenevano ad altro genere. Delle prime era rnio
dovere di fannene earico, e di indicare quäl posto devono occupare
nel sistema, degli Ultimi ho tenuto conto nella certezza che non sarä
inutile per la scienza il descriverli. E ciö tanto piii che fra questi
v'erano alcuni distinti sia per la novitä delle forme, sia per l'animale
che li albergava. In tal modo ebbe origine questa monografia la quäle
serve di appendice alle cinque precedenti. In essa sono descritte 30.
specie di Nematoidi, appartenenti a 14generi,trovate in 49 animali, vale
a dire in 5 poppanti, 37 uccelli, 6 rettili ed 1 pesce. Dei 14 generi
suddetti 2 sono generi nuovi, e delle 30 specie 7 sono specie rettifi-
cate, le quali erano state erroneamente determinate da altri natura-
listi, 21 sono specie nuove, di 1 e emendata la diagnosi, ed 1 e im-
portante per Panimale che Talbergava.
Ed ecco sciolto il problema che m'ero propostn. L'avrö poi
sciolto in modo che non ne ridondi vergogna al mio norne? Io oserei
sperare di nö, se posso conchiudere all" esito dall' affetto col quäle
m'affaticai in queste ricerche. Ora perö che son giunto alla fine di
questo penoso lavoro mi sia permesso di soddisfare a un sacro dovere
332 Mo 1 in.
rendendo un puhblico tributo di grazie ai signori cavalieri Kollar
e Frauen fei d, ai miei amici Dr. Fitzinger e nobile di Pö I z e I,
ed al mio maestro Dr. Diesing. I primi misero a mia disposizione
con una liberalita che non trova la sua pari le ricchissime collezioni
di elminti dell' i. r. Museo zoologico di corte; i signori Fitzinger
e Pölzel m'assistettero nell' esatta determinazione degli animali
esotici, nei quali furono rinvenuti i vermi intestinali descritti; e il mio
maestro Diesing non negommi mai Taiuto de1 snoi consigli, frutto
della sua lunga esperienza, ogni quäl volta avevo un dubbio da
schiarire, un concetto da coreggere. La gratitudine non aftettata che
io sento per questi dotti , sia di rimprovero a coloro i quali sferzati
del demone delf invidia tenlano di porre ogni possibile inciampo
a chi sentendo la dignita del sapere hatte diritto la sua strada senza
abhassarsi alla vile funzione delf adulatore.
I. Genus. Subulura Molin.
Caput corpore continuum; os terminale, orbiculare , hauet
armatum; corpus filiforme, inerme, postice longe subulatum;
extremitas caudalis maris aptera, papillis exornata, ace-
tabulo suctorio ab apice caudali remoto; vag i na penis
dipetala cruribus spiraliter tortis ; ap er iura vulvae in
posteriore corporis parte. — Avium in intestinis obvia.
1. Subulura acutissima Mol in.
Caput corpore continuum, epidermide stricte adnata ; os
terminale, orbiculare, parvum, papillosum; corpus filiforme,
utrinque, retrorsum tnagis attenuatum ; extremitas anterior
apice rotundata; caudalis maris subulata, apice acutisshno,
inflexa, acetabulo suctorio maximo (ano?) ab apice caudali
remoto, aptera, paribus 4 papillarum, quorum duo inter aceta-
bulum et aperturam genitalem, duo ante apicem caudalem :
vagina penis dipetala, cruribus longis et latis. uequalibus,
spiraliter tortis, ex apertura genitali prominula papillis circum
data; extremitas caudalis feminae longissime subulata,
recta, apice acutissimo ; anus ab apice caudali ratde remotus :
Trenta specie di Ncmatoidi. 333
apertura vulvae in posteriori corporis parte ante anum,
elque propinqua (?). Longlt. mar. 0007; fem. 0 012; crasslt.
00003.
Physaloptera saginata Strigis brasiliensis N. 16: in Collect. Entoz.
M. C. V.
Physaloptera strongylina Cuculi Seniculi: in Collect. Entoz. M. C. V.
Habitaculam. Stria; atricapilla, Augusto; — Cuculus melacory-
phus: in ventriculo et in intestinis, in Brasilia (Natterer). M. C. V.
Osservatione 1. lo ho avuto l'opportunitä di esaminare 4 esem-
plari maschi e 4 femine di questa specie. Io li rinvenni in im vasetto
nnitamente a 4 altre femine delle quali mi e impossibile di stabilire la
diagnosi, perche mal conservate, delle quali perö posso con certezza
asserire che non erano ne Subulura ne Physaloptera ad onta che
tutti questi elminti fossero stati considerati per Physaloptera
strongylina.
Osservazione 2. Chiunque osserva per la prima volta l'estremitä
caudale dei maschi di questa specie, li considerera per Dacnitis, se
le lamine della guaina del pene ravvolte a spira non risvegliassero il
sospetto che questi elminti potrebbero pur essere qualche altra cosa.
Ed in fatti studiando la forma della bocca si deve persuadersi che
non sono Dacnitis. Non sono ne Heteracis ne Oxyuris coi quali
hanno molta affinitä a motivo della guaina del pene dipetala; ne
Filaria pel complesso della loro organisazione. Del resto le Filarie
non si trovano nel tubo intestinale. Io ho stabilito perciö il nuovo
genere Subulura dessumendo il nome dalla forma della estremitä
caudale.
Osser?azione 3. Gli elminti in questione, quantunque opachi,
avevano distintamente pronunciati i caratteri difierenziali generici.
Due dubbi soltanto mi restano a sciogliere, i quali perö non hanno
che fare colla diagnosi del genere. II primo si e che la ventosa al
principio dell1 estremitä caudale del maschio mi lascia incerto sulla
funzione flsiologica, vale a dire che non so decidere se essa sia una
semplice ventosa, un apparato di adesione, ovvero l'apertura dell'
ano. II secondo dubbio riguarda la posizioue della vulva. Sembrommi
in un esemplare che essa si trovi a breve distanza sopra l'ano, ma
non avendo potuto proseguire nell' interno del verme il decorso dell'
ovidotto non posso con certezza asserire che il punto da nie notato
sia veramente la vulva.
Sitab. d. mathem.-naturw. Cl. XL. Bd. Nr. 9. 23
'â– .â– "
334 M o 1 i n.
II. Genus. Oxyuris.
2. Oxyuris aeanthura Mol in.
Habitacalnm. Chrysolamprus occellatus: in intestinis, in Hispa-
nia (Natterer). M. C. V.
Osseryazione. Di questo elminto ho avuto opportunitä di esami-
nare 3 esemplari femine trovati unitamente a 10 Oxyuris extenuata
ed 86 Physaloptera abbreviata in un Chrysolamprus occellatus, e
molte altre femine trovate unitamente a 80 Phys. abbreviata in un
altro rettile della stessa specie.
3. Oxyuris extenuata Mol in.
Caput epidermide stricte adnata; os coronula papillarum
cincta; corpus transversim anulatum, utrinque, antrorsum
magis attenuatum; extr emitas caudalis maris . . . ;
feminae obtusa, apice longe mucronata; anus ab apice caudali
remotus; apertura vulvae in anteriori corporis parte, ori pro-
pinqua. Longit. fem. 0006 — 0009; crassit. 00008.
Ascaris extenuata Iiudolphi: Synops. 47. et 287. — Dujardin: Hist. nat.
des Helminth. 174. — Diesing: Syst. Helminth. II. 1S4.
Habitacalnm. Chrysolamprus ocellatus: in intestino recto,
Algesirae (Natterer). M. C. V.
Osservazlone 1. Io ho avuto Topportunita di esaminare 10 esem-
plari femine di questo elminto raccolti unitamente a 3 Oxyuris acan-
thura e molte Physaloptera abbreviata.
Osservazione 2. L'anatomia di questi elmiuti corrispondeva per-
fettamente alla descrizione data da Rudolphi, meno la forma delle
nuova, le quali erano molto grandi ma non quadrilatere simili a
quelle degli squali; come pretende quelT autore.
III. Genus. Ascaris.
4. Asearis laneeolata Molin.
Caput corpore continuum, epidermide stricte adnata; os
trilabiatum, labiis parvulis, strictura a reliquo corpore discretis,
antice depressis, singulum papilla sphaerica dorsafi ; corpus
antrorsum magis attenuatum, tortuosum, retrorsum increscens;
-•
Trenta specie di Nematoidi. 335
extremitas candalismaris depressa, ellyptica, subtus foveo-
lata fovea longitudinali alis linearibus turgidulis einet a, apice
longe et valde cuspidata; vagina penis . . .; extremitas
caudalis feminae reeta, rotundata, mucrone terminali acute
conico. Longit. mar. 0-02 — 0025; crassit. 00005. Longit. fem.
0025—003; crassit. 00008.
Physaloptera mucronata Diesing: Syst. Helminth. 11.235., et in Denkschr.
d. k. Akad. d. Wissenseh. XIII. 16. — Leidy: in Proeeed. Acad.
Philad. VIII. (1856). 53.
Habitaculam. Champsa nigra: in ventriculo, Junio, Borba
(Natter er). — Ch. Lucius: in eodem organo, numerose, in Georgia
(Jones). M. C. V.
Osservazione. Io ho avuto Fopportunitä di esaminare circa 400
individui tra maschi e femine raecolti li 27 Giugno 1830 nello
stomaco di un Champsa nigra maschio.
5. Ascaris laticauda Molin.
Caput corpore continuum, idrinque alatum alis latis, semi-
lanceolatis, longis; os trilabiatum, labiis magnis, strictura a reliquo
corpore discretis, singulum hemispkaericum , papilla minima
dorsali centrali ; corpus laeve, antrorsum increscens , retrorsum
sensim attenuatum ; extremitas anterior subito attenuaia,
spiraliter inflexa, apice truncata; caudalis maris reeta, apice
acutissimo , acute conica, utrinque alata alis linearibus , margine
undulato, singula papillis maximis 8, quarum 2 ante, 4 ad, 2
post aperturam genitalem; vagina penis dipetala ; extre-
mitas caudalis feminae longe acute conica, reeta, apice
acuto ; anus ab apice caudali valde remotus; apertura vulvae
in posteriori corporis parte prominula, medietati propinqua.
Longit. mar. 0 03 — 0045; crassit. 00003 ~ 0 0008. Longit.
fem. 0 035—006; crassit. 00004 — 0001.
Physaloptera? Micro daetyli Marcgravii: in Collect, brasil. Entoz. M. C. V.
Habitacaluin. Dicholophus Marcgram: in intestino tenui et
coeco, Decembri, Zaniambaya (Natter er). M. C. V.
Osservazione. Io ho avuto fopportunitä di esaminare piü di 100
individui di questa specie benissimo conservati, tra i quali molti maschi
trovati il 1 Decembre 1823 in un Dicolophus Marcgravi femina, il
quäle conteneva inoltrenel tenueS grandieäpiccoliEchinorinchi liberi.
23*
336 M o I i n.
6. Ascaris Microlabium Mol in.
Caput corpore continuum, epidermide stricte adnata; os
trilabiatum labiis parvis, strictura a reliquo corpore discretis;
corpus filiforme, densissime transversim striatum; extremitas
anterior sensim attenuata; posterior increscens ; caudalis
maris uncinata, apice mucronata, subtus papulosa; feminae
recta, breve acute conica; anus apici caudali proximus ; aper-
tura vulvae . . . . Longit. mar. O'OIU — 0019; crassit.
0 0005 — 00008. Longit. fem. 0 016—0 022; crassit. 0000Ö
— 0 001.
Spiroptera Falconis N. 443: in Collect, brasil. Entoz. M. C. V.
Habitaculuui. Falco coronatus: in ventriculo, Octobri, Rio
Araguay (Natter er). M. C. V.
Osservaziooe. Io ho esamin;tto di questa specie 10 individui
masehi e 13 feinine ben conservati, rinvenuti in un F. coronatus
femina li 31 Ottobre 1823 unitainente a 17 Phystdoptera acuticauda
e 3 Spiroptera recticauda.
7. Ascaris aiigusticollis Mol in.
Caput epidermide stricte adnata; os trilabiatum, labiis
magnis, strictura a reliquo corpore discretis, singulum papilla
dorsali centrali sphaerica ; corpus filiforme, densissime ac
gracillime transversim anulatum, antrorsum sensim maxime
attenuatum, retrorsum increscens; extremitas caudalis
maris. . .; feminae recta, appendice conica. Longit. fem.
004 — 0-08; crassit. 00005—0001.
Phystiloptera tenuicollis Rudolphi: Synops. 30. 258 et 647. — Diesing:
Syst. Helminth. II. 237.
Spiroptera? tenuicollis Dnjardin: Hist. nat. des Helminth. 95.
ĂĽabitacalam. Falco Haliaetus: in intestinis tenuibus, autumno
— F. Buteo: inter tunicas ventriculi (M. C. V.).
Osservazione 1. Io ho avuto l'opportunitä di esaminare 1 esem-
plare femina di questa specie ti-ovato in un Falco Haliaetus, ed 1
altra femina trovata in un F. Buteo. Nessuno di questi due esemplari
era tanto ben conservato da poter distinguere quäl che altro carattere
piĂĽ preciso di quelli esposti nella diagnosi.
Osservazione 2. Ad onta che gli individui da nie esaminati non
fossero ben conservati ciö non per tanto la forma del cullo distingue
Trenta specie di Nemfltoidi. 337
questa specie da tutte quelle che hanno il corpo iuerme, il capo senza
ali ed il corpo anteriormente attenuato; mentre la presenza dell1
appendice conica all'apice caudale la distingue dall' Ascaris depressa.
8. Ascaris anterospiralis Mol in.
Caput epidermide stricte adnata; os labiis rotundatis,
singulum papilla sphaerica parva dorsali; corpus filiforme,
densissime ac gracillime transversim anulatum, retrorsum sensim
attenuatum, ala utrinque lineari transversim striata; ecctre-
mitas anterior spiralis , vix attenuata; caudalis maris
serie duplici 7 papillär um epidermide obtectarum ante aperturam
genitalem apici caudali propinquam, post aperturam genitalem
subito breve acute conica; vag in a penis . . .; extremita
caudalis feminae recta, longe acute conica; anus ab apice
caudali remotus ; aper iura vulvae in anteriori corporis parte.
Long it. mar. 003; crassit. 0 0004. Long it. fem. 0-024 — 0050;
crassit. 0-0004 — 00008.
Physaloptera Felis coneoloris: in Collect, brasil. Entoz. M. C. V.
Haiti! aciilum. Felis concolor: in ventriculo, Novembri, Caicara
(Natter er). M. C. V.
Osservazione 1. Questa specie si distingue dalP Ascaris lepto-
ptera per la mancanza delle ali, e da tutti gli altri ascaridi che hanno
il capo senza ali, e Festremitä posteriore attenuata per molti altri
caratteri, tra i quali principalmente per festremitä anteriore inhVssa
in cerchio.
Osseriazione 2. Io ho avuto l'opportunitä di esaminare di questa
specie 3 esemplari maschi e 5 femine tutti benissimo conservati e
perfettamente trasparenti trovati nello stomaco di un Felis concolor
maschio, il quäle aveva inoltre nel budello 14 Dibothrium, 15 Tenie
senza testa e 2 piccole Tenie armate, 31 Strongilo e 3 altri piccoli
Nematoidi, ai 19 Novembre 1825. Natter er nota nel suo giornale
che avendo nello stesso giorno sezionato un altro Felis concolor
maschio in questo non rinvenne che 56 Strougili ed 1 Echino-
rinco libero.
9. Ascaris helicina Mol in.
Os trilabiatum labiis magnis, strictura a reliquo corpore
discretis; Caput coatinuum, epidermide stricte adnata; corpus
338 M o 1 i n.
antrorsum sensim attenuatum, retrorsum increscens, maris in
discum spiraliter involutum, fem in ae interdum totum, interdum
arte posteriori in helicem tortum anfractibus nunc arctis et nunc
taxis; extremit as caudalis maris alis linear ibus, brevibus,
transversim dense striatis, ad aperturam genitalem ter papillaris,
post aperturam genitalem subito acute conica, apice mucronato,
inflexa, utrinque bipapillata ; vagina penis dipetala, cruribus
linear ibus, exilissimis, apice acutissimo, deflexis; extr emitas
caudalis feminae subito acute conica, apice mucronato, recta;
anus prominulus, apici caudali proximus ; apertura vulvae in
anteriori et fere media corporis parte. Longit. mar. 0006 — 0008
crassit. 00001 — 0 0002. Longit fem. 0013 — 0028; crassit.
0 0003 — 0001.
Physaloptera retusa Crocodili acuti: in Collect. Entoz. M. C. V.
Habitaculum. Crocodilus acutus: in ventriculo. M. C. V.
Osservazione 1. Questa specie e affine all1 Ascaris Capsularia,
dalla quäle perö si distingue per tanti caratteri che e impossibile
confondere insieme le due specie.
Osservazione 2. Io ho avuto l'opportunitä di esaminaie di questa
specie 12 individui maschi e 20 femine trovati in un Crocodilus
acutus, non che IS femine trovate in un altro rettile della stessa
specie dei quali pero non rinvenni altra indicazione.
10. Ascaris papulosa Mol in.
Caput corpore continuum; os trilabiatum ; corpus densis-
sime transversim striatum; extremit as anterior attenuata,
apice truncato; posterior increscens ; caudalis maris breve
subulata, apice truncato, semel spiraliter torta, fovea suctoria
musculari acetabuliformi, aptera, papillis utrinque S conicis,
quarum 1 ante, 4 post aperturam genitalem; vagina penis dipe-
tala, cruribus fdiformib us , longissimis ; penis brecis, styloideus,
vix incurvus; extr emitas caudalis feminae . . . . Longit.
mar. 0 012; crassit. 00003.
Spiroptera Corvi cajani: in Collect, brasil. Entoz. M. C. V.
Habitaculum. Corvus cajanus: in intestino, Octobri, Barra do
Rio negro (Natterer). M. C. V.
Osservazione. Io ho avuto l'opportunitä di esaminare 1 esemplare
maschio di questa specie trovato li 2 Ottobre 1830 in un C. cajanus
Trenta specie di Nematoidi. 339
t'emina, il quäle aveva anche una Spirottera fra le tonache dello
stomaco.
Species iiiquirenda.
1 1 . Ascaris valclemiicronata M o I i n.
Caput alatum; os trilabiatum; corpus antrorsum attenua-
tum, fem in ae circulariter inflexum; extremitas caudalis
maris inflexa, subito acute conica, aptera, apice mucronato,
mucronc longo et valido, ante aperturam genitalem f'ovea suctoria
musculafi acetabuliformi ; vagina penis dipetala, cruribus bre-
vibus exilissimis ; extremitas caudalis feminae apice obtu-
sissimo, valde mucronato. Longit. mar. 0007; fem. 0 012; crassit.
00002.
Spiroptera Ardeae Maguari: in Collect, brasil. Entoz. M. C. V.
Habitaculum. Ciconia Maguari: in ventriculo et proventriculo,
Februario, Caicara (Natter er). M. C. V.
Osservazione. Io ho esaminato 1 esemplare maschio e 2 femine
della specie suddetta raccolti dallo stomaco e dall' echino di una
Ciconia Maguari maschio ai 6 Febbrajo 1826. Tutti e tre quegli
esemplari erauo benissimo conservati e perfettamente trasparenti.
Leggi la osservazione 2a alla specie Spiroptera excisa.
Species inquirenda.
12. Ascaris spiralis Molin.
Os trilabiatum, labiis maximis, obsoletis, singulum papilla
centrali sphaerica ; corpus plicis cutaneis circularibus transversim
crenatum, semispirale , vel spiraliter tortum; extremitas anterior
sensim attenuata; posterior increscens, subito subidata, apice
acutissitno, subtus papillis duabus minimis. Longit. 0010 ; crassit.
00001-0 0002.
Spiroptera Pici N. S00 : in Collect, brasil. Entoz. M. C. V.
Habitaculain. Picus comatus, Octobri, Barra do Rio Janeiro
(Natter er). M. C. V.
Osservazione 1. Io non ho potuto esaminare altro che 6 esem-
plari di questa specie non bene conservati e del tutto opachi.
Osservazione 2. Non saprei indicare precisamente in quäl organo
furono trovati, perche nel giornale di Natter er non trovai altra in-
dicazione se non che agli 8 Ottobre 1825 egli rinvenne alla giuntura
340 M o I i n.
de! talone di im Picus comatus 3 pircole Spirottere. Egli e certo
che questi tre elminti non potevano essere gli ascaridi da me esami-
nati poiche questi vermi non vivono che nel tubo intestinale di altri
animali.
IV. Genus. Heteracis.
13. Heteracis anulata Molin.
Caput corpore continuum; os terminale, orbiculare, nudum,
amplum; corpus utrinque alatum aus linearibus latiusculis,
utrinque, retrorsum maxime attenuatum ; extremitas anterior
apice truncata; caudalis mar is subulata, apice longe mucronata,
subtus alata aus linearibus , singula papillis 7 , quarum 5 post,
2 ante aperturam genitalem; apertura genitalis ex qua
vagina penis monopetala , longiuscula, incurva, filiformis, apice
acutissimo, ab apice caudali haud remota; anus amplus limbo
cpidermoidali denticulato circulari cinctus, supra aperturam geni-
talem, ab earemotus; extremitas caudalis feminae longe
subulata, apice acutissimo; anus ab apice caudali remotus;
apertura vulvae in anteriori corporis parte prominula.
Longit. mar. 0006; fem. 0008; crassit. 00002.
Physaloptera Colubri N. 52: in Collect, brasil. Entoz. M. C. V.
Habitacolam. Ophis saurocephalus : in intestino, Junio, Caicara
Natterer). M. C. V.
Osservazione. Io ho avuto Topportunitä di esaminare di questa
specie 1 individuo maschio e 2 femine benissimo conservati e per-
perfettamente trasparenti trovati li 20 Giugno 1826 in un Ophis
saurocephalus femina checonteneva 1 piccolissimo Echinorinco libero
nel budello e 5 Fisalottere nello stomaco e nel budello. Un altro
rettile della stessa specie sezionato a Cuyaba li 27 Febbrajo 1825
non conteneva altro che 36 Fisalottere nello stomaco e nel budello.
14. Heteracis verrucosa Mol in.
Capu t corpore continuum; epidermide stricte adnata; corpus
usifbrme, utrinque, retrorsum magis attenuatum, verrucis in series
laterales dispositis exornatum; extremitas anterior apice
truncata; caudalis maris uncinatim inflexa, longe subulata,
apice acutissimo; vagina penis simplex, styloidea, vix incurvata ;
Trenla specie di Nematoidi. «54-t
penis ... ; extremitas caudalis feminae recta, lotige subu-
lata, apice acutissimo. Longit. mar. 0 0075; crassit. 00003.
Longit. fem. 0012; crassit. 00005.
Spiroptera Caviae Aguti: in Collect, brasil. Entoz. M. C. V.
Habitaculoni. Dasyprocta Aguti: in ventriculo, Januario, Caicara
(Natterer). M. C. V.
OsserTazione 1. Io ho esaminato 5 esemplari maschi e 6 femine
del suddetto verme. Essi erano tutli ben conservati e perfettamente
trasparenti e trovavansi con molte Spiroptera mediospiralis raccolte
dalio stomaeo di un Dasyprocta Aguti femina ai 23 Gennajo 1826.
15. Heteracis suctoria Mol in.
Caput strictura a corpore reliquo discretum; os orbiculare,
magnum; corpus filiforme, densissime transversim striatum;
extremitas anterior attenuata, apice incrassata, alis utrin-
que latiusculis linear ibus transversim striatis; caudalis maris
longe subulata, fovea magna suctoria acetabuliformi , papillis
utrinque 6, quarum 2 ante, 4 post apertur am genitalem; penis
brevis, subrectus; extremita caudalis feminae . . . Longit.
mar. 0 012; crassit. 00002.
Spiroptera Caprimulgi: in Collect, brasil. Entoz. M. C. V.
Habitaculani. Caprimulgus campestris : inter tunicas ventriculi.
Junio, Manaos (Natter er). M. C. V.
OsserTazione 1. Io non ho potuto esaminare altro che 1 solo
esemplare maschio di questa specie trovato ai 19 Giugno 1834 fra
le tonache dello stomaco di un C. campestris maschio. L/esemplare
era benissimo conservato, e perfettamente trasparente.
Osservazione 2. Questa specie e molto affine all' Heteracis
brevicaudata D u j a r d i n.
V. Genus. Dispharagus.
16. Dispharagus capitatus Molin.
Caput corpore continuum, conicum, incrassatum, plicis
longitudinalibus utrinque in funicula duo longit udinalia , valde
flexuosa, brevia, longe recurrentia, band conjuncta inflatis ; os
bilabiatum, labiis papillaeformibus, minimis; corpus filiforme,
densissime, ac gracillime transversim anidatum, subaequale; ex-
tremitas caudalis maris ...; feminae breve conica, apice
342 »Ion .,.
obtaso; anus ab apice caudali haud remotus; apertura vul-
vae. . . Longit. fem. 0011; crassit. 00003.
Spiroptera alata Falconis N. 773: in Collect, brasil Entoz. M. C. V.
Habitaculuin. Falco minutus: in ventriculo, Julio, Matogrosso
(Natterer). M. C. V.
Osservazione. Io non ho avuto l'opportunitä di esaminare altro
che 1 esemplare femina ben conservato di questa specie , il quäle fu
raccolto al 1 Luglio 1828 unitamente a 2 Physaloptera acuticauda
dallo stomaco di an F. minutus femina che aveva inoltre 1 Ne-
matoide lungo ed esile su d'un occhio; e 2 lunghi Distomi, 2 Echino-
rinchi aderenti, 4 Amfistomi e 20 Monostomi nel budello.
VI. Genus. Tropidocerca.
Species inquirenda.
17. Tropidocerca bispinosa Molin.
Caput corpore continuum; os fissum, papillis 4 conspicuis;
corpus filiforme, leve; extremitas anterior subito sensim
attenuata ; feminae semicirculariter inflexa, utrinque tuber culo
aculeato laterali, apice truncata; posterior recta, conica, apice
acutissimo; anus ab apice caudali haud remotus; apertura
vulvae in anter iori corporis parte prominula, bilabiata; uterus
biconüs. Longit. fem. 0011 — 0 016; crassit. 00001— 00003.
Spiroptera Seiaei officinalis: in Collect. Entoz. M. C. V.
Habitaculam. Scincus officinalis. M. C. V.
Osservazione 1. Io ho avuto occasione di esaminare 5 esemplari
femine di questo verme. Essi erano benissimo conservati e perfetta-
mente traspaienti.
Osservazione 2. Questi vermi a primo aspettö ricordavano i maschi
della Tropidocerca; Tutero si rivolgeva immediatamente verso la
coda , e si suddivideva dopo lungo decorso in 2 ovidotti i quali erano
ripieni di uova grandi e di forma ovale e si estendevano fino all' ano.
Egli e ben vero che fino ad ora le femine del genere Tropidocerca
furono trovate in forma ben differente, vale a dire rigonfie come un'
elissoide fra le tonache ovvero i muscoli dello stomaco degli uccelli e
non mai in unamlibio. Ma io sono altrettanto sicuro che gli elminti da
ine esaminati in questa circostanza somigliano ai maschi di una Tro-
Trento specie di Nematoidi. 34»)
pidocerca piĂĽ che a qualunque altro nematoide. Forse che queste
femine appartengano a un nuovo genere, ma appunto perche non ho
avuto occasione di esarainare altro che individui femine non mi azzardo
di introdurre un nuovo genere nella scienza.
VII. Genus. Ancyracanthus.
18. Ancjracantlius bilabiatus Mol in.
Corpus capillare, densissime transversim striatum; caput
corpore continuum, spinulis 4 cruciatim dispositis pinnatifdis,
retroflexis , maris majoribus, fem in ae minor ibus armatum; os
terminale, bilabiatum, labiis papillaeformibus minimis; extre-
mitas anterior sensim attenuata; caudalis maris bis spira-
liter torta, utrinque alata alis latis, singula papillis brevibus apice
incrassatis exornata; vagina penis monopetala, brevis, crassa,
navicidaris; penis longus, filiformis ; extremitas caudalis
feminae subito obtuse couica, semel spiraliter torta, apice obtu-
sissimo, centro depresso; auus ab apice caudali haud remotus ;
aper iura vulvae in posteriori corporis parte, prominula,
bilabiata, labio superiori tumido. Longit. maris 0007; fem. O'OOi).
Spiroptera Ardeae Helias : in Collect, brasil. Entoz. M. C. V.
Habitaculam. Eurypyga Helias: inter tunicas ventriculi, Martio,
Praja de Cujutuba (Natter er). M. C. V.
Osseryazione. Io ho esaminato 1 esemplare maschio ed 1 feinina
di questa bellissima specie. Essi erano benissimo conservati e per-
fettamente trasparenti, e furono raccolti dallo stesso uccello, dal quäle
provengono le Spiroptera appendiculata ai 13 Marzo 1835.
VIII. Genus. Elaphocephalus Mol in.
Caput discretum, utrinque aculeis 4 armatum, quorum medii
majores apice dilatato serrato, laterales minores apice bicuspi-
dato; os papillosum; corpus tot um spinulosum; extremitas
caudalis maris. . .; aperturu vulvae ados. — Avium inter
tendines digitorum parasita.
Osservazione. Quantunque non abbia avuto Topportunitä di esa-
minare altro che una femina di questa specie ciö non per tanto non
esito un istante a fonnare im nuovo innere. E in (atto: l'armatura
344 Moli n.
della testa e del corpo, non che la posizione <Iella vulva distinguono
questo verme da qiialunque altro genere d'elminti. Esso mi sembra
affine al genere Ancyracanthus piü che a qiialunque altro, e perciö
lo inserisco nel sistema presso di questo. Gli aculei centrali di ciascun
lato somigliano per la loro forma a palchi di cervo microscopici, e
perciö ho addotato il nome generico Elaphocephalus derivato da
ilafog cervo e xsyaAog testa.
19. Elaphocephalus octoconuitus Mol in.
Caput discretum, utrinque aculeis maximis quatuor arma-
tum, recurvis, quorum centrales majores apice serrato, laterales
minores apice bicuspidato ; os papillis duabus mamillatis ; corpus
totum spinulosum, spinulis brevibus acutissimis, in circulos crebros
transversales dispositis ; extremitas anterior sensim attenuata;
posterior aequalis , apice obtusissimo ; extremitas caudalis
maris . . . ; anus...; aper iura vulvae ad os. Longit. fem.
00012; crassit. 0 0004.
Spiroptera Psittaci Macaonis: in Collect, brasil. Entoz. M. C. V.
Habitaculuiii. Psittacus Macao: ad originem digitorum pedis,
Septembri, Ponte do Guapore (Natter er). M. C. V.
Osservazione. Io non ho avuto occasioue di esaminare altro che
una femina di questo bellissimo verme. Essa era benissimo conservata,
perfetlamente trasparente, e fu trovata insieme a 9 Spiroptera cir-
cularis li 28 Settembre 1827.
IX. Genus. Dacnitis.
Species inquirenda.
20. Dacnitis fusiformis Molin.
Caput incrassatum, strictura a reliquo corpore discretum;
os bilabiatum, labiis hemisphaericis magnis, singulum bipapillare
corpus fusiforme, antrorsum apice rotundato, retrorsum sensim
attenuatum; extremitas caudalis maris . . . ; feminae
long e acute conica, apice breve mucronata ; anus ab apice caudali
remotus. Longit. fem. 0002; crassit. 0 0003.
Habitaculum. Platessa Flesus: in intestinis, hieme (M. C. V.J.
Trenta specie di Nematoidi. 34-D
Osservazione. Io ho esaminato 2 non ben conservati esemplari
femine di questa specie che trovai nello stesso recipiente nel quäle
venivano couservati gli //. minutus dell' i. r. Museo Zoologien di
corte.
X. Genus. Cosmocephalus.
21. Cosmocephalus alatus Mo Hu.
Caput corpore discretum, acuminatum , substriquetrum,
scutelUs quatuor capiti adnatis antice conjunetis , alisque parvis
scutellis antice interjeetis , spinulis 2 lateralibus int er scutella et
alas ; os terminale, bilabiatum, labiis papillaeformibus, minimis;
corpus filiforme, densissime transversim striatum, utrinque,
retrorsum magis attenuatum, alis duabus lateralibus linear ibus
transversim striatis; extr emitas caudalis maris ter spira-
liter torta, apice acuto, alis angustis, singula papillis 7 clavatis ;
vagina penis monopetala, brevis, vix ineurva, p enisque
longus, arcuatus, apice acuto, filiformes ; extr emitas caudalis
feminae reeta, acute couica, apice obtuso; anus apici caudali
haud proximus ; apertura vulvae in medio corporis sita. Longit.
mar. 0012; crassit. 0 0002. Longit. fem.0 018—0 020; crassit.
00003.
Spiroptera obvelata Creplin: Obs. 10. et 80., Nov. Obs. 5. et in Wieg-
manns Arch. 1846. 136. 140. 145. — Melius: in Isis. 1831. 75. —
Duj ardin: Hist nat. des Helminth. 101.
Histioeephalus spiralis Diesing: Syst. Helminth. II. 231.
Habitaculani. Laras maximus: in oesophagi tuuica interna
(Rosentlial), Novembri (Creplin); — L. argentoides; in oeso-
phago, Novembri (Schilling); — L. argentatus: in proventri-
culo, Aprili (Schilling et Mehlis); — L. medius in ventriculo
(Schilling); — L. canus (Mehlis); — L. fuscus et marinus
(Creplin); — L. ridibundus (Schilling). — Alca Tor da
(H o s e n t h a I) ; — Tot anus maculatus, Augusto ; — T hipoleucus ;
— Sterna risoria et Mergus Serrator: in oesophago, Junio
(Schilling). M. C. V.
Osservazione I. Io ho avulo l'opportunitä di esaminare 1 osem-
plare maschio e 2 feinine di questa specie trovati in un Laras
marinus. Tutti e tre questi esemplari erano benissimo couservati e
perfettamente trasparenti.
346 M o I i n.
Osservazione 2. In conseguenza d'una rigorosa indagine ho
potuto assicurarmi che questi sono veri Cosmocephalus come spero
risalterä chiaramente a chiunque leggera la diagnosi. Io rapporto a
questa specie tutte le Spiroptera obvelata trovate nei sunnominati
uccelli perche anche Dujardin le considera come im' unica specie,
e le descrive come identiche.
XI. Genus. Spiroptera.
22. Spiroptera recticauda Mol in.
Caput corpore continuum; o s papillosum ; corpus filiforme,
retrorsum magis attenuatum, densissime ac gracillime transversim
striatum; extremitas anterior apice truncata; caudalis
maris . . ; feminae recta, longe acute conica, apice acuminato ;
anus ab apice caudali remotus ; apertura vulvae in posteriori
corporis parte, medietati propinqua. Longit. fem. 0 007 — 0 016;
crassit. 00001.
Physaloptera Falconis N. 443 : in Collect, brasil. Entoz. M. C. V.
Habitaculom. Falco coronatus: in ventriculo, Octobri, Rio Ara-
guay (Natterer). M. C. V.
Osservazione. Io ho esaminato 3 esemplari femine di questa
specie benissimo conservati e perfettamente trasparenti trovati ai
31 Ottobre 1823 in un F. coronatus femina unitamente a 17 Physa-
loptera acuticauda e 23 Ascaris Microlabium.
23. Spiroptera graeilis Mol in.
Caput corpore continuum, aculeis 4 retrorsum versis, con-
spicuis, armatum; os papillosum; corpus filiforme, gracile, an-
trorsnm sensim magnopere attenuatum; extremitas caudalis
maris bis spiraliter torta, alis conspicuis liuearibus, post aper-
turam genitalem ter papillatis , apicem caudalem obtusum amplec-
tentibus; vagina penis brevis, navicidaris, incurva; penis
longior, filiformis, arcuatus ; extremitas caudalis feminae
subito breve acute conica , apice obtuso , interdum recta, interdum
deflexa; anus ab apice caudali haud remotus; apertura
vulvae in posteriori corporis parte. Longit. mar. 0 005; fem.
0006; crassit. 0000t.
Spiroptera hicnspis Rudolphi: Synops. 24 et 240. — Creplin: in Wieg-
mann's Arch. 1846. 136.
Trenta specie di Nematoidi. 347
Dispharagus bicuspis Dujardin: Hist. nat. des Helminth. 79.
Histiocephalus gracilis Diesing : Syst. Helminth. II. 231.
Habitaculnm. Vanellus melanogaster : inter tunicas ventriculi,
aestate. M. C. V.
Osservazione. Io lio avuto l'opportunitä di esaminare 5 esemplari
maschi e 11 femine di questa specie. Tutti erano benissimo conser-
vati, perfettamente trasparenti e provenivano da un solo uccello.
24. Spiroptera saginata Dujardin, Char. emend.
Caput corpore continuum; os orbiculare , nudum; corpus
feminae laxe spiraliter tortum , anfractibus aequalibus 3 — 7,
utrinque sulcatum; extr emitas anterior magis attenuata,
apice obtuso; caudalis feminae subrecta, obtusa; onus ab
apice caudali remotus. Longit. 0 03 — 008; crassit. 0 001 — 0 002.
Physaloptera saginata Rudolphi: Synops. 647. — Diesing: Syst. Hel-
minth. II. 236.
Spiroptera saginata Dujardin: Hist. nat. des Helminth. 96.
Uabitnculum. Stria? atricapilta , Novembri, Matogrosso; — St.
torquata; — Falco furcatus, Novembri, Para; — Crotophaga Ani,
Julio, Villa dos Manaos; Januario et Februario, Matogrosso; —
Caprimulgus gujanensis, Junio, Villa dos Manaos; — C. leucopygius,
Novembri, Matogrosso; — Icterus cristatus, Decembri, San. Vin-
cente; — Thamnophilus funebris , Octobri, ßarra do Rio negro; —
Cucidus Tinguacu, Majo, Barra do Bio negro; Julio, Matogrosso; —
Corvus Cajanus, Septembri et Octobri, Barra do Rio negro: in eorum
intestinis (Natter er). M. C. V.
Osservazione 1. Io ho avuto l'opportunitä di esaminare i seguenti
esemplari:
I. 5 esemplari trovati li 13 Novembre 1826 in 3 Stria atri-
capilla, vale a dire 2 nelP intestino di una femina unitamente a 15
altri piccoli Nematoidi; 2 nel tenue di un maschio che conteneva 12
piccoli Nematoidi in parte nel tenue ed in parte nei ciechi; ed 1 nel
tenue di un' altra femina, la quäle aveva inoltre 12 piccoli Nematoidi
nel tenue e nei ciechi, finalinente 6 femine trovate in una Strios
torquata delle quali Natterer non da altre indicazioni.
II. 2 raccolti il 30 Novembre 1830 nel budello in un Falco
furcatus il quäle aveva inoltre 1 altro Nematoide nello stesso organo
e 6 Spirottere sotto la membrana nittitante.
348 M o I i n.
III. 1 frovato ai 13 Luglio 1834 nel tenue di un Crotophaga
Ani maschio, il quäle aveva 7 Ascaridi maschi nei ciechi; 6 raccolti
al 10 Gennajo 1829 dal tenue di una femina la quäle aveva 1 Taenia
senza testa, 1 Echinorinco aderente, e 2 Distomi nello stesso organo,
non che 7 Ascaridi nei ciechi; e finalmente 5 trovati ai 26 Febbrajo
1829 nei tenue di un maschio che avera inoltre 11 Nematoidi sotto
la memhrana nittitante di un occhio. Natter er nota nel suo giornaie
che avendo sezionato ai 19 Gennajo 1829 un maschio della stessa
specie non trovö in questo che 1 Echinorinco aderente 15 Distomi e
17 Monosfomi nel tenue, ed 8 Ascaridi nei ciechi.
IV. 2 femine trovate li 23 Giugno 1834 in un Caprimulgus
gujanensis maschio.
V. 1 femina trovata li 4 Novembre 1826 in un Caprimulgus
leucopygius maschio.
VI. 1 femina e 2 frammenti trovati unitamente a 2 Echinorinchi
liberi li 20 Decembre 1826 in un Icterus cristatus maschio.
VII. 3 femine trovate li 12 Ottobre 1830 in un Thamnophilus
funebris maschio e giovine.
VIII. 2 femine trovate li 2 Maggio 1833 in un Cuculus Cajanus
del quäle Natterer non indica il sesso, ma che conteneva 1 piccolo
Nematoide in un cieco e 2 Spirottere fra le tonache dello stomaco;
non che 1 femina trovata li 30 Luglio 1827 in un maschio della
stessa specie, il quäle albergava inoltre 14 piccole Tenie per lo piü
formte della testa, 2 corti Nematoidi e 34 Monostom i nel budello.
Natterer osserva inoltre nel suo giornaie che avendo sezionato
nello stesso giorno 1 altra femina della stessa specie, in questa non
ritrovö che 7 Monostomi nel budello.
IX. 5 femine, 1 delle quali fu trovata li 20 Ottobre 1830 in
principio del budello di un Corvus Cajanus maschio; 1 lo stesso
giorno nel budello di un secondo uccello della stessa specie del quäle
Natter er non indica il sesso, ma che aveva inoltre 1 Spirottera fra
le tonache dello stomaco; 5 trovate li 24 Settembre 1830 in una
femina; ed 1 trovata lo stesso giorno in un' altra femina.
Osservazioue 2. Ad onta che io non abbia potuto con tanta copia
di esemplari che mi stavano a disposizione esaminare altro che femine,
mi sono assicurato che la specie in questione non e una Physaloptera
ma si bene una Spiroptera ; e ciö particolarmente perche nessun
esemplare aveva la bocca bilabiata, ma invece tutti erano forniti di
Trenta speeie di Nematoidi. 349
«na piccola bocca circolare in cima all1 estremitä anteriore: in una
parola tutti gli individui da nie esaminati presentavano senza eccezione
i caratteri delle spirottere.
25. Spiroptcra capillaris Muli».
Caput corpore continuum; os bilabiatum, labiis conicis
minimis , aculeis 4 validis cruciatim oppositis refrorsum versis
armatum; corpus capillare, densissime ac gracillime transversim
striatum, utrinque attennatum; extremitas caudalis maris . . ;
femin ae conica, apice obtuso, uncinata; anus ab ap'ice caudali
remotus; apertura vulvae in posteriori corporis parte promi-
nula. Longit. fem. 0015 — 0017.
Histiocephalus? spiralis Sternae Hirundinis: in Collect. Entoz. M. C. V.
Habitaculum. Sterna Ilirundo: inter tunicas ventriculi.
Osservazione. Nella collezione degli elminti dell' i. r. Museo zoo-
logico di corte rinvenni 3 esemplari femine di questa speeie benis-
simo conservati e perfettamente trasparenti. L'ovidotto in tutti e tre
gli esemplari era ripieno di uova eiaseuno dei quali conteneva un
embrione perfettamente sviluppato e attortigliato.
XII. Genus. Gongylonema.
26. Gon^yloneniii coiitortiim Mol in.
Corpus filiforme, aequale, minutissime transversim striatum,
irregulariter contortum ; extremitas anterior bulbillis irre-
gulär it er dispositis; os orbiculare, nudum; extremitas cauda-
lis maris inflexa, apice obtuso, alis latis, singula papilUs iitrin-
que 7, transversim striata; vagina penis dipetala, brevis;
penis longissimus, fiUformis; extremitas caudalis feminae
acute conica, apice obtusissimo; apertura vulvae in posteriori
et fere postrema corporis parte prominula. Longit. mar. 0 014 —
0 01H; crassit. ad 00001. Longit. fem. 0013 — 0055; crassit.
ad 00003.
Spiroptera Ursi Rudolphi: Synops. 28. et 253. — Dujardint Hist. nat.
des Helminth. 88. — Diesing: Syst. Helminth. II. 224.
Iliibitaeulum. Ursus Arctos : in oesopbago , hieme (M. C. V.).
Osservazione. Io ho avuto Topportunitä di esaminare 3 esemplari
maschi e 6 femine di questa speeie. Essi erano tutti benissimo con-
servati e perfettamente trasparenti.
Sitzh. (1. mathem.-naturw. Cl. XL. Bd. Nr. 9. 24
350 Moii«.
XIII. Genus. Filaria.
Specles inquirenda.
27. Filaria spinulosa Mo] in.
Os coronula spinulorum retroflexorum armatum; corpus
filiforme, transversim /xnulatum, spiraliter tortum; extremitas
anterior sensim attenuata, apice truncata; caudalis maris. .. ;
feminae subito conica, apice erecto, obtuso ; ap e r t u r a v u I v ac...
Longit. fem. 0 012; crassit. 00001.
Spiroptera Glareolae austriacae: in Collect. Helminth. M. C. V.
Habitnculuiii. Glareola austriaca: inter tunicas ventricuĂĽ.
M. C. V.
Osservazione I. Io non ho esamina.to che 1 unico esemplare
femina ili questa specie.
Osservazioiie 2. Sembrommi che fosse una filaria, ma non avendo
potuto distinguere la posizione della vulva, non nii azzardo di inserire
la specie fra le determinate.
XIV. Genus. Strongyhis.
28. Strong-yltis aiiitlatus Mol in.
Caput corpore coutinuum, haud alutum; os limbo nudo;
corpus densissime ac gracillime transversim slriatum; extre-
mitas anterior sensim attenuata, anulo atro cincta, apice
obtuso; caudalis maris increscens ; bursa maris excisa
undecim radiata, radio centrali dicothome bifurcato eruribus
excisionem cordatam amplectente ; e x t r e m i t a s c a u d a l is
feminae recta , longo acute conica , apice iucrassato; anus ab
apice caudali remotus; aper iura vulvae muxima, in posteriori
corporis parte, unilabiata, labio superiori maximo, pendula.
Longit. mar. 0-008— 0 010; fem. 00 tö; crassit. 00001.
Spiroptera Palamedeae cornutae: in Collect, brasil. Entoz. M. C. V.
Habitaculum. Palamedea cornuta: in proventriculo, Augusto,
Egenho do Cap Gaina (Natterer). M. C. V.
Osservazione I. Io ho eseminato 3 esemplari maschi e 10 femine
di questa specie. Tutti erano benissimo conservati e perfettamente
trasparenti , e furono raccolti li 23 Agosto 1820 in una Palamedea
Trenta specie di Nematoidi. 351
cornuta maschio, la quäle aveva inoltre 1 piccolo Distomo in un
intestino cieco.
Osscrvazione 2. Questo e il primo Strongilo trovato in quel-
l'uccello; esso appartiene alla sezione di quelli che hanrto il lembo
della bocca ignudo, la testa senza ali e la borsa del maschio incisa;
e affine allo Strongylus striatus dal quäle perö si distingue per la
presenza dell'anello di colore oscnro all'estiemitä anteriore del corpo.
29. Strongyliis bis|»iiiosus Mol in.
Caput corpore continuum, haud alaturn; os limbo nudo;
corpus filiforme; extremitas anterior sensim attenuata,
spinulis diiabus validis, lateralibus armata ; caudalis maris
h/flexa; bursa tribiloba, lobis perlongis lateralibus, singulus
quinque radiatus, radio medio recto, lateralibus apice deflexo
divergentibus, lobuloque medio biradiato ; vagina penis dipetala,
cruribus longis styloideis; penis longissimus, filiformis ; extre-
mitas caudalis feminae longissime et acutissime conica;
anus ab apice caudali remotus; apertura vulvae in posteriori
corporis parte, maxima, bilabiata, labio super iori limbiformi,
inferiori in vesicam magnam inflato, pendidis. Longit. mar. 0010;
crassit. 0 0002. Longit. fem. 0 017; crassit. 00003.
Spiroptera Cervi Nambi: in Collect, brasil. Entoz. M. C. V.
Habitaeuluiu. Cervus Nandu: in ventriculo, Septembri, Villa
Maria (Natter er). M. C. V.
Osservazione. Io ho esaminato 13 individui mascbi e 12 femine
di queste specie raccolti nella lira di un C. Nambi maschio ai
16 Settembre 1825, il quäle conteneva nello stesso organo 3 Spi-
roptera verrucosa ; nel panse molti Amfistomi; e nell' entrata della
lira alcuni grossi e molto grandi Amfistomi.
30. Stroagylus attenuatiis Molin.
Caput corpore continuum. haud alaturn; os limbo nudo;
cor p us filiforme, capillare ; extremitas anterior attenuata.
apice truncato; caudalis maris reeta; bursa biloba, lobis
hemiellypticis , singulus 0 radiatus. duobus radiis posticis diver-
gentibus; extremitas caudalis feminae acutissime conica;
apertura vulvae in posteriori cor /iuris parte, amplissima,
bilabiata. labio anteriori semilunari lobis duobus lateralibus,
352 m o i i ...
posteriori in bullam epidermoidalem trasparentem inflato. Lonyit.
mar. 0007; fem. 0011.
Spiroptera Suis labiati: in Collect, brasil. Entoz. M. C. V.
Habitaculum. Dicotyles albirostris: in ventriculo, Aprili, Caicara
(Natterer). M. C. V.
Osservazione. Io ho esaminato di quesla specie 3 individui
maschi e 34 femine. Tutti erano benissimo conservati e perfetta-
mente trasparenti. Non saprei dire perö se provengano da un solo
animale perche nelle notizie di Natter er si trova che egli a
Caicara ai 26 Aprile 1826 rinvenne in un Dicotyles albirostris
femina alquanti Nematelmi color carne nel principio dello stomaco;
e raolti altri simili elminti fra il muco dello stomaco, e nel principio
dello stesso organo di un altro D. albirostris femina. Con questi
elminti furono trovate negli stesse animali molte Spiroptera armata.
Prospetto
degli animali e dei loro organi nei quali furono trovati
i Nematoidi descritti.
CLASSIS PISCES.
Ordo Malacopterigii.
F a m i I i a Pleuronectides.
1 . Platessa F/esus C u v i er.
Dacnitis fusiformis Sp. Nr. 29. — Intest.
CLASSIS REPTILIA.
Ordo Loricata.
F a m i 1 i a Crocodili.
2. CrocodĂĽus acutus Cuvier.
Ascaris helicina. Sp. Nr. 9. — Yentr.
3. Champsa lucius YV agier.
Ascaris lauceolata. Sp. Nr. 4. — Ventr.
Tienta specie di Nemaloidi. 353
4. Champsa nigra W agier.
Asciiris lanceolata. Sp. Nr. 4. — Ventr.
Ordo Ophidia.
Faniilia Dermatophes.
J>. Ophis saurocephalus Wagler.
Heteracis anulata. Sp. Nr. 11. — Intest.
Ordo Hemisauri.
F a m i 1 i a Schici.
6. Scincus officinalis L a u r e n t i.
Tropiducerca bispinosa. Sp. Nr. 17. — ?
Ordo Sauri.
Familia Lacertae.
7. Chrysolamprus ocellatus F i t z i n g e r.
Oxyuris acanthura. Sp. Nr. 2. — Intest.
Oxyuris extenuata. Sp. Nr. 3. — Intest, cras.
CLASSIS AVES.
Ordo Anseres.
Familia Alcidae.
8. Alca Tor da Linne et Gmelin.
Cosmocephalus alatns. Sp. Nr. 21. — Oesoph.
Familia Laridae.
9. St er na Hirundo Linne et Gmelin.
Spiroptera capillaris. Sp. Nr. 25. — Inter tun. ventr
10. Sterna risoria Brehm.
Cosmocephalus alatus. Sp. Nr. 21. — Oesoph.
1 1 . Larus urgent atus B r ĂĽ n n i eh.
Cosmocephalus alatus. Sp. Nr. 21. — Prov.
354 m ° i i ».
12. Larns canus Linne et Gmelin.
Ciismocephalus alatus. Sp. Nr. 21. — Oesoph.
1 3. Larus fuscus Linne et G m e 1 i n.
Cosinocephalus alatus. Sp. Nr. 21. — Oesoph.
14. Larus marinus Linne et Gmelin.
Cosinocephalus alatus. Sp. Nr. 21. — Oesoph.
15. Larus maximus Brehm.
Cosinocephalus alatus. Sp. Nr. 21. — Tun. intern, oesoph.
1 6. Larus medius B r e h m.
Cosinocephalus alatus. Sp. Nr. 21. — Ventr.
1 7 . Laras ridibundus Linne et Gmelin.
Cosinocephalus alatus. Sp. Nr. 21. — Oesoph.
F a m i I i a Anatidac.
1 8. Mergus Serrator Linne et Gmelin.
Cosinocephalus alatus. Sp. Nr. 21. — Oesoph.
Ordo Grallae.
F a m i 1 i a Scolopacidae.
19. Totanus hypoleucus Linne et Gmelin.
Cosinocephalus alatus. Sp. Nr. 21. — Oesoph.
20. Totanus maculatus Vi ei Hot.
Cosmocephalus alatus. Sp. Nr. 21. — Oesoph.
F a m i 1 i a Charadridae.
2 1 . Vanellus melanogaster Bech stein.
Spiroptera gracilis. Sp. Nr. 23. — Inter tun. ventr.
22. Glareola austriaca Latham.
Filaria spinulosa. Sp. Nr. 27. — Inter tun. ventr.
F a m i 1 i a Ardeidae.
23. Ciconia Maguari T e m m i n c k.
Ascaris valdemucronata. Sp. Nr. 11. — Prov. et ventr.
24. Eurypyga II el las II 1 ig e r.
Ancyracanthus bilabiatus. Sp. Nr. 18. — luter tun. ventr.
25. Dicholophus MarcgravĂĽ II liger.
Ascaris laticauda. Sp. Nr. 5. — Ten. et coec.
Trentn apecie di Nematoidi. 35o
Familia Palamedeidae.
26. Palamedea cor mit a Linn e et Gmeliu.
Strongylus anjilatus. Sp. Nr. 28. — Proyentr.
Ordo Stausores.
F a m i 1 i a Cuculidae.
27. Crotophaga Ani L inn e et Gm e li n.
Spiroptera saginata. Sp. Nr. 24. — Ventr. et intest.
28. Cuculus melacoryph us V i e i 1 1 o t.
Subulura acutissima. Sp. Nr. 1. — Ventr. et intest.
29. Cuculus Tinguacu Johannes Natter er.
Spiroptera saginata. Sp. Nr. 24. — Intest.
Familia Picidae.
30. Picus comntus L i c h t e n s t e i n.
Ascaris spiralis. Sp. Nr. 10. — ?
Familia Psittacidae.
31. Psittacus Macao Linne et Gmelin.
Elaplioceplutlus oetocornntus. Sp. Nr. 19. — Ad basim digit. ped.
Ordo Passeres.
Familia Stiirnidae.
32. Icterus cristatus T e m m i n c k.
Spiroptera saginata. Sp. Nr. 24. — Intest.
Familia Corvidae.
33. Corvus Cajanus Linne et Gmelin.
Ascaris papulosa. Sp. Nr. 10. — Intest.
Spiroptera saginata. Sp. Nr. 24. — Intest.
Familia Laniadae.
34. T/t amnoph ilus funebris L i c h t e n s t e i n .
Spiroptera saginata. Sp. Nr. 24. — Intest.
356 Mölln.
F a m i 1 i a Caprimulgidae.
35. Caprimulgus campestris L i c h t e n s t e i n.
Heteracis suctoria. Sp. Nr. 14. — Inter tun. ventr.
36. Caprimulgus gujanensis Linne et Gmelin.
Spiroptera saginata. Sp. Nr. 24. — Intest.
37. Caprimulgus leucopygus Spix.
Spiroptera saginata. Sp. Nr. 24. — Intest.
Ordo Accipitres.
F a rn i 1 i a Strigidae.
38. Stri.v atricapilla Johannes Natterer.
Spiroptera saginata. Sp. Nr. 24. — Intest.
Subulura acutissiina. Sp. Nr. 1. Ventr. et intest.
39. Stria torquata L a t h a m.
Spiroptera saginata. Sp. Nr. 24. — Intest.
F a m i 1 i a Falconidae.
40. Falco minutus V i e i 1 1 o t.
Dispharagus capitatus. Sp. Nr. 16. — Ventr.
41. Falco Buteo Linne et Gmelin.
Ascaris angusticollis. Sp. Nr. 7. — Inter tun. ventr.
42. Falco coronatus V i e i 1 1 o t.
Ascaris Microlabium. Sp. Nr. 6. — Ventr.
Spiroptera recticauda. Sp. Nr. 22. — Ventr.
43. Falco furcatus Linne et Gmelin.
Spiroptera saginata. Sp. Nr. 24. — Intest.
44. Falco Haliaetos Linne et Gmelin.
Ascaris angusticollis. Sp. Nr. 7. — Intest, ten.
CLASSIS MAMMALIA.
Ordo Bisulca.
F a m i 1 i a Ccrvina.
4 5 . Cervus Nambi Johannes N a 1 1 e r e r.
Strongylus bispinosus. Sp. Nr. 29. — Ventr.
Trenta speeie di Nematoidi. 35 T
Ordo Multungula.
V ;t in i I i ;i Setigera.
46. Dieotylcs albirostris II 1 ig e r.
Strongytus attenuatus. Sp. Nr. 30. — Veittr.
Ordo trlires.
F a mili a Subungulata.
47. Dasiproctae Agtiti 1 1 1 i g e r.
Ueteracis verrucosa. Sp. Nr. 14. — Ventr.
Ordo Carnivora.
Famtlia Ursina.
48. Ursus Arctos hin ne.
Gongylonema coiitortum. Sp. Nr. 26. — Oesopli.
F a m i 1 i a Folina.
49. Felis concolor Li nne.
Ascaris anterospiralis. Sp. Nr. 8. — Ventr.
Indice (teile specie discritte.
IS'um. prog'. Num, del. sp.
1. Ancyracanthus bilabiatus Molin 18.
2. Ascaris angasticollis Molin 7.
3. „ anterospiralis Molin 8.
4. ., helicina Molin 9.
5. .. lanceolata Molin 4.
6. .. laticauda Molin 5.
7. .. Microlabium Molin 6.
8. .. papulosa Molin 10.
9. .. spiralis Molin 12.
10. ,. valdemucronata Molin II.
24* *
3IJ(S M o I i n. Trenta specie di Ne&natoidei.
N'uin. prog. Nuni. del sp.
11. Cosmocephalus alatus Molin 21.
12. Dacfiitis fusiformis Molin 20.
13. Dispharagus capitatus Molin 1(5.
14. Elaphocephalus octocornutiis Molin 19.
15. Filaria spinulosa Molin 27.
16. Gongylonema contortum Molin 26.
17. Heteracis anulatä Molin 13.
18. ,, suctoria Molin 15.
19. „ verrucosa Molin 14.
20. Qxyuris acanthura Molin 2.
21. „ extenuata Molin 3.
22. Spiroptera capillaris Molin 25.
23. „ gracilis Molin 23.
24. ,, recticauda Molin . . . 22.
25. „ saginata Dujardin, Char. einend 24.
26. Strongyhis anulatus Molin 28.
27. .. attenuatus Molin 30.
28. „ bispinosus Molin 29.
29. Subulura acutissima Molin 1.
30. Tropidocerca bispinosa Molin 17.
SITZUNGSBERICHTE
KAISERLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.
MATHEMATISCH - NATURWISSENSCHAFTLICHE CLASSE.
\l. band.
SITZUNG VOM 12. APRIL 1860.
NÂŁ 10
23
359
X. SITZUNG VOM 12. APHIL 1860.
Herr. Prof. Hugo von Mohl in TĂĽbingen dankt der Akademie
fĂĽr seine Wahl zum Ehrenmitgliede.
Herr W. Simerka, suppl. Gymnasiallehrer in Budweis, ĂĽber-
sendet eine Abhandlung: „Lösung der Gleichung xz = My-\-rnu.
Das c. M. Hr. Prof. Helmholtz ĂĽbersendet eine von ihm in
Gemeinschaft mit Herrn G. v. Piotrowski verfasste Abhandlung:
„Über Beibung tropfbarer Flüssigkeiten".
Herr Prof. Ludwig ĂĽberreicht eine Abhandlung des Herrn Dr.
Einbrodt aus Moskau: „Über den Einfluss der Athembewegungen
auf Herzschlag und Blutdruck".
Herr Prof. Kner liest eine „Übersicht der ichthyologischen Aus-
beute während der Heise Sr. M. Fregatte Novara"; ferner eine Notiz
„Über Belenesojc belizanus, nov. gen. et spec. aus der Familie der
Cyprinodonten" .
Herr Prof. Ed. Suess hält einen Vortrag: „Über die Spuren
eigenthĂĽmlicher Eruptionserscheinungen am Dachsteingebirge".
An Druckschriften wurden vorgelegt :
Academy of science of St. Louis. Transactions. Vol. I, Nr. 3.
St. Louis, 1859 ; 8«-
Akademie der Wissenschaften, königl. Preussische. Abhandlun-
gen. Zweiter Supplementband zu 1854, und Jahrgang 1858.
Berlin, 1859; 4°-
Annalen der Chemie und Pharmacie, herausgegeben von F. Wo li-
ier, J. Liebig und H. Kopp. N. B. Band XXXVII, Heft 3.
Leipzig und Heidelberg, 1859; 8°-
25*
360
Association, American, for the advancement of science, Procee-
dings. Vol. XII, 1858. Cambridge, 1859; So-
Astronom ische Nachrichten , Nr. 1242 — 47. Altona, 1860; 4°-
Anstria, herausgegeben von Dr. Gustav Höfken. Jahrgang XII.
Heft 13—15. Wien, 1860; 4°-
Cos mos, XPme annee, vol. XVI, livr. 12—14. Paris, 1860; So-
Forchhammer, G., Om sövandets best-.mddele og deres fordeling
i havet. Kjobenhavn, 1859; 4°-
Gazette medicale d'Orient. IU1^1" annee, Nr. 12. Constantinoplo.
1860; 4«-
Gesellschaft, Senkenbergische naturforschende. Abhandlungen.
Band III, Lief. 1. Frankfurt a/M, 1859; 4«-
Gottlieb, Dr. .!., Lehrbuch der pharmaceutischen Chemie. Band I,
2; II, 1. und 2. Hälfte. Berlin, 1857; 8°-
Kiel, Schriften der Universität aus dem Jahre 1858. Kiel, 1859; 4n-
Land- und forstwirtschaftliche Zeitung, red. von Dr. J. Aren-
stein. Jahrgang X, Nr. 9 — 11. Wien, 1860; 8°-
Mittheilungen aus Just. Perthes1 geographischer Anstalt von
Dr. A. Peter mann. 1860, März; 4°-
Reichsanstalt, k. k. geologische. Sitzung am 27. März 1860; 8°-
Sella, Quintino, Teorica e pratica del regolo calcolatore. Torino,
1859; 16o-
Society, Elliot-, of natural history of Charleston. Proceedings. Vol. I.
Nov. 1853, Dec. 1858. Charleston, 1859; 8«'- — Constitution and
by-laws. 1857; 8«-
Swallow, G. C, Geological report of the country along the line of
the South- Western brauch of the pacific railroad, state of Mis-
souri. St. Louis, 1859; So-
Verein, Ă–sterreichischer Ingenieur-. Zeitschrift, red. von Dr. Jos.
Herr. XII. Jahrgang, Februar. Wien, 1860; 4o-
Wiener medizinische Wochenschrift, red von Dr. W7i ttelshöfer,
Jahrgang X, Nr. 12—14. Wien, 1860; 4o-
Zeitschrift fĂĽr Chemie und Pharmacie, red. von Dr. E. Erlen-
meyer und G. Lewin st ein, III. Jahrgang, Heft 4. Erlangen,
1860; So-
361
ABHANDLUNGEN UND MITTHEILUNGEN.
Ăśber den Einfluss der Athembewegungen auf Herzschlag und
Blutdruck.
Von Dr. Einbrodt aus Moskau.
(Vorgelegt von Prof. K. Ludwig1) in der Sitzung vom 12. April 1860.)
(Mit 1 Tafel und 1 Holzschnitt.)
Eine Reihe von Versuchen, die ich auf Herrn Professor L u d w i g's
Vorschlag in dessen Laboratorium anstellte, fĂĽhrte zu Thatsachen
und Anschauungen , die zur nähern Würdigung des Einflusses der
Athembewegungen auf Herzschlag und Blutdruck einige neue Anhalts-
punkte bieten. Die gewonnenen Ergebnisse erlaube ich mir daher
im Nachfolgenden mitzutheilen.
Unter dem EinflĂĽsse des Athmens erleiden die Schlagfolge des
Herzens und die Spannung des Blutes eine Veränderung, die bis
jetzt weder eine richtige Deutung, noch eine genügende Erklärung
erfahren hat. Es ist bekannt, dass die Veränderung in der Spannung
des Blutes den beschleunigenden Kräften zugeschrieben wird, die
') Zwei Bestimmungsgriinde liessen es rathlich erscheinen , das schon frĂĽher von
mir behandelte Thema von Neuem aufzunehmen. Zuerst der Wunsch die Erklärung
der Erscheinungen, die mir vor mehr als 12 Jahren nicht gelungen war, auf Grund-
lage des heutigen Standes der Wissenschaft zu versuchen; nächst dem aber hatte
ich mich durch einige vorläufige Versuche überzeugt , dass ich in meiner früheren
Arbeit die an und fĂĽr sich richtigen Thatsachen nicht richtig verknĂĽpft hatte, und
dass namentlich bei der Vergleichung der Puls und Athemcurven ein Fehler unter-
gelaufen war. — Unter diesen Umständen musste ich es Herrn Dr. Einbrodt
grossen Dank wissen , als er sich enlschloss den Gegenstand von Neuem und zwar
in ausgedehntester Weise zu bearbeiten.
362 Einl.ro dt.
durch die Athembewegungen dem Herzen und den grossen Blutge-
fässen mitgetheilt werden, und dass die veränderte Schlagfolge des
Herzens mit einem veränderten Erregungszustande der N. vagi in
Beziehung gedacht wird. In der Blutvertheilung ist von Ed. Weber ')
und Donders3) ein neues Element zur richtigen Beurtheilung der
uns beschäftigenden Frage angedeutet, aber nicht genügend ausge-
beutet worden.
Die Erscheinungen , die durch die Athembewegungen eine
Änderung erleiden und bei der Frage über den Einfluss des Athmens
zunächst in Betracht kommen, entziehen sich einer genauen Analyse,
weil sie alle aus verschiedenen und dabei immer wechselnden Ele-
menten zusammengesetzt sind, in ihrem Auftreten daher nie als ein-
fache zur Beobachtung gelangen; so ist bekanntlich die Schlagfolge
des Herzens eine aus vielen Grundelementen abgeleitete: denn es
wirken auf dieselbe die Reizbarkeit des Herzens (seiner Muskeln,
Nerven und motorischen Centra), der Erregungszustand des verlän-
gerten Markes und der N. vagi, die in so grossen Breiten wechselnde
Blutfülle des Thieres , die Temperatur des in's Herz einströmenden
Blutes u. s. w. Ebenso ist die Spannung des Blutes eine wechselnde,
je nach der dem Herzen zu Gebote stehenden Blutmasse, nach den
Widerständen in den Capillaren, nach dem Autheil, der von den ent-
wickelten Herzkräften dem Blute zu Gute kommt etc. Die Athembe-
wegungen selbst üben auf die vorhin genannten Verhältnisse und
namentlich auf die Blutvertheilung und den Zutluss von Blut zum
Herzen, selbst an einem und demselben Thiere, einen verschieden
grossen Einfluss aus, je nach der Tiefe und Dauer ihrer einzelnen
Acte, und bei verschiedenen Thieren selbst bei gleicher Tiefe und
Dauer dieser letztern je nach besondern constitutionellen Verhält-
nissen.
Es ist also klar, dass, wenn man den Einfluss der Athembewe-
gungen näher verfolgen will, man so viel als immer thunlich sie in
ihrem Einflüsse verstärken, ihnen das Übergewicht zu verschaffen
suchen muss über die sie störenden und in ihrer Wirkung beein-
trächtigenden Momente.
») Leipziger Berichte 1850, I. p. 2«.
«) Zeitschr. f. rat. Medizin. N. ?. Bd. III, 18.'.;». p. 287 und Bd. IV, tSü-i. p. 241 und
Nederl. Lancet. I). V, p. 364.
Ăśher den Einfluss der Atheinlipwegungen auf Herzschlag und Blutdruck. 363
Der erste und ihnen als solchen zukommende Einfluss der
Athembewegungeo ist aber derjenige, dass sie die in der Brusthöhle
gelegenen Organe, je nach ihren verschiedenen Acten und je nach
der verschiedenen Tiefe und Dauer derselben, unter verschiedene
Spannung versetzen. Ist es möglich, die unter dem Einflüsse des
normalen Respirationsactes eintretenden Spannungsunterschiede und
ihre weiteren Folgen während längerer Zeit künstlich nachzuahmen
und willkĂĽrlich zu steigern, dabei aber auf die verschiedenen ange-
deuteten Elemente (BlutfĂĽlle des Herzens, Erregungszustand der
N. vagi etc.) einen directen Einfluss auszuĂĽben, so ist damit zugleich
auch die Hoffnung in Aussicht gestellt, in das Wesen des zu erfor-
schenden Einflusses näher einzudringen. Bis zu einem gewissen
Grade kann nun die kĂĽnstliche Erzeugung des Respirationsdruckes,
des positiven Ausathmungs- als auch des negativen Einathmungs-
druckes, wirklich bewerkstelligt werden1) und die erste Aufgabe, die
mir bei näherer Überlegung der uns beschäftigenden Frage ent-
gegentrat, bestand also darin, einen verschieden starken Respirations-
druck (positiven sowohl als negativen) kĂĽnstlich herbeizufĂĽhren und
seine Wirkungen auf Herzschlag und Blutdruck , unter verschieden
abzuändernden Verhältnissen, möglichst genau zu verfolgen.
Ist dieser Einfluss des künstlich erhöhten Respirationsdruckes
scharf und genau aufzufassen, so ergibt sieh dann die zweite Auf-
gabe — den Einfluss des gewöhnlichen Athmens durch directe Beob-
achtung so genau als möglich festzustellen und die beim erhöhten
Respirationsdrucke gewonnenen Thatsachen mit den beobachteten
Anschauungen in Einklang zu bringen.
1.
Indem wir jetzt zur Besprechung der eingeschlagenen Verfah-
rungsarten und der durch sie gewonnenen Thatsachen ĂĽbergehen,
fassen wir zunächst den positiven Respirationsdruck in's
Auge.
A. Positive DrĂĽcke lassen sich kĂĽnstlich leicht erzeugen,
wenn die mit dem Lungenraum des Thieres communicirende Luft
') Die Erzeugung an Thieren kĂĽnstlicher Respirationsdrucke ist schon von bouders
versucht, aber nicht weiter verfolgt worden.
•Jß4 E inbr o d t.
unter erhöhte Spannung gebracht wird. Dieser Anforderung wurde
in meinen Versuchen folgendermassen entsprochen.
In eine grosse, etwa 16 Litres fassende Glasflasche (siehe die
Tafel I) war durch den Hals derselben eine ungefähr 2 Meter hohe und
15 Millim. breite Glasröhre, die fast bis auf den Boden der Flasche
reichte, luftdicht eingekittet; durch einen Kautschukschlauch stand
das obere Ende der Röhre mit einer Handpumpe in Verbindung,
mittelst deren Wasser in die Röhre eingepumpt und die Luft im
Behälter unter beliebig hohen Druck gebracht werden konnte; zur
Entleerung des angesammelten Wassers diente ein in die Flasche
dicht am Boden eingefĂĽgter Hahn , zur Erneuerung der durch das
Athmen verdorbenen Luft eine in den Hals der Flasche eingelassene
und mit einem Hahn zu verschliessende Glasröhre. Die unter erhöhte
Spannung versetzte Luft wurde dem Thiere durch ein gebogenes
Glasrohr zugeleitet, welches einerseits in den Luftbehälter ausmün-
dete, andererseits aber durch einen Kautschukschlauch mit einer in
der Trachea des Thieres befestigten GlascanĂĽle in Verbindung
gebracht wurde; dieses Zuleitungsrohr besass einen Hahn mit andert-
halbfacher Bohrung, wodurch es möglich wurde, das Thier durch eine
einfache Drehung des Hahns entweder unter erhöhtem Drucke oder
frei in die Atmosphäre athmen zu lassen.
Zur Verzeichnung der Respirationsbewegungen brauchte ich
den schon frĂĽher beschriebenen FĂĽhlhebel i), dessen Klammer mit dem
Brustkorb an verschiedenen Stellen in Verbindung gebracht wurde.
Zur Ausmessung des mittlem, auf gewöhnliche Weise an der Arteria
Carotis verzeichneten Blutdruckes diente ein WetlPsches Planimeter.
Zu den Versuchen wurden Hunde verwendet, die in der Mehrzahl
der Fälle durch Opiumtinctur betäubt waren.
Fragen wir vor Allem, inwieweit der durch unser Verfahren
herbeigeführte Zustand mit dem bei der gewöhnlichen Ausathmung
stattfindenden übereinkommt, so müssen wir zunächst die grosse
Analogie hervorheben, die unsere Versuche mit erhöhtem künstlichen
-f-ÄZ)8) zu dem bekannten Experimente bieten, das zuerst von
Ed. Weber ĂĽber den Ausathmungsdruck bei gehindertem Lnflaus-
') Wiener Sitzungsberichte, Bd. XXXVIII, |>. 345.
*) -+- R D = positiver Respirationsclruck.
Ăśber den Einfluss der Athembewegungen auf Herzschlag und Blutdruck. 3Hh
tritte angestellt wurde, es aber der nachfolgenden Darstellung ĂĽber-
lassen, diese Analogie in ihre Einzelheiten zu verfolgen.
Bei näherer Überlegung ergibt sich , dass der durch unser
Verfahren gesetzte Zustand der Brusthöhle und der in ihr gelager-
ten Organe in seinen Grundbedingungen mit demjenigen ĂĽberein-
stimmt, der durch den gewöhnlichen Exspirationsdruck bedingt wird,
indem durch beide, freilich auf ganz verschiedenen Wegen, eine
Verdichtung der in den Lungen enthaltenen Luft und eine Zunahme
der auf den Brusteingeweiden lastenden Spannung herbeigefĂĽhrt
wird; dass aber zwischen beiden, schon ganz abgesehen von dem
sehr wichtigen Unterschiede in der Gradation der gesetzten Verän-
derungen, die bei dem künstlich gesteigerten -f- BD ihren höchsten
Werth erreichen können, auch einige andere nicht unwesentliche
Unterschiede bestehen. So wird durch unser Verfahren der Ăśber-
gang des Blutes aus der einen Herzhälfte in die andere in Folge der
grossen Ausdehnung der Lungen nach P oiseui lies *) Versuchen
erschwert werden mĂĽssen; so wird die Aorta eine Dehnung und
ihre Bäumlichkeit eine Zunahme erfahren; so werden die Venen an
der oberen Apertur des Brustkastens mehr oder weniger gedrĂĽckt
und verschlossen werden, lauter Umstände, die der gewöhnliche
Ausathmungsdruck nicht in seinem Gefolge hat.
Die Autopsie von Hunden, die unter dem EinflĂĽsse eines beste-
henden hohen -f- RD zu Grunde gehen, zeigt einen Zustand der
Brust und Baucheingeweide, wie er während des Lebens sonst wohl
nie vorkommt. Die Lungen erfahren eine ungemein grosse Ausdeh-
nung, wobei nothwendig ein Druck auf das Herz und die grossen
Gefässe ausgeübt wird und namentlich die grösseren Venen an der
obern Apertur des Brustkastens zusammengedrĂĽckt werden; das Dia-
phragma wird in die Bauchhöhle hinein gedrückt und ist sehr stark
gefaltet; die Leber wird unter die Hypochondrien gedrängt, ihr
unterer Band erstreckt sich bis unter die Stelle, die der Vorhaut ent-
spricht. Alle in der Brusthöhle enthaltenen Organe sind äusserst
blutleer, die Leber dagegen und die Nieren weisen einen bedeuten-
den Blutreichthum vor; aus dem mit den grossen Gefässen abgebun-
denen Herzen gewann ich an einem Hunde eine Quantität Blut, die
') Comptes rendus. T. 41.
3ftf) E i ii b m d t.
sich nach einer annähernden Schätzung (die Gesammtmasse des
Blutes zu 7% ('es Körpergewichtes angenommen) nur als der zwan-
zigste Theil der gesammten Blutmasse erwies.
Indem wir zu den beobachteten Wirku ngen des kĂĽnstlichen
-f- RD übergehen, wobei wir beobachtete Thatsachen und Erklärungs-
versuche in natĂĽrlicher VerknĂĽpfung nebeneinander stellen, unter-
scheiden wir diese Wirkungen, je nachdem sie im Beginn der
Ausübung des -f- RD, während der Dauer seines Beste-
hens oder endlich i n der Zeit nach Aufhebung desselben
zur Beobachtung gelangen.
1 . Während der -f- RD von Null bis zu seinem Maxi-
mum ansteigt, wirkt er auf das in der Brust enthaltene Blut als
beschleunigende Kraft, die sich zum Herzdruck addirt; diese Wir-
kung spricht sich in unseren Versuchen darin aus, dass die mittlere
Spannung des Blutes im arteriellen System im ersten Momente des
ausgeübten -f- RD regelmässig einen Zuwachs erleidet, der zwar
verschieden gross ausfallen kann und sich in seiner Grösse nach der
Stärke des RD richtet, immer aber nur so lange besteht, als der RD
im Ansteigen bis zu dem ihm im einzelnen Falle zukommenden
Maximum begriffen ist. Die unten beigefügte Tabelle I enthält für die
ausgesprochene Behauptung die nöthigen Zahlenbelege (Versuche
Nr. 15, 32, 41 der Tabelle).
2. Während seines dauernden Bestehens erzeugt der
-f- RD Wirkungen, die von den eben erwähnten sehr abweichen und
im Allgemeinen sich nach der Grösse des RD richten.
Diebeobachteten Wirkungen des bestehenden -{- RD
waren folge n de:
a) D e r -f- RD erschwert d i e A t h e m b e w e g u n g e n \\\n\
hebt sie bei genügender Grösse vollständig auf.
Bei einem möglichst geringen -\- RD (etwa bei 10 Millim. Hy)
erfahren die Athembewegungen nur insofern eine Veränderung, als
sie, wenn auch unbedeutend, erschwert werden. Nimmt der -f- RD
zu (etwa von 10 bis 20 Millim. Hg), so werden die Athembewegun-
gen mühsam und es verändert sich zugleich ihr Rhythmus, die Inspi-
ration erfolgt rasch und ist eine ausserordentlich kurze, die Exspi-
ration dagegen wird sehr mühsam und nimmt eine viel längere Zeit
in Anspruch; der Exspiration folgt in der Begel eine lang anhaltende
Ül»er den Einflnss der Athembewegungen auf Herzschlag und Blutdruck. 367
Pause. Bei noch weiterer Steigerung des -j- RD (ĂĽber 20 Milim. Hg)
bleiben die Athembewegungen längere Zeit hindurch vollständig aus,
und zwar ist dieses eine ganz regelmässige constante Erscheinung ;
zuweilen kehren sie auch wieder bei fortdauerndein -|- RD , aber
immer nur wenn dieser letztere unter der Höhe von 35 Millim. Hg
bleibt und auch dann erscheinen sie nur nach längeren Zwischen-
räumen; nach jeder mehr weniger tiefen Inspiration folgt eine längere
Pause. Das Ausbleiben der Athembewegungen kann sehr lange anhal-
ten; ich habe in sehr zahlreichen Fallen die Athembewegung wäh-
rend mehrerer Minuten ausbleiben sehen.
Die Erklärung dieser Erscheinungen liegt nahe. Ein schwacher
-(- RD kann in den Athembewegungen keine grosse Veränderung
bewirken ; die auf der Luft lastende Wassersäule hat nur eine geringe
Höhe und kann daher bei einigermassen gesteigerter Anstrengung
gehoben werden; es wird daher das Thier, um den nöthigen Luft-
austausch zu ermöglichen, nur einer grössern Anstrengung bedürfen,
als beim Athmen im freien Luftraum. Bei höherem -|- RD wird die
Inspiration verhältnissmässig noch leicht erfolgen können, da sie
bis zu einem gewissen Grade durch die auf der Luft lastende Span-
nung unterstĂĽtzt wird; es wird, so zu sagen, Luft in die Lunge ein-
gepresst; bei der Exspiration dagegen muss diese Spannung ĂĽber-
wunden werden und dazu bedarf es schon einer bedeutenden Contrac-
tions-AnstrengHiig von Seiten der Exspiratoren , deren Tliätigkeit
noch unterstĂĽtzt wird durch die in Folge der Ausdehnung wachsen-
den elastischen Kräfte der Lungen. Ist die Exspiration vollendet, so
gewinnt natĂĽrlich die auf der Luft liegende Spannung die Ober-
hand und es mĂĽssen daher kurze und leicht erfolgende Inspirationen
mit mĂĽhsamen und lange anhaltenden Exspirationen abwechseln, ganz
in Ăśbereinstimmung mit der Wahrnehmung. Erreicht der -f- RD einen
noch hohem Werth, so ĂĽberwindet er die elastische Gegenwirkung
der Lungen und das Zusammenziehungsbestreben der Exspirations-
muskeln, dehnt die Lunge und den Brustkorb bedeutend aus und
macht jeden Luftaustausch unmöglich; mit einem Worte, beim hohen
-f- RD bleiben die Athembewegungen vollkommen aus.
Das beim massigen -[- RD zuweilen zu beobachtende Wieder-
erscheinen der Athembewegungen ist wahrscheinlich die Folge der
Zunahme, welcbe die Contractiunsfähigkeit und Heizbarkeit der
Exspirationsmuskeln während der anhaltenden Ruhe erfährt; sie
;jH8 e i n i. .• (. (i t.
äussert sich in der Bewerkstelligung einer Exspiration, auf welche
wiederum in Folge der Luftspannung eine Inspiration folgt, nach
deren Ablauf die Athembewegungen wieder ausbleiben. Besteht ein
massiger -j- RD wahrend längerer Zeit, so kann sich natürlich dieser
Vorgang mehrere Male wiederholen.
Es ist besonders zu betonen, dass während der Ausübung eines
-f- RD die Athembewegungen sehr lange, mehrere Minuten lang aus-
bleiben können, ohne auf das Thier einen nachtheiligen Einfluss zu
äussern und ohne Erstiekungsnoth herbeizuführen. Die Ursache dieser
interessanten Erscheinung- muss wohl in dem Umstände gesucht
werden , dass in Folge des -f- RD die Luft dem Thiere verdichtet
zugefĂĽhrt wird und, wie wir weiter unten sehen werden, eine bedeu-
tende Anhäufung von Blut im Gehirn bewirkt; dadurch wird, wenn man
sich so ausdrücken kann, ein Vorrath von Sauerstoff dein verlängerten
Marke geboten, und es fehlt daher die Ursache zur Erregung der auto-
matischen Respirationsorgane; durch die Versuche mit dem negativen
Respirationsdrucke wird diese Anschauung wesentlich unterstĂĽtzt.
Aus einem andern Grunde noch verdient das Ausbleiben der
Athembewegungen unsere Beachtung: es ist dies nämlich der einzige
Fall , in Folge dessen man Blutdruckcurven erhält , die von dem Ein-
flĂĽsse der Respiration vollkommen frei sind, in denen jeder Herzschlag
dem vorhergehenden und nachfolgenden gleich ist und i\ev Blut-
druck nur diejenigen Schwankungen zeigt, die von den Zusammen-
ziehungen des Herzens abhängig sind.
b) Der positive Respirationsdruck erschwert den
Zufluss des Blutes zum Herzen, mindert den Nutz-
effect des Herzens und setzt die Spannung des Blutes
im Aortensysteme herab.
Dieser Einfluss steht dem -f RD in Folge einer zweifachen
Wirkung zu , einmal nämlich weiden das Herz und die grossen
Gefässe unter höhere Spannung versetzt, wodurch die Entfernung
des in der Brusthöhe vorhandenen Blutes begünstigt, das genügende
Nachströmen dagegen erschwert wird; zweitens aber wirkt der
hohe 4- RD auch mechanisch, indem durch die sich übermässig auf-
blasenden Lungen das Herz und die grossen Gefässe, namentlich die
nachgiebigen Venen, zusammengedrĂĽckt werden, wodurch wiederum
der Eintritt neuen Blutes in's Herz erschwert wird.
Ăśber den Einfluss der Athembeweg"tingen auf Herzschlag und Blutdruck. 36f)
Die zuerst genannte Wirkung, d. h. die erhöhte Spannung, unter
welche die in der Brusthöhle an der äussern Lungenoberfläche gela-
gerten Organe in Folge eines -f- RD versetzt werden, ist der directen
Messung zugänglich; ich wählte dazu , aus leicht einleuchtenden
GrĂĽnden, den rechten Vorhof, in den ich durch die Vena jugularis
externa hindurch einen elastischen Katheter einführte; während des
Bestehens eines -+- RD von 125 Millim. Hg stieg die Spannung des
Blutes im rechten Vorhof, die vor AusĂĽbung des RD 45 Millim. Hg
betrug, auf 30 6 Millim. Hg und kehrte nach dessen Aufhebung nur
sehr allmählich nahezu auf ihren frühern Werth zurück, — ein genü-
gender Beweis, wie bedeutend die durch die Athmung gesetzten
Spannungsunterschiede unter Umständen werden können.
Die zweite mechanische Wirkung des -|- RD, die Zusammen-
drückung des Herzens und der grossen Gefässe , wird durch die
Autopsie hinlänglich bestätigt.
Die gemeinschaftliche Folge dieser doppelten Wirkungsweise
des -f- RD ist also eine Minderung der BlutfĂĽllung des Herzens und
folglich auch eine Minderung seines Nutzeffectes und spricht sich in
unseren Versuchen darin aus, dass während der Dauer des beste-
henden -j- RD der mittlere Blutdruck im Aortensysteme bei fort-
dauerndem Herzschlage eine Abnahme erleidet, die Spannung
des Venenblutes dagegen durch Stauung gesteigert wird.
Im Allgemeinen kann behauptet werden, dass die Abnahme, die
der arterielle Blutdruck erfährt, zu der Grösse des ausgeübten -j- RD
im Verhältniss steht; sie ist schon bei einer geringen Höhe des RD
genügend ausgesprochen , erreicht aber einen um desto höhern
Werth, je weiter der Druck gesteigert wird, und kann dann eine
ungemein bedeutende werden; so habe ich Fälle beobachtet, wo der
arterielle Blutdruck bis auf ein Zehntel seines ursprĂĽnglichen Wer-
thes herab sank.
Dieses Absinken des arteriellen Blutdruckes zum Herzen ist also
eine Folge der durch den gehinderten BĂĽckfluss des Blutes zum Herzen
bedingten geringern oder grössern Blutleere der Arterien ; so lange
aber diese letztere keinen zu hohen Grad erreicht, so lange ĂĽber-
haupt anstatt des Abfliessenden noch etwas Blut in's Herz nachströ-
men kann, so lange bleiben auch die Zusammenziehungen des Her-
zens fĂĽr den Blutdruck wirksam, d. h. in der Blutdruckcurve sicht-
bar; erreicht dagegen in Folge des steigenden -f- RD die Blutleere
370 Einbrodt.
der Arterien einen bedeutenden Grad, so vermögen die Zusammen-
ziehungen des Herzens den geringen Blutinhalt im Arteriensystem
nicht mehr in genĂĽgende Spannung zu versetzen; es verschwindet
jetzt in der Blutdruckcurve der Ausdruck der Herzschläge , trotz
ihres Fortbestehens, und der Blutdruck wird nun horizontal verzeichnet.
Es muss hervorgehoben werden , dass diese fĂĽr unsere Versuche
mit dem -\- BD so charakteristische Erscheinung der horizontalen
Aufzeichnung des arteriellen Blutdruckes unter Umständen unge-
wöhnlich lange andauern kann; so finden sich in der beigefügten
Tabelle Fälle verzeichnet, wo der Blutdruck im Laufe von mehr als
zwei Minuten horizontal verzeichnet wurde (Versuche Nr. 37 und
423, Tabelle I). Ich hebe hier noch besonders hervor, dass ich mich
bei dieser Erscheinung von dem Fortbestehen der Bewegungen
des Herzens mittelst in's Herz eingestochener Nadeln ĂĽberzeugt
habe.
Dass die Abnahme, die der arterielle Blutdruck erfährt, und sein
horizontales Verzeichnen bei fortbestehendem Herzschlage ihre
Erklärung in der eintretenden Blutleere der Arterien finden muss,
kann noch auf einem andern Wege bestätigt werden; führt man
nämlich, wie ich den Versuch am Hunde angestellt habe, in den
rechten Vorhof durch die V. jugularis externa hindurch einen
Katheter ein, an dessen Ende eine feine Blase (die Hainblase eines
Kaninchens) aufgebunden ist, und versucht es, die Blase durch den
hohlen Katheter hindurch im rechten Vorhof aufzublasen , so wird
man genau dieselben Erscheinungen wie fĂĽr den -f- RD beobachten;
auch hier erfährt der arterielle Blutdruck mit wachsendem Aufblasen
eine steigende Abnahme; auch hier wird diese dem Herzschlage ent-
sprechende Excursion der Druckcurve schwach und klein, auch hier
endlich wird bei genĂĽgendem Aufblasen der Blutdruck horizontal ver-
zeichnet und sogar Herzstillstand erzeugt; diese Thatsachen können
nicht auffallen, da sie eine naheliegende Erklärung zulassen. Durch
das Aufblasen werden nämlich die Venenmündungen verlegt (wie ich
mich durch Autopsie überzeugt habe) und das Einströmen des Blutes
in's Herz gehemmt, resp. aufgehoben, also Blutleere im arteriellen
Systeme erzeugt; auch hier wird also der Nutzeffekt des Herzens
gemindert, und diese Minderung spricht sich auch hier in dem Absin-
ken der Excursionen der einzelnen Herzschläge und des mittlem
Blutdruckes aus.
Ăśber den Einfluss der Athembewegungen auf Herzschlag uud Blutdruck. 371
Der mittlere Blutdruck im Arteriensystem erfährt bei beste-
hendem -f- BD nicht selten Veränderungen, die theils mit den Athem-
bewegungen zusammenhängen und in diesen ihre Erklärung finden,
theils aber, durch andere Umstände herbeigeführt, unabhängig davon
auftreten.
Wenn bei bestehendem + BD die vorher ausgebliebenen Athem-
bewegungen sich wieder einstellen, so ändert sich momentan auch
der Werth der Blutspannung; sowie eine Inspiration eintritt, erfährt
der Blutdruck einen Zuwachs, wobei auch die Zahl der Herzschläge
vermehrt wird; in der Mehrzahl der Fälle erreicht jedoch der Blut-
druck seinen ursprĂĽnglichen Werth dabei nicht; wurde vorhin der
Blutdruck horizontal verzeichnet , so werden nun während der
Zunahme des Blutdruckes auch die Herzschläge in der Blutdruck-
curve wieder sichtbar. In der weitaus grössten Mehrzahl der Fäll e
dauert jedoch dieses Ansteigen des Blutdruckes nicht lange; ist die
Inspiration vorĂĽber, so sinkt auch der Blutdruck, unter gleichzeitiger
Abnahme der Zahl derHerzschläge, nahezu zu seinem frühern Werthe
zurück, um unter Umständen wieder horizontal verzeichnet zu werden.
Eine Inspiration kann aber, bei bestehendem BD, wie wir gesehen
haben, mehrere Mal auftreten, und dem entsprechend steigt auch
der Blutdruck jedesmal an. Die Tabelle enthält für diese Beob-
achtung genĂĽgende Zahlenbelege (Versuche Nr. 10, 18, 26 der
Tabelle I).
Der Grund fĂĽr diese Erscheinung ist leicht einzusehen; durch
die auftretende Inspiration wird das Einströmen von Blut in's Herz,
wenn auch vorübergehend , wieder ermöglicht und es werden daher
in dem nachfolgenden Zeitmomente die Arterien wieder mit Blut ver-
sehen; die Füllung und Spannung erfährt also eine rasche und bedeu-
tende Steigerung. Auf die Ursache der Zunahme der Zahl der Herz-
schläge komme ich an einer andern Stelle zu sprechen. Aber diese
Beihe von Vorgängen kann nicht lange anhalten, nach vollbrachter
Inspiration bleiben die Athembewegungen bei fortbestehendem -j- BD
wieder aus , das abfliessende Blut wird nicht genĂĽgend durch neu-
zuströmendes ersetzt , die Blutleere der Arterien macht sich von
Neuem geltend.
Aber selbst, wenn bei hohem -J- BD keine Athembewegungen
eintreten, so wird doch zuweilen fĂĽr den Blutdruck (und Herzschlag)
dieselbe Beihe von Erscheinungen wahrgenommen und zwar ent-
372 E i n I» r o (1 t.
weder in Folge von Bewegungen der Gliedmassen und des Kopfes
und Zusammenziehungen der Bauchmuskeln oder scheinbar spontan,
ohne äusserlich wahrnehmbare Ursache (Versuche Nr. 11 , 19 , 43
der Tabelle I). Diese Erscheinung fällt in ihrem Grunde mit der
oben erwähnten zusammen. Was dort die Inspiration bewerkstelligte,
das leistet hier der durch die Bewegungen eingeleitete Druck auf
die Venen oder die in den Venen in Folge der Aufstauung bis zu
einem gewissen Grade gesteigerte Spannung ; alle diese EinflĂĽsse
werden nämlich nur dadurch wirksam, dass sie eine vorübergehende
Füllung des Herzens (resp. der Arterien) ermöglichen. Durch die
Bewegungen der Gliedmassen, durch Contractionsanstrengungen der
Bauchmuscheln wird nämlich mehr oder weniger der Verschluss der
Venen aufgehoben und das Blut iVs Herz wieder eingepresst, oder
es steigt (so müssen wir die spontane Blutdruckerhöhung erklären)
die Spannung in den Venen in Folge der Stauung allmählich bis zu
dem Grade an, dass sie endlich den Verschluss der VenenmĂĽndungen
überwindet und eine bestimmte Quantität Blut , die für den Strom
wieder nutzbar gemacht wird, in's Herz einpresst. — Aber auch
hier, wie nach eingetretener Inspiration, kann das Steigen des Blut-
druckes nicht lange anhalten; der auf die Venen durch Bewegungen
oder Bauchpresse ausgeĂĽbte Druck ist immer nur vorĂĽbergehend
und in Folge der theilweisen Entleerung des Blutes aus den Venen
sinkt auch die Spannung in ihnen; es wird daher jede Ursache zum
weitern Einströmen von Blut in's Herz aufgehoben, die Arterien ent-
leeren sich wieder des ihnen zugefĂĽhrten Blutes, und ihr Inhalt kommt
dadurch neuerdings unter geringere Spannung. Neue Bewegung,
neue Stauung des Blutes und Steigerung des Druckes in den Venen
kann den Vorgang nach einer gewissen Zeit wieder hervorrufen,
und es kann daher die Steigerung des arteriellen Blutdruckes im Laufe
des Versuches nach längeren oder kürzeren Zwischenräumen perio-
disch wiederkehren.
Dass die hier versuchte Deutung der spontanen Steigerung des
Blutdruckes bei bestehendem -f BD die richtige ist, beweist ein sehr
einfacher Versuch; wird nämlich während der Dauer eines -f BD,
wenn der Blutdruck gesunken ist oder selbst horizontal verzeichnet
wird, die Ursache der Erscheinung nachgeahmt, d. h. ein Druck mit
der Hand auf die Halsvenen oder auf den Bauch ausgeĂĽbt, so erscheint
sofort eine Steigerung des Blutdruckes, die mit einer Zunahme der
Ăśber den Elnfluss der Athembeweguuigen auf Herzschlag und Blutdruck. 373
Frequenz der Herzschläge im Zusammenhange auftritt (Versuche
Nr. 44, 45 der Tabelle I).
Wir haben oben gesehen, dass der hohe -\- RD in Folge einer
zweifachen Wirkungsweise die Zufuhr des Blutes zum Herzen mehr
oder weniger erschwert und aufhebt, das Blut in den Venen staut
und dessen Spannung daher vermehrt. Es ist aus theoretischen
GrĂĽnden ohne Weiteres klar und bedarf wohl kaum des Beweises,
dass der bestehende hohe -f- RD eine Zunahme in der Spannung des
Venenblutes nothwendig zur Folge haben inuss; ich habe mich aber
zum Ăśberfluss auch von dieser Thatsache durch directe Messung des
Venendruckes überzeugt. Lässt man den Druck in der V. jugularis
externa graphisch verzeichnen und ĂĽbt dabei einen hohen -\- RD aus,
so wird man regelmässig finden, dass während der Dauer desselben
die Spannung in der Vene eine bedeutende Zunahme erfährt, die
so lange anhält, als der -f- RD selbst und nach dessen Lösung wieder
ausgeglichen wird. So fand ich, um ein Beispiel anzufĂĽhren, in einem
Versuche während der Ausübung eines -f- RD von 65 Millim. Hg
eine Erhöhung des Venendruckes von 27 Millim. Hg auf 1 1-7 Millim.
Hg, also mehr als um das Vierfache; in einem andern Versuche bei
einem -f- RD von 125 Millim. Hg stieg während der Dauer desselben
die Spannung in der Vene von ihrem ursprĂĽnglichen Werthe von
4-5 Millim. Hg auf 171 Millim. Hg.
c) Der positive R e s p i r a t i o n s d r u c k verändert die
Schlagfolge des Herzens und zwar auf doppelte Weise,
indem er einmal eine d i r e c t e H e r z r e i z u n g e r z e u g t u n d
zweitens eine V a g u s r e i z u n g bedingt.
Bei bestehendem -f- RD verhalten sich die Herzschläge sehr ver-
schieden, wie es ein Blick auf die beigefĂĽgte Tab. I leicht lehren wird.
In der Mehrzahl der Fälle erleidet die Zahl der Herzschläge
während der Dauer eines niedrigen oder massigen -f- RD (etwa bis
30 oder 40 Millim. Hg) eine Abnahme, die Herzschläge werden sel-
tener; es kommen aber auch Fälle vor, wo die Zahl der Herzschläge
keinerlei Veränderung erfährt oder selbst eine sehr geringe Zunahme
beobachtet wird; doch sind die beiden letzten Fälle immer selten im
Vergleiche zum ersten. Steigt der -f RD höher, so nimmt die Zahl der
Herzschläge meist zu, doch kommen auch hier, wenn auch nur sehr
selten, Ausnahmen vor. Erreicht endlich der -j- RD seinen höchsten
Sil/.l». d. mathem.-naturw. Cl. XL. Bd. Nr. 10. 20
374 Einbrodt.
Werth, so ĂĽbt er wieder einen mindernden Einfluss auf die Zahl der
Herzschläge, wobei aber wiederum Ausnahmen vorkommen können,
und bewirkt endlich sogar Stillstand des Herzens (Versuche
31, 32, 40, 41, 42 der Tabelle I).
Von dem wirklichen Eintreten eines Stillstandes der Herzbewe-
gung, was fĂĽr den Menschen z. B. von Vierordt *) geleugnet wird,
habe ich mich mit Hilfe des schon erwähnten Fühlhebels sowohl als
auch mittelst direct in's Herz eingestossener Nadeln auf das Sorg-
fältigste überzeugt.
Der Stillstand des Herzens kann ziemlich lange anhalten ; so
habe ich ihn in mehreren Fällen über 30 Secunden lang dauern
gesehen ; es kann sich aber auch bei fortdauerndem -|- RD nach
kürzerer oder längerer Zeit derHerzschlag wieder einstellen; nur bei
sehr hohem -f- RD verharrt das Herz gewöhnlich so lange in Still-
stand, als der Druck fortbesteht.
Überlegt man etwas näher das so eben besprochene Verhalten
in der Zahl der Herzschläge bei bestehendem -\- RD, so wird ohne
Weiteres klar, dass man es hier nicht mit einem einfachen EinflĂĽsse
zu thun hat , und man gelangt, indem man die Bedingungen näher
analysirt, zu der Ăśberzeugung, dass der -f- RD, wie wir es schon
oben vorgreifend ausgesprochen, nach zwei Richtungen hin wirksam
ist, indem er 1. eine directe Herzreizung einleitet und 2. eine
Vagusreizung bedingt. Nimmt man diese beiden Wirkungen des
-J- RD als wirklich bestehend an, so lässt sich aus ihrer gegenseitigen
Wechselwirkung, unter BerĂĽcksichtigung der Thatsachen, die ĂĽber
die gleichzeitige Reizung des Herzens und des N. vagus mit Induc-
lionsströmen bekannt geworden sind 2) , das so verschiedene Ver-
halten in der Zahl der Herzschläge bei bestehendem -|- RD unschwer
ableiten. Fassen wir daher die Gründe etwas näher in's Auge, die
unsere Annahme zu unterstĂĽtzen scheinen.
FĂĽr eine unmittelbare Herzreizung sprechen mehrere
Umstände und zunächst schon die mechanische Wirkung des -J- RD,
in Folge derer die Lungen bedeutend aufgetrieben werden und auf
das Herz einen Druck ausĂĽben mĂĽssen ; es stimmt mit dieser
M Gruudriss der Physiologie <lcs Menschen. I.'l'h. |>. 104. Anmerkung'.
*) Wiener Sitzungsberichte, IUI. XXXVIII, p. 352.
Ăśber den EinHuss der Athembeweg-ungen auf Herzschlag und Blutdruck. 375
Anschauung die Thatsache, dass eine Zunahme in der Zahl der Herz-
schlage (als Folge einer Herzreizung) nur äusserst selten während
des Bestehens eines geringen -f- RD beobachtet wird, fast constant
dagegen auftritt, wenn der -j- RD einen höhern Werth erlangt, denn
der Druck, den das Herz durch die Lungen erfährt, kann im ersten
Falle nicht beträchtlich sein und daher keine Reizung bedingen,
nimmt aber zu bei steigendem RD.
Es spricht zweitens fĂĽr unsere Anschauung die schon oben
erwähnte Erfahrung, dass die Zahl der Herzschlüge augenblicklich
und bedeutend vermehrt wird, wenn bei bestehendem RD Blut in's
Herz eingestossen wird, sei es in Folge einer eingetretenen Inspi-
ration oder der bis zu einem gewissen Grade gesteigerten Spannung
in den Venen oder endlich in Folge von Druck auf den Bauch und
die Halsvenen , von Gliederbewegungen etc. In allen diesen Fällen
befindet sich das Herz in einem Zustande, in Folge dessen es durch
neu eintretende Blutmassen gereizt werden muss; wenn nämlich die
Hemmung, welche der -j- RD dem Blute ausserhalb der Brust ent-
gegensetzt, durch Anstauung oder durch Muskelbewegung, oder
endlich durch mechanischen Gegendruck ĂĽberwunden wird , so
geht das Blut mit Pressung in's Herz ein und dasselbe erfolgt nach
eingetretener Inspiration, denn das Blut langt jetzt unter hoher
Spannung an; nun wird das Herz von innen und aussen, durch Blut
und Lunge gedrĂĽckt , es muss also eine lebhafte Bewegung einge-
leitet werden; gerade wie auch das lebende Herz, wenn es zwi-
schen den Fingern gedrückt wird, schneller schlägt.
Drittens kann zu Gunsten einer directen Herzreizung die nicht
selten von mir beobachtete Erscheinung angefĂĽhrt werden, dass dem
Stillstande des Herzens nicht immer eine Verlangsamung der Herz-
schläge vorangeht, sondern dass zuweilen, so zu sagen, ein Über-
springen stattfindet von frequentem Herzschlag zu vollkommenem
Stillstand der Herzbewegung.
Die angefĂĽhrten Wahrnehmungen scheinen unsere Annahme
einer unmittelbaren Herzreizung zu rechtfertigen, und ich möchte
nur hervorheben, dass der Druck der Lunge auf die äussere Ober-
fläche des Herzens wahrscheinlich mehr als begünstigendes Moment
betrachtet werden muss, während die wahre Ursache der Reizung
auf der innern Oberfläche des Herzens stattfindet und sich aus dem
mit Pressung einströmenden Blule ableitet.
26*
376 Binbrodt.
Der erhöhte -\- RD bedingt aber auch Vagusreiz ung,
welche, wenn kein directer Reiz auf das Herz wirkt, eine
VerlangsamĂĽng der Herzbewegung einleitet.
Mit dieser Anschauung steht zunächst die Thatsache in Über-
einstimmung, dass die Verlangsamung der Herzschläge-bei bestehendem
-\- RD vorzugsweise bei niedrigem Druck eintritt, der das Einströmen
von Blut in den Brustkasten nicht aufhebt; hier kann die Vagus-
reizung aus einem doppelten Grunde sich geltend machen, einmal
nämlich , weil bei niederem Drucke die Zusammendrückung des
Herzens durch die Lungen nicht bedeutend werden kann und dann
weil die Ursache zur unmittelbaren Herzreizung von der innern
Oberfläche des Herzens aus wegfällt, nämlich das unter hohem
Druck einströmende Blut.
Ebenso spricht fĂĽr unsere Anschauung die Erfahrung , dass die
VerlangsamĂĽng derHerzbew egung auch bei sehr ho he in -f- RD auf-
tritt, welcher alles Zuströmen zum Herzen hemmt; hier wird freilich
auf die äussere Oberfläche des Herzens durch die unmässig ausge-
dehnten Lungen schon ein stärkerer Druck ausgeübt ; wahrscheinlich
wird er aber, wie wir schon erwähnt, für sieh allein keine genügende
Heizung des Herzens einleiten können, und da der Zufluss des Blutes
zum Herzen vollkommen aufgehoben ist und durch die oben genannten
Bedingungen nicht mehr hergestellt wird, so fehlt hier die^directe
Herzreizung.
Es spricht zweitens fĂĽr uns der bei hohem -j- RD nicht selten
eintretende Herzstillstand; freilich erreicht bei gehemmter
Herzbewegung die die Vagusreizung bedingende Ursache (die wir
sogleich kennen lernen werden) nicht ihr Maximum, aber dieses wird
durch das Fehlen der directen Herzreizung wiederum compensirt.
Viertens kann hier angefĂĽhrt werden , dass wenn bei beste-
hendem -\-RD in Folge früher besprochener Umstände eine bestimmte
Quantität Blut von Neuem in's Herz anlangt und der Blutdruck dann
unter Eintritt beschleunigter Herzbewegungen steigt, die Herzschläge
alsbald wieder verlangsamt werden und der Blutdruck wieder eine
Abnahme erfährt.
Endlich findet hier